Recht auf Drogenkonsum

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Die Diskussion um ein Recht auf Drogenkonsum betrifft nicht nur, aber vor allem die Frage des riskanten Freizeitkonsum von bestimmten Drogen. Hierum wird ein culture war (James Davison Hunter 1991) geführt, ähnlich dem um die rechtliche Behandlung der Homosexualität, der Abtreibung, der Migration und der staatlichen Überwachungs- und Terrorismus-Bekämpfungsmethoden.

Die Frage wird u.a. von Verfassungsgerichten, von Massenmedien und in der Pop-Kultur thematisiert. Systematische Erörterungen von hoher Qualität sind selten.

Eine Ausnahme im deutschsprachigen Raum stellt die Abhandlung von Cornelius Nestler über Grundlagen und Kritik des Betäubungsmittelstrafrechts (S. 697-860, in: A. Kreuzer, Hg., Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts) dar.

Sehr gründlich ist die Argumentation in dem Buch Drugs and Rights des us-amerikanischen Rechtsphilosophen Douglas Husak.

Die Argumentation von Douglas Husak

Die Ausgangsfrage lautet: Gibt es ein Recht auf Drogenkonsum oder darf der Staat den Freizeitgebrauch psychoaktiver Substanzen verbieten?

  • Staaten gehen von Recht und Pflicht zum Drogenverbot aus.
  • Manche Bürger gehen von Recht zum Konsum aus.

Beide Seiten haben gute Argumente, aber nur eine Seite kann im Recht sein. Der Staat argumentiert mit der Gefährlichkeit der Drogen - und der Bürger mit seinem Recht auf riskantes Freizeitverhalten.

Einleitung

Im Rechtsstaat gibt es ein unbestrittenes Recht des Bürgers, selbständig über seine eigenen Angelegenheiten zu entscheiden und zu tun und lassen, was er will, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.

Beispiel: Heute ist es "bei uns" anerkannt, dass der Staat unabhängig von der öffentlichen Meinung und auch unabhängig vom geltenden Gesetz die Pflicht hat, das Recht von Homosexuellen auf Respektierung ihrer sexuellen Präferenzen anzuerkennen. Man kann auch nicht darüber abstimmen, ob Homosexuelle das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. Entscheidend ist vielmehr, ob es überzeugende (rechtsphilosophische) Argumente für die Existenz eines Selbstbestimmungsrechts gibt. - Verhält es sich mit Drogen vielleicht genau so? Haben vielleicht auch Drogenkonsumenten ein (noch nicht anerkanntes, aber anerkennenswürdiges) Recht auf ihre Präferenzen unter den Genussmitteln?

Für ein Verbotsrecht

Zunächst ist zu klären, ob der Staat das Recht hat, den Drogenkonsum zu verbieten. Für ein solches Recht gibt es viele Gründe, aber nur wenige gute. Legal moralism vermischt partikulare Werte und allgemeine Werte (Drogen schaden der Selbstkontrolle, Drogen verderben den Charakter etc.), reiner legalism als Wert an sich kann die Kriminalisierung auch nicht rechtfertigen (Argumente: drug ise is defiance of order, rebellion against government). "Niedergang der Gesellschaft" zu unspezifisch und nicht ganz glaubwürdig: Informationen aus zweiter Hand; je weniger man über Drogen weiß, für desto gefährlicher hält man sie. Problem der Medien.

Praktische Gründe: Sinnlosigkeit und Kontraproduktivität des Drogenkonsums. Denkbar ist, dass die Argumente der Selbst- und Fremdschädigung durch Drogenkonsum ziehen. Doch dann wäre weiter zu fragen, ob der Staat dann auch das Recht hätte, jede beliebige Droge zu verbieten. Auch Kaffee? Wo liegt die Grenze der Kriminalisierungsberechtigung - und welche Eigenschaften müsste eine hypothetische Droge haben, um verboten werden zu dürfen?

Selbstschädigung. Nach James Q. Wilson darf der Staat Drogen verbieten, die den Charakter, die Persönlichkeitsentwicklung und die Würde der Konsumenten zerstören. Das wirkt auf den ersten Blick überzeugend, beruht aber auf theoretischen Defiziten und zweifelhaften empirischen Annahmen, insbesondere auf der Generalisierung von worst case scenarios. Die entscheidende Frage lautet: dürfen die Interessen der moderat konsumierenden Erwachsenen dem Schutz von problematischen Konsumenten geopfert werden?

