Mexikanischer Drogenkrieg

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Mexikanischer Drogenkrieg oder Drogenkrieg in Mexiko wird eine bislang (Mai 2012) noch nicht beendete bewaffnete Auseinandersetzung bezeichnet, die am 11.12.2006 mit dem Angriff mexikanischen Militaers auf die mexikanischen Drogenkartelle begann und in komplexen Frontstellungen, die auch Konflikte von Kartellen untereinander einschlossen, nach Regierungsangaben bis Ende 2011 mehr als 47.000 Menschenleben forderte. Zurzeit stehen ungefähr 50.000 Militärangehörige und 35.000 Bundespolizisten schätzungsweise 300.000 Angehörigen der mexikanischen Drogenkartelle gegenüber.

Ursprung

Mit dem Machtverlust der kolumbianischen Kartelle von Medellín und Cali in den 1990er Jahren korrespondierte ein Aufstieg der mexikanischen Kartelle. Zwar gab es in dieser Zeit etwa 900 Todesopfer im Zusammenhang mit dem Drogenhandel, die damalige Regierung unter der Führung des Präsidenten Vincente Fox entschied sich jedoch ferner für ein passives Verhalten im Bezug auf die Bekämpfung der Drogenkartelle. Dies änderte sich umgehend mit der Wahl des neuen Präsidenten Felipe Calderón, der die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität in Mexiko zu einem seiner wichtigsten Ziele seiner Amtszeit von 2006 bis 2012 erklärte. Demnach entschied sich im Jahre 2006 die neue Regierung für eine proaktive Bekämpfung des Drogenhandels. Am 11.12.2006 schickte Calderón 6.500 Soldaten in den Bundesstaat Michoacán, um die dortige drogenbezogene Gewalt zu beenden. Diese Aktion wird generell als Beginn des Krieges der Regierung gegen die Drogenkartelle angesehen. Später verschärfte Calderón seine Bemühungen im Kampf gegen die - nach seinen eigenen Aussagen - Konkurrenten um die Regierungsgewalt und setzte rund 45.000 Soldaten und 35.000 Bundespolizisten ein.

Eine reichhaltige Informationsquelle über den mexikanischen Drogenkrieg jenseits der regierungsamtlichen Verlautbarungen ist der Blog del Narco, der - eventuell initiiert oder geschützt von Joaquín Guzmán - über Ereignisse in dem Kontext berichtet. Dieser Blog ist aufgrund seiner Abbildungen von Gewaltopfern für Minderjährige nicht zu empfehlen.

Konfliktparteien

Polizei

Die mexikanische Polizei besteht aus einer Gemeindepolizei( Munizialpolizei), derStädtepolizei und der Bundesstaatenpolizei. Die Gemeindepolizei stellt mit über 425.000 Polizisten die größte Einheit dar. Zum Anderen gibt es die Bundespolizei, die unter der Führung von Maribel Cervantes Guerrero steht und ungefähr 34.500 Polizisten zählt. Jeder Gliedstaat und jede Gemeinde besitzt ein eigenes Corps, so dass es in Mexiko über 2000 verschiedene Polizeieinheiten gibt. Eine von Präsident Calderón angestrebte Vereinheitlichung der Polizei stieß jedoch im Parlament auf Widerstand der kommunalen Behörden und der Gouverneure der Bundesstaaten. Die Zahl der Polizeikräfte auf Bundesebene hat sich von 11.000 im Jahre 2000 auf etwa 37.000 im Juni 2009 mehr als verdreifacht. Seit der Amtszeit von Ernesto Zedillo (1994-2000) löste eine Polizeireform die nächste ab, ohne dass es einen grundlegenden Wandel im Modus operandi gegeben hat. Den lokalen Polizeikräften wurden Militärkommandos unterstellt.

