Korruption: Unterschied zwischen den Versionen

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Es wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgüter (zum Beispiel Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, freier Wettbewerb oder Prinzip der demokratischen Gleichheit) ausgegangen. Die Frage nach dem Kern aller Straftatbestände bleibt damit unbeantwortet.
Es wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgüter (zum Beispiel Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, freier Wettbewerb oder Prinzip der demokratischen Gleichheit) ausgegangen. Die Frage nach dem Kern aller Straftatbestände bleibt damit unbeantwortet.


===Zusammenhänge mit anderen Begriffen===
==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==


[[Anomie]], [[Subkultur]], Occupational Crime, Corporate Crime, [[White-Collar Crime]], [[Makrokriminalität]], [[Kriminalität der Mächtigen]].<br>
[[Anomie]], [[Subkultur]], Occupational Crime, Corporate Crime, [[White-Collar Crime]], [[Makrokriminalität]], [[Kriminalität der Mächtigen]].<br>
Angesichts zahlreicher Beispiele fuer den Einfluss der Mafia auf Politik und Verwaltung (USA, Prohibitionszeit, Italien: nach dem 2. Weltkrieg) herrscht unter KriminologInnen eine erstaunliche Einigkeit darüber, dass Korruption selten im Zusammenhang mit [[Organisierte Kriminalität|Organisierter Kriminalität]] auftritt. (BKA 2004, S.43; Bannenberg 2002, S.111f.; Besozzi 2001, S.53f.)
Angesichts zahlreicher Beispiele fuer den Einfluss der Mafia auf Politik und Verwaltung (USA, Prohibitionszeit, Italien: nach dem 2. Weltkrieg) herrscht unter KriminologInnen eine erstaunliche Einigkeit darüber, dass Korruption selten im Zusammenhang mit [[Organisierte Kriminalität|Organisierter Kriminalität]] auftritt. (BKA 2004, S.43; Bannenberg 2002, S.111f.; Besozzi 2001, S.53f.)


===Empirie===
==Empirie==


„Die amtlichen Statistiken vermitteln kein adäquates Bild der Wirklichkeit der Korruption.“ (Bannenberg 2002, S.58). Sie können dies auch kaum, denn es handelt sich um ein Kontrolldelikt, das heißt, Korruption ist nicht einfach für dritte beobachtbar, es fehlt meistens an einem personalen Opfer („opferlose Kriminalität“), welches der typische Informant für die Behörden ist (Erschwernis der Dunkelfeldforschung), und es muss grundsätzlich von einer Verdeckung bzw. Abschottung der Tathandlungen ausgegangen werden. Statistisch schlagen sich also in der Regel nur diejenigen Fälle nieder, in denen Strafverfolgungsbehörden von sich aus aktiv geworden sind. So haben zum Beispiel diejenigen Bundesländer einen erheblichen Anstieg an Korruptionsfällen zu verzeichnen, in denen von [[Polizei]] und Staatsanwaltschaft spezielle Dienststellen zur Korruptionsbekämpfung ins Leben gerufen wurden. Das Dunkelfeld wird folglich als „beachtlich“ (BKA 2004, S.47) eingeschätzt: „Die Masse der Korruptionsdelikte wird den Verfolgungsbehörden nicht bekannt und damit statistisch nicht erfasst. Die aufgeklärten Fälle bilden nur die Spitze des Eisbergs.“ (Bannenberg/Schaupensteiner 2004, S.36).<br>
„Die amtlichen Statistiken vermitteln kein adäquates Bild der Wirklichkeit der Korruption.“ (Bannenberg 2002, S.58). Sie können dies auch kaum, denn es handelt sich um ein Kontrolldelikt, das heißt, Korruption ist nicht einfach für dritte beobachtbar, es fehlt meistens an einem personalen Opfer („opferlose Kriminalität“), welches der typische Informant für die Behörden ist (Erschwernis der Dunkelfeldforschung), und es muss grundsätzlich von einer Verdeckung bzw. Abschottung der Tathandlungen ausgegangen werden. Statistisch schlagen sich also in der Regel nur diejenigen Fälle nieder, in denen Strafverfolgungsbehörden von sich aus aktiv geworden sind. So haben zum Beispiel diejenigen Bundesländer einen erheblichen Anstieg an Korruptionsfällen zu verzeichnen, in denen von [[Polizei]] und Staatsanwaltschaft spezielle Dienststellen zur Korruptionsbekämpfung ins Leben gerufen wurden. Das Dunkelfeld wird folglich als „beachtlich“ (BKA 2004, S.47) eingeschätzt: „Die Masse der Korruptionsdelikte wird den Verfolgungsbehörden nicht bekannt und damit statistisch nicht erfasst. Die aufgeklärten Fälle bilden nur die Spitze des Eisbergs.“ (Bannenberg/Schaupensteiner 2004, S.36).<br>
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Über die negativen Folgen der Korruption besteht in der Forschung weitestgehend Einigkeit. Korruption bewirkt einen Vertrauens- oder Legitimitätsverlust öffentlicher Institutionen und Funktionsträger, bestehende Ungleichheiten werden zementiert oder verschärft, und meistens resultiert aus Korruption eine Überteuerung öffentlicher Güter zu Lasten der Allgemeinheit. Allein in der Bauindustrie wird ein jährlicher Schaden von 5 Milliarden Euro geschätzt; bis zu 5% des BSP sollen auf Schmiergelder entfallen, und korruptiv ausgehandelte Preise liegen im Schnitt 30% über den Marktpreisen (Vgl. Eigen 2003, S.139; Schaupensteiner 1996, S.7; Bannenberg 2002, S.240ff.)<br>
Über die negativen Folgen der Korruption besteht in der Forschung weitestgehend Einigkeit. Korruption bewirkt einen Vertrauens- oder Legitimitätsverlust öffentlicher Institutionen und Funktionsträger, bestehende Ungleichheiten werden zementiert oder verschärft, und meistens resultiert aus Korruption eine Überteuerung öffentlicher Güter zu Lasten der Allgemeinheit. Allein in der Bauindustrie wird ein jährlicher Schaden von 5 Milliarden Euro geschätzt; bis zu 5% des BSP sollen auf Schmiergelder entfallen, und korruptiv ausgehandelte Preise liegen im Schnitt 30% über den Marktpreisen (Vgl. Eigen 2003, S.139; Schaupensteiner 1996, S.7; Bannenberg 2002, S.240ff.)<br>