Folgenorientierung. Ein Recht zum Drogenverbot könnte aus der konsequentialistischen Ethik abzuleiten sein, nämlich dann, wenn Drogen mehr schaden als nutzen. Das ist jedoch empirisch keineswegs klar, denn:

  1. Schäden sind oft Folgen des Verbots
  2. Justizstrafen schlimmer als Drogenschäden
  3. Bei einer Abwägung von Nutzen und Schaden wird der Nutzen oft unterschätzt. Nur deshalb kann man sagen: "We all remain prohibitionists to the extent that prohibition will work". Würde man das in Bezug auf ein Alkohol- oder ein Butter- oder TV-Verbot auch sagen?
  4. Es gibt auch Strafen bei Selbstgefährdung, etwa im Fall eines Verstoßes gegen die Schutzhelm-Pflicht. Doch dort sind Schäden naheliegend und schwer, die Sanktionen mild.
  5. Warum wird den Präferenzen von Drogengebrauchern kein ähnlicher Wert zugemessen wie denen von TV-Konsumenten? Gründe und Strategien für das Ignorieren von Konsumenten-Wünschen sind Vorurteile wie z.B. die Überzeugung vom Überwiegen der Nachteile oder vom inhärent pathologischen Charakter des Konsums (doch warum sollte er pathologisch sein? - Jedenfalls nicht deshalb, weil er andere schädigt!).

Autonomie. Wenn die Entscheidung zum Drogengebrauch nicht auf Selbstbestimmung beruht, also unfrei ist, dann wären Anti-Drogen-Gesetze schon fast legitimiert. Angesichts der Vielfalt von Autonomie-Verständnissen ist diese Frage aber nicht leicht zu beantworten. Formale Autonomie: jede Entscheidung, die auf bestimmtem Weg zustande kommt, gleichgültig, welchen Inhalts. Harry Frankfurt und Ronald Dworkin: Autonomie ist die second-order capactiy of persons to reflect critically upon their first-order preferences, desires, wishes, and so forth. Bei Rawls und Kant findet sich eine Einschränkung des Autonomie-Bereichs. Materiale Autonomie: autonom ist nur die Entscheidung für das Richtige. Aber was ist das Richtige? Entscheidungen unter idealen Bedingungen. Nach ihrem substantiellen Verständnis von Autonomie, das sie zu einer Verbindung von Autonomie und Rationalität führt, ist die Entscheidung zum Drogenkonsum nicht autonom, weil nicht rational: irrationale Entscheidungen sind nicht durch das Prinzip der Selbstbestimmung geschützt. Aber welche genau: Alkohol, Boxen ..? Ist eine Entscheidung zum Drogenkonsum rational? Gibt es ein Recht auf Drogenkonsum? Welches Gewicht hat Autonomie gegenüber anderen Werten? Man kann es für rational halten, sich über einige Strafen zu verständigen, um (sich) vor einigen Aktivitäten zu bewahren, die allzu unvernünftig sind. Auf der anderen Seite gibt es Libertarier, die für die Entkriminalisierung eintreten, obwohl sie der Ansicht sind, dass 'drugs are a horror'.

Wenn man hingegen zeigen könnte, dass Drogengebrauch auf Selbstbestimmung beruht, dann wäre weiter zu fragen, ob es ein moralisches Recht zu dieser Entscheidung gibt und wie sich die Autonomie des Drogengebrauchers zu dem paternalistischen Recht auf Eingriff zum Wohl des Handelnden selbst verhält.

Eine oft übersehene Differenzierung betrifft die Frage, ob eine Entscheidung durch das Prinzip der Autonomie geschützt ist oder nicht:

