Know Your Customer

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Das „Know Your Customer“-Prinzip (KYC, bedeutet "Kenne-deinen-Kunden") ist eins der wichtigsten Bekämpfungsinstrumente der Geldwäsche und der Terrorismusfianzierung. Das Ziel des Konzeptes ist die Verhinderung wirtschaftlicher Transaktionen durch Schein- und Strohfirmen oder Strohmännern. In Deutschland sind die Banken seit 1992 und viele weitere Gesellschaften verpflichtet, ihre Kunden währende der Geschäftsanbahnungsphase, spätestens aber vor Vertragsabschluss zu identifizieren. Die Umsetzung des KYC-Prinzips führt zur Erstellung eines KYC-Profils für die Kunden, die nach der aktuellen Rechtssprechung identifiziert werden müssen. Die Umsetzung des Prinzips führt zu einer Reihe von Anwendungsproblemen, mit denen die Unternehmen und die Entscheidungsträger konfrontiert werden. Zu diesen Problemen gehören u. a. die Möglichkeiten und Grenzen von (internationalen) Hintergrundrecherchen durch die Unternehmen selbst sowie die Kosten, die durch solche Ermittlungen entstehen.

Ausgangslage

Nach der Einführung der EG-Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und der Ergänzung des Geldwäschegesetzes (GwG) im August 2008 sind nicht nur Finanzinstitute, Versicherungsunternehmen und -markler, Treuhänder, Immobilienmakler und Spielbanken, sondern auch alle natürlichen und juristischen Personen, die gewerblich mit Gütern handeln, verpflichtet die gesetzlich verankerten Sorgfaltspflichten im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erfüllen. Diese Sorgfaltspflichten und durchzuführenden Maßnahmen sind konkret im GwG definiert. Nachgewiesenes Fehlverhalten kann schwere Strafen für den einzelnen Mitarbeiter (Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren) und hohe Schäden für die Gesellschaft bedeuten. Aus diesen Gründen sind Unternehmen mehr denn je aufgefordert, standardisierte Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten und zur Risikominderung zu implementieren. Hierfür hat sich das Know Your Customer Prinzip als wirksame Präventionsmaßnahme in der Praxis etabliert.

Definition des Begriffs und verwandte Begriffe

Das Know Your Customer Prinzip (übersetzt „Kenne Deinen Kunden“) kommt der gesetzlichen Verpflichtung nach, systematisch Informationen über Kunden zu recherchieren, zu erfassen und zu analysieren. Diese Informationen reichen weit über die Identifikation einer Gesellschaft oder einer Person hinaus. Der Begriffsursprung ist schwierig festzustellen. Anfang der 90er Jahre wurde KYC im Zusammenhang mit Vertriebsaktivitäten hinsichtlich Markt- und Branchenrecherchen verwendet. Hiernach wurde der Begriff zunächst in der Bankenpraxis genutzt, insbesondere im Zusammenhang mit der Legitimationsprüfung und der Geldwäschepräventionsmaßnahmen. Inzwischen wird das KYC-Prinzip von Gesellschaften aus allen Bereichen der Wirtschaft als Präventionsinstrument genutzt. Als verwandte Begriffe werden in der Praxis auch Customer-Due-Dilligence, Client-Due-Dilligence oder Business-Partner-Screening verwendet, wobei der zuletzt genannte Begriff eher als Oberbegriff für systematische Recherchen jeglicher Geschäftspartner (Lieferanten, Kunden, Dienstleister etc.) verstanden wird.

Ziele des Konzepts

Die Kundenidentifizierung

In Deutschland müssen gemäß § 3 Abs. 2 GwG die Kunden identifiziert werden, die eine Geschäftsbeziehung auf gewisse Dauer mit dem Unternehmen eingehen oder eine Transaktion im Wert von mindestens 15.000 Euro durchführen, die nicht in den Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung fällt. Schließlich müssen die Sorgfaltspflichten nach GwG erfüllt werden, wenn Verdachtsmomente bzgl. Geldwäscheaktivitäten oder Terrorismusfinanzierung vorliegen. Mit dem Kunden ist der eigentliche Vertragspartner (§ 4 Abs. 1 GwG) gemeint. Durch die Selbstidentifikation und weiterführende Recherchen in öffentlich zugänglichen Quellen durch das Unternehmen selbst oder durch Dritte (sog. Screenings) soll der potentielle Kunde identifiziert und ein KYC-Profil erstellt werden. Die Mindestanforderungen für die Informationsbeschaffung sind gesetzlich definiert und werden durch die Erstellung des KYC-Profils erfüllt. Bei den Anforderungen wird zwischen juristischen und natürlichen Personen unterschieden.

