Sicherheitstechnik im Strafvollzug

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Begriffsbestimmung und Einordnung

Strafvollzug

Unter Strafvollzug im weiteren Sinn versteht man den Vollzug gerichtlich ausgesprochener Strafen. Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und wird durch das Strafvollzugsrecht geregelt. Unterschieden wird zwischen offenem und geschlossenem Strafvollzug. Letzterer, der geschlossene Strafvollzug, ist der Begriff, der im Folgenden Anwendung finden soll, wenn über Sicherheitstechnik im Bereich des Strafvollzugs gesprochen wird. Gemäß StVollzG (Strafvollzugsgesetz) besteht die Hauptaufgabe der Justizvollzugsanstalten nicht nur in der sorgfältigen Verwahrung von Straftätern (s. auch unter Sicherheit); im Zentrum steht vor allem die Resozialisierung von Gefangenen, die diese befähigen soll, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel; § 2 StVollzG).

Sicherheit

§ 2 StVollzG nennt als Zweck des Strafvollzugs den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Sicherheit betrifft neben diesem Schutz der Allgemeinheit aber auch den Aufenthalt der Gefangenen im Sinne einer sorgfältigen Verwahrung und auch die Abwendung von Gefahren in der Anstalt selbst (vgl. Walter 1995: 191ff.). Alisch weitet den Begriff auf das Justizvollzugspersonal aus und formuliert folgende Definition von Sicherheit in Justizvollzugsanstalten: „Sicherheit ist die Erfüllung von Vollzugsaufgaben, ohne dass die Allgemeinheit, die Gefangenen oder die Bediensteten Schaden nehmen“ (Alisch 2001: 106).

Nach Alisch kann Sicherheit in soziale, instrumentelle und administrative Sicherheit unterteilt werden (vgl. Alisch 1988: 14):

  • Die soziale Sicherheit beinhaltet alle Formen der Kommunikation und Kooperation sowohl zwischen den Bediensteten untereinander als auch zwischen den Bediensteten und den Gefangenen. Das frühzeitige Erkennen von Konflikten und besonderen Problemlagen ist dabei ein wesentlicher Bestandteil einer sicheren Vollzugsgestaltung. Voraussetzung dafür sind als zentrale Aspekte der sozialen Sicherheit eine zielgerichtete Betreuung und Behandlung.
  • Die instrumentelle Sicherheit umfasst alle baulich-technischen Sicherheitsvorkehrungen wie bspw. Tore, Mauern, Zäune, Gitter, Schlösser, Beobachtungskanzeln aber auch moderne elektronische Sicherungs- und Überwachungsanlagen bzw. Alarmanlagen (vgl. Alisch 2001: 106) bis hin zu Rauchmeldern. Die instrumentelle Sicherheit setzt sich aus einzelnen, aufeinander abgestimmten Modulen zusammen, die den Sicherheitsstandard der jeweiligen Justizvollzugsanstalt optimieren. Sie sollte das Personal von entbehrlichen Routinen entlasten sowie übersichtlich und leicht handhabbar sein. Unter den Punkt der instrumentellen Sicherheit fällt somit auch die allgemeine Sicherheitstechnik im Strafvollzug.
  • Die administrative Sicherheit umfasst das gesamte sicherheitsrelevante Regelwerk, beginnend bei den gesetzlichen Grundlagen, z. B. Vorschriften des Umweltschutzes, der Unfallverhütung und des vorbeugenden Brandschutzes bis hin zu einzelnen Verfügungen, welche die Aufgabenwahrnehmung und die Ablauforganisation in der Justizvollzugsanstalt steuern, wie bspw. Dienst- aber auch Vollzugspläne (Jung; Müller-Dietz 1994: 190).

Alle drei vorgenannten Aspekte beeinflussen sich dabei wechselseitig. Von ihrer jeweiligen Achtung, Wahrung oder Ausgestaltung hängt es stark ab, ob Konflikte eskalieren oder sich beilegen lassen (vgl. Alisch 2001: 106). Der Begriff der Sicherheit kann auch schlicht komplementär zum Phänomen der Gefahr verstanden werden. Sicherheit ist demnach Bewältigung bzw. Abwesenheit von Gefahr. Bedeutung und Ausmaß dessen, was unter „Sicherheit im Vollzug“ verstanden wird, entsprechen damit Bedeutung und Ausmaß, die möglichen Gefahren beigemessen werden (Jung; Müller-Dietz 1994: 189).

