Resozialisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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====Verfassungsrechtliche Stellung====
====Verfassungsrechtliche Stellung====
1977 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Resozialisierung als das „herausragende Ziel" des Vollzuges von Freiheitsstrafen festgeschrieben als „die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft“ definiert (BVerfG E35, 202, 235). „Die Verfassung gebietet es, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung auszurichten. Der einzelne Gefangene hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf. Dieses Gebot folgt aus dem Selbstverständnis einer Rechtsgemeinschaft, die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist" (BVerfG E 98, 169, 200f).  Die Gesellschaft, so das Bundesverfassungsgericht, hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, dass der Täter nicht wieder rückfällig wird. Die Betonung des Verfassungsranges darf jedoch nicht dazu führen, „dass jemand zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht“ und zwangsweise resozialisiert wird (Cornel 2003, S. 43; in Bezug auf Bender 1984). Hassemer spricht von "einem Recht des Verurteilten, in Ruhe gelassen zu werden." (Hassemer 1982, S. 165).  
1977 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Resozialisierung als „die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft“ definiert (BVerfG E35, 202, 235) und als das „herausragende Ziel“ des Vollzuges von Freiheitsstrafen festgeschrieben. „Die Verfassung gebietet es, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung auszurichten. Der einzelne Gefangene hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf. Dieses Gebot folgt aus dem Selbstverständnis einer Rechtsgemeinschaft, die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist" (BVerfG E 98, 169, 200f).  Die Gesellschaft, so das Bundesverfassungsgericht, hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, dass der Täter nicht wieder rückfällig wird. Die Betonung des Verfassungsranges darf jedoch nicht dazu führen, „dass jemand zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht“ und zwangsweise resozialisiert wird (Cornel 2003, S. 43; in Bezug auf Bender 1984). Hassemer spricht von „einem Recht des Verurteilten, in Ruhe gelassen zu werden.(Hassemer 1982, S. 165).  
Ungeachtet finanzieller und organisatorischer Schwierigkeiten hat der Staat den Vollzug so auszustatten, wie es zur Realisierung des Vollzugszieles erforderlich ist (BVerfG E 35, 202, 235 u. E 40, 284). Dem steht eine tatsächlich eingeschränkte Ausstattung im Strafvollzug entgegen (höhere Gefangenenrate, Personalmangel, Überbelegung, Einsparungen), was zur Folge haben kann, dass die Verwirklichung des Vollzugsziel erheblich eingeschränkt wird.
Ungeachtet finanzieller und organisatorischer Schwierigkeiten hat der Staat den Vollzug so auszustatten, wie es zur Realisierung des Vollzugszieles erforderlich ist (BVerfG E 35, 202, 235 u. E 40, 284). Dem steht eine tatsächlich eingeschränkte Ausstattung im Strafvollzug entgegen (höhere Gefangenenrate, Personalmangel, Überbelegung, Einsparungen), was zur Folge haben kann, dass die Verwirklichung des Vollzugsziel erheblich eingeschränkt wird.


====Strafvollzugsgesetz (StVollzG)====
====Strafvollzugsgesetz (StVollzG)====
Am 1.1.1977 ist das StVollzG mit einer Festlegung auf "Resozialisierung als Vollzugsziel" in § 2 Satz 1 in der BRD in Kraft getreten. Seit dem 3.10.1990 hat es in den neuen Bundesländern Gültigkeit.  
Am 1.1.1977 ist das StVollzG mit einer Festlegung auf „Resozialisierung als Vollzugsziel“ in § 2 Satz 1 in der BRD in Kraft getreten. Seit dem 3.10.1990 hat es in den neuen Bundesländern Gültigkeit.  
§ 2 StVollzG formuliert das für den Strafvollzug geltende Vollzugsziel und eine Bekenntnis zur sozialen Eingliederung von Straftätern: ''„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“(§ 2 StVollzG)''.  
§ 2 StVollzG formuliert das für den Strafvollzug geltende Vollzugsziel und eine Bekenntnis zur sozialen Eingliederung von Straftätern: ''„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“ (§ 2 StVollzG)''.  
Bezogen auf die Praxis der Vollzugsgestaltung kann der [[Angleichungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 1 StVollzG) als Konkretisierung des Resozialisierungszieles gelesen werden: ''„Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“'' Der [[Gegenwirkungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 2 StVollzG) macht deutlich, dass schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegen zu wirken ist. Der [[Eingliederungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 3 StVollzG) bestätigt das Gebot der Resozialisierung, indem er Hilfen und Unterstützung gegenüber dem Gefangenen formuliert. §4 Abs. 1 StVollzG verdeutlicht: ''„Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern“''. Die Mitwirkung des Gefangenen ist jedoch schwerlich zu objektivieren. Zudem sind die Resozialisierungsmaßnahmen nur als ''Angebote'' zu werten und nicht als Verpflichtung. Dem Gefangenen dürfen resozialisierende Maßnahmen nicht vorenthalten, er darf aber auch nicht zu ihnen gezwungen werden (Feest 1990).
Bezogen auf die Praxis der Vollzugsgestaltung kann der [[Angleichungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 1 StVollzG) als Konkretisierung des Resozialisierungszieles gelesen werden: ''„Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“'' Der [[Gegenwirkungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 2 StVollzG) macht deutlich, dass schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegen zu wirken ist. Der [[Eingliederungsgrundsatz]] (§ 3 Abs. 3 StVollzG) bestätigt das Gebot der Resozialisierung, indem er Hilfen und Unterstützung gegenüber dem Gefangenen formuliert. §4 Abs. 1 StVollzG verdeutlicht: ''„Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern“''. Die Mitwirkung des Gefangenen ist jedoch schwerlich zu objektivieren. Zudem sind die Resozialisierungsmaßnahmen nur als ''Angebote'' zu werten und nicht als Verpflichtung. Dem Gefangenen dürfen resozialisierende Maßnahmen nicht vorenthalten, er darf aber auch nicht zu ihnen gezwungen werden (Feest 1990).


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