Korruption: Unterschied zwischen den Versionen

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*In einem weiteren Sinne ist Korruption ein "unmoralischer Tausch" (Neckel 1995), der universalistische Standards (und nicht mehr nur allein: öffentliche Interessen) zugunsten partikularistischer Normen verletzt. Korruption ist eine „soziale Beziehung zwischen individuellen Akteuren, die unter Missachtung der auf das Rollenhandeln gerichteten universalistischen Erwartungen um die (...) partikularistische Komponente eines persönlichen Austauschverhältnisses erweitert wird“ (Höffling 2002, S.25). Das Tauschobjekt hierbei ist ein Gut oder eine Leistung, welches prinzipiell nicht käuflich sein sollte. Auch nicht-öffentliche Entscheidungsträger wie Manager oder Schiedsrichter können danach korrupt sein, wenn sie ein je systemrelatives Normensystem (Wirtschaft, Sport) verletzen. Sie handeln auch nicht immer nur aus egoistischen Motiven, sondern häufig auch zu Gunsten ihrer Organisation/Firma. Drittens kann man sagen: „nicht alle korrupten Handlungen verletzen das öffentliche Interesse, und nicht alle Handlungen gegen das öffentliche Interesse sind korrupt“ (Kurer 2003, S.48).
*In einem weiteren Sinne ist Korruption ein "unmoralischer Tausch" (Neckel 1995), der universalistische Standards (und nicht mehr nur allein: öffentliche Interessen) zugunsten partikularistischer Normen verletzt. Korruption ist eine „soziale Beziehung zwischen individuellen Akteuren, die unter Missachtung der auf das Rollenhandeln gerichteten universalistischen Erwartungen um die (...) partikularistische Komponente eines persönlichen Austauschverhältnisses erweitert wird“ (Höffling 2002, S.25). Das Tauschobjekt hierbei ist ein Gut oder eine Leistung, welches prinzipiell nicht käuflich sein sollte. Auch nicht-öffentliche Entscheidungsträger wie Manager oder Schiedsrichter können danach korrupt sein, wenn sie ein je systemrelatives Normensystem (Wirtschaft, Sport) verletzen. Sie handeln auch nicht immer nur aus egoistischen Motiven, sondern häufig auch zu Gunsten ihrer Organisation/Firma. Drittens kann man sagen: „nicht alle korrupten Handlungen verletzen das öffentliche Interesse, und nicht alle Handlungen gegen das öffentliche Interesse sind korrupt“ (Kurer 2003, S.48).
Soziologisch betrachtet ist Korruption eine soziale Beziehung zwischen Akteuren, die sich auf „die normbildende Kraft der Freundschaft" verlassen und auf ihr Vermögen, das Beziehungsmuster der Beteiligten aus den Anforderungen eines sachlich geregelten Kontextes herauszulösen“ (Neckel 1995, S.12).
Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet ist Korruption ein profitmaximierender Tausch unter Nutzung (oder zur Herstellung) eines zusätzlichen (illegalen) Marktes. Sie ist Folge und zugleich Ausdruck und Ursache von Marktunvollkommenheiten. Die Akteure handeln rational kalkulierend um unter den gegebenen Umständen den persönlichen Nutzen zu maximieren. Korruption ist unter den Bedingungen unvollkommener Märkte für die beteiligten Akteure die effizienteste Handlungsalternative. Sie löst Selektionsprobleme, führt zur Durchsetzung höherer Erträge, beschleunigt Entscheidungsabläufe und dient der Absicherung anderer illegaler Handlungen (Neugebauer 1978, Dietz 1998).
Moralunternehmerisch betrachtet ist Korruption ein Synonym für Desintegration oder Anomie, wenn nicht gar das „Verdichtungssymbol des Unmoralischen“ schlechthin (Höffling 2002, S.15). Korruption wird in solchen Kontexten gerne als Sumpf, Krake, Pestilenz oder Seuche bezeichnet.