  • Es gibt kein Recht. Utilitaristische Abwägungen können zu erheblichen Einschränkungen führen (z.B. Straßenverkehr). Prima facie gibt es dann für den Drogenkonsumenten kein Recht zur Ausübung seiner Entscheidung
  • Es gibt ein Recht. Das kann nicht durch utilitaristische Erwägungen eingeschränkt werden, nur durch sehr große Gefahren (z.B. Religionsfreiheit). Menschen haben ein prima facie Recht zur Ausübung dieser Entscheidung, auch wenn dieses Recht durch eine konkurrierende und stringentere moralische Überlegung überlagert werden kann. Die Bedeutung der Unterscheidung besteht also darin: einfache Zweckmäßigkeitsüberlegungen können nicht entscheidend sein. Kern der Idee der Autonomie ist der Körper: mein Körper gehört mir (und nicht dem Sklavenhalter); wie ich meinen Körper behandle, kleide, ernähre etc. ist meine Angelegenheit. Auch das ist Autonomie. Analogien: legale Drogen, Bergsteigen, Bungee-Springen, Motorradfahren mit und ohne Helm, Opfervergleiche. Werden diese und andere riskante Verhaltensweisen durch das Prinzip der Autonomie gedeckt? Wenn ja, dann müßten Verteidiger der Anti-Drogen-Gesetze relevante Unterschiede benennen können. Wenn nein, dann führt das nicht weiter.

Wenn keine dieser Handlungen durch das Prinzip der Autonomie gedeckt wäre, hätten Erwachsene kein Recht Eis zu essen, es wäre ihnen nur erlaubt. Könnte ihnen auch verboten werden, ohne ihre Rechte zu verletzen. Beispiel für Verhalten, das nicht durch Rechte geschützt ist: es gibt kein Recht, auf der linken Straßenseite zu fahren, wenn das Gesetz Rechtsverkehr vorschreibt. Anders verhält es sich mit der Religionsausübung: da kann man nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen einfach sagen, dass man jetzt diese oder jene Religionsausübung verbietet.

Das Argument, dass Erwachsene kein moralisches Recht dazu haben, sich in einer bestimmten Freizeitaktivität zu engagieren, sondern lediglich eine Erlaubnis dazu besitzen können, ist unter den besten Gründen für die Verweigerung des Rechts auf Freizeitdrogenkonsum.

Wenn es kein moralisches Recht gibt, dann kommt als Kriterium zur Entscheidung der Frage, welche Freizeitaktivitäten verboten und welche erlaubt sein sollen, die Abwägung des Netto-Nutzens vom Netto-Schaden einer Aktivität in Betracht. Folgende Vergleichsobjekte wären da unter die Lupe zu nehmen: Sicherheitsgurte: fördern Leben und Gesundheit, greifen aber (nicht?) in Autonomie ein; Drogenverbote: fördern Leben und Gesundheit (?), greifen aber (nicht?) in Autonomie ein. Motorradfahrer muss Helm tragen: Risiko groß, Strafe gering. Drogenkonsument: Risiko groß, Strafe schlimmer als Risiko. Positive und negative Effekte müssen abgewogen werden. Vergnügen/Spaß: Drogenkonsum wird selten mit Genuss erklärt: eher mit peer-group pressure, Langeweile, Entfremdung, Unreife, Flucht aus dem Alltag, Depression etc.- Bei anderen Tätigkeiten, die Spaß machen, sucht man solche Erklärungen nicht (Tennis, Ski, TV). Mit Defiziten aber nicht zu erklären mit Blick auf Millionen Konsumenten legaler Drogen. Beginn: Neugierde, Gruppenkontakte.

Ist Autonomie eine Frage des Grades? Eine Grenze muss gezogen werden (Wahlberechtigung, Führerschein, Vertragsabschluss usw. bei bestimmtem Alter). Problem: Ist eine Entscheidung genügend nicht-autonom, um paternalistischen Eingriff zu rechtfertigen? Oder auch: ist sie autonom genug, um solchen Eingriff zurückzuweisen?

Oft wird auf das prinzipielle Argument mit utilitaristischen Argumenten geantwortet, aus einer Perspektive nicht des betroffenen Individuums, sondern der öffentlichen Gesundheit. Politiker: Können wir legalisierten Alkohol und legalisierte Drogen akzeptieren? Die Antwort ist nein. Der krude Verweis auf das Mehrheitsprinzip vernachlässigt aber die individuellen Rechte, die nicht auf diese Weise erweitert oder verkleinert werden sollten. Die Frage des Betroffenen: "warum werden seine Präferenzen erlaubt und nicht meine" - erfordert ein prinzipengeleitete Antwort, die einen moralisch relevanten Unterschied zwischen dem erlaubten und dem verbotenen aufweist.

Hier müßte man Todeszahlen bei verschiedenen Drogen (und: Motorradfahren, Bergsteigen) vergleichen. Drogenprobierer sind psychisch gesünder als Totalabstinenzler. Kompromisse: weniger gefährliche Alternativen erlauben, gefährliche verbieten oder einschränken. Das verhindert Illegalität.

