Kriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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1.157 Bytes hinzugefügt ,  21:02, 18. Jan. 2009
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== Definition ==
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Sehr schön schreibt [[Günther Kaiser]] (1993, S. 238): "Das Verbrechen als Sozialerscheinung bezeichnet man als "Kriminalität". Dieser Begriff meint die Summe der strafrechtlich mißbilligten Handlungen. Sie werden gewöhlich nach Raum (national, regional, lokal) und Zeit sowie Umfang (Zahl der Delikte), Struktur (Art und Schwere der Delikte) und Entwicklung beschrieben." Ich erlaube mir diese Bewertung von Kaisers Definition, weil sie immerhin den gravierenden Unterschied zwischen "Verbrechen" und "Kriminalität" erkennt; vgl. demgegenüber die folgende Passage: "Nach dem strafrechtlichen Verbrechensbegriff (Kriminalitätsbegriff) sind alle solche Handlungen 'kriminell', die durch ein Kriminal-Gesetz mit Strafe bedroht sind"; Schwind 2004, S. 3). Besser als bei Schwind wird der Unterschied zwischen "Verbrechen" und "Kriminalität" sogar im DUDEN von 1977 (Band 5) deutlich, wenn es dort lakonisch unter K. heißt: "Umfang der strafbaren Handlungen".<br>
Da die Erscheinungsformen der Kriminalität mannigfaltig sind und die Einteilung von Verhaltensweisen nach dem strafrechtlich vorgegebenen Begriffen oft zu eng und zu wenig aussagekräftig sind, versucht die Wissenschaft seit langem, umfassendere Strukturen zu erkennen.
So beschreibt Günther Kaiser (1993) die Kriminalität
* in Form des Verbrechens als Sozialerscheinung und beschreibt die strafrechtlich missbilligten Handlungen nach Raum (national, regional, lokal) und Zeit sowie Umfang (Zahl der Delikte) und Struktur (Art und Schwere der Delikte);
* nach reinen Angriffs- und Gewinndelikten;
* oder differenzierter nach Eigentums-, Gewalt-, Drogen-, Sexual-, Umwelt-, Wirtschafts- und Straßenverkehrsdelikten;
Diese an der strafrechtlichen Legalordnung orientierte Deliktsgruppierung befriedigt jedoch nicht stets. Deshalb gehen andere Einteilungsversuche dahin, nach zwischenmenschlicher, politischer und kollektiver Gewalt zu differenzieren:
• Oberwelt-, Alltags-, Gewalt-, organisierter, politischer, berufsmäßiger und die öffentliche Ordnung verletzender Kriminalität;
• Eine stärker kriminalsoziologisch orientierte Verbrechenstypologie will nach den situationsspezifischen Rollenverhalten der Neuerung, der Auflehnung und des Rückzugs differenzieren;
• Andere Ansätze zur Typologisierung versuchen, Tätermerkmale einzubeziehen und überdies Aspekte der Strafrechtssystematik sowie der Sozialkontrolle zu integrieren.  
 
Kunz (2007) sieht Kriminalität als einen Begriff, der zur Vergewisserung der Grenze zwischen öffentlicher Toleranz und förmlich sanktionierter Missbilligung dient. Diese verschiebt sich im sozialen Wandel und ist für jede geschichtlich-gesellschaftliche Situation neu zu fixieren. Insofern sei Kriminalität ein gesellschaftstheoretischer Begriff, dessen Konturen als Metaphern eines bestimmten Gesellschaftsbildes zu verstehen seien. In dieser theoretischen Bedeutung bleibt Kriminalität eine latente, nicht direkt beobachtbare Größe, die sich von der Gesamtzahl der in einem bestimmten Raum-Zeit-Gebiet festgestellten strafrechtlichen Gesetzesverstöße unterscheidet.
 
Eine Besonderheit gilt für den K.-Begriff des [[Labeling|Labeling Approach]]. Danach ist "kriminell" eine zugeschriebene Eigenschaft und K. daher ein "negatives Gut" ([[Fritz Sack]]), dessen Verteilung sich unter umgekehrtem Vorzeichen nach denselben Kriterien richtet wie die gesellschaftliche Verteilung positiver Güter. Die mögliche Verknüpfung der Theorie der K. als eines negativen Guts mit der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie der "Ungüter" (H.G. Fuchs u.a., Hg., Güter und Ungüter. Berlin: Duncker und Humblot 1991) steht bislang noch aus.
Eine Besonderheit gilt für den K.-Begriff des [[Labeling|Labeling Approach]]. Danach ist "kriminell" eine zugeschriebene Eigenschaft und K. daher ein "negatives Gut" ([[Fritz Sack]]), dessen Verteilung sich unter umgekehrtem Vorzeichen nach denselben Kriterien richtet wie die gesellschaftliche Verteilung positiver Güter. Die mögliche Verknüpfung der Theorie der K. als eines negativen Guts mit der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie der "Ungüter" (H.G. Fuchs u.a., Hg., Güter und Ungüter. Berlin: Duncker und Humblot 1991) steht bislang noch aus.


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