===Merkmale===
===Merkmale ===


*''Vorteilsgewährung''. Die korrumpierende Handlung verschafft dem Korrumpierten einen unmittelbaren materiellen oder immateriellen Vorteil in Bezug auf private Interessen für eine Verwaltungshandlung, auf die der Korrumpierende keinen Anspruch hat.
*''Vorteilsgewährung''. Die korrumpierende Handlung verschafft dem Korrumpierten einen unmittelbaren materiellen oder immateriellen Vorteil in Bezug auf private Interessen für eine Verwaltungshandlung, auf die der Korrumpierende keinen Anspruch hat.
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*''Geheimhaltung''. Auf Seiten beider Beteiligten ist Korruption durch das Bemühen der Geheimhaltung gekennzeichnet.
*''Geheimhaltung''. Auf Seiten beider Beteiligten ist Korruption durch das Bemühen der Geheimhaltung gekennzeichnet.


Soziologisch betrachtet ist Korruption eine soziale Beziehung zwischen Akteuren, die sich auf „die normbildende Kraft der Freundschaft" verlassen und auf ihr Vermögen, das Beziehungsmuster der Beteiligten aus den Anforderungen eines sachlich geregelten Kontextes herauszulösen“ (Neckel 1995, S.12).
Korruption im Sinne von Amtsmissbrauch ist kein neuzeitliches Phänomen. Vor über dreitausend Jahren schon unterschied man in Ägypten und in Babylon zwischen Geschenken und Bezahlungen einerseits und Bestechungsgeldern andererseits, und man ergriff zum Tei drastische Maßnahmen gegen unerwünschte Tauschhandlungen: ägyptische Priester wurden 1.300 v.Chr. zum Tode verurteilt, wenn sie sich bei Ausübung richterlicher Funktionen beeinflussen ließen. (Scheuch 2002, S.80) Ein indisches Manuskript, Die „Arthshastra“, 2.500 Jahre alt, betonte die negativen Folgen von Korruption für die Ökonomie und empfahl den königlichen Beamten deren Bekämpfung (Jain 1998, S.vii), und auch Konfuzius (551-479 v. Chr.) erkannte Korruption als gesellschaftliches Grundübel (Ricks 1995, S.91).<br>
Wo immer unter den geschichtlichen Bedingungen herrschaftlich organisierter Vergesellschaftung deren Modalität kritisch reflektiert wurde, findet sich durchgehend die Thematisierung pflichtvergessener, korrupter Herrscher und Beamter und man problematisierte den Ämterkauf. (Vgl. Schuller 1982; Gebhardt 2003, S.17) Sowohl in der Antike (Thukydides, Platon, Aristoteles), in der römischen Republik (Cicero), im westlichen lateinischen Christentum (Augustinus) als auch im italienischen Humanismus charakterisierte man Korruption darüber hinaus als übergreifenden Prozess des moralischen Niedergangs und als Krise des institutionellen Ordnungsgefüges (Gebhardt 2003).<br>
 
== Geschichte ==
In der europäischen Politik des 17. bis 19. Jahrhunderts allerdings gehörte Korruption, verstanden als Ämterkauf und Privilegienhandel, zum politischen Alltag, sie war normaler Bestandteil der politischen Kultur, und von einem diesbezüglichen Unrechtsbewusstsein konnte keine Rede sein. Man spricht in Bezug auf diese Epoche deshalb von „Proto-Korruption“ (Noack 1987, S.44ff.). Erst mit dem Aufkommen einer Beamtenschaft, der Herausbildung von Parteien im modernen Sinn sowie mit der Etablierung einer kritischen Öffentlichkeit (Presse) im Zusammenhang mit einem gewissen puritanischen Zeitgeist wurden diese Vorgänge in Europa skandalisiert.<br>
In der soziologischen Tradition, vor allem bei Max Weber und Emile Durkheim, wurde Korruption als struktureller sozialer Tatbestand identifiziert. (Schmidt 2003) Sie erscheint hier zugleich als pathologische Erscheinung des Sozialen und als Integrationsmoment für Gesellschaften.


Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet ist Korruption ein profitmaximierender Tausch unter Nutzung (oder zur Herstellung) eines zusätzlichen (illegalen) Marktes. Sie ist Folge und zugleich Ausdruck und Ursache von Marktunvollkommenheiten. Die Akteure handeln rational kalkulierend um unter den gegebenen Umständen den persönlichen Nutzen zu maximieren. Korruption ist unter den Bedingungen unvollkommener Märkte für die beteiligten Akteure die effizienteste Handlungsalternative. Sie löst Selektionsprobleme, führt zur Durchsetzung höherer Erträge, beschleunigt Entscheidungsabläufe und dient der Absicherung anderer illegaler Handlungen (Neugebauer 1978, Dietz 1998).


Moralunternehmerisch betrachtet ist Korruption ein Synonym für Desintegration oder Anomie, wenn nicht gar das „Verdichtungssymbol des Unmoralischen“ schlechthin (Höffling 2002, S.15). Korruption wird in solchen Kontexten gerne als Sumpf, Krake, Pestilenz oder Seuche bezeichnet.
== Korruption als Kriminalität ==


Korruption als Kriminalität schließlich umfasst die strafrechtlich sanktionierten Handlungen. Weder im Strafrecht noch in anderen Gesetzesbüchern findet sich eine Legaldefinition. Im Sinne eines justitiablen Amtsdeliktes wird Korruption jedoch definiert als strafrechtlich verbotenes Handeln oder Unterlassen, das unter Missbrauch einer amtlichen Funktion in Eigeninitiative oder auf Veranlassung auf die Gewährung oder Erlangung eines materiellen oder immateriellen Vorteils für sich oder einen Dritten gerichtet ist. In Deutschland: Vorteilsannahme § 331 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechlichkeit § 332 <nowiki>StGB</nowiki>, Vorteilsgewährung § 333 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechung § 334 <nowiki>StGB</nowiki>, Besonders schwerere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung § 335 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 299 <nowiki>StGB</nowiki> und Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 300 <nowiki>StGB</nowiki>.<br> Diese Delikte treten in der Regel in Verbindung mit weiteren Straftaten, den sogenannten 'Begleitdelikten', auf. Zu nennen sind hier insbesondere: Strafvereitelung im Amt § 258a <nowiki>StGB</nowiki>, Betrug § 263 <nowiki>StGB</nowiki>, Subventionsbetrug § 264 <nowiki>StGB</nowiki>, Untreue § 266 <nowiki>StGB</nowiki>, Urkundenfälschung § 267 <nowiki>StGB</nowiki>, Wettbewerbseinschränkende Absprachen bei Ausschreibungen § 298 <nowiki>StGB</nowiki>, Falschbeurkundung im Amt § 348 <nowiki>StGB</nowiki>, Verletzung des Dienstgeheimnisses § 353b <nowiki>StGB</nowiki>, Steuerhinterziehung § 370 AO.<br>
Weder im Strafrecht noch in anderen Gesetzesbüchern findet sich eine Legaldefinition. Im Sinne eines justitiablen Amtsdeliktes wird Korruption jedoch definiert als strafrechtlich verbotenes Handeln oder Unterlassen, das unter Missbrauch einer amtlichen Funktion in Eigeninitiative oder auf Veranlassung auf die Gewährung oder Erlangung eines materiellen oder immateriellen Vorteils für sich oder einen Dritten gerichtet ist. In Deutschland: Vorteilsannahme § 331 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechlichkeit § 332 <nowiki>StGB</nowiki>, Vorteilsgewährung § 333 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechung § 334 <nowiki>StGB</nowiki>, Besonders schwerere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung § 335 <nowiki>StGB</nowiki>, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 299 <nowiki>StGB</nowiki> und Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 300 <nowiki>StGB</nowiki>.<br> Diese Delikte treten in der Regel in Verbindung mit weiteren Straftaten, den sogenannten 'Begleitdelikten', auf. Zu nennen sind hier insbesondere: Strafvereitelung im Amt § 258a <nowiki>StGB</nowiki>, Betrug § 263 <nowiki>StGB</nowiki>, Subventionsbetrug § 264 <nowiki>StGB</nowiki>, Untreue § 266 <nowiki>StGB</nowiki>, Urkundenfälschung § 267 <nowiki>StGB</nowiki>, Wettbewerbseinschränkende Absprachen bei Ausschreibungen § 298 <nowiki>StGB</nowiki>, Falschbeurkundung im Amt § 348 <nowiki>StGB</nowiki>, Verletzung des Dienstgeheimnisses § 353b <nowiki>StGB</nowiki>, Steuerhinterziehung § 370 AO.<br>


