Adolphe Quetelet: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Quetelet.jpg|thumb|]]
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'''Lambert Adolphe Jacques Quetelet''' (geb. am 22. Februar 1796 in Gent; gest. am 17. Februar 1874 in Brüssel) war ein Astronom, Statistiker, Mathematiker und  Sozialwissenschaftler, der bemüht war, die Wissenschaft in Belgien derjenigen in anderen europäischen Staaten ebenbürtig zu machen.
'''Lambert Adolphe Jacques Quetelet''' (geb. am 22. Februar 1796 in Gent; gest. am 17. Februar 1874 in Brüssel) war ein Astronom, Statistiker, Mathematiker und  Sozialwissenschaftler, der bemüht war, die Wissenschaft in Belgien derjenigen in anderen europäischen Staaten ebenbürtig zu machen.
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Da sich die tatsächliche Errichtung des Observatoriums noch längere Zeit hinzog, begab er sich auf Reisen, lebte 1829 in Deutschland, wo er mit Goethe zusammentraf, 1830 in Frankreich, der Schweiz und Italien. Als er bei seiner Heimkehr noch alles beim Alten fand, wandte er sich aufs neue anthropologisch-statistischen Studien zu. Diese Studien fanden nach der Veröffentlichung einer Reihe von monografischen Schriften in den Jahren 1831 und 1832, in dem 1835 erschienenden größeren Werke „sur l’homme et le développement de ses facultés ou Essai de physique sociale“, vorläufig ihren Abschluss. Die belgische Revolution hatte maßgeblich Einfluss auf Quetelet’s Interesse an sozialen Belangen.
Da sich die tatsächliche Errichtung des Observatoriums noch längere Zeit hinzog, begab er sich auf Reisen, lebte 1829 in Deutschland, wo er mit Goethe zusammentraf, 1830 in Frankreich, der Schweiz und Italien. Als er bei seiner Heimkehr noch alles beim Alten fand, wandte er sich aufs neue anthropologisch-statistischen Studien zu. Diese Studien fanden nach der Veröffentlichung einer Reihe von monografischen Schriften in den Jahren 1831 und 1832, in dem 1835 erschienenden größeren Werke „sur l’homme et le développement de ses facultés ou Essai de physique sociale“, vorläufig ihren Abschluss. Die belgische Revolution hatte maßgeblich Einfluss auf Quetelet’s Interesse an sozialen Belangen.


Die langerwartete Eröffnung des Observatoriums im Jahre 1832 gab Quetelet seinen astronomisch - meteorologischen Studien zurück, auf die er sich während der Jahre 1835 – 1845 fast ausschließlich konzentrierte und die er seit 1836 als Professor der Astronomie und Geodäsie an der „École militaire“ nebenamtlich auch pädagogisch verwertet. Wiederum waren es jetzt äußere Umstände die ihn erneut mit der Sozialwissenschaft in Berührung brachten. So war seine Ernennung zum Präsidenten der statistischen Zentralkommission Belgiens im Jahre 1841, in welcher er eine auf das Jahr 1846 anberaumte neue und umfassende Volkszählung vorbereitete und leitete, sehr wichtig hierfür.
Die langerwartete Eröffnung des Observatoriums im Jahre 1832 gab Quetelet seinen astronomisch - meteorologischen Studien zurück, auf die er sich während der Jahre 1835 – 1845 fast ausschließlich konzentrierte und die er seit 1836 als Professor der Astronomie und Geodäsie an der „École militaire“ nebenamtlich auch pädagogisch verwertete. Wiederum waren es jetzt äußere Umstände die ihn erneut mit der Sozialwissenschaft in Berührung brachten. So war seine Ernennung zum Präsidenten der statistischen Zentralkommission Belgiens im Jahre 1841, in welcher er eine auf das Jahr 1846 anberaumte neue und umfassende Volkszählung vorbereitete und leitete, sehr wichtig hierfür.


Damit war der Kontakt mit der Sozialstatistik wieder hergestellt. Zahlreiche kleinere Schriften bezeugen dieses neuerwachte sozialwissenschaftliche Interesse. Das im Jahre 1948 veröffentlichte Werk „du systéme social et des lois qui le régissent“, welches eine Fortsetzung und Ergänzung des vorher genannten „sur l’homme“ darstellt, bildet im Verein mit der 1852 erscheinenden meteorologischen Abhandlung „sur le climat de la Belgique“ die wichtigste literarische Frucht dieser Periode.
Damit war der Kontakt mit der Sozialstatistik wieder hergestellt. Das im Jahre 1948 veröffentlichte Werk „du systéme social et des lois qui le régissent“, welches eine Fortsetzung und Ergänzung des vorher genannten „sur l’homme“ darstellt, bildet im Verein mit der 1852 erscheinenden meteorologischen Abhandlung „sur le climat de la Belgique“ die wichtigste literarische Frucht dieser Periode.