Hinzu kommt, dass viele Positionen bei der Polizei mit ausgeschiedenen Militärangehörigen besetzt werden, ohne dass diese auf Polizeiaufgaben vorbereitet werden. Es scheint sich zu normalisieren, dass die Armee im Landesinneren eingesetzt wird und somit ständig gemischte Kommandos agieren. Dies hat zur Folge, wie die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko bestätigt, dass zahlreiche systematische Menschenrechtsverletzungen durch alle in Mexiko existierenden Polizeistrukturen, von der lokalen bis zur Bundesebene vollzogen werden. So sind die unteren Ränge der Polizei stark unterbezahlt, was ein Nährboden für Korruption bietet und wiederum zur Folge hat, dass schätzungsweise fünf bis 15 % der Sicherheitskräfte mit den Kartellen zusammenarbeiten. Die Korruption betrifft aber nicht nur die unteren Ränge der Polizei, sondern auch hochrangige Positionen des Staatsdienstes. Laut dem Institute for Safety, Security and Crisis Management in Den Haag, sind die unteren Ränge der Polizei zugleich Täter und Opfer der „zügellosen Korruption des gesamten Systems“, wobei ein großer Prozentsatz der von den unteren Dienstgraden empfangenen Bestechungsgelder die Hierarchie hinauf fließen und Polizeioffiziere an der Spitze der Pyramide davon profitieren. Demnach kämpfen Sonderkommandos der Bundespolizei gegen Teile der Spezialeinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (AFI), weil sie diese der Kooperation mit einigen Drogenbaronen verdächtigten. Der Polizeichef von Mexiko City, Gerado Garay, musste wegen des von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten Verdachts der Kooperation mit einem Drogenkartell 2008 zurücktreten. Um dieselbe Zeit war die Verhaftung von fünf Beamten der Generalstaatsanwaltschaft bekannt geworden, die unter dem Verdacht standen, erhebliche Summen von Drogenhändlern angenommen zu haben. In dem Zusammenhang war auch bekannt geworden, dass es einem Drogenkartell gelungen war, in die US-Botschaft in Mexiko City einen Spion einzuschleusen, der DEA-Informationen an mexikanische Drogenhändler weiterleitete.

Weiterhin belegt eine Studie von Human Right Watch in mehr als 170 Fällen, dass die mexikanischen Sicherheitskräfte gezielt Foltertechniken, wie Schläge, simuliertes Ersticken, simuliertes Ertrinken, Elektroschocks und Scheinexekutionen anwenden, um an Informationen über die organisierte Kriminalität zu gelangen sowie Geständnisse zu erzwingen, die zugleich dazu dienen, vorangegangenen Polizeimissbrauch zu vertuschen. Die Zahl der Beschwerden über Folter ist bei der Nationalen Menschrechtskommission von 330 im Jahr 2006, auf 1.161 im Jahr 2010, gestiegen. Dabei dürfte die Dunkelziffer aus Angst vor Vergeltung enorm sein. Weiterhin hat HRW belegt, dass es in vielen Fällen zu einem "Verschwindenlassen" kommt, bei denen es schwerwiegende Beweise für eine Beteiligung von Sicherheitskräften gibt. Erschreckend hierbei ist, dass in 24 der 32 mexikanischen Bundesstaaten "gewaltsames Verschwindenlassen" nicht unter Strafe gestellt ist. Begünstigend wirkt dabei das so genannte "arraigo" Gesetz, welches die Möglichkeit bietet, Personen bis zu 80 Tagen ohne Haftbefehl festzuhalten. Zudem stehen die mexikanischen Sicherheitskräfte unter dem Verdacht der Vollziehung von extralegalen Tötungen. So wird an der von Präsident Calderón verkündeten Zahl gezweifelt, dass nur ein Prozent der 35.000 offiziell anerkannten Toten des „Kriegs gegen den Drogenhandel“ unschuldige zivile Opfer seien. Die Behauptung, dass 90% der Toten auf Konflikte zwischen den Kartellen bzw. auf bewaffnete Konfrontationen zwischen kriminellen Banden und Sicherheitskräften zurückzuführen seien, wird ebenfalls von HRW ernsthaft in Zweifel gezogen.

Dies sind einige der Gründe, warum in Mexiko die Bevölkerung den Kontakt zur Polizei nach Möglichkeit vermeidet, was sich in entsprechenden Statistiken niederschlägt. Im Jahr 2010 erstatteten dem Instiuto Nacional d stadística y Geografía zufolge von 78.000 befragten Bürgern 90% jener, die Opfer eines Verbrechens wurden,niemals eine Anzeige. Kritisch zu betrachten ist die nahezu vollständige Straffreiheit für Polizei- und Militärangehörige bei Menschenrechtsverletzungen, die Entführungen, Folter und extralegale Tötungen umfassen.