== Rechtsgut ==
=== Rechtsgut ===
Es wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgüter (zum Beispiel Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, freier Wettbewerb oder Prinzip der demokratischen Gleichheit) ausgegangen. Die Frage nach dem Kern aller Straftatbestände bleibt damit unbeantwortet.
Es wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgüter (zum Beispiel Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, freier Wettbewerb oder Prinzip der demokratischen Gleichheit) ausgegangen. Die Frage nach dem Kern aller Straftatbestände bleibt damit unbeantwortet.
===Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt?===
Korruption im Sinne von Amtsmissbrauch ist kein neuzeitliches Phänomen. Vor über dreitausend Jahren schon unterschied man in Ägypten und in Babylon zwischen Geschenken und Bezahlungen einerseits und Bestechungsgeldern andererseits, und man ergriff zum Tei drastische Maßnahmen gegen unerwünschte Tauschhandlungen: ägyptische Priester wurden 1.300 v.Chr. zum Tode verurteilt, wenn sie sich bei Ausübung richterlicher Funktionen beeinflussen ließen. (Scheuch 2002, S.80) Ein indisches Manuskript, Die „Arthshastra“, 2.500 Jahre alt, betonte die negativen Folgen von Korruption für die Ökonomie und empfahl den königlichen Beamten deren Bekämpfung (Jain 1998, S.vii), und auch Konfuzius (551-479 v. Chr.) erkannte Korruption als gesellschaftliches Grundübel (Ricks 1995, S.91).<br>
Wo immer unter den geschichtlichen Bedingungen herrschaftlich organisierter Vergesellschaftung deren Modalität kritisch reflektiert wurde, findet sich durchgehend die Thematisierung pflichtvergessener, korrupter Herrscher und Beamter und man problematisierte den Ämterkauf. (Vgl. Schuller 1982; Gebhardt 2003, S.17) Sowohl in der Antike (Thukydides, Platon, Aristoteles), in der römischen Republik (Cicero), im westlichen lateinischen Christentum (Augustinus) als auch im italienischen Humanismus charakterisierte man Korruption darüber hinaus als übergreifenden Prozess des moralischen Niedergangs und als Krise des institutionellen Ordnungsgefüges (Gebhardt 2003).<br>
In der europäischen Politik des 17. bis 19. Jahrhunderts allerdings gehörte Korruption, verstanden als Ämterkauf und Privilegienhandel, zum politischen Alltag, sie war normaler Bestandteil der politischen Kultur, und von einem diesbezüglichen Unrechtsbewusstsein konnte keine Rede sein. Man spricht in Bezug auf diese Epoche deshalb von „Proto-Korruption“ (Noack 1987, S.44ff.). Erst mit dem Aufkommen einer Beamtenschaft, der Herausbildung von Parteien im modernen Sinn sowie mit der Etablierung einer kritischen Öffentlichkeit (Presse) im Zusammenhang mit einem gewissen puritanischen Zeitgeist wurden diese Vorgänge in Europa skandalisiert.<br>
In der soziologischen Tradition, vor allem bei Max Weber und Emile Durkheim, wurde Korruption als struktureller sozialer Tatbestand identifiziert. (Schmidt 2003) Sie erscheint hier zugleich als pathologische Erscheinung des Sozialen und als Integrationsmoment für Gesellschaften.


===Zusammenhänge mit anderen Begriffen===
===Zusammenhänge mit anderen Begriffen===
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