Sicherheitstechnik

Unter dem Begriff Sicherheitstechnik können alle technischen Einrichtungen und Objekte bzw. Sicherheitssysteme zusammengefasst werden, die dazu dienen, die instrumentelle Sicherheit in Justizvollzugsanstalten zu gewährleisten. Der Einsatz von Sicherheitstechnik steht dabei in Abhängigkeit zur jeweiligen Sicherheitsstufe der Justizvollzugsanstalt. In Niedersachsen gibt es bspw. vier Sicherheitsstufen. Stufe 1 und 2 zählen zu den Hochsicherheitsgefängnissen bzw. Sicherheitsstationen für „besonders gefährliche Kriminelle“ mit hoher Sicherheitsstufe, zur Stufe 3 zählt der geschlossene Strafvollzug mit nicht hoher Sicherheitsstufe, während der offenen Vollzug zu Stufe 4 gezählt wird. Sicherheitstechnik in Justizvollzugsanstalten ermöglicht dabei eine Verbesserung des Handlingprozesses im Hinblick auf die Ablauforganisation der Anstalt sowie eine Verantwortungsentlastung der Justizvollzugsbeamten.

Rechtsgrundlagen

Eine zentrale Norm findet man in § 81 StVollzG. Demnach sind die Pflichten und Beschränkungen, die dem Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Bezogen auf den Einsatz technischer Sicherheitsvorkehrungen muss ein Gewinn an Sicherheit durch angemessene, den Gefangenen nur wenig beeinträchtigende Module (einzelne Bausteine eines komplexen technischen Sicherheitssystems) erzielt werden. Dabei ist gem. § 81 Abs. 2 StVollzG das eigene Verantwortungsbewusstsein des Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben zu wecken und zu fördern. Diesen Spagat gilt es zu überwinden.

Auch § 180 Abs. 2 StVollzG ist einschlägig. Hier ist geregelt, dass die Vollzugsbehörde personenbezogene Daten der Gefangenen (bspw. aus einer Videoüberwachung) verarbeiten und nutzen darf, soweit dies

  • zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
  • zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,
  • zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden, oder
  • für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen erforderlich ist.

Zur weiteren Vertiefung muss auf die einschlägigen Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) auf Ebene der einzelnen Bundesländer eingegangen werden. Exemplarisch wird hier erneut Niedersachsen gewählt (vgl. oben zur Sicherheitstechnik). In Abschnitt 15 der Niedersächsischen DSVollz „Sicherung des Anstaltsbereichs“ heißt es zunächst unter Nummer (1), dass die Eingänge zu den Anstaltsgebäuden, ihren Räumlichkeiten und zu den Höfen - zumindest in Anstalten des geschlossenen Vollzuges - stets verschlossen gehalten werden müssen. Hier greifen bereits technische Sicherheitssysteme ein, die eine den Anstaltsbereich abdeckende Kontrolle von Türen erst ermöglichen und einem möglichen menschlichen Versagen entgegenwirken. Nummer (6) DSVollz macht darüber hinaus die Ausstattung der (niedersächsischen) Anstalten mit Alarmeinrichtungen erforderlich, die nach Bedarf auch die Dienstwohnungen in ihren Bereich einbeziehen sollen.


Beispiele für technische Sicherheitssysteme

Beispiel einer Zentralinstallation, Quelle: EFE - Systeme für Sicherheitstechnik im Strafvollzug - Produktübersicht 2008, S.11.

Im Folgenden werden einige Beispiele für technische Sicherheitssysteme genannt, die jedoch aufgrund der Fülle denkbarer abzusichernder Bereiche und Personen/Tätigkeiten in Justizvollzugsanstalten keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Mit der steigenden Vielfalt der Technik in Justizvollzugsanstalten sieht sich der Justizvollzugsbeamte einer Vielzahl verschiedenartiger Anlagen und Systeme gegenüber, die er gleichzeitig zu überwachen und zu bedienen hat. Sein Arbeitsplatz ist umgeben von Tastaturen, Monitoren und Sprechvorrichtungen für Videoüberwachung, Brandmeldeanlage, Zaunsicherung und Schleusensteuerung.

