Labeling Approach: Unterschied zwischen den Versionen

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1. Der Begriff ''label'' (engl.) n geht auf das Alt-Französische ''label, lambel'' (später ''lambeau'') zurück und wurde dort wahrscheinlich von dem Fränkischen ''labba'' oder dem wortverwandten ''lappa'' aus dem Alt-Hochdeutschen abgeleitet. <br>
1. Der Begriff ''label'' (engl.) n geht auf das Alt-Französische ''label, lambel'' (später ''lambeau'') zurück und wurde dort wahrscheinlich von dem Fränkischen ''labba'' oder dem wortverwandten ''lappa'' aus dem Alt-Hochdeutschen abgeleitet. <br>
Ursprünglich bedeutete er soviel wie Fetzen oder Lumpen und wurde dann später auch für Zettel verwendet, durch deren Beschriftung und Befestigung an verschiedenste Objekte eben letztere selbst bzw. deren Inhalt gekennzeichnet wurden. Dementsprechend kann label ''n'' heute wörtlich mit Etikett, Kennzeichnung oder Markierung bzw. label-''ing v'' mit etikettieren, kennzeichnen oder markieren übersetzt werden. <br>
Ursprünglich bedeutete er soviel wie Fetzen oder Lumpen und wurde später auch für Zettel verwendet, die mittels ihrer Beschriftung und Befestigung an verschiedensten Objekten deren Kennzeichnung dienten. Dementsprechend kann label ''n'' heute wörtlich mit Etikett, Kennzeichnung oder Markierung bzw. label-''ing v'' mit etikettieren, kennzeichnen oder markieren übersetzt werden. <br>
Der Begriff ''approach'' (engl.) n geht auf das Mittelenglische ''approachen'' zurück. Abgeleitet wurde er vom Alt-Französischen ''approchier'' (jetzt ''approcher'') und dort wiederum vom Lateinischen appropiare übernommen. Wörtlich übersetzt bedeutet er soviel wie Annäherung bzw. sich annähern an, an etwas herantreten. <br>
Der Begriff ''approach'' (engl.) n geht auf das Mittelenglische ''approachen'' zurück. Abgeleitet wurde er vom Alt-Französischen ''approchier'' (jetzt ''approcher'') und dort wiederum vom Lateinischen appropiare übernommen. Wörtlich übersetzt bedeutet er soviel wie Annäherung bzw. sich annähern an, an etwas herantreten. <br>


2. Der Begriff L.A. umschreibt eine in den 50er-Jahren im angloamerikanischen Raum aufgekommene und Ende der 60er-Jahre in Deutschland rezepierte kriminalsoziologische Strömung, deren Vertreter im Gegensatz zu vorangegangenen Erklärungsversuchen [[abweichendes Verhalten]] nicht als Merkmal individueller Anlagen oder Qualität einer bestimmten Handlung, sondern als das Produkt gesellschaftlicher Definitions- und Zuschreibungsprozesse qualifizieren. <br>
2. Der Begriff L.A. umschreibt eine in den 50er-Jahren im angloamerikanischen Raum aufgekommene und Ende der 60er-Jahre in Deutschland rezepierte kriminalsoziologische Strömung, deren Vertreter in Abgrenzung zu früheren Erklärungsversuchen [[abweichendes Verhalten]] nicht als Merkmal individueller Anlagen oder Qualität einer bestimmten Handlung, sondern als das Produkt gesellschaftlicher Definitions- und Zuschreibungsprozesse qualifizieren. <br>
In den Labeling-Ansätzen wird also nicht mehr nach täter- oder situationsspezifischen Ursachen für abweichendes bzw. kriminelles Verhalten sondern danach gefragt, wie und durch wen das Merkmal „kriminell“ an bestimmte Personen(-gruppen) herangetragen wird, kurz: wie diese kriminalisiert werden (vgl. >[[Kriminalisierung]]). Sehr unterschiedlich wird dabei auf makrosoziologischer Ebene mit der Definitions- und Selektionsmacht der Kontrollinstanzen und /oder mikrosoziologisch mit den Erfahrungen von Etikettierung und Stigmatisierung als Ursache für die Verfestigung devianter Verhaltensmuster (vgl. >[[Devianz]]) argumentiert. Allen gemein ist insofern nur, dass es die Reaktionen des sozialen Umfeldes auf bestimmte Verhaltensweisen sind, die zur Erklärung abweichenden Verhaltens Einzelner bzw. der Konstitution von Kriminalität in der Gesellschaft insgesamt herangezogen werden und es damit die Bedeutung bzw. der Einfluss der sozialen Kontrolle (vgl. >[[soziale Kontrolle]]) in allen ihren Erscheinungsformen und Ausprägungen ist, die zum Gegenstand der Überprüfung gemacht wird. <br>  
