Promotion

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Die Promotion ist ein Instrument zur Erhöhung des sozialen Ansehens und der Verdienstmöglichkeiten. Die Differenz im Einstiegsjahresgehalt zwischen promovierten und nicht-promovierten Chemikern beträgt zum Beispiel rund 10000 Euro (Kutter & Wierda 2010). Und soziologischen Gesichtspunkten stellt das Institut der Promotion ein Vehikel zur Reproduktion der gesellschaftlichen Eliten dar. Zugleich bestehen Zweifel daran, ob sog. Statuspromotionen, die keine ernsthaften wissenschaftlichen Leistungen beinhalten, sondern nur als Bildungssignale für den Arbeitsmarkt fungieren - also als Indikatoren für mögliche Arbeitgeber, dass die betreffende Person bereit ist, knappe Ressourcen wie Zeit und Geld zu investieren - gesamtgesellschaftlich funktional sind. Für die Kriminologie sind Promotionen aller Art in zweierlei Hinsicht von Interesse: wegen der Dissertationen über Fragen der Entstehung von und der Reaktion auf Kriminalität - und wegen der Dissertationen, die selbst durch Betrug, Bestechung, Korruption usw., also durch strafbare Handlungen, zustande kommen.

Häufigkeit und Erscheinungsformen

Spräche man analog zur Kriminalitätsbelastungsziffer (KBZ) auch von einer Promotionsbelastungsziffer (PBZ = Promovierte auf 100.000 der entsprechenden Einwohner/gruppe), dann läge die PBZ im OECD-Raum bei rund 1.000. Das heißt: pro 100.000 Einwohner über 25 Jahre besitzen in den zu dieser Ländergruppe gehörenden (entwickelten) Staaten 1.000 den Doktorgrad. Innerhalb der OECD ist die PBZ in den USA (mit 1.200 Promotionen auf 100.000 der Einwohner über 25) und in Deutschland (1.800) erhöht.

In Deutschland erfordert die Promotion eine schriftliche Arbeit (Dissertation) und eine mündliche Leistung (Rigorosum oder Disputation); die Dissertation muss veröffentlicht werden. Jährlich erfolgen in Deutschland ca. 25.000 Promotionen. Besonders stark ist die Promotionsneigung bei Männern (14 000 gegenüber 11 000 Promotionen im Jahre 2009) - und bei Studierenden der Medizin (70% aller Studierenden beenden das Studium mit der Promotion) und der Naturwissenschaften (50%). Bei den Ingenieurs- (20%) und den GeistenwissenschaftlerInnen (15%) bzw. den JuristInnen (10%) ist die Promotionsneigung weniger stark. In anderen Ländern gibt es auch Berufsdoktorate ohne Erfordernis zusätzlicher Promotionsleistungen: den Medical Doctor, M.D., bzw. den Juridical Doctor, J.D.; in Deutschland darf daraus kein "Dr." gemacht werden. In Italien und in Lateinamerika wird im Alltagsleben als "dottore", "doctor" oder "doutor" angesprochen, wer ein akademmisches Abschlussexamen gemacht hat.

Die Benotung der insgesamt 25 101 Promotionsprüfungen im Jahr 2009 in Deutschland erbrachte folgende Resultate (Kutter & Wiarda 2011):

  • 3694 summa cum laude
  • 12874 magna cum laude
  • 6479 cum laude
  • 924 satis bene
  • 44 rite
  • 17 nicht bestanden

Promotionen über Kriminalität

Wer im Bereich der Kriminologie promoviert werden will, kann dies entweder im Kontext der Rechtswissenschaften - so wie z.B. der bekannte SPD-Politiker Peter Struck (1970) mit einer Dissertation über "Jugenddelinquenz und Alkohol" bei Rudolf Sieverts an der Universität Hamburg - oder im Bereich der Sozialwissenschaften bewerkstelligen. Kriminologische Themen werden aber auch z.B. in den Erziehungs-, den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, in der Sexualwissenschaft und in der Psychologie sowie der Rechtsmedizin bearbeitet. Promotionen über Kriminalitätsfragen können deshalb zum Dr.jur., aber auch zum Dr.phil., zum Dr.med. oder Dr. rer.oec. usw. führen.

Promotionen durch Kriminalität

Verbreitung

Im Hellfeld gibt es nur Einzelfälle von Verurteilungen. Ermittlungsverfahren kommen in besonderen Konstellationen vor. Für die Größe des Dunkelfeldes gibt es nur Schätzungen. Der Münchener Professor Manuel Theisen schätzt den Anteil der "erschlichenen" Promotionen in Deutschland auf 3 Prozent aller Doktortitel.

Modus Operandi

  • Der direkteste Weg zum "Doktortitel" ist das schlichte unbefugte Führen desselben. Man lässt sich Visitenkarten drucken, lässt sich als Dr. ins Telefonbuch eintragen und mit "Dr." anreden. In Deutschland droht der Paragraph 132a des Strafgesetzbuches dafür allerdings eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an.