Im Gegensatz dazu sieht sich der Gefangene in Justizvollzugsanstalten zum einen in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und zum anderen im Tagesablauf über längere Zeiträume auf engem Raum eingesperrt. Naturgemäß führt unter derartigen Bedingungen das enge Zusammenleben mit Personen unterschiedlichster Bildungs- und Persönlichkeitsstrukturen häufig zu sozialen Spannungen mit der Gefahr psychischer und physischer Gewaltanwendung gegen andere und auch gegen sich selbst. Mit dieser Gefahr sind sowohl die Gefangenen selbst, als auch die sie beaufsichtigenden und betreuenden Justizvollzugsbeamten konfrontiert. Der Aufenthaltsbereich der Gefangenen und der Begegnungsbereich zwischen Gefangenen und Aufsichtspersonal muss daher auf Grund einer besonderen Fürsorgepflicht so ausgestattet sein, dass jede mögliche Gefährdung und jeder Übergriff frühzeitig erkannt oder aber von den jeweils Betroffenen gemeldet und Hilfe angefordert werden kann.

Personen-Notsignal-Anlagen (PNA)

Personen-Notsignal-Anlagen gehören inzwischen zur Standardausrüstung von Justizvollzugsbeamten in Deutschland. Die drahtlosen PNA’s werden direkt am Mann getragen und sind an jedem Ort der Justizvollzugsanstalt erreichbar. Jede Personen-Notsignal-Anlage verfügt dabei über die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Notrufarten: Zum einen über einen manuellen, willensabhängigen Notruf („Abrissalarm“), zum anderen über einen willens-unabhängigen Alarmruf („Totmannschaltung“). PNA’s ermöglichen auch die Ortung von Justizvollzugsbeamten und Betreuungspersonal nach Auslösung eines Alarms.

Videoüberwachung

Zur Gewährleistung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten wird standardmäßig Videoüberwachungstechnik eingesetzt. Hierbei kann eine großflächige Überwachung mehrerer sensibler Anstaltsbereiche zeitgleich sichergestellt werden, die allein durch das Personal nicht zu realisieren wäre. Im Falle einer Konflikt- bzw. Bedrohungssituation können umgehend weitere Maßnahmen eingeleitet werden, bspw. das Hinbeordern von Justizvollzugspersonal oder die Alarmierung von Rettungskräften.

Zugangskontrollsysteme

Ein fehlerfreies und zuverlässiges Haftraum - und Durchgangstürensystem ist Voraussetzung für die Funktion einer Justizvollzugsanstalt. Haftraum- und Durchgangstüren sind mit Hochsicherheitsschlössern versehen. Darüber hinaus üben Türen im Pforten- und Besucherbereich eine Schleusenfunktion aus und verfügen über ein eigenes Identifizierungsmanagement. Das Identifizierungsmanagement muss dabei nicht zwangsläufig technisiert sein (bspw. durch elektronische Zugangskarten oder optische Systeme zur Personenidentifikation). Hier erweist sich meist der Einsatz von Justizvollzugsbeamten im Pfortenbereich als unerlässlich. In Justizvollzugsanstalten dienen Hochsicherheitsschlüssel nicht allein dazu, sich innerhalb der Räumlichkeiten bewegen zu können, sondern fungieren gleichzeitig auch als Türdrücker (spezielle Bauart der Gefängnistüren) und bestimmen je nach Auswahl auch die Zugangsberechtigung zu bestimmten Anstaltsbereichen.

Depotsysteme

In Justizvollzugsanstalten ist es unerlässlich, Hochsicherheitsschlüssel und die wichtigsten Kommunikationsmittel (bspw. PNA’s) jederzeit vor unberechtigten Zugriffen zu sichern. Hierzu können spezielle Depotsysteme zum Einsatz kommen, die über eine elektromechanische Türöffnung- bzw. verriegelung je Fach verfügen und mit Zugangskarte, Pin, biometrischem Verfahren oder einer Kombination von jeweils zwei Verfahren (Vier-Augenprinzip) gesichert werden können. Für ein besonders schnelles Öffnen im Notfall gibt es zudem eine mechanische Notentriegelung je Fach. Depotsysteme bieten dabei im Vergleich zu einer manuellen Schlüsselausgabe, wo der Mensch die größte Fehlerquelle ist, mehr Sicherheit und Transparenz. Der Zugriff auf und die Verwahrung von Hochsicherheitsschlüsseln und PNA’s ist eindeutig zuordenbar und birgt somit geringere Manipulationsrisiken. Eine elektronische Protokollierung klärt Unregelmäßigkeiten auf, ist beweisfähig und macht die Prozesse transparent. Durch eine direkt eingrenzbare Verantwortlichkeit des Nutzers, denn nur der Berechtigte hat Zugriff auf bestimmte Hochsicherheitsschlüssel, und die Verantwortungsentlastung nach Rückgabe im Depotsystem kann das Risiko menschlichen Versagens minimiert werden. Eine sogenannte Mitnahmeverhinderung kann entweder über die Kopplung mit der vorhandenen Zugangskontrolle oder durch die Erweiterung des Systems um eine integrale Raumzonenzugangssteuerung erfolgen. Wenn somit der Hochsicherheitsschlüssel nicht ordnungsgemäß in der Depotstelle abgelegt wird, erfolgt keine Freischaltung zum Verlassen des Raumes beziehungsweise zum Durchgang in die nächste Raumzone. So kann eine versehentliche Mitnahme verhindert werden.

