Louk Hulsman: Unterschied zwischen den Versionen

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===Methodologischer und rechtsphilosophischer Ansatz===
===Methodologischer und rechtsphilosophischer Ansatz===


Hulsmans Ansatz wurde von Ralf de Folter mit denjenigen von Michel Foucault einerseits und Thomas Mathiesen andererseits verglichen.
Als einer der führenden "penal abolitionists" attackierte Hulsman nicht nur die Ineffektivität der Gefängnisse, sondern - viel radikaler - die Wurzeln des Strafdenkens und des Strafsystems insgesamt. So argumentierte er zum Beispiel, dass der Begriff "Kriminalität" den Blick auf die Realität und die Lösung der damit bezeichneten Probleme eher erschwere und deshalb nicht als Werkzeug der Kriminologie, sondern als Gegenstand kriminologischer Kritik benutzt werden sollte. Er fand es
Als einer der führenden "penal abolitionists" attackierte Hulsman nicht nur die Ineffektivität der Gefängnisse, sondern - viel radikaler - die Wurzeln des Strafdenkens und des Strafsystems insgesamt. So argumentierte er zum Beispiel, dass der Begriff "Kriminalität" den Blick auf die Realität und die Lösung der damit bezeichneten Probleme eher erschwerte als erleichterte und deshalb nicht mehr benutzt werden sollte:


::''(The) "categories of 'crime' are given by the criminal justice system rather than by victims or society in general. This makes it necessary to abandon the notion of 'crime' as a tool in the conceptual framework of criminology. Crime has no ontological reality. Crime is not the object but the product of criminal policy. Criminalisation is one of the many ways of constructing social reality"'' (Hulsman 1986: 34 f.).
::''necessary to abandon the notion of 'crime' as a tool in the conceptual framework of criminology. Crime has no ontological reality. Crime is not the object but the product of criminal policy. Criminalisation is one of the many ways of constructing social reality"'' (Hulsman 1986: 34 f.).


Die Vorstellung, dass schon das Konzept "Kriminalität" im Grunde genommen ein der Vielfalt der lebensweltlichen Problemlagen Gewalt antuender staatlicher Oktroi darstellt, weist eine gewisse Wahlverwandtschaft mit dem Geist der Dekonstruktion auf, weist sie doch logischerweise auch die ganze "Große Erzählung" von der Humanisierung des Strafens, von Schuld, Vernunft und Staatlichkeit zurück. Weder kann Kriminalität deshalb als nahezu deckungsgleich mit sozial schädlichen Akten oder mit der Verletzung von Rechtsgütern angesehen werden noch ist es möglich, Kriminalität theoretisch zu erklären. Hinzu kommen die Indizien für die Unfähigkeit des Strafrechtssystems, die als "Kriminalität" zu falscher Abstraktion erhobene Vielfalt von Problemlagen anders als durch prozedurale Stillstellung zu "lösen" und die Hoffnung, dass fast alles andere besser wäre als das Strafrecht, um die berechtigten Bedürfnisse aller Beteiligten zu befriedigen.
Die Vorstellung, dass schon das Konzept "Kriminalität" im Grunde genommen ein der Vielfalt der lebensweltlichen Problemlagen Gewalt antuender staatlicher Oktroi darstellt, weist eine gewisse Wahlverwandtschaft mit dem Geist der Dekonstruktion auf, weist sie doch logischerweise auch die ganze "Große Erzählung" von der Humanisierung des Strafens, von Schuld, Vernunft und Staatlichkeit zurück. Weder kann Kriminalität deshalb als nahezu deckungsgleich mit sozial schädlichen Akten oder mit der Verletzung von Rechtsgütern angesehen werden noch ist es möglich, Kriminalität theoretisch zu erklären. Hinzu kommen die Indizien für die Unfähigkeit des Strafrechtssystems, die als "Kriminalität" zu falscher Abstraktion erhobene Vielfalt von Problemlagen anders als durch prozedurale Stillstellung zu "lösen" und die Hoffnung, dass fast alles andere besser wäre als das Strafrecht, um die berechtigten Bedürfnisse aller Beteiligten zu befriedigen.
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