Sucht und Abhängigkeit ist, was Drogenkonsum außerhalb des Selbstbestimmungsrechts stellt und von anderen Aktivitäten (wie Bergsteigen) unterscheidet. Man kann sagen: Man entscheidet zunächst in Autonomie, dann aber nimmt die Sucht die Autonomie fort Sklaverei, Prostitution, Eintritt in strenges Kloster...). Rationale Person kann aber wohl entscheiden, dass Drogenkonsum mehr Vor- als Nachteile hat - auch wenn sie süchtig wird: Kaffeetrinker, Raucher, S-M (mit Aids-Risiko, Foucault). Warum fällt Kaffee unter Autonomie? Weil Schaden gering. Aber Rauchen?? Gesundheitsschädigung und Sucht sind also keine Gründe für Verbot. Sonst Tabak, Alkohol verbieten, LSD nicht.

Sucht/Abhängigkeit ist ein sehr vages Konzept. Askriptiver Begriff, nicht deskriptiv. Definition. Unterscheidet sich Drogensucht ovn Sucht nach Zucker, Salz etc.? Nein. Schokolade, Sex, Video, Spiel, Skilaufen, Bergsteigen, manches mittlerweile als Sucht anerkannt - definiert (Einfluss der Interessengruppen). Definition hat Einfluss auf Verhalten: self-fulfilling prophecy.

Kriterien für Sucht: Kontrollverlust. Gefühl des Zwanges zum Drogengebrauch, während man stoppen oder herunterdosieren will; Wunsch anch aufhören - während man aber weitermacht. Sterotype Gebrauchsmuster: physische Abhängigkeit. Neuroadaptation. Toleranzsteigerung und Entzugssyndrom bei Abstinenz. Drogengebrauch, um Abstinenzproblem zu vermeiden. Psychische Abhängigkeit. Drug-seeking behavior ist beherrschend gegenüber anderen Aktivitäten. Craving. Gier, Suchtverhalten. Schnelle Wiederaufnahme des Konsums nach Perioden der Abstinenz. Sucht ist ein graduelles Phänomen: mehr oder weniger süchtig. Frage der Definition.

Wann liegt ein Autonomie-Verlust vor?

  • Man will aufhören, ist aber machtlos und kann es nicht. Aber was heißt, man ist "unfähig", es zu lassen? Wenn ich aus dem Fenster falle, bin ich "unfähig", den Fall zu bremsen. Ich bin auch unfähig, mit Atmen aufzuhören. Im Drogenfall nicht dasselbe.

Warum sind Abhängige unfähig, ihren Konsum einzustellen? Hängt es mit der physischen Abhängigkeit zusammen? Toleranzsteigerung. Mehr Stimulus, um gleichen Effekt zu erzielen. Gilt aber auch für vieles andere. Skiläufer hat keinen Spass am Idiotenhügel. Bergsteiger. Gilt außerdem nur bis zu bestimmtem Punkt. Herunterdosieren! Entzugserscheinungen: Sex, Liebe, Essen, Trinken. Dass man relativ viel Zeit dafür verwendet: gilt auch üfr andere Hobbies. Obsessiv, gefährlich, ohne Sinn. Macht Spaß? Gilt auch für Drogen. Nur dort nicht anerkannt. Schnelle Wiederaufnahme: auch bei anderen Sachen. Bleibt: Zwang durch Entzugssyndrom. Bei Kaffee würde man trotzdem nicht von Sucht sprechen, man erwartet, dass die Konsumenten aufhören könnten (autonom). Die Entzugssymptome müßten also bei Drogen besonders schmerzhaft und stark sein.

Soziale Konventionen definieren die Schwelle des Schmerzes (Gefahr, Zwang), die Vorwerfbarkeit von Entschuldigung trennt. Im Recht: § 35 StGB entschuldigender Notstand. Es wird einer Person nicht zugemutet, zu großes Leid hinzunehmen, nur um keine Straftat zu begehen. Man darf eine rechtswidrige Tat begehen, wenn es keine andere Möglichkeit gab, "Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit" von sich abzuwenden. Gilt allerdings nicht, wenn man die Lage selbst verschuldet hat und auch dann nicht, wenn man einen Genuss erstrebt.