(2) Man kann auch Texte einer anderen Person ohne Namensnennung benutzen. Auch für ein solches Plagiat kann man zwar sanktioniert werden, doch ist die Rechtslage eher unklar und die Praxis durch eine gewisse Milde gekennzeichnet (vgl. Rieble 2010).

(3) Man kann einen Doktortitel auch kaufen, ohne eine Dissertation zu schreiben. Firmen, die auf das Geltungsbedürfnis von Personen spekulieren und selbstgemachte Zertifikate von obskuren Akademien oder Universitäten im Ausland verkaufen, findet man u.U. im Internet oder in Kleinanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften. Das erspart u.U. Studium und den Aufwand an Zeit und Geld für eine reguläre Doktorarbeit. Auch das ist häufig strafbar.

(4) Man kann auch eine Doktorarbeit schreiben und bei einem ordentlichen Professor an einer regulären Universität unterbringen. Wenn man dafür gewerbliche Vermittler einsetzt und wenn man auf diese Weise bestimmte Schranken, die einem sonst die Promotion unmöglich machen würden, überwindet, kann auch das strafbar sein - und zwar für alle drei Parteien: für die Promovenden, die Vermittler und die Professoren, die bei diesem lukrativen Unternehmen mitmchen.

  • 2008 verurteilte das Landgericht Hildesheim erst den Professor Thomas A. (Lehrstuhl für bürgerliches und internationales Privatrecht an der Leibniz-Universität Hannover) und dann den Geschäftsführer einer Beratungsfirma zu drei, bzw. dreieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Das Urteil gegen den Geschäftsführer ist allerdings nicht rechtskräftig. Prof. Dr. Thomas A. hatte sich für Geld bereit erklärt, die Betreuung von Promotionsinteressenten zu übernehmen, die zum Teil für die Zulassung zum Promotionsverfahren auf Ausnahmegenehmigungen angewiesen waren. Diese Dispense konnten jedoch nicht von dem Professor sondern nur von einer fünfköpfigen Kommission erteilt werden. Das Gericht legte ihm Bestechlichkeit in 68 Fällen zur Last. Er wurde vom Dienst suspendiert und verlor seinen Beamtenstatus. Er behielt nur seine Schulden aus einem ruinösen Hauskauf. Gegen ca. 80 Promovenden wird in diesem Kontext ebenfalls ermittelt. - Susanne Dreisbach (2008) schreibt zur Bedeutung dieses Prozesses: "Mehrere Millionen, so schätzen Experten, haben windige Geschäftsleute in Deutschland mit der Be­stechung korrupter Doktorväter sowie dem Verkauf von falschen Doktortiteln verdient. - Dass es dieser Branche jetzt an den Kragen gehen könnte, glaubt auch der Hannoveraner Ober­staatsanwalt Rainer Gundlach. 'Nachdem in diesem Verfahren erstmals die rechtliche Bewer­tung dieser Geschäfte als Be­stechung ausgesprochen worden ist, werden sich auch andere Staatsanwaltschaften und Polizei­dienststellen ermutigt fühlen, genauer nachzuforschen', sagt der Strafverfolger, der sicher ist, dass der Fall um Thomas A. eine kleine Lawine losgetreten hat."
  • Im Juli 2008 verurteilte das Landgericht Hildesheim einen Geschäftsführer des "Instituts für Wissenschaftsberatung" in Bergisch-Gladbach wegen gewerbsmäßiger Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und einer Geldstrafe von 75 000 Euro. Er soll Prof. Dr. Thomas A. jeweils 2050 Euro gezahlt haben, damit dieser die Betreuung von Kunden der „Wissenschaftsberatung“ übernahm, die in der Regel keine „voll­befrie­digende“ Note vorweisen konnten und damit die Voraussetzungen zur Zulassung zur Promotion lediglich auf dem Weg über zusätzliche Leistungen ("sehr guter" Seminarschein bei einem anderen Hochschullehrer oder Ausnahmegenehmigungen durch ein fünfköpfiges Gremium) erfüllen konnten. Der Geschäftsführer, der nicht gewußt haben wollte, dass er sich mit seinem Verhalten strafbar machte (Verbotsirrtum), hatte von 853 000 Euro Einnahmen von den Promotionskandidaten im Fall des Professors in Hannover (Thomas A.) 131.00 Euro an diesen bzw. dessen Ehefrau gezahlt. Er machte geltend, dass ihn vier Juraprofessoren nicht auf die rechtliche Problematik hingewiesen hätten. Er hatte das Geld jeweils auf Rechnungen der Ehefrau von A. überwiesen (seit der Änderung des Korruptionsparagraphen 1998 ist allerdings auch eine indirekte Zahlung strafbar). Gegen das Urteil des LG Hildesheim ist Revision eingelegt.
  • Ermittelt wurde im Juli 2008 noch gegen weitere drei Juraprofessoren wegen "erleichterter Promotion" gegen Honorar. Der Dekan der Fakultät in Hannover und Dozenten aus Friedrichshafen und Freiburg standen ebenfalls im Verdacht der Vorteilsannahme. - In der FAZ (v. Lucius 2008) stand dazu: "Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte im März Aktenmaterial der Firma in Bergisch-Gladbach beschlagnahmen lassen. Die Polizei wertet es nun aus. Angeblich gibt es eine Liste mit vielen Namen von Hochschullehrern, die Geld für die Annahme von Doktoranden erhielten." Da auf der Internetseite des Instituts auch über die Rechtswissenschaften hinaus allerlei Angebote für andere Disziplinen zu finden sind, vermuten die Ermittler, dass die Angelegenheit noch weitere Kreise ziehen könnte. Immerhin wies das Institut selbst darauf hin, dass es seit 2000 bei der „legalen Realisierung“ von über 350 Promotionen geholfen habe und über mehr als 100 Kooperationspartner verfüge: "Wissenschaftler des Instituts seien als Gutachter an Promotionsverfahren beteiligt. Man helfe berufstätigen Promotionswilligen dabei, ein Thema auszuwählen sowie einen Doktorvater und Fakultäten ohne zusätzliche Eingangsprüfungen zu finden. Dazu kommt Hilfe bei der Materialbeschaffung und der 'Diskussion' von Entwürfen" (v. Lucius 2008).
  • Ermittlungen richteten sich im Juli 2008 auch noch gegen einen zweiten hannoverschen Juraprofessor, einen beliebten, befähigten und als integer geltenden Zivilrechtler, der Anfang Juli sein Amt als Dekan der Fakultät niederlegte.
  • Im August 2009 bestätigte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld, dass gegen etwa 100 HochschullehrerInnen (vorwiegend PrivatdozentInnen) im gesamten Bundesgebiet und in allen Fachbereichen wegen Betrugs mit Doktortiteln ermittelt werde. Von einer Wissenschafts-Beratungsfirm in Bergisch-Gladbach sollen sie zwischen 4000 und 20.000 Euro Schmiergelder erhalten haben, um promotionswilligen AkademikerInnen schneller zu ihrem Doktortitel zu verhelfen ("100 Hochschullehrer unter Korruptionsverdacht", FAZ 24.08.09: 9.)