Zellennotruf / Zellensignalleuchte

Ein Zellennotrufsystem bietet dem Insassen die Möglichkeit, im Ernstfall Hilfe anzufordern und mit den diensthabenden Justizvollzugsbeamten zu kommunizieren. Die Zellensignalleuchte signalisiert wiederum optisch Rufe und Anwesenheiten (bspw. eines Justizvollzugsbeamten in der Zelle) als farbige Anzeige direkt vor bzw. über dem Haftraum.

Generelle Anforderungen und Nutzen technischer Sicherheitssysteme

Es empfiehlt sich die in einer Justizvollzugsanstalt eingesetzten Sicherheitssysteme bzw. die einzelnen Module zu vernetzen, um diese zentral steuern und überwachen zu können. Weiterhin sollten diese ausfallsicher gestaltet sein, um bei beabsichtigter oder technisch bedingter Zerstörung einen Ausfall zu verhindern, bzw. müssen Module auch unabhängig voneinander funktionieren. Technische Sicherheitssysteme sollten darüber hinaus an die täglichen Arbeitsabläufe in der Justizvollzugsanstalt angepasst werden und so eine Verantwortungsentlastung der Justizvollzugsbeamten nach sich ziehen. Letztlich kann über die Verwendung von ausreichender Sicherheitstechnik und dem daraus resultierenden Einsatz von weniger Personal eine Effizienzsteigerung der Anstalt erreicht werden.

Kriminologische Relevanz und Kritik

Mit jedem Fall eines ausgebrochenen Straftäters, der in den Medien erscheint, steht der Strafvollzug wieder in der Kritik. Die Reaktion auf derartige Nachrichten beschränkt sich immer wieder auf Forderungen nach längeren Haftstrafen, dem Wegfall von Hafterleichterungen oder nach schärferen Sicherheitsvorkehrungen. Doch sind schärfere Sicherheitssysteme eine geeignete Reaktion? Grundvoraussetzung muss zunächst einmal sein, dass eingesetzte Sicherheitstechnik einen Teil der Erfüllung von Vollzugsaufgaben darstellt, ohne dass diese eine Schadenswirkung auf die Allgemeinheit, die Gefangenen oder die Bediensteten ausstrahlt (vgl. Alisch 2001: 106). Denn die vollzugspraktische Umsetzung stößt dort an ihre durch die Menschenrechte gezogenen Grenzen, wo durch Art oder Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen die Menschenwürde oder Grundbedingungen individueller oder sozialer Existenz des Gefangenen beeinträchtigt werden (vgl. Jung; Müller-Dietz 1994: 189). Das bedeutet jedoch nicht, dass Sicherheitstechnik, die diesen Rahmen einhält, keinen negativen Einfluss auf Gefangene hätte. Eine Pfortenausgestaltung bspw., die zur Abwehr eines terroristischen Anschlags ausgelegt ist und der instrumentellen Sicherheit zuzurechnen wäre, signalisiert dem Gefangenen einerseits die Angst des Vollzugspersonals vor ihm aber auch deren Entsprechung: seine eigene Gefährlichkeit. Dasselbe gilt für Alarmeinrichtungen, die am Mann getragen werden (bspw. PNA’s). Unter diesem Blickwinkel können sich unerwünschte Zuschreibungen einstellen und den Zweck von Sicherheitseinrichtungen und -technik in ihr Gegenteil verkehren (vgl. Alisch 2001: 107). Im Wesentlichen beschreibt dies auch Jung, wenn sie sagt, der Sicherheitsaspekt orientiere sich an einem Konstrukt aggregierter Gefährlichkeit, das der Wirklichkeit nicht entspräche, aber die Vorstellungen beherrsche und Ängste hervorrufe (vgl. Jung 1993: 339).