Militär

Die mexikanischen Streitkräfte trennen sich in die Bereiche Heer und Marine und unterstehen dem Secretaría de la Defensa. Von den ungefähr 200.000 Militärangehörigen sollen ungefähr 50.000 Soldaten in dem so genannten "Drogenkrieg" engagiert sein. Hier ergibt sich die Problematik der systeminhärenten Straflosigkeit beim inländischen Einsatzes des mexikanischen Militär. Artikel 57 des mexikanischen Militärgesetzbuches schreibt vor, dass auch dann die Militärgerichtsbarkeit anzuwenden ist, wenn Militärangehörige Verbrechen gegen Zivilpersonen begangen haben. Diese Auslegung verstößt gegen internationales Recht, wie in mehreren Urteilen des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (CIDH) festgestellt wurde. Im April 2009 wurde von der Regierung Calderón eine Reform des 2005 unter Präsident Vincente Fox verabschiedeten Gesetzes zur Nationalen Sicherheit („Ley de Seguridad Nacional“) vorgeschlagen. Dieses, bislang noch nicht verabschiedetes Gesetz, ist aus Sicht zahlreicher Menschenrechtsorganisationen bedenklich, weil es zu einer dauerhaften Normalisierung des Einsatzes der Armee im Landesinneren und damit vermutlich auch zu einer Permanenz der gemischten Kommandos bei gleichzeitig fehlender demokratischer Kontrolle führen würde.

Drogenkartelle

Drogenkartelle (Drogen-Syndikate; abwertend, aus dem US-Amerikanischen) werden Ringe von Drogenhändlern genannt, die illegale berauschende Substanzen im großen Stil vertreiben und nicht selten zur Mafia gehören. Oft handelt es sich bei ihnen aber nicht um tatsächliche Kartelle als Zusammenschlüsse von Konkurrenten, sondern um 'normale' hierarchische Organisationen. In Südamerika sind die meisten vermeintlich unkontrollierbaren Drogenkartelle vorzufinden.

  • Das Golfkartell soll den Drogen- Waffen-und Menschenhandel in Tamaulipas kontrollieren. Das Zeichen des Golf-Kartells ist die weiße Abkürzung CDG auf grün-weiß-rotem Grund.
  • Das Juárez-Kartell (auch Carrillo Fuentes Organisation) ist ein mexikanisches Drogenkartell, das seit den 1990er-Jahren um die Vorherrschaft über die Route des Drogenschmuggels von Ciudad Juárez in die USA kämpft. Es wurde von Amado Carrillo Fuentes gegründet, der es bis zu seinem Tod 1997 anführte. Danach verlor das Juárez-Kartell im Verhältnis zu anderen Drogenkartellen kontinuierlich an Macht.
  • Das Tijuana-Kartell, oder auch Arrellano-Félix-Kartell, wurde 1989 von den Arellano-Félix-Brüdern gegründet. Es gehörte in den 1990er Jahren zu den mächtigsten Drogenkartellen in Mexiko. Die kriminelle Organisation, die seit 2010 auch als Fernando Sanchez Organisation bezeichnet wird, hat unterdessen an Macht verloren, scheint aber weiterhin in Baja California (Bundesstaat), vor allem in der Grenzstadt Tijuana, aktiv zu sein.
  • Das Beltrán-Leyva-Kartell (span: Cártel de los Beltrán Leyva) war eine kriminelle Vereinigung aus Mexiko, die 2008 gegründet wurde. Es stieg schnell zu einem mächtigen mexikanischen Drogenkartell auf. Nach dem Tod ihres Anführers Marcos Arturo Beltrán-Leyva splittete es sich auf und wurde fast vollständig zerschlagen.
  • La Familia Michoacana, oder kurz La Familia, ist ein mexikanisches Drogenkartell, das aus dem mexikanischen Bundesstaat Michoacán stammt. Die Organisation entstand, nachdem sie sich 2006 vom Golf-Kartell abgespalten hatte.[1] Das Kartell kontrolliert die Herstellung und Verbreitung von Drogen in Michoacán, zudem schmuggelt es nach Angaben der US-Sicherheitsbehörden große Mengen synthetischer Drogen und Kokain in die Vereinigten Staaten.
  • Das Los Zeta Kartell geht auf eine Eliteeinheit der Armee zurück, die Ende der neunziger Jahre von amerikanischen Agenten für die Bekämpfung der Drogenkartelle ausgebildet wurde. Weil das Golf-Kartell besser zahlte, wechselten die Soldaten wenig später die Seiten. Kurz darauf spalteten sich die Zetas unter der Führung von Flavio Mendez Santiago von dem Golfkartell ab und wuchsen rasch von ursprünglich 31 Mitgliedern auf schätzungsweise 1000 - 3000 Mitglieder. Sie kontrollieren nun den Bundesstaat Tamaulipas und kämpfen gegen das Golf Kartell um die Vormachtstellung in Nuevo Leon. Die Zetas rekrutieren ihre Mitglieder aus ehemaligen Angehörigen einer Spezialeinheit der Streitkräfte Guatemalas, den sogenannten Kaibiles, sowie anderen Soldaten und werden von der Drug Enforcement Administration (DEA) als die technologisch am weitesten entwickelte und gewaltbereiteste paramilitärische Gruppe in Mexiko geführt. Die Los Zetas werden von Heriberto "El Lazca" Lazcano angeführt.