Juristische Personen

Bei juristischen Personen spielt neben der Aufnahme des Namens, Rechtsform, Anschrift, Registernummer, Namen der Vertretungsorgane und der Inhaber oder Teilhaber (maximal 5 Personen bei mehr als 5 Beteiligten oder gesetzlichen Vertretungen bzw. den Namen der juristischen oder natürlichen Personen, die mehr als 25% der Kapitalanteile oder Stimmrechte besitzen), auch die Identifikation des „wirtschaftlich Berechtigten“ gemäß § 3 Abs. 1 GwG eine wesentliche Rolle. Der wirtschaftlich Berechtigte ist die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Kunde letztlich steht bzw. auf deren Veranlassung eine Finanztransaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung begründet wird (§ 1 Abs. 6 GwG). Damit sollen Stroh- und Scheinfirmen identifiziert und Geldwäscher und Terroristen das Leben erschwert werden. Strohfirmen können Teil eines komplexen Geflechts sein, die ebenfalls real tätige Gesellschaften enthält. Diese komplexe Strukturen werden bevorzugt von organisierten Straftätergruppen über einen längeren Zeitraum aufgebaut, um die illegal erworbenen Vermögenswerte in den Wirtschaftskreislauf zu platzieren (siehe Phasen der Geldwäsche). Durch intransparente Firmengeflechte soll verhindert werden, dass Strohfirmen auffallen oder leicht identifiziert werden können.


Dabei sind nicht alle juristischen Personen nach der aktuellen Rechtslage von der Identifizierung betroffen. Der Gesetzgeber hat hierzu vereinfachte und verstärkte Sorgfaltspflichten definiert. Gehört der Geschäftspartner zu den folgenden Gesellschaftstypen, ist eine konkrete Identifikation nach den o.g. Kriterien nicht erforderlich, da der Gesetzgeber ein geringeres Risiko für Geldwäsche und Terrosrismusfinanzierung sieht (vereinfachte Sorgfaltspflichten):

  • Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitutionen oder Versicherungsunternehmen mit dem Sitz in der EU oder in den USA,
  • börsennotierte Gesellschaften,
  • inländische Behörden.

Natürliche Personen

Eine Identifizierung ausschließlich mit einem amtlichen Lichtbildausweis soll der Feststellung des vollständigen Namens, Geburtsdatum und -ort sowie der Staatsangehörigkeit und Anschrift einer Person dienen. Bei natürlichen Personen muss insbesondere überprüft werden, ob die Person für andere Personen handelt. Die Identität des Treugebers im Treuhandverhältnis ist ebenso bekannt zu geben bzw. zu ermitteln. Damit sollen „Strohmänner“ ermittelt werden, die häufig zur Tarnung von Geldwäschevorgängen eingesetzt werden. Vielfach wurden in der Vergangenheit Vertrauenspersonen oder Personen aus sozial schwachen Schichten als Strohmänner eingesetzt. Da es den Unternehmen meist an Möglichkeiten zur Aufdeckung der persönlichen Verflechtungen bzw. Ermittlung der finanziellen Situation der Person oder Identifikation gefälschter Dokumente mangelt, ist die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden unerlässlich.

Umsetzung des Konzepts

Ermittlung von Hintergrundinformationen

In Deutschland können juristische Personen relativ schnell und kostengünstig durch die Einholung eines Handelsregisterauszuges ermittelt werden. Allerdings enthalten diese Auszüge nicht immer die gewünschten Informationen. Die Einsicht in die Handelsregisterakte des Kunden wird erforderlich und kostenintensiv. Die meisten Unternehmen verzichten daher auf diese Maßnahme. Handelt es sich bei der Gesellschafterