Kreislauf der Gewalt

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Der "Kreislauf der Gewalt" ist eine intergenerationelle Handlungskette: dies bedeutet, dass Kinder, die innerfamiliär misshandelt oder vernachlässigt werden, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in ihrem Lebensverlauf auch ihrerseits auf ähnliche Weise gewalttätig zu werden. In der Kriminologie erschien der Begriff wohl zuerst 1989 in dem von David F. Farrington herausgegebenen Werk über "Psychological explanations of crime", und zwar als Titel des Beitrags von Cathy Spatz Widom, der die Ergebnisse einer von ihr durchgeführten empirischen Studie darstellt.


The Cycle of Violence (C.S. Widom)

In der Einleitung ihrer Arbeit gibt Widom einen historischen Abriss der Entstehung des Schlagwortes des „Kreislauf der Gewalt“. Sie beschreibt, dass dieser Begriff erst seit ca. 25 Jahren in der Wissenschaft im Bereich der Misshandlung und Vernachlässigung Beachtung findet. In dem Kapitel „Literarischer Rückblick“ („Literature Review“) wird berichtet, in welchen Zusammenhängen Forscher und Autoren bisher den Begriff des „Kreislauf der Gewalt“ („cycle of violence“) oder die Phrase „zwischen Generationen übermittelte Gewalt“ („intergenerational transmission of violence“) verwendet haben. Danach gibt es zwei Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder, die selbst misshandelt oder vernachlässigt wurden; sie könnten selbst zu misshandelnden Elternteilen werden, oder sie könnten straffällig im Bereich der sogenannten Erwachsenen–Kriminalität werden. Die bisherigen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen sind nach Widom durch schwerwiegende methodologische Probleme, wie der Generalisierung der Ergebnisse, der wissenschaftlichen Gültigkeit oder der polizeilichen Relevanz begrenzt. Bei einer direkten Durchsicht der verfügbaren empirischen Studien zu der genannten Hypothese fand Widom heraus, dass es nur wenige empirische Beweise dafür gibt, dass Misshandlungen wiederum zu weiteren Misshandlungen im Verlauf eines Lebens führen. Die meisten Studien verlassen sich ihrer Meinung nach zu sehr auf selbstberichtete und rückblickende (retrospektive) Daten, mangelhafte Dokumentationen, und seltenen Gebrauch von Daten einer sogenannten Basislinie einer Kontrollgruppe. Das von Widom angestrebte Ziel war nun, die betrachteten Probleme zu überwinden, die die empirische Dokumentation des „Kreislauf der Gewalt“ aufgehalten hatten.