Im September 2011 wurden innerhalb einer Woche 49 Leichen, die Folterspuren aufwiesen und als Mitglieder der Los Zetas identifiziert wurden, gefunden. Als Täter gaben sich die so genannten Los Mata Zetas zu erkennen. Die Mata Zetas erklären in ihrem Video, sie hätten sich selbst all die Praktiken der Drogenbanden verboten: Entführungen, Erpressungen, Raub, Belästigung: All das soll es bei ihnen nicht geben.Ihr einziges Ziel sei es, das Zeta Kartell auszulöschen.

Im Februar 2010 soll sich das Sinaloa-Kartell mit dem Golf-Kartell und der La Familia Michoacana verbündet haben, um gemeinsam gegen die anderen Drogenkartelle zu kämpfen. Diese Kämpfe sollen unterdessen vorwiegend durch das Sinaloa-Kartell und die Los Zetas beherrscht werden.

Frauen im Drogenkrieg

Sie waren bisher vorrangig die Liebhaberinnen der Bosse und erledigten nur Hilfsdienste. In den mexikanischen Drogenkartellen hatten Frauen eher einen geringen Einfluss. Am eigentlichen Geschäft waren die sogenannten Narqoqueens in der Vergangenheit nur am Rand beteiligt. Doch nun übernehmen immer mehr Frauen Aufgaben im operativen Geschäft, wenn die Männer getötet oder festgenommen werden. Die mexikanische Staatsanwaltschaft PGR ermittelt gegen mindestens 14 Verdächtige in herausgehobenen Positionen in den Kartellen. In vielen Familien ist die Tradition des Drogengeschäfts so fest verwurzelt, dass die Mädchen schon von klein auf mit den Regeln des Milieus vertraut sind. Zu den einflussreichsten "Narcoqueens" gehören Enedina Arellano Félix und Sandra Ávila Beltrán. Félix soll Anführerin des Tijuana- Kartells sein. Nach Erkenntnissen der US-Drogenbehörde DEA machte Félix Karriere, nachdem ihre Brüder Ramón und Benjamin erschossen, beziehungsweise festgenommen worden waren. Beltrán kontrollierte, bis zu ihrer Festnahme am 28. September 2007, den Rauschgifttransport über die Pazifikküste Mexikos bis nach Kalifornien und nahm an den großen Runden der Kartell-Granden teil. Dort wurden Territorien neu aufgeteilt und über Kooperation oder Krieg entschieden. Ávila kannte alle Könige der Sinaloa-Mafia.

Opfer

Nach Angaben der mexikanischen Regierung soll sich die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg von 2006 bis einschließlich 2011 auf 47.515 Opfer belaufen. Im Jahr 2006 wurden 62 Opfer vermeldet. Im Jahr 2007 bereits 2826 Opfer. Im Jahr 2010 gab es 15.278 Todesopfer. Demnach ist eine deutliche Steigung der Wachstumsrate der Todesopfer seit dem Ausruf des Drogenkrieges, seitens Felipe Calderon, zu beobachten. Fast die Hälfte aller Todesopfer wurden in den Bundesstaaten Chihuahua, Sinaloa und Guerrero gezählt; die fünf am stärksten betroffenen Städte waren Juárez, Culiacán, Tijuana, Chihuahua und Acapulco de Juárez. Die Zahl an getöteten Militärangehörigen, Polizisten, Staatsanwälten und weiteren in der Justiz tätigen Personen wird mit 1000 angegeben. Laut Angaben der Nationalen Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos) wurden 58 Medienschaffende seit dem Jahr 2000 umgebracht (siehe auch Verfolgung von Journalisten in Mexiko). Bekanntestes Beispiel ist die im September 2011 enthauptete Journalistin María Elisabeth Macías Castro, die hauptsächlich via sozialen Medien kritisch über den Drogenkrieg berichtete. Die vielfach verstümmelte Leiche wurde von den Tätern, vermutlich Mitglieder der Los Zetas, an einer belebten Hauptstraße in der Grenzstadt Nuevo Laredo abgelegt. Insgesamt wurden bis März 2010 rund 121.000 Personen festgenommen. Das Internationale Beobachtungszentrum für Binnenflüchtlinge (IDMC) in Genf hat in seinem jüngsten Bericht bekannt gegeben, dass rund 230 000 Menschen aus Mexiko-Stadt geflohen sind. Die meisten Flüchtlinge bitten um Asyl in den USA.