In den Labeling-Ansätzen wird also nicht mehr nach täter- oder situationsspezifischen Ursachen für abweichendes bzw. kriminelles Verhalten gefragt, sondern danach, durch wen und auf welche Weise das Merkmal „kriminell“ an bestimmte Personen(-gruppen) herangetragen wird, kurz: wie diese kriminalisiert werden (vgl. >[[Kriminalisierung]]). Sehr unterschiedlich wird dabei auf makrosoziologischer Ebene mit der Definitions- und Selektionsmacht der Kontrollinstanzen und /oder mikrosoziologisch mit den Erfahrungen von Etikettierung und Stigmatisierung als Ursache für die Verfestigung devianter (vgl. >[[Devianz]]) Verhaltensmuster argumentiert. Eine Gemeinsamkeit besteht insofern nur darin, dass es die Reaktionen des sozialen Umfeldes auf bestimmte Verhaltensweisen sind, die zur Erklärung für das abweichende Verhalten Einzelner bzw. der Konstitution von Kriminalität in der Gesellschaft insgesamt herangezogen werden und es somit die Bedeutung bzw. der Einfluss der sozialen Kontrolle (vgl. >[[soziale Kontrolle]]) in allen ihren Erscheinungsformen und Ausprägungen ist, die zum Gegenstand der Überprüfung gemacht wird. <br>  
Die Ansicht, dass „Abweichung“ und „Kriminalität“ nicht länger als deskriptive Kategorien gelten können, deren Erscheinung sich an objektiven Kriterien festmachen lässt, sondern vielmehr die bei der Beurteilung eines Verhaltens als "abweichend" bzw. "kriminell" maßgebenden Definitions- Interpretations- und Aushandlungsprozesse zum Gegenstand der Analyse gemacht werden müssen, markiert einen klaren Bruch zum Selbstverständnis der traditionellen Kriminologie mit ihrer Anbindung an v.a. juristische Institutionen, da es gerade die Objektivität von Normen bzw. des Rechts allgemein ist, welche hier in Frage gestellt und dabei insbesonders das Handeln der Akteure der sozialen Kontrolle in den Mittelpunkt der Analyse gerückt wird. Aus diesem Grund hat sich für diese Perspektive auch die Bezeichnung „neu“, „kritisch“ (vgl. [[kritische Kriminologie]]) bzw. in Bezug auf spätere Ausführungen auch „radikal“ durchgesetzt.<br>
Die Ansicht, dass „Abweichung“ und „Kriminalität“ nicht länger als deskriptive Kategorien gelten können, deren Erscheinung sich an objektiven Kriterien festmachen lässt, sondern vielmehr die bei der Beurteilung eines Verhaltens als "abweichend" bzw. "kriminell" maßgebenden Definitions- Interpretations- und Aushandlungsprozesse aufzudecken und zu analysieren sind, markiert einen klaren Bruch zum Selbstverständnis der traditionellen Kriminologie mit ihrer Anbindung an v.a. juristische Fakultäten, da es ja gerade die Objektivität von Normen bzw. die des Rechts allgemein ist, welche hier in Frage gestellt und es damit das Handeln insbesondere der formellen Kontrollinstanzen ist, das hier in den Mittelpunkt gerückt wird. Daher hat sich für diese Perspektive auch die Bezeichnung „neu“ bzw. in der späteren Entwicklung auch „kritisch“ (vgl. [[kritische Kriminologie]]) und „radikal“ durchgesetzt.<br>