Wann immer darüber hinaus von Sicherheitstechnik im Strafvollzug gesprochen wird, rückt die sicherheitstechnikproduzierende Industrie bzw. diese vertreibende Dienstleistungsunternehmen in den Fokus der Betrachtung. Oftmals wird der Vorwurf laut, es ginge dabei nur um das unternehmerische Interesse und den Absatz ihrer Produkte am Markt (vgl. Alisch 2001: 114f.). So wird angenommen, technische Vorrichtungen würden die soziale Deprivation der gestressten Gefangenen noch mehr verstärken und in ihrer Folge eher übergriffssteigernde Wirkung haben. Die Industrie verkehre dies jedoch eher in eine nachträgliche Rechtfertigung für die Beschaffung kontaktvermeidender Technik als darin einen Schritt in die falsche Richtung zu sehen (vgl. Alisch 2001: 115). Hieraus resultiert dann auch, was Alisch treffend als „extern bedingte Unausgewogenheit von instrumenteller und sozialer Sicherheit“ beschreibt (Alisch 2001: 116).

Auch der Personalaspekt darf nicht vernachlässigt werden, verlangt doch die Einhaltung der Sicherheitserfordernisse den Einsatz von ausreichend Justizvollzugspersonal. Um einer Kostenexplosion entgegenzuwirken wird vermehrt in Sicherheitstechnik investiert, die einen Großteil des Personals entbehrlich macht. Doch man darf nicht vergessen, dass Sicherheitstechnik nur ein Hilfsmittel sein sollte. Denn persönlichen Kontakt können sie nicht ersetzen, was auch folgendes Beispiel verdeutlicht: "Wenn ich ein Notrufsignal betätigte und ich bin in einer Jugendhaftanstalt und ich weiß, da gibt es ein Problem, dann reicht es nicht, dass ich mir über die Gegensprechanlage sagen lasse, dass alles in Ordnung ist, eigentlich müsste ich genug Personal zur Verfügung haben, dass man dort hingeht und wirklich nachschaut“ (Seelig 2010: Schöner Wohnen im Knast).

Literatur zum Thema

  • Alisch, Jörg: Weniger Sicherheit in den Vollzugsanstalten durch mehr Sicherheitstechnik, in: KrimPäd, 16. Jhrg., 1988, Heft 28, S. 14-16.
  • Alisch, Jörg: Sicherheit als Steuerungsproblem, in: C. Flügge / B. Maelicke / H. Preuster (Hrsg.), Das Gefängnis als lernende Organisation, Baden-Baden 2001, S. 105-116.
  • Feest, Johannes: Justizvollzugsanstalten: totale Institutionen, Folter und Verbesserungen der Prävention, in: Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Prävention von Folter und Misshandlungen in Deutschland, Karlsruhe 2007, S. 93-116.
  • Von Foerster, Michael: Innere Sicherheit, Fachartikel vom 22.01.2010, abrufbar unter: http://www.sicherheit.info/SI/cms.nsf/si.ArticlesByDocID/2103778?Open&Channel=SI-WI-BL [24.09.2010].
  • Foucault, Michel: Überwachen und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/Main 1988 (1975).
  • Jung, Heike: Das Gefängnis als Symbol, in: ZfStrVo 6/93, S. 339.
  • Jung, Heike / Müller-Dietz, Heinz (Hrsg.): Langer Freiheitsentzug – Wie lange noch? Plädoyer für eine antizyklische Kriminalpolitik, in: Schriftenreihe der Deutschen Bewährungshilfe e.V., Bonn 1994, Band 21, S. 43–62.
  • Rehder, Ulrich: Sicherheit durch Behandlung. Gedanken eines Praktikers zur Sicherheit in einer Justizvollzugsanstalt, in: KrimPäd, 16. Jhrg., 1988, Heft 28, S. 32-35.
  • Seelig, Andrea: WDR 5, Leonardo - Wissenschaft und mehr, Morgenecho vom 01.02.2010 um 16:05, Schöner Wohnen im Knast - Gefängnisarchitektur und soziales Verhalten von Mirko Smiljanic.
  • Wagner, Georg: Sicherheit und Ordnung als seelischer Komplex - Gefängnis als Innenzustand, in: KrimPäd, 16. Jhrg., 1988, Heft 28, S. 8-14.
  • Walter, Michael: Sicherheit durch Strafvollzug, in: Müller-Dietz, H./Walter, M. (Hrsg.): Strafvollzug in den 90er Jahren, Pfaffenweiler 1995, S. 191ff.
  • Witopil, Karl: Depotsysteme für JVA, in: PROTECTOR 4/09, S. 20-21, abrufbar unter: http://www.sicherheit.info/SI/cms.nsf/si.ArticlesByDocID/1103783?Open&SessionID=9916226-173853 [24.09.2010].

Links


Martin Lehne, WBMK3, Modul 7