Strategien

Die mexikanische Regierung versucht die Drogenkartelle hauptsächlich durch die sogenannte "Kinpin strategy "zu zerschlagen. Ziel dieser Strategie, ist die Beseitigung der charismatischen Anführer und der anschließende Zerfalls der Kartelle. Nazario Moreno González, ehemaliger Chef der La Familia, Arturo Beltran Leyva, ehemaliger Anführer des Beltran Leyva Kartells und Antonio Ezequiel Cárdenas, ehemaliger Anführer des Golf Kartells wurden durch mexikanische Streitkräfte im Jahr 2010 getötet. Desweiteren wurden Erick Valencia Salazar, mutmaßlicher Anführer des Kartells Jalisco Nueva Generación und Eduardo Teodoro García Simental, Chef des Tijuana-Kartells sowie Édgar Valdez Villarreal, einer der Köpfe des Beltran Leyva Kartells, festgenommen. Die Beseitigung dieser Anführer führte aber nicht, wie eigentlich gewünscht, zu einem Zusammenbruch der Drogenproduktion und des Drogenhandels, sondern zu einer weitgehenden Zersplitterung und Atomisierung dieses profitablen Geschäfts. Aus dem greifbaren Gegner in Form der großen Kartelle wurde so ein sehr viel schwerer zu bekämpfendes und zu kontrollierendes Phänomen. Die Bekämpfungsstrategie verlagerte sich weg von der Hauptpriorität der Verhinderung der Produktion, des Handels oder des Schmuggels von illegalen Drogen. Die Verlagerung der Bekämpfungsstrategie hängt auch damit zusammen, dass die mexikanischen Drogenkartelle nach Schätzungen heute mehr als 60 % ihrer Einnahmen mit anderen kriminellen Aktivitäten als dem Drogenhandel (z. B. Erpressung) erzielen. Erst seit 2010 setzt Präsident Calderón nicht mehr einzig auf Sicherheitsmaßnahmen. Der mexikanische Staat soll nun auch zusätzlich in Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit investieren. Damit soll vorab Jugendlichen, die Fünfzig Prozent der Arbeitslosen Mexikos ausmachen, andere Perspektiven gegeben werden. Sie sollen Alternativen zum Einstieg ins Drogengeschäft erhalten, da die Betätigung als Kleindealer und das Betreiben einer narcotiendita für viele arme Personen oder Familien eine Möglichkeit zur Realisierung eines ausreichenden Einkommens darstellt. In vielen Fällen ist daher nicht eine kriminelle Absicht, sondern die prekäre Lebenssituation Auslöser des gesetzwidrigen Verhaltens. Ganz allgemein soll die Zivilgesellschaft dadurch gestärkt werden. Der „Eingriffsplan Juárez“ (benannt nach der Stadt Ciudad Juárez) soll umgerechnet insgesamt 200 Millionen Euro kosten und gilt als Pilotprojekt.Zudem gibt es ein großes Lager, unter anderem auch bestehend aus dem Ex - Präsidenten Vincente Fox, welches die Legalisierung des Drogenmarktes fordert.

Angesichts des weltweit allenfalls stagnierenden Konsums lassen sich die traditionellen Bekämpfungsstrategien nicht länger aufrechterhalten. Verbote treiben Gelegenheitsnutzer und Süchtige in die Kriminalität und füllen die Kassen des Organisierten Verbrechens. Dies bedeutet im Umkehrschluss: Wenn der Staat den Drogenhandel gesetzlich reguliere und besteuere, stünden Mittel, die zuvor für die Strafverfolgung draufgingen, für Prävention und Pflege zur Verfügung. Dies würde zu einer Zerschlagung der Kartelle führen. Gegenstimmen behaupten, dass »Dieses Land nicht bereit für einen liberalen Drogenmarkt sei, es fehle an Aufklärung, an Perspektiven, an Gründen für die Jugendlichen, dem Drogenkonsum zu widerstehen. Eine Form von öffentlicher Drogenprävention hätte es in Mexiko bis heute nicht gegeben.Im Übrigen würden sich die Narcos längst nicht mehr allein über den Drogenhandel, sondern zunehmend auch über »Kollateralgeschäfte« wie Erpressung, Menschenhandel, Prostitution und Piraterie finanzieren. Wer wirklich etwas gegen die mexikanische Drogenmafia unternehmen wolle, müsse ihr die Möglichkeit rauben, ihr schmutziges Drogengeld bei nationalen und internationalen Wirtschaftsunternehmen reinzuwaschen. Doch dafür fehle die Entschlossenheit und zudem gebe es die weitverbreitete Korruption staatlicher Behörden und Funktionsträger.

Beteiligung anderer Staaten

Die US-Behörden gehen davon aus, dass der Hauptanteil der in die USA geschmuggelten Drogen aus Mexiko stammt. Ein Teil davon wird in Mexiko selbst angebaut (Marihuana) oder hergestellt (Methamphetamin). Vor allem aber ist Mexiko ein Transitland für Kokain aus Kolumbien und anderen südamerikanischen Ländern: Schätzungsweise 90 % des gesamten in den USA konsumierten Kokains wird durch Mexiko transferiert und so in die USA geschmuggelt. Neben Kokain liefert Mexiko heute einen großen Teil des in den USA konsumierten Heroins, dessen Qualität mittlerweile internationalen Standards entspricht. Der in den USA erzielte Erlös aus dem Drogenschmuggel soll für die mexikanischen und kolumbianischen Drogenkartelle jährlich zwischen 18 und 39 Milliarden Dollar betragen. Auf der anderen Seite stammen rund 90% der Waffen in den Händen der Kartelle aus den Vereinigten Staaten. Man kann folglich von einem gut geölten Kreislauf sprechen: Drogen gehen aus Mexiko nach Amerika, im Gegenzug kommen Waffen aus Amerika nach Mexiko. Aus diesen Gründen haben die USA im Rahmen des 2008 geschlossenen Merida-Abkommens 1,6 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Kartelle eingesetzt - zunächst für drei Jahre. Zusätzlich beabsichtigen sie Hilfe in Form von militärischer Ausrüstung, Ausbildung und Unterstützung durch ihre Geheimdienste. Um dem Nachbarland Mexiko im Kampf gegen die mächtigen Drogenbosse zu helfen, will die amerikanische Regierung unter Barack Obama 80 Millionen Dollar zum Kauf von Black-Hawk-Hubschraubern beisteuern.

Am 2. Mai 2011, anlässlich seines Staatsbesuchs in Mexiko, überraschte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff die Öffentlichkeit sowie Nichtregierungsorganisationen in Mexiko mit der Bekanntgabe eines in Verhandlung befindlichen Abkommens zur Sicherheitszusammenarbeit zwischen Deutschland und Mexiko. Zwar wird selbst vom Auswärtigen Amt anerkannt, dass der Einsatz der mexikanischen Sicherheitskräfte mit gravierenden Menschenrechtsproblemen behaftet ist, doch sei die deutsche Politik nach wie vor bereit, sich auf die „Doppelstrategie“ der mexikanischen Regierung einzulassen.

Die DMRK äußert schwerwiegende Bedenken gegen den Abschluss eines Abkommens zur Sicherheitszusammenarbeit mit Mexiko und lehnt dieses ab. Erforderlich sei zum jetzigen Zeitpunkt vielmehr, dass Mexiko den Anforderungen an einen Rechtsstaat - insbesondere im Bereich Menschenrechte - nachkommt und in den Alltag umsetzt. Momentan würden die normierten Ansprüche und die Umsetzung noch weit auseinander klaffen.

Chronologie wichtiger Ereignisse

2006

  • Beginn des Drogenkrieges: Präsident Felipe Calderón schickt im Dezember das Militär nach Michoacán um die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Drogenkartellen zu beenden.

2007

  • Im Karibikhafen Veracruz wird im Mai ein abgeschnittener Männerkopf gefunden, auf der rechten Wange klemmt ein Zettel mit der Botschaft: „Wir werden weitermachen, bis die Soldaten abhauen“
  • Ebenfalls im Mai: Im Dorf Apatzingán kommt es zu einer offenen Schießerei in der Nähe einer Dorfschule. Die traumatisierten Kinder können erst zwei Stunden später aus dem Schussfeld gerettet werden.1

2008

  • 15.September: am 198. Unabhängigkeitstag von Mexiko kommen bei einem Handgranatenanschlag auf dem Marktplatz von Morelia (Hauptstadt des Bundesstaates Michoacán, dort wurde Präsident Caldéron geboren) sieben Zivilisten ums Leben, über hundert werden verletzt. Damit scheint eine neue Stufe der Gewalt erreicht: nunmehr sind zunehmend unbeteiligte Bürger gefährdet.2
  • Der mexikanische Inneminister Juan Camilo Mouriño und weitere 13 Insassen kommen im November bei einem Flugzeugabsturz in Mexiko-Stadt ums Leben. Ein Anschlag wird ausgeschlossen. Dies stellt einen schweren Schlag für Mexikos Präsidenten dar, da Mouriño zu dessen engsten Vertrauten zählte.3

