Adolphe Quetelet: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Soziale Physik ===
=== Soziale Physik ===
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf und diese als "soziale  Naturwissenschaft" bestimmte, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Mit der Statistik hatte Comte nichts im Sinn. Er reklamierte den Begriff "soziale Physik" für sich und grenzte sich von Quetelet ab, indem er angab den Begriff bereits in seinen ersten Werken über politische Philosophie geschaffen zu haben. Er meinte, dass der Begriff durch fehlerhafte Aneignungen verschiedener Schriftsteller verdorben wurde. Insbesondere spricht er von einem belgischen Gelehrten, der den Begriff mißbraucht hat und zum Titel seiner Arbeit machte, worin es sich allerdings im höchsten Fall, nach Meinung Comtes, um eine einfache Statistik handle.  
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf und diese als "soziale  Naturwissenschaft" bestimmte, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Mit der Statistik hatte Comte nichts im Sinn. Er reklamierte den Begriff "soziale Physik" für sich und grenzte sich von Quetelet ab, indem er angab den Begriff bereits in seinen ersten Werken über politische Philosophie geschaffen zu haben. Er meinte, dass der Begriff durch fehlerhafte Aneignungen verschiedener Schriftsteller verdorben wurde. Insbesondere sprach er von einem belgischen Gelehrten, der den Begriff mißbraucht hat und zum Titel seiner Arbeit machte, worin es sich allerdings im höchsten Fall, nach Meinung Comtes, um eine einfache Statistik handelte.  


Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die [[Moralstatistik]](Sozialstatistik) und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft. Durch seine wesentlich umfassenderen Betrachtungsweisen, die das gesamte Gesellschaftsleben einbeziehen, ist er der eigentliche Begründer der Sozialstatistik ebenso wie der Kriminalsoziologie geworden. In seiner 1835 erschienenen "physique sociale" beschreibt Quetelet die quantitativen Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens. In seinem "system social" von 1848 fügt Quetelet dieser "physique sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versuchte aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten Menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen, wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag somit der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.  
Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die [[Moralstatistik]] (Sozialstatistik) und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft. Durch seine wesentlich umfassenderen Betrachtungsweisen, die das gesamte Gesellschaftsleben einbezogen, ist er der eigentliche Begründer der Sozialstatistik ebenso wie der Kriminalsoziologie geworden. In seiner 1835 erschienenen "physique sociale" beschreibt Quetelet die quantitativen Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens. In seinem "system social" von 1848 fügt Quetelet dieser "physique sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versuchte aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten Menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen, wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag somit der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.  


Die "soziale Physik" im Sinne von Quetelet und die "Soziologie" im Sinne von Comte sind letztlich Startpunkte für das Auseinanderklaffen einer empirischen Sozialforschung, die bei ersterer therorielos ansetzt und damit blind bleibt und bei zweiterer sich anti-empirisch gibt und in die geisteswissenschaftliche Spekulation entschwindet.
Die "soziale Physik" im Sinne von Quetelet und die "Soziologie" im Sinne von Comte sind letztlich Startpunkte für das Auseinanderklaffen einer empirischen Sozialforschung, die bei ersterer therorielos ansetzt und damit blind bleibt und bei zweiterer sich anti-empirisch gibt und in die geisteswissenschaftliche Spekulation entschwindet.
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