Die Vielzahl an Variationen bzw. unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den Labeling-Ansätzen macht es nahezu unmöglich, eine Argumentationslinie aufzuzeigen, die alle der im Rahmen dieser Perspektive aufgezeigten Aspekte berücksichtigen würde. Insofern hier nur in den Grundzügen dargestellt, wird zum einen die Auffassung vertreten, dass „Abweichung“ in einer Gesellschaft erst dadurch entsteht, als dass bestimmte Verhaltensweisen von den formellen wie auch den informellen  Kontrollinstanzen zunächst als „abweichend“ definiert werden (Fokussierung der Normsetzungsebene) und diese Definition dann personen- bzw. gruppenspezifisch unterschiedlich angewendet, das Merkmal insofern nur bestimmten Personen(-kreisen) zugeschrieben wird (Fokussierung der Normanwendungsebene). Relevant werden in diesem Zusammenhang schichtspezifische Unterschiede und Aspekte politischer bzw. allgemein gesellschaftlicher Macht, die es bestimmten Personen(-gruppen) überhaupt erst ermöglicht, andere „erfolgreich“ als abweichend definieren bzw. behandeln zu können. <br>
Die Vielzahl an Variationen bzw. unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den Labeling-Ansätzen macht es nahezu unmöglich, eine Argumentationslinie aufzuzeigen, die alle der im Rahmen dieser Perspektive aufgezeigten Aspekte berücksichtigen würde. Insofern hier nur in den wesentlichsten Grundzügen dargestellt, wird zum einen die Auffassung vertreten, dass „Abweichung“ in einer Gesellschaft erst dadurch entsteht, als dass bestimmte Verhaltensweisen von den formellen wie auch den informellen  Kontrollinstanzen zunächst als „abweichend“ definiert werden (Fokussierung der Normsetzungsebene) und diese Definition dann personen- bzw. gruppenspezifisch unterschiedlich angewendet, dieses Merkmal insofern nur bestimmten Personen(-kreisen) zugeschrieben wird (Fokussierung der Normanwendungsebene). Relevant werden in diesem Zusammenhang schichtspezifische Unterschiede und Aspekte politischer bzw. allgemein gesellschaftlicher Macht, die es bestimmten Personen(-gruppen) überhaupt erst ermöglicht, andere „erfolgreich“ als abweichend definieren bzw. behandeln zu können. <br>
An diese durch bestimmte Instanzen bzw. Personen vorgenommene Etikettierung anderer als "kriminell" knüpfen wiederum weitere Vertreter an, die in ihren Ansätzen die ''Wirkung'' eben dieser Zuschreibung ''auf individueller Ebene'' problematisieren. Hervorgehoben werden hier die Schwierigkeiten und Probleme, die sich für die Betroffenen daraus ergeben, öffentlich als abweichend oder kriminell abgestempelt worden zu sein, argumentiert insofern mit der stigmatisierenden Wirkung von Sanktionen, welche die Etikettierten zu Außenseitern der Gesellschaft machen und damit potentiell immer weiter in kriminelle Rollen hineindrängen. <br>
An diese durch bestimmte Instanzen bzw. Personen vorgenommene Etikettierung anderer als "kriminell" knüpfen wiederum weitere Vertreter an, die in ihren Ansätzen die ''Wirkung'' eben dieser Zuschreibung ''auf individueller Ebene'' problematisieren. Hervorgehoben werden hier die Schwierigkeiten und Probleme, die sich für die Betroffenen daraus ergeben, öffentlich als abweichend oder kriminell abgestempelt worden zu sein ; argumentiert wird hier also mit der stigmatisierenden Wirkung von Sanktionen, durch welche ihre Adressaten zu Außenseitern der Gesellschaft gemacht und damit potentiell immer weiter in kriminelle Rollen hineingedrängt werden. <br>
Je nachdem, wo die Schwerpunkte der Argumentationen liegen, wird der L.A. entweder als Definitions-, Etikettierungs- oder Reaktionsansatz und aufgrund seiner Unvereinbarkeit mit dem früher vorherrschenden ätiologischen (vgl. >[[Ätiologie]]) Bezugsrahmen in der Kriminologie z.T. auch als Kontrollparadigma bezeichnet (zum Paradigmenstreit vgl. u.a. Keckeisen 1976, 23ff. ; Lamnek 1997, 25ff.).
Je nachdem, wo die Schwerpunkte der Argumentationen liegen, wird der L.A. entweder als Definitions-, Etikettierungs- oder Reaktionsansatz und aufgrund seiner Unvereinbarkeit mit dem früher vorherrschenden ätiologischen (vgl. >[[Ätiologie]]) Bezugsrahmen in der Kriminologie z.T. auch als Kontrollparadigma bezeichnet (zum Paradigmenstreit vgl. u.a. Keckeisen 1976, 23ff. ; Lamnek 1997, 25ff.).
    
    
3. Die Entwicklung des L.A. kann hier nur überblicksartig anhand der Annahmen derer erfolgen, die in ihren Ansätzen richtungsweisende Ausführungen gemacht haben und in der Literatur daher auch ganz überwiegend als Hauptvertreter dieser Strömung angeführt werden:
3. Die Entwicklung des L.A. - sofern man überhaupt von einer solchen sprechen kann, da es sich hierbei eher die Gesamtheit der über einen bestimmten Zeitraum parallel formulierten und dabei in ihren Schwerpunktsetzungen z.T. sehr stark voneinander abweichenden Ansätzen als um die Weiterentwicklung einer konkreten Grundposition handelt - kann hier nur in Kürze anhand einiger Publikationen bzw. Ausführungen dargestellt werden, die den L.A. in seinen Grundzügen maßgeblich geprägt haben und deren Verfasser daher auch ganz überwiegend als Hauptvertreter dieser Perspektive angeführt werden:
''Frank Tannenbaum'' war 1938 der erste, der mit der Formulierung „''the young delinquent becomes bad, because he is defined as bad''“ (vgl. 1951, 17) auf die Bedeutung sozialer Reaktionen für abweichendes Verhalten hingewiesen hat, jedoch damit kaum Beachtung fand. Populär geworden ist der L.A. erst durch das Wiederaufgreifen diesen Gedankens durch ''Edwin M. Lemert'' und ''Howard S. Becker'' (1951). Welcher von beiden als der eigentliche Wiederentdecker des L.A. gilt, ob ''Lemert'' mit der erstmaligen Formulierung der für den (gemäßigten) L.A. zentralen ''Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Devianz'' oder ''Becker'', dessen  Formulierung “''the deviant is one to whom that label has been successfully applied: deviant behavior is behavior that people so label''“ (vgl. 1963, 9) dem L.A. möglicherweise erst seine Bezeichnung verliehen hat, ist strittig. Jedenfalls haben beide etwa zeitgleich ihre Arbeiten publiziert.<br>
Auch wenn sich schon in früheren Formulierungen Hinweise auf die Dimensionen des Kontrollparadigmas finden lassen, dort also schon die Motive des L.A. vorweggenommen worden sind (so Keckeisen, der hier beispielhaft die bereits 1916 gemachte Aussage des Sozialisten Bonger, dass "Macht eine notwendige Bedingung für diejenigen ist, die ein Verhalten als Verbrechen klassifizieren wollen" anführt, vgl. 1976, 35) wird sein Ursprung zumeist in dem ersten, durch ''Frank Tannenbaum'' formulierten Etikettierungsansatz gesehen (1938). Denn dieser war der erste, der durch das Beschreiben des Prozesses der "Schaffung eines Kriminellen" auf die Bedeutung sozialer Reaktionen für abweichendes Verhalten hingewiesen hat (vgl. 1951,17).<br>
An Bedeutung für die Forschung gewonnen haben diese Ausführungen jedoch erst wesentlich später durch deren Wiederaufgreifen durch ''Edwin M. Lemert'' und ''Howard S. Becker'' (1951). Welcher von beiden insofern als eigentlicher Wiederentdecker des L.A. gilt, ob ''Lemert'' mit der erstmaligen Formulierung der für den (gemäßigten) L.A. zentralen ''Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Devianz'' oder ''Becker'' mit seiner berühmten Formulierung “''the deviant is one to whom that label has been successfully applied: deviant behavior is behavior that people so label''“ (vgl. 1963, 9), ist strittig. Jedenfalls haben beide etwa zeitgleich ihre Arbeiten publiziert.<br>