2009

  • Der Drogenkrieg weitet sich immer mehr aus. Stärkere Ermittlungen der Behörden führen im März zu einem „Umzug“ Tausender Krimineller in eine neue Stadt. Chihuahua, Hauptstadt des größten mexikanischen Bundesstaates, wird zum neuen Kampfplatz. Die Regierung ist überfordert.4
  • 27.000 Armeemitglieder und Polizeibeamte kämpfen mittlerweile gegen die Kartelle. Eiserne Regel auf Seiten der Mafia: „Jeden Tag soll ein Polizist sterben“ 5
  • Erfolg für den mexikanischen Präsidenten: Marinesoldaten spüren im Dezember den Drogenboss Arturo Beltran Leyva in seiner Luxusresidenz in Cuernavaca auf und erschiessen ihn. Der Bandenchef war erst fünf Tage zuvor einer Armee-Einheit entkommen und stand auf der Spitze der Fahndungslisten der USA. 6

2010

  • Januar: In Ciudad Juárez kommen bei einem Angriff auf eine Feier 13 Menschen ums Leben, 17 werden schwer verletzt. Die Opfer waren 15-20 Jahre alt. 7
  • Im Juni gerät Rodolfo Torre (46) samt seinen Beratern in einen Hinterhalt und wird erschossen. Er galt als aussichtsreichster Kandidat für die Gouverneurswahlen im Bundesstaat Tamaulipas. 8
  • Einer der brutalsten Verbecher, genannt Edgar „La Barbie“ Valdez wird von der Polizei im August festgenommen. Er gilt als sehr einflussreich. Mittlerweile wird die gesamte US-mexikanische Grenze von Kalifornien bis Texas von der Luft aus kontrolliert. Die mexikanische Regierung hat überdies 3200 Beamte entlassen, Grund: Korruptionsvorwürfe oder mangelnde Fähigkeiten im Einsatz gegen die Drogenmafia.9
  • Im September wird in der Stadt Tancitaro ein Bürgermeister und dessen Berater zu Tode gesteinigt. Der Bürgermeister war bekannt für sein hartes Durchgreifen gegen die Drogenhändler.10
  • Guatemala ruft im Dezember den Ausnahmezustand aus, der Einfluss der „Los Zetas“ ist zu stark geworden, die Regierung machtlos. 11

2011

  • Laut eines US-Berichtes im Januar führt der Zusammenschluss der rivalisierenden Kartelle „EL Golfo“ und „La Familia“ zur Verdrängung der Los Zetas von der Spitze der organisierten Kriminalität. 12
  • Im März findet die Polizei im Bundesstaat Guerrero zwei Massengräber mit mindstens 17 Leichen. Die Gegend ist als Anbaugebiet für Marihuana bekannt und gilt als wichtige Transitroute. 13
  • Im Juni können die Behörden gleich zwei Drogenbosse verhaften: "El Brad Pitt", mächtiges Mitglied des Drogenkartells Juárez und "El Chango", führendes Mitglied der „La Familia“
  • Ein Zusammenschluss der Organisationen der Rechte für Kinder in Mexiko (Redim) veröffentlicht im Juni eine Bilanz, laut deren seit 2006 1300 Kinder und Jugendliche im Drogenkrieg ums Leben gekommen sind. 14
  • in der Kleinstadt Ascensión kündigen im August alle Polizisten und legen ihre Arbeit nieder- aus Angst vor den Drogenkartellen. 15
  • Spiegel-Bilanz Ende August: 15 273 Tote forderte der Drogenkrieg im Jahr 2010. 2777 Zivilisten starben im selben Zeitraum in Afghanistan.16
  • Die US Behörden verstärken im Oktober ihr Informantennetz und erweitern den Einsatz der Geheimdienste. 17
  • Das Hackernetzwerk Anonymous droht dem Zeta-Drogenkartellsim November damit, mehrere Mitglieder zu outen, wenn nicht ein entführtes Mitglied der Hacker Gemeinschaft freigelassen werde würde. Dieses kam daraufhin frei, Anonymous zog seine Drohungen zurück. 18
  • Rückschlag für die Behörden: Ende November stirbt Mexikos Innenminister, José Francisco Blake bei einem Hubschrauberabsturzes. Er ging hart gegen die Drogenkartelle vor. 19