Im Folgenden wurden im zweiten Kapitel die „neuen Forschungsentwicklungen“ („new research developments“) von Widoms eigener Untersuchung dargestellt. Es handelt sich hierbei um ein zweijähriges Forschungsprojekt, bei dem die Beziehung von Kindesmisshandlung und –vernachlässigung und späterem gewalttätigem, kriminellem Verhalten durch so genannte Basisfragen ermittelt werden sollte, und gleichzeitig die bisherigen methodologischen Probleme ausgeschlossen werden sollten. Dazu musste man zunächst eine eindeutige, operationale Definition von Misshandlung und Vernachlässigung finden, getrennte Gruppen von unterschiedlichen Arten der betroffenen Personen haben, eine grosse Stichprobe für einen Untergruppenvergleich machen, und eine den Betroffenen möglichst ähnliche Kontrollgruppe in den Basispunkten Geschlecht, Alter, Rasse/Hautfarbe und wirtschaftlich-gesellschaftlichem Status ausfindig machen. Angestrebt wurde eine Stichprobe über eine Länge von 20 Jahren. Zu der Zeit, in der die Personen für die beiden notwendigen Gruppen ausgesucht werden, sind alle Personen frei von auffälligem Verhalten, und unterscheiden sich nur darin, Misshandlung oder Vernachlässigung als Kind erfahren zu haben. Es muss hierbei sicher sein, dass die Misshandlung oder Vernachlässigung der Straffälligkeit zeitlich vorausging. Nach der Untersuchung von insgesamt 2623 Fällen behielt man letztendlich 908 Fälle für die Studie zurück. Für die insgesamt 589 misshandelten oder vernachlässigten Kinder im schulpflichtigen Alter fanden sich 438 entsprechende Kontrollkinder, die das gleiche Geschlecht, die gleiche Hautfarbe/Rasse, das gleiche Geburtsdatum (mit Abweichungen von 6 Monaten), und die gleichen Klassen einer Grundschule in den Jahren von 1967 bis 1971 besucht hatten, und eine gegenwärtige Adresse in einem Umkreis von höchsten 5 Blocks hatten. Die demographischen Charakteristika der Gruppe der Misshandelten oder Vernachlässigten zeigen, dass die Anzahl der Frauen und Männer ungefähr gleich ist (51% zu 49%), und dass es mehr hellhäutige als dunkelhäutige Personen sind (67% zu 31%). Das Durchschnittsalter der Personen betrug zum Zeitpunkt der Auswertung 25,69 Jahre, d.h. die meisten waren zwischen 20 und 30 Jahre alt, der jüngste Fall 16 Jahre alt, und der Älteste 32. Das Durchschnittsalter der Kontrollpersonen betrug zur Auswertung 25,76 Jahre, und auch in den anderen wesentlichen Punkten waren die Gruppen nahezu identisch.

Ergebnisse

Das grundsätzlichste Ergebnis scheint zu sein, dass misshandelte oder vernachlässigte Kinder ihrer Studie tatsächlich eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine Haftstrafe für straffälliges Verhalten, Erwachsenenkriminalität oder gewalttätiges-kriminelles Verhalten zu erhalten als die Kontrollpersonen. Im Vergleich zu den Kontrollpersonen erhielten die genannten insgesamt mehr Haftstrafen als Jugendliche (26% zu 17%), mehr Haftstrafen als Erwachsene (29% zu 21%), und mehr Haftstrafen für Gewaltverbrechen an sich (11% zu 8%). Zudem weisen die in der Kindheit misshandelten oder vernachlässigten Personen im Vergleich mit den Kontrollpersonen eine höhere Durchschnittszahl an Taten auf (2,43 zu 1,41), haben ein geringeres Durchschnittsalter bei der ersten Tat (16,48 zu 17,29), und ein höheres Verhältnis von Wiederholungstaten, d.h. fünf oder mehr Taten (17% zu 9%). Um die unabhängigen Auswirkungen von demographischen Charakteristika darzustellen, analysierte Widom die Eigenschaften Geschlecht und Hautfarbe/Rasse getrennt voneinander. Hierbei stellte sich heraus, dass Männer häufiger straffällig, kriminell oder gewalttätig werden als Frauen. Eine Misshandlung oder Vernachlässigung in der Kindheit lässt diese Wahrscheinlichkeit noch mehr ansteigen. Dunkelhäutige fallen statistisch häufiger in einer offiziellen Aufzeichnung über Kriminalität auf als Hellhäutige, und zwar entlang aller drei Stufen der Intensität der Aktivität. Für Dunkelhäutige steigt die Wahrscheinlichkeit kriminell zu werden zudem noch weiter an, wenn sie misshandelt oder vernachlässigt wurden; bei hellhäutigen Personen ist dies nicht so.Jugendliche Täter aus beiden Gruppen begehen auch als Erwachsene wieder Taten.