Unter Zugrundelegung der Annahmen der durch ''George H. Mead'' geprägten ''Theorie des symbolischen Interaktionismus'' beschreibt Lemert, wie Reaktionen des sozialen Umfeldes auf das ''ursprünglich abweichende Verhalten'' einer Person -welches er ''primäre Devianz'' nennt- in dem Adressaten das Bewusstsein hervorgerufen können, „abweichend“ zu sein, dieser sodann in Bemühung um die Konsistenz seiner Identität beginnt, sich der ihm zugeschriebenen Rolle anzupassen und weitere Ausgrenzungen und stärkere Stigmatisierungen schließlich dazu führen können, dass der Betroffene sein Selbstbild soweit ändert, dass er seine neue soziale Rolle akzeptiert und infolgedessen weitere Abweichungen zeigt. Diese ''weitergehenden Abweichungen'' sind es dann, die er als ''sekundäre Devianz'' bezeichnet (1975,434f.).<br>
Unter Zugrundelegung der Annahmen der durch ''George H. Mead'' geprägten ''Theorie des symbolischen Interaktionismus'' beschreibt Lemert, wie Reaktionen des sozialen Umfeldes auf das ''ursprünglich abweichende Verhalten'' einer Person -welches er ''primäre Devianz'' nennt- in dem Adressaten das Bewusstsein hervorgerufen können, „abweichend“ zu sein, dieser sodann in Bemühung um die Konsistenz seiner Identität beginnt, sich der ihm zugeschriebenen Rolle anzupassen und weitere Ausgrenzungen und stärkere Stigmatisierungen schließlich dazu führen können, dass der Betroffene sein Selbstbild soweit ändert, dass er seine neue soziale Rolle akzeptiert und infolgedessen weitere Abweichungen zeigt. Diese ''weitergehenden Abweichungen'' sind es dann, die er als ''sekundäre Devianz'' bezeichnet (1975,434f.).<br>
Der primären Devianz schreibt er dabei insgesamt eine nur untergeordnete Rolle zu ; die für ihn maßgebliche (sekundäre) Devianz manifestiert sich erst in Handlungen, die der Betroffene vornimmt, weil er aufgrund des ihm verliehenen Etiketts „kriminell“ (zunehmend) zu der Überzeugung gelangt, dass entsprechende Verhaltensmuster ohnehin von ihm erwartet werden. Die Verfestigung krimineller Verhaltensmuster vollzieht sich dabei in einem Aufschaukelungsprozess zwischen immer stärker werdenden Stigmatisierungen seitens der Gesellschaft auf der einen und der Anpassung des Betroffenen an die Rolle des Abweichlers auf der anderen Seite und kann in der stärksten Ausprägung zu einer völligen „Reorganisation des Selbst“ und damit der Übernahme einer kriminellen Identität führen.<br>
Der primären Devianz schreibt er dabei insgesamt eine nur untergeordnete Rolle zu ; die für ihn maßgebliche (sekundäre) Devianz manifestiert sich erst in Handlungen, die der Betroffene vornimmt, weil er aufgrund des ihm verliehenen Etiketts „kriminell“ (zunehmend) zu der Überzeugung gelangt, dass entsprechende Verhaltensmuster ohnehin von ihm erwartet werden. Die Verfestigung krimineller Verhaltensmuster vollzieht sich dabei in einem Aufschaukelungsprozess zwischen immer stärker werdenden Stigmatisierungen seitens der Gesellschaft auf der einen und der Anpassung des Betroffenen an die Rolle des Abweichlers auf der anderen Seite und kann in der stärksten Ausprägung zu einer völligen „Reorganisation des Selbst“ und damit der Übernahme einer kriminellen Identität führen.<br>