Drogenabhängiger: hat (1) Zustand selbst herbeigeführt, (2) Alternative Schmerzbehandlung vorhanden (Behandlung), (2) Schmerz ist nicht stark genug, um Straftat zu rechtfertigen oder zu entschuldigen.

Das ist empirische Frage: Befragung von Leuten, die verschiedene Drogen aufgegeben haben. Rauchen ist gleich schwer oder schwerer: Heroinentzug verglichen mit Grippe. Viele H-Konsumenten stoppen zeitweise, viele hören ganz auf. Es kann also erwartet werden, dass ein Abhängiger nicht im Notstand ist, d.h. seine Handlung ist autonom. Und wenn sie autonom ist, muss sie erlaubt werden.

Auch die Gerichte erkennen die Autonomie an, indem sie Abstinenz verlangen und Beschaffungstaten nicht entschuldigen.

Hypothetisches Beispiel: Terrorist erfindet Pillen, die E-Symptome auslösen. Terrorist zwingt zu Straftat durch Drohung, eine solche Pille zu verabreichen. Wenn das Gericht die Tat des Bedrohten dann entschuldigte, dann wäre es offensichtlich ein so starkes Übel, dass Notstand angenommen werden kann. Das Gericht würde das aber wahrscheinlich nicht anerkennen. Daher: Drogenkonsum trotz Abhängigkeit autonom.

Was für Heroin gilt, gilt erst recht für Cannabis, auch für Kokain etc. - Werden noch mehr für Genuss genommen als gegen Entzugserscheinungen. Daher: autonom. Wenn aber der Konsum autonom ist, entfällt der Hauptgrund für paternalistische Eingriffe rechtlicher Art.

90% der Nikotinkonsumenten werden süchtig, aber nur 10% aller Alkoholkonsumenten, Heroin-, Kokain- usw. - Konsumenten.

Staat darf selbstschädigendes Verhalten nur dann verhindern, wenn es nicht-autonom ist. Unkenntnis aus Mangel an Information, mangelnder Einsicht (Kinder, Geisteskranke). Werbe-Beeinflussung etc. macht eine Handlung aber noch nicht nicht-autonom.

Zukünftige Gefahren werden nicht ernst genommen. Das legitimiert staatliche Eingriffe wegen Gefahren, die weitreichend, lebensbedrohend und unumkehrbar sind. Das gilt für Jgdl., nicht für Erwachsene. Oder es müßte auch gelten für Motorrad-Fahren, Sex, Heiraten, Bergsteigen.

Das Argument der Fremdschädigung. Verbot ist legitim, wenn Schaden für Dritte. Der meiste Schaden ist aber die Folge der Prohibition.

Würde Konsum bei Legalisierung zunehmen? (Nur 1 von 100 US-Bürgern würde zusätzlicher Konsument von Kokain.) Status quo is not defended simply by pointing out that a bad situation could always be worse. Utilitaristischeds Abwägen. Warum so wenig Diskussion um moralische Fragen und so viel über Kosten-Nutzen? Aber Kriterien für Kosten-Nutzen sind ihrerseits moralische Wertentscheidungen: was zählt und wie wird gewichtet? Diese Wertentscheidungen machen die Drogendiskussion so hitzig. Sind die Werte erst einmal geklärt, ist die Kosten-Nutzen-Anlayse einfacher.

Nutzlosigkeit/allg. Schädlichkeit vs. konkreter Schaden für andere, Verletzung der Rechte anderer. Drogengebrauch führt meist zu allg. Schädlichkeit oder Nutzenverringerung, aber nicht zur Verletzung der Rechte anderer.

Schädigung durch erlaubtes Verhalten. Schädlicher Einfluss auf andere muss nicht zu Verbot des Verhaltens führen, wenn Akteur ein Recht zu diesem Verhalten hat (ökon. Entscheidungen wie z.B. Geschäftseröffnung; persönlich: Frau wählt anderen Mann). Nur wenn das Verhalten unerlaubt ist, ist Schaden im Sinne von Rechtsgutsverletzung entstanden. Wahlfreiheit der Frau in Bezug auf Partner, auch wenn der Abgewiesene Suizid begeht.

Prohibitionisten beklagen, dass Drogenkonsumenten ihre menschlichen und bürgerlichen Möglichkeiten nicht ausschöpfen - aber darauf hat niemand ein Recht. Bei allen anderen Verhalten gäbe es darüber keine Diskussion - nur bei Drogen.