Schlussbetrachtung

In der Studie wird abschließend zusammengefasst, dass eine „Veropferung“ in der frühen Kindheit nachweislich Langzeit-Konsequenzen in Bezug auf Straffälligkeit, Erwachsenenkriminalität und gewalttätiges kriminelles Verhalten hat. Die gefundenen Ergebnisse liefern nach Meinung der Autorin eine starke Unterstützung der Hypothese des „Kreislauf der Gewalt“, und man könne die direkte Frage nach der Entstehung von späterem gewalttätigem Verhalten nach eigener erlebter physischer Gewalt von Kindern bei konstanten demographischen Variablen bestätigen. Die Ergebnisse beinhalten, dass Misshandelte und vernachlässigte Kinder ein signifikant höheres Risiko in sich tragen, straffällig, kriminell oder gewalttätig zu werden, wobei dies natürlich nicht auf jedes dieser Kinder zutrifft, sondern eher auf eine Minderheit (26% aller Opfer begingen Taten als Jugendliche, 11% erhielten eine Haftstrafe als Erwachsener, alle anderen nicht) .


Bewertung

Diese Untersuchung kann nicht uneingeschränkt gelten. Die hier untersuchten Fälle sind ausschliesslich solche, in denen die Behörden interveniert haben. Zudem sind in diesen Berichten Familien mit geringem Einkommen überrepräsentiert. Ebenfalls konnte man nicht sicher sein, ob die Personen der Kontrollgruppe nicht vielleicht doch misshandelt oder vernachlässigt worden waren, ohne dass dies offiziell bekannt wurde.


Weitere Quellen und Daten zum „Kreislauf der Gewalt“

Wie bereits in der Einleitung erwähnt gibt es auch noch einige weitere Quellen, die wie die Arbeit von Cathy Spatz Widom die Existenz des „Kreislauf der Gewalt“ belegen.

OHS

Auf der Internetseite der Orlando Humane Society, wird der „Kreislauf der Gewalt“ folgendermaßen definiert: “Kinder lernen von den Erwachsenen und der Gesellschaft in der sie leben ein bestimmtes Rollenverhalten. Ist ihre Umgebung geprägt von Misshandlungen und Vernachlässigung, entsteht ein Kind, dass dieses Verhalten an die nächste Generation weitergeben könnte.“ Ein besonderes Augenmerk legt diese Organisation auf die Verbindung von Kindesmisshandlung und Tierquälerei. Haustiere sind immer das schwächste Familienmitglied in der Rangfolge, und so werden an ihnen beispielsweise die Aggressionen der misshandelten Kinder ausgelassen, oder sie werden gequält, um Kinder damit psychisch zu bestrafen und unter Druck zu setzen. Man geht hier davon aus, dass Gewalt gegenüber Tieren früher oder später auch zu Gewalt gegen Menschen führt. Hierzu werden Daten einer Studie über Gewaltverbrecher und Testpersonen mit unbekanntem Ursprung genannt. 25% dieser Täter haben in ihrer Kindheit Tiere gequält, aber niemand aus der Testpersonengruppe, bei weiblichen Tätern sind es sogar 36%. Bei 57 Familien, in denen es Kindesmisshandlung gab, gab es bei 88% hiervon auch Tier-Misshandlungen; bei 2/3 dieser Fälle hatte der misshandelnde Elternteil das Tier getötet, um Kontrolle über das Kind auszuüben. Und von 28 Sexualstraftätern haben nach Angaben der Organisation 36% als Kind ein Tier gequält, und 46% quälten ein Tier als Erwachsener. Insgesamt muss man wohl aber feststellen, dass diese Angaben nicht repräsentativ, und kaum überprüfbar sind.