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> wird ausgeführt
> wird ausgeführt


5. Die seit der Rezeption in einer Vielzahl durchgeführten empirischen Untersuchungen zum L.A. lassen sich nicht annähernd dokumentieren. An dieser Stelle bleibt nur zu sagen, dass sich diese sog. Instanzenforschung auf das Handeln nahezu aller Institutionen sozialer Kontrolle erstreckt hat, wobei es insbesondere die Polizei war, die hier ein „geradezu exponential wachsendes“ Forschungsinteresse auf sich gezogen hat (so Sack 1993, 504). Nach anfänglichen Untersuchungen zur Selektivität bei Verdachtsgewinnung und Kriminalisierung, wie u.a. die von Feest/Lautmann (1971) oder Feest/Blankenburg (1972), wurde der Blick später auch auf Faktoren gerichtet, die einen generellen Einfluss auf die Ausfüllung polizeilicher Handlungsspielräume haben können (vgl. Lehne 1993, 393, der hier u.a. die Rekrutierung und Ausbildung sowie die Organisationsstruktur der Polizei nennt).<br>
5. Die seit der Rezeption in einer Vielzahl durchgeführten empirischen Untersuchungen zum L.A. lassen sich nicht annähernd dokumentieren. An dieser Stelle bleibt nur zu sagen, dass sich diese sog. ''Instanzenforschung'' auf das Handeln nahezu aller Institutionen sozialer Kontrolle erstreckt hat, wobei es insbesondere die Polizei war, die hier ein „geradezu exponential wachsendes“ Forschungsinteresse auf sich gezogen hat (so Sack 1993, 504). Nach anfänglichen Untersuchungen zur Selektivität bei Verdachtsgewinnung und Kriminalisierung, wie u.a. die von Feest/Lautmann (1971) oder Feest/Blankenburg (1972), wurde der Blick später auch auf Faktoren gerichtet, die einen generellen Einfluss auf die Ausfüllung polizeilicher Handlungsspielräume haben können (vgl. Lehne 1993, 393, der hier u.a. die Rekrutierung und Ausbildung sowie die Organisationsstruktur der Polizei nennt).<br>
Wie für die Polizei (>vgl. [[Polizei]], Polizeiforschung) haben sich im Gefolge des L.A. auch um die Justiz bzw. das Handeln aller der am Strafverfahren beteiligten Vertreter (vgl. >[[Justiz]], Justizforschung) und später auch um das Anzeigeverhalten eigenständige Forschungsfelder etabliert.<br>
Wie für die Polizei (>vgl. [[Polizei]], Polizeiforschung) haben sich im Gefolge des L.A. auch um die Justiz bzw. das Handeln aller der am Strafverfahren beteiligten Vertreter (vgl. >[[Justiz]], Justizforschung) und später auch um das Anzeigeverhalten eigenständige Forschungsfelder etabliert.<br>
Weiter zu nennen und nur beispielhaft aufgeführt sind zudem Studien in den Bereichen der Sozialarbeit wie von ''Manfred Brusten'' (1973) und ''Helge Peters'' / ''Helga Cremer-Schäfer'' (1975), zu Stigmatisierungsprozessen in Schulen wie von ''Manfred Brusten'' / ''Klaus Hurrelmann'' (1973) sowie zur Stigmatisierung durch Heimerziehung (vgl. Bürger, 1990).<br>
Weiter zu nennen und nur beispielhaft aufgeführt sind zudem Studien in den Bereichen der Sozialarbeit wie von ''Manfred Brusten'' (1973) und ''Helge Peters'' / ''Helga Cremer-Schäfer'' (1975), zu Stigmatisierungsprozessen in Schulen wie von ''Manfred Brusten'' / ''Klaus Hurrelmann'' (1973) sowie zur Stigmatisierung durch Heimerziehung (vgl. Bürger, 1990).<br>
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