Kosten für Gesundheitssystem. Wie bei vielen anderen Verhaltensweisen auch: Skifahren, Torte essen, Zucker, Rauchen. Muss in Kauf genommen erden. Beziehungsweise: sollte vermindert werden durch Erziehung Regulierung, darf aber nicht zu strafrechtlichem Verbot führen. Kann durch harmfulness-tax aufgefangen werden. Bei Legalisierung kann das geregelt werden. Mal ganz abgesehen davon, dass die meisten Gelegenheitskonsumenten solche Kosten nicht verursachen.

Gefährdungsdelikte. Inakzeptable Erhöhung des Risikos für andere. Versuch, Anstiftung, Verschwörung. Besitz von Drogen, Vorsicht: zu viele Gefährdungsdelikte führen zu starker Erhöhung staatlicher Eingriffsrechte. Sollte z.B. abgebrochene Schulausbildung bestraft werden, weil Gefahr der Kriminalität höher?

Kriterien:

  1. Illegalitätsprinzip (Akzessorietät). Gefährdungshandlung darf nicht verboten sein, wenn die Handlung, zu der sie führen könnte, nicht auch als direkte und vorsätzliche Handlung verboten ist. Konsum legal, Besitz illegal, weil Besitz zu Konsum führen könnte. In einem Land, in dem Ehebruch legal ist, darf die Vermietung von Zimmern an Unverheiratete nicht illegal sein.
  2. Trivialitätsprinzip. Gefährdungshandlung darf nur verboten sein, wenn das riskierte Übel erheblich ist. Betrunken durch Stadt gehen oder mit Fahrrad fahren. Schaden durch einzelnen Drogenkonsumenten oder gar einzelnen Akt des Konsums sehr gering. Niemand darf für Gesamtschaden aller anderen verantwortlich gemacht werden. Auch hier wieder Generalisierungen von worst case scenarios.
  3. Entfernungsprinzip (remoteness). Prinzip der kausalen Entfernung. Gefährdungshandlung darf nur verboten sein, wenn die Kausalkette zur riskierten illegalen Handlung nicht zu lang und vielstufig ist. Lange Kette: Cannabisanbau, Händler, Erwerb, Besitz, Abgabe, Konsum, Umstieg auf Heroin, Verarmung, Beschaffungskriminalität. Verfolgung des integrierten, sozial unauffälligen Gelegenheitskonsumenten ist zu weit weg von Verletzungshandlung.
  4. Empirieprinzip. Kausalprinzip. Gefährdungshandlung darf nur verboten werden, wenn die kausale Verbindung zur Verletzungshandlungen in einem erheblichen Anteil der Fälle nachgewiesen ist.
  5. Weitere Prinzipien: (a) hoher Wert der Gefährdungshandlung bremst Verbot und fördert Regulierung (Individualverkehr mit Autos). Wert des Drogengebrauchs ist allerdings kontrovers (b) Schadensausmaß der Verletzung fördert Verbot und bremst Regulierung (z.B. Atomanlage und -unfall, auch das ist bei Drogenkonsum kontrovers).

Die Verletzungshandlung ist bei Drogenkonsum z.B. "Verbrechensbegehung". Es gibt tatsächlich eine hohe Korrelation. Darf Drogenkonsum also deshalb als Gefährdungsdelikte strafbar gemacht werden? Kriterien: Verbrechen ist schädlich für Dritte, schlimm genug, mittlere kausale Entfernung, Problematisch könnte die Kausalität sein: meist falsche Populationen untersucht. Wenn hoher Prozentsatz der Verbraucher Drogen nimmt, heißt das noch nicht, dass hoher Prozentsatz der Drogenkonsumenten Verbrechen begeht. - Verschiedene Formen der Kriminalität:(a) BtmG-definierte, (b) BetmG-induszierte (drug use lifestyle these), (c) Straftaten unter Drogeneinfluss: kulturelle Steuerung, Erwartung, meiste Konsumenten nicht gewalttätig. - Bei Alkohol: Konsum bzw. Fahren unter Einfluss verboten - nicht aber die vorbereitenden Handlungen: Anbau, Handel, Verkauf, Erwerb!!!!