Pfeiffer/Wetzels

Wesentlich besser überprüfbare Daten finden sich hingegen in dem Aufsatz „Zur Struktur und Entwicklung der Jugendgewalt in Deutschland“ von 1999 von Christian Pfeiffer und Peter Wetzels auf der Internetseite des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN). Aus einer Untersuchung des KFN zum Thema Jugendgewalt geht hervor, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit oder als Jugendlicher von ihren Eltern massiv geschlagen oder misshandelt wurden, erheblich häufiger selber gewalttätig werden als nicht geschlagene. 9,8% der befragten Jugendlichen waren Opfer schwerer körperlicher Misshandlung in der Kindheit, 16,4% wurden von den Eltern schwer gezüchtigt, und noch einmal 29,4% wurden leicht körperlich gezüchtigt. Gewalt durch Eltern im familiären Bereich ist damit stärker verbreitet als die Viktimisierung Jugendlicher durch andere Gewalthandlungen. Diese innerfamiliäre Gewalt steht wiederum in Zusammenhang mit der sozialen Lage der Familien, denn Jugendliche aus Familien, die von Sozialhilfe oder Arbeitslosigkeit betroffen sind, werden mehr als doppelt so oft misshandelt wie andere Kinder. Türkische Jungen werden hierbei im ethnischen Vergleich besonders oft Opfer physischer elterlicher Gewalt, gefolgt von Jugoslawen und Südeuropäern. Derartige Gewalterfahrungen erhöhen für die betroffenen Jugendlichen die Wahrscheinlichkeit signifikant, selbst Gewalt auszuüben; besonders deutlich ist dies bei Mehrfachtätern. Von den Jugendlichen, die nie Opfer von elterlicher Gewalt wurden, begingen nur 4,5% mehrere Delikte. Von denen, die in der Kindheit und Jugendzeit schwere elterliche Gewalt erfahren haben, begingen mehr als doppelt so viele, 14,8%, mehrere Taten. Zudem sind neben dem elterlichen Erziehungsverhalten auch die Ressourcen der Familien und positive Zukunftsperspektiven von grosser Bedeutung für die Entwicklung der Jugendlichen. Man fand heraus, dass sich das Risiko der Entstehung von Jugendgewalt drastisch erhöht, wenn mindestens zwei der folgenden Faktoren zusammentreffen: Die Erfahrung innerfamiliärer Gewalt, eine gravierende soziale Benachteiligung der Familie, und schlechte Zukunftschancen des Jugendlichen selbst aufgrund eines niedrigen Bildungsniveaus.

Ostendorf

Um die Entstehung von Kriminalität im Allgemeinen, die diese Zahlen erklären könnte, geht es auch in einem Artikel von Heribert Ostendorf in dem Heft „Informationen zur Politischen Bildung“ mit dem Titel „Kriminalität und Strafrecht“. Die Ursachen von Kriminalität, wozu neben Gewaltverbrechen wie Mord oder Vergewaltigung auch Delikte wie Diebstahl, Sachbeschädigung oder alle Strassenverkehrsdelikte zählen, fasst er in sieben verschiedenen Theorien zusammen. Die erste ist die sogenannte „Lehre vom geborenen Verbrecher“, die besagt, dass kriminelles Verhalten genetisch vererbt werden kann, was heutzutage aber bewiesenermassen nicht möglich ist. Die „Entwicklungstheorie“ glaubt, dass Strafrechtliche Verhaltensnormen in einem Prozess des Erfahrens von Lob und Tadel übernommen werden, also Kinder öfter Straftaten leichter Art begehen, weil sie lernen müssen, was falsch ist, und deshalb nicht zu einem Gewohnheitsverbrecher werden müssen. Die sogenannten „Sozialisationstheorien“ besagen, dass Kriminalität eine Folge misslungener Sozialisation und fehlerhafter Erziehung in den ersten Lebensjahren ist. Es soll den Straffälligen in der Kindheit eine dauerhafte Bezugsperson gefehlt haben, um ein Urvertrauen herzustellen, und die Erziehung war inkonsequent; zudem könnte sozialer Druck den Prozess beeinflusst haben. Die „Lerntheorie“ beschreibt, dass Kriminalität am schlechten Vorbild erlernt wird. Kriminelles oder gewalttätiges Verhalten der Eltern wird als richtig übernommen, und dann selbst wieder weitergegeben. Zudem verführen Fernsehen und andere Medien mit einer Verharmlosung von Gewalt und Kriminalität dazu, dass dieses Verhalten gesellschaftsfähig wird. Diese Theorie trifft wohl am ehesten den Gedanken des „Kreislauf der Gewalt“, und vermag ihn relativ plausibel zu erklären. Die „Frustrations-Aggressions-Theorie“ behauptet, dass Gewaltkriminalität eine Folge von Ohnmacht und Frustration ist, d.h. die Gewaltreaktion wird dadurch begünstigt, dass Frustration entsteht, weil die Fähigkeit fehlt, Konflikte verbal zu lösen. Die „Anomie-Theorie“ wiederum besagt, dass Kriminalität entsteht, weil eine Lücke zwischen den gesellschaftlichen Leitbildern und den, den meisten Menschen zur Verfügung stehenden Mitteln entsteht, die nur mit ungesetzlichen Mitteln zu überwinden ist, und andere Lösungen nicht wahrgenommen werden. Die letzte Theorie, der „Etikettierungsansatz“, stellt dar, dass es auch sekundäre Ursachen für Kriminalität gibt, je nachdem, wie von staatlicher und gesellschaftlicher Seite auf eine erste Straftat reagiert wird. Durch eine Stigmatisierung werden die Täter in eine Position gebracht, aus der sie nur schwer oder gar nicht herauskommen, und daher wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen.