2012

  • In der Stadt Monterrey, welche einst als eine der sichersten des Landes galt, finden die Behörden im Februar zwei verstümmelte Frauenleichen. Der Zeigefinger fehlt jeweils, dies gilt als Hinweis, dass die Opfer Informanten waren. 20
  • Im selben Moment räumt der Verteidigungsminister Guillermo Galván ein, dass die Regierung wohl Fehler gemacht hätte und die Organisierte Kriminalität in Teilen des Landes die Macht über staatliche Institutionen übernommen hat. Man schätzt, dass bislang 50.000 Menschen im Drogenkrieg ums Leben kamen. 21
  • Eine Untersuchung der unabhängigen Forschungseinrichtung "Instituto de Acción Ciudadana" ergibt im Juni: 70 Prozent aller mexikanischer Gemeinden sind von den Drogenhändlern unterwandert, welche regieren. Die Politiker sind machtlos. Vor einem Jahrzehnt waren nur halb so viele Gemeinden betroffen 22
  • August: TV-Serien welche sich um die sogenannten „Narcoqueens“ drehen, erfreuen sich einer stetig wachsenden Beliebtheit. Die Hintergründe sind bittere Realität: immer mehr Frauen ersetzen ihre verhafteten oder erschossenen Ehemänner/Geliebten im Drogenkrieg. Sie übernehmen wichtige Posten und stehen nun im Visier der Ermittlungen. 23

Zitate

"In Mexiko Kriminologe zu sein, das ist, als wäre man Kryptograf am Nordpol" (Roberto Bolaño).

"... so gilt es, nicht nur den Konsum, sondern auch die Produktion und die Verteilung von Drogen zu legalisieren. Wo es eine solche Legalisierung gebe, sei der Drogenkonsum nicht signifikant gestiegen" (Vincente Fox)."

"Es tobt ein blutiger Krieg da draußen. Es ist das gesammelte Versagen der Behörden von vielen Jahren, das uns diese Situation beschert hat." Federico Estévez, Politologe an der Universität Itam von Mexiko-Stadt

Literatur

  • Mexican Drug War in: en.wikipedia [[1]]
  • Calderón will härter gegen Drogenbanden vorgehen. FAZ 02.10.08: 7.
  • Polizeichef zurückgetreten. FAZ 03.11.08: 6.
  • Sabet, D. (2010): Police Reform in Mexico: Advances and Persistent Obstacles. Working Paper Series on U.S.-Mexico Security Collaboration. Mexico Institute, Woodrow Wilson Inter-national Center for Scholars, 23 S.
  • Amnesty International: `Laws without justice: Human rights violations and impunity in the public security and criminal justice system´ (2007)
  • El País vom 11.01.2012 "El Gobierno mexicano contabiliza 47.515 asesinatos por la lucha de Calderón"
  • Uildriks, N. (2010): Mexico’s unrule of law: implementing human rights in police and judicial reform under democratization. Lexington Books, Plymoth, UK, S. 132.
  • Sabet, D. (2010): Police Reform in Mexico: Advances and Persistent Obstacles. Working Paper Series on U.S.-Mexico Security Collaboration. Mexico Institute, Woodrow Wilson Inter-national Center for Scholars, 23 S.
  • Klaus Stüwe (Hrsg.) und Stefan Rinke (Hrsg.): Die politischen Systeme in Nord- und Lateinamerika. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008. Seite 403.
  • Cattaneo, Fausto: Deckname Tato: als Undercoveragent gegen die Drogenkartelle. Zürich 2001.
  • Crandall, Russell (2001): Explicit Narcotization: US Policy Toward Colombia During the Presidential

Administration of Ernesto Samper (1994-1998). Aufsatz für die Konferenz der Latin American Studies Association in Washington D.C., 6.-8. September 2001, S. 1-45.

Weblinks

It is 11 years since the then president Felipe Calderón launched a militarised crackdown on drug cartels deploying thousands of soldiers and promising an end to the violence and impunity. But the bloodletting continues, the rule of law remains elusive and accusations of human rights abuses by state security forces abound. - All the while, Mexico continues to race past a series a grim milestones: more than 200,000 dead and an estimated 30,000 missing, more than 850 clandestine graves unearthed. This year is set to be the country’s bloodiest since the government started releasing crime figures in 1997, with about 27,000 murders in the past 12 months. (...) Meanwhile, police departments are dilapidated, dispirited, corrupt and underfunded as state and national politicians pass on security responsibilities on the armed forces. - Earlier this month, congress rammed through a controversial security law cementing the role of the military in the drug war – despite mounting accusations of human rights abuses committed by troops and marines.*http://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/12/mexico-drug-war-eyes-children-161201085109758.html