==== 1855 – 1874 ====
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=== Soziale Physik ===
=== Soziale Physik ===
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf und diese als "soziale  Naturwissenschaft" bestimmte, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Mit der Statistik hatte Comte nichts im Sinn. Er reklamierte den Begriff "soziale Physik" für sich und grenzte sich von Quetelet ab, indem er angab den Begriff bereits in seinen ersten Werken über politische Philosophie geschaffen zu haben. Er meinte, dass der Begriff durch fehlerhafte Aneignungen verschiedener Schriftsteller verdorben wurde. Insbesondere spricht er von einem belgischen Gelehrten (Quetelet), der den Begriff mißbraucht hat und zum Titel seiner Arbeit machte, worin es sich allerdings im höchsten Fall, nach Meinung Comtes, um eine einfache Statistik handle.  
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf und diese als "soziale  Naturwissenschaft" bestimmte, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Mit der Statistik hatte Comte nichts im Sinn. Er reklamierte den Begriff "soziale Physik" für sich und grenzte sich von Quetelet ab, indem er angab den Begriff bereits in seinen ersten Werken über politische Philosophie geschaffen zu haben. Er meinte, dass der Begriff durch fehlerhafte Aneignungen verschiedener Schriftsteller verdorben wurde. Insbesondere spricht er von einem belgischen Gelehrten, der den Begriff mißbraucht hat und zum Titel seiner Arbeit machte, worin es sich allerdings im höchsten Fall, nach Meinung Comtes, um eine einfache Statistik handle.  
Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet hingegen die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die [[Moralstatistik]](Sozialstatistik) und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft. Durch seine wesentlich umfassenderen Betrachtungsweisen, die das gesamte Gesellschaftsleben einbeziehen, ist er der eigentliche Begründer der Sozialstatistik ebenso wie der Kriminalsoziologie geworden. In seiner 1835 erschienenen "physique sociale" beschreibt Quetelet die quantitativen Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens. In seinem "system social" von 1848 fügt Quetelet dieser "physique sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versucht aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten Menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen, wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker.  
 
Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die [[Moralstatistik]](Sozialstatistik) und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft. Durch seine wesentlich umfassenderen Betrachtungsweisen, die das gesamte Gesellschaftsleben einbeziehen, ist er der eigentliche Begründer der Sozialstatistik ebenso wie der Kriminalsoziologie geworden. In seiner 1835 erschienenen "physique sociale" beschreibt Quetelet die quantitativen Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens. In seinem "system social" von 1848 fügt Quetelet dieser "physique sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versuchte aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten Menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen, wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag somit der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.
 
Die "soziale Physik" im Sinne von Quetelet und die "Soziologie" im Sinne von Comte sind letztlich Startpunkte für das Auseinanderklaffen einer empirischen Sozialforschung, die bei ersterer therorielos ansetzt und damit blind bleibt und bei zweiterer sich anti-empirisch gibt und in die geisteswissenschaftliche Spekulation entschwindet.
Die "soziale Physik" im Sinne von Quetelet und die "Soziologie" im Sinne von Comte sind letztlich Startpunkte für das Auseinanderklaffen einer empirischen Sozialforschung, die bei ersterer therorielos ansetzt und damit blind bleibt und bei zweiterer sich anti-empirisch gibt und in die geisteswissenschaftliche Spekulation entschwindet.


Seine Moralstatistik (auch als Sozialbehaviorismus zu bezeichnen) war eine Kombination aller drei statistischen Wissenszweige auf höherer Ebene. Von der amtlichen Tabellenstatistik erhielt sie das ziffernmäßige Material, von der politischen Arithmetik übernahm sie die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mit der Universitätsstatistik teilte sie den Beobachtungsgegenstand.  
Seine Moralstatistik (auch als Sozialbehaviorismus zu bezeichnen) war eine Kombination aller drei statistischen Wissenszweige auf höherer Ebene. Von der amtlichen Tabellenstatistik erhielt sie das ziffernmäßige Material, von der politischen Arithmetik übernahm sie die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mit der Universitätsstatistik teilte sie den Beobachtungsgegenstand.  
Mit der Begründung seiner „sozialen Physik“ stellt Quetelet fest, dass es keinen Zufall, sondern nur Gesetzmäßigkeiten gibt und dies auch in den Gebilden gesellschaftlichen Zusammenlebens. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag nun der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.


Seiner mit einer pragmatischen Einstellung gepaarten großen Tatkraft ist es zu danken, dass die Statistik auf administrativer (institutioneller) und wissenschaftlicher (funktionaler) Ebene ein gutes Stück vorankam. Auf seine Anregung hin fand der erste internationale statistische Kongress in Brüssel statt, er organisierte die amtliche Statistik Belgiens vorbildlich und wirkte darauf hin, dass das statistische Material auf internationaler Ebene nach einheitlichen Gesichtspunkten gesammelt wurde.
Seiner mit einer pragmatischen Einstellung gepaarten großen Tatkraft ist es zu danken, dass die Statistik auf administrativer (institutioneller) und wissenschaftlicher (funktionaler) Ebene ein gutes Stück vorankam. Auf seine Anregung hin fand der erste internationale statistische Kongress in Brüssel statt, er organisierte die amtliche Statistik Belgiens vorbildlich und wirkte darauf hin, dass das statistische Material auf internationaler Ebene nach einheitlichen Gesichtspunkten gesammelt wurde.
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