====Korruptionsfälle====
===Korruptionsfälle===
*Bei der Firma "Siemens" entdeckten Ermittler 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen (Klawitter 2008).
*Bei der Firma "Siemens" entdeckten Ermittler 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen (Klawitter 2008).


====Korruptionsindex====
===Korruptionsindex===


Ein u.a. auch von Transparency International genutzter Korruptions-Index wurde 1995 vom Passauer Wirtschafts-Professor Johann Graf Lambsdorff entwickelt. Nach diesem Index befand sich Deutschland auf der Skala von 0 (= sehr korrupt) bis 10 (= weitestgehend keine Korruption) im Jahre 2008 mit 7,9 Punkten auf Rang 14 in der Welt (Platz 1 = Dänemark, Neuseeland und Schweden; Platz 18 = USA; Platz 147 = Russland; Platz 180 = Somalia).
Ein u.a. auch von Transparency International genutzter Korruptions-Index wurde 1995 vom Passauer Wirtschafts-Professor Johann Graf Lambsdorff entwickelt. Nach diesem Index befand sich Deutschland auf der Skala von 0 (= sehr korrupt) bis 10 (= weitestgehend keine Korruption) im Jahre 2008 mit 7,9 Punkten auf Rang 14 in der Welt (Platz 1 = Dänemark, Neuseeland und Schweden; Platz 18 = USA; Platz 147 = Russland; Platz 180 = Somalia).


===Kriminologische Relevanz===
==Kriminologische Relevanz==


Korruption kann als Musterbeispiel dafür gelten, wie [[abweichendes Verhalten]] durch [[soziale Kontrolle]] erst konstruiert wird, dies ergibt sich daraus, dass die Grenzen zwischen Korruption, legitimer Einflussnahme, Lobbyismus und Interessenpolitik fließend sind. Was als korrupt gilt, unterliegt zudem einer hohen kulturspezifischen und rechtlichen Variabilität, insofern kann das Thema „Korruption“ als Anwendungsfall des [[Labeling|Labeling-Approaches]] dienen.<br>
Korruption kann als Musterbeispiel dafür gelten, wie [[abweichendes Verhalten]] durch [[soziale Kontrolle]] erst konstruiert wird, dies ergibt sich daraus, dass die Grenzen zwischen Korruption, legitimer Einflussnahme, Lobbyismus und Interessenpolitik fließend sind. Was als korrupt gilt, unterliegt zudem einer hohen kulturspezifischen und rechtlichen Variabilität, insofern kann das Thema „Korruption“ als Anwendungsfall des [[Labeling|Labeling-Approaches]] dienen.<br>
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