Zusammenfassung

  • Für die meisten Schäden, die Drogenkonsumenten anrichten (soweit sie das überhaupt tun) können sie nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Nutzlosigkeit/Sozialschädlichkeit muss nicht die Rechte anderer verletzen. Unangenehm, aber nicht strafbar. Nicht durch Strafrecht, sondern durch anderen Einfluss reduzieren. Vor allem hat niemand ein Recht, das die Zahl der Drogenkonsumenten niedrig bleibt.
  • Konstruktion als Gefährdungsdelikt (Risiko, dass andere geschädigt werden in ihren Rechten): Eigentumsrecht, Recht auf körp. Unv. etc.). Nach den vier Kriterien ist diese Konstruktion als illegitim abzulehnen.

Argumente für paternalistische Eingriffe (alle kritisiert):

  • Sucht-Potential
  • Zustand vergleichbar mit Sklaverei
  • Zu wenig Informationen
  • Drogenkonsum verhindert Erreichen von first order projects.

Gegen ein Verbotsrecht

Warum hat der Staat kein Recht? Weil die Voraussetzungen für einen starken Paternalismus nicht vorliegen. Sie liegen aus zwei Gründen nicht vor:

  1. wegen der Charakteristik des Staates (freiheitlicher Rechtsstaat) und
  2. wegen der Charakteristika der Substanzen (kontrollierter Konsum möglich).

Wenn der Staat kein Verbotsrecht hat, dann ist ebenfalls zu fragen, warum. Welche Rechte des Individuums können relevant sein? An fundamentale Rechte denkt man häufig gar nicht - gerade der Freizeitkonsum von Drogen erscheint nicht verfassungswürdig. Ein Recht kann es auch dann geben, wenn

  1. es lächerlich gemacht wird. Das gehört als Abwehrstrategie derjenigen, die ihren Status bedroht sehen, dazu (Rechte ethnischer Minderheiten, Frauenrechte, Kinderrechte, Rechte von Behinderten, Rechte von Primaten ... ) - einschließlich der Vergesslichkeit, dass die Dinge schon einmal anders waren oder dass manche neuen Rechte gar nicht so neu sind (das Recht auf Drogenkonsum ist kein neues Recht, sondern ein altes Recht,das erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wegdefiniert wurde). Außerdem ist Genuss gesellschaftlich unterbewertet. Genuss ist eine anthropologische Notwendigkeit und eine transkulturelle Konstante - und etwas, das sich die Menschen seit jeher viel kosten lassen: finanziell und existentiell (negative Sanktionen gegen Leute, die für unerlaubten sexuellen Genuss im Laufe der Geschichte teuer bezahlen mussten).
  2. die Bewertung der Aktivität und der Kontrolle in der Öffentlichkeit vermischt werden (ist es gut oder schlecht, Drogen zu konsumieren, bzw.: ist es gut oder schlecht, homosexuell zu sein? - ist es gut oder schlecht, die Aktivität unter Strafe zu stellen?). Wichtig ist die Klarstellung: die Frage ist nur, ob es ein Recht auf die Aktivität gibt oder ob der Staat ein Recht hat, sie unter Strafe zu stellen.

Wenn der Staat kein Verbotshaft hat, dann ist nach den ihm verbleibenden legitimen Steuerungsoptionen zu fragen.

Dem Staat verbleibende (legitime) Steuerungsmöglichkeiten: Die Illegitimität eines Drogenverbots bedeutet nicht, dass Drogenkonsum immer und überall erlaubt sein muss. Und schon gar nicht, dass jede und jeder immer und überall gut beraten ist, Drogen zu nehmen. Es bedarf also der Drogenkontrollen - sowohl im informellen Sinne der Erziehung zur Selbsterziehung als auch der formellen im Sinne einer vernünftigen, die Rechte der Konsumenten respektierenden, aber auch das öffentliche Interesse im Blick habenden Drogenpolitik.

Gerade die Entkriminalisierung erfordert und ermöglicht erst sinnvolle und wirksame Kontrollen im Sinne einer begründeten Regulierung. Das Motto könnte lauten: "Keine Entkriminalisierung ohne Regulierung".

Ein Kriterium für die Regulierung ist die Nützlichkeit. Der Utilitarismus hat aber Grenzen. Denn für sich genommen würde er z.B. auch eine nützliche Folter erlauben. Regulation muss auch danach beurteilt werden, inwieweit sie die individuellen Rechte einzelner Bürger schützt.