PKS

Aus der aktuellen Polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2006 lässt sich ablesen, dass es im Bereich der Gewaltkriminalität (Gesamtheit BRD) bei den Delikten Vergewaltigung, Sexuelle Nötigung und Raub einen leichten Abfall gibt (um ca. 1,5 %), bei den Delikten Mord/Totschlag, gefährliche und schwere und leichte Körperverletzung einen Anstieg der Fälle im Vergleich zum Vorjahr gibt (um ca. 3 %). In der registrierten Kriminalität des gesamten Bundesgebietes machen die Straftaten "Schwerer Diebstahl" und "einfacher Diebstahl" jeweils ca. 20 % aus. Der Anteil an Betrugsstraftaten beträgt ca. 15 %, 12 % der Taten sind Sachbeschädigungen, 4 % Rauschgiftdelikte und ca. 8 % der Straftaten sind Körperverletungen unterschiedlicher Intensität. Taten mit sexuell motiviertem Hintergrund machen lediglich ca. 1 % aller Straftaten aus.

Zum Vergleich mit den anderen hier angeführten Quellen müssen diese Kriminalitätszahlen in Korrelation gebracht werden mit der Altersstruktur der Tatverdächtigen Personen (Bundesweit, um festzustellen, ob es zum Anstieg der Gewaltstraftaten, auch eine Steigerung der Täter aus den Altergruppen gibt, die am Anfang des Kreislauf der Gewalt stehen (Kinder, Jugendliche, Heranwachsende).

Im Ergebnis findet man in der PKS keinen Beleg für den direkten Zusammenhang zwischen steigenden Gewaltstraftatenzahlen, und Anstieg der Taten bei "jungen Menschen". Die Zahl der tatverdächtigen Kinder (unter 14 Jahren) ist seit 1998 sinkend, und hat aktuell den Stand von 1994 erreicht (ca. 100.000 Fälle), von denen ca. 80.000 deutsch, und 20.000 nicht deutscher Herkunft sind. Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen (14-18 Jahre) stieg zwischen 1993 und 1998 stark an, und ist nun wieder leicht sinkend (z. Zt. 280.000 Fälle). Die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden (18- 21 Jahre) ist seit 1998 fast stagnierend, und zählt aktuell ca. 240.000 Fälle, ebenso ist die Zahl der tatverdächtigen Jungerwachsenen (21-25 Jahre) gleichbleibend (ca. 280.000 Fälle). Darüberhinaus kann abgelesen werden, dass die Zahlen der tatverdächtigen Deutschen eine leicht steigende Tendenz, die der nicht-deutschen Tatverdächtigen eine leicht fallende Tendenz, ohne Zusammenhang zu den einzelnen Altersgruppen, haben.