Kontext

Doktortitel sind ein begehrtes Gut, dessen redlicher Erwerb erheblichen Zeitaufwand und erhebliche geistige Anstrengungen erfordert. Da ist die Versuchung gross, Geld zu investieren, um Zeit und Anstrengung zu ersetzen. Seitens der Hochschullehrer wird die Bereitschaft zur Erleichterung der Promotion per Geldzahlungen gefoerdert. Das Institut fuer Wissenschaftsberatung in Bergisch-Gladbach nahm bis zu 20 000 Euro Vermittlungsgebuehr, um Kandidaten und Betreuer zusammen zu bringen. Die Kandidaten zahlten dann noch einmal 4000 Euro an den Hochschullehrer, um von ihm angenommen zu werden. Ueber die Kosten fuer die Anfertigung einer Dissertation seitens eines Ghostwriters gibt es keine Angaben. Beguenstigt werden strafbare Promotionen durch den hochschulpolitischen Kontext: die Einrichtung von Graduiertenkollegs als Teil der Exzellenzinitiative der Wissenschaftspolitik fuehrt gelegentlich dazu, dass auch wenig befaehigte Kandidaten angenommen werden, nur damit die Mittel fliessen. Auch die Erhebung der Kennzahl "erfolgreich betreuter Dissertationen" in den Rang eines Leistungskriteriums zur Beurteilung der Qualitaet von ProfessorInnen (beim Forschungs-Rating des Wissenschaftsrats) kann insofern kontraproduktiv wirken und die Qualitaet der Betreuung vermindern.

Quellen

  • Kaube, Juergen (2009) Dr. inflationis causa. Doktor spielen: Der Handel mit Titeln an Hochschulen. FAZ 25.08.2009: 27.
  • Kutter, Inge & Jan-Martin Wiarda (2011) Was ist der Dr. wert? DIE ZEIT No. 10, 03.03.2011: 34.
  • Rieble, Volker (2010) Das Wissenschaftsplagiat. Frankfurt a.M.: Vittorio Klostermann.
  • Schulze-Cleven, Tobias (2009) Welches Signal sendet eine Promotion in Deutschland? FAZ 30.09.09: N 5.
  • Zimmerling, Wolfgang (1995) Akademische Grade und Titel. Köln: Dr. Otto Schmidt. 2. Auflage.
  • 100 Hochschullehrer unter Korruptionsverdacht (2009). FAZ 24.08.: 9.

Links