  • Medizinisches Modell: Konsumenten, die die wenigsten Probleme haben, würden keine Drogen kriegen. Absurd.
  • Verbot der Werbung. Konsumentenrechte wären geschützt.
  • Für Philosophen ist Regelung des Verkaufs gleichgültig. Darf für Käufer nicht zu schwierig sein.
  • Steuer: Harmfulness tax. Sumptuary tax: Luxussteuer. Grenzt an Verbot, aber Staat darf entmutigen, was er nicht verbieten darf.
  • Begrenzung der Potenz von Drogen. Problematisch, aber gute harm reduction.
  • Lizenzen für Konsumenten. Administrativer Aufwand, schwer zu kontrollieren, Lizenzentzug bei schlechtem Betragen ... wie im Straßenverkehr. Minorität nach strengem Examen (wie bei Berufen), Majorität mit Minimalkonditionen (à la Führerschein), beide Modelle kombiniert (Raucherkarten). - Behandelt D-Konsum als Privileg, nicht als Recht.

Spezialfälle mit erhöhtem Risiko. Ärzte, Autofahrer, Arbeitsplatz, Schwangerschaft, ... unter diesen Bedingungen hat man kein Recht auf Drogenkonsum.

Jugendliche: Entkriminalisierer verlangen oft noch härtere Strafen bei Abgabe an Jugendliche. Hält man das Verbot für Jugendliche aufrecht, belibt auch schwarzer Markt erhalten? Zigaretten und Alkohol nur leakage. - Unterschiedliches Recht? Eventuell Wirkungen bei Jgdl gefährlicher ...

Wenn Jugendliche vielleicht kein Recht haben, was folgt daraus für Erwachsene? Der Schwanz darf aber nicht mit dem Hund wedeln. Nur unter drei Bedingungen: (a) Jgdl machen Mehrheit der Gebraucher aus (ist aber nicht der Fall), (b) Jgdl beginnen ihren Konsum unautonom und werden später süchtig (ist aber nicht der Fall), (c) so schlimm für Jgdl, dass Opfer nötig (trifft nicht zu. Probierer sind normaler als Abstinente).

Recht auf D-Konsum heißt nicht, dass man D-K propagiert. Falsches signal. Pro-Choice Position on recreational drugs: die Falsches-Signal-Theorie würde jede Entkriminalisierung unmöglich machen (Homosexualität, Ehebruch ..).

Um Sozialschädlichkeit zu verringern: Erziehung. Mit erfolgreichen kontrollierten Gebrauchern, nicht Ex-Addicts. Bergsteigen mit Messner und nicht mit Abstürzlern.

Bedingungen legitimer Prohibition

Großer Schaden für viele. Wenige Leute betrachten den Konsum für sich als wichtig. Keine Möglichkeit, weniger gefährliche Drogen- und Konsumformen zu finden, unerträgliche Entzugssymptome, keine Alternative neben Drogen, um E-Symptome zu bekämpfen; Droge muss Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Konsument eine Verletzungshandlung mit signifikanten Schäden begeht, die strafbar wäre. Drogenkonsum muss in kausaler Nähe zur Verletzungshandlung sein und die Chance für den Konsumenten muss gering sein, die Verletzungshandlung zu vermeiden; DK muss in großer Zahl der Fälle tatsächlich Ursache der Verletzungshandlung sein (Umkehr der Kausalität oder Rückführung auf gemeinsame dritte Ursache darf nicht gegeben sein).

Viele halten crack für eine solche Droge (bzw. die jeweils neue Droge). Aber obwohl viele Kriterien vage sind, wird wohl keine existierende Droge diesen Kriterien gerecht. Bisher nur in Science Ficiton (Manchurian Candidate). BtmG als Strafrecht illegitim und nur als Seuchengesetz haltbar. Warum dann aber etablierte Seuchen nicht auch ausrotten?


Critérios para criar delitos de peligro abstracto

Según Husak:

  • Princípio de la ilegalidad
  • Princípio de la trivialidad
  • Princípio de la distancia
  • Princípio de la empiria
  • Principios adicionales:
  1. primacía de la regulación (y no de la prohibición) en todos los casos de alto valor de la acción comprometedora
  2. primacía de la prohibición (y no de la regulación) en todos los casos de daño imenso.

Literatur