Schlussfolgert man also, dass die Gewaltstraftaten nur einen geringen Anteil aller Straftaten ausmachen, und gesamtheitlich nicht ansteigen, und es keine größeren Anstiege bei bestimmten Altergruppen von Tätern seit ca. 15 Jahren gibt, so kann zusammengefasst mutmaßt werden, dass auch die Personen, die bereits vor geraumer Zeit als Opfer in den Statistiken auftauchten, heute anscheinend nicht vermehrt zu Tätern werden. Insgesamt erweist sich die Deutung von diesen gesamtheitlichen Zahlen jedoch im Rahmen dieser Arbeit m. E. als sehr schwierig.

Baier/Pfeiffer

Die aktuellste Studie, die auffindbar war zum Thema "Kreislauf der Gewalt", findet sich ebenfalls in einem Forschungsbericht des KFN aus 2007, und basiert auf einer Schülerbefragung aus dem Jahr 2005. Hierin wird beschrieben, dass die Häufigkeit und Wirkung gewalthaltiger Erziehungsstile, die auch abhängig von kulturellen Vorstellungen über angemessene Mittel der Kindereerziehung sind, einen Einfluß auf das Gewaltverständnis der Kinder ist. Wird in der Erziehung der kinder gewalt durch die Eltern angewandt, so führt dies häufig dazu, dass diese Kinder gegenüber anderen Kindern, und später gegenüber ihren eigenen Nachkommen auch vermehrt Gewalt anwenden.

Nicht-deutsche Gruppen erfahren z. T. sehr viel häufiger Gewalt durch die eigenen Eltern als deutsche Jugendliche; beispielweise haben türkische Jugendliche durchschnittlich dreimal so häufig elterliche Mißhandlungen erlebt wie deutsche Jugendliche. Bei Aussiedlern, Jugoslawen und Südeuropäern liegt die Quote mindestens doppelt so hoch wie bei deutschen Jugendlichen. Dabei ist außerdem zu berücksitigen, dass bei deutschen Jugendlichen häufiger "leichte Züchtigungen" (Klaps; Werfen mit Gegenständen) angewendet werden, in anderen Ethnien häufiger "schwere Züchtigungsmittel" (Faustschläge, Mißhandlungen).

Besonders verbreitet ist zudem die Beobachtung partnerlicher Gewalt zwischen den Elternteilen; fast jeder fünfte türkische Jugendliche hat diese erlebt, jedoch nur ca. jeder zwanzigste deutsche Jugendliche.

Insgesamt wird beschrieben, dass die Anwendung und Beobachtung von Gewalt in der Erziehung einen deutlich gewaltsteigernden Effekt hat auf Jugendliche. Eltern, die Gewalt anwenden, liefern Verhaltensvorbilder, wie in Konfliktsituationen zu reagieren ist, und erzeugen den Eindruck, dass Gewalt ein legitimes Verhalten darstellt.


Literatur

- Widom, Cathy Spatz: The cycle of violence, 1989; in: Farrington, David P./Psychological Explanations of crime

- Internetseite: www.ohs-spca.org/violence.html

- Internetseite: www. kfn.de

- Pfeiffer, C. und Wetzels, P. : Zur Struktur und Entwicklung der Jugendgewalt in Deutschland, 1999

- Ostendorf, Heribert: Ursachen von Kriminalität; in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 248/ Kriminalität und Strafrecht, 1999

- Polizeiliche Kriminalstatistik, Berichtsjahr 2006 (Internetseite: www.bka.de/kriminalstatistiken)

- Baier, D. / Pfeiffer, C. : KFN-Forschungsbericht "Gewalttätgkeit bei deutschen und nicht-deutschen Jugendlichen - Befunde einer Schülerbefragung 2005 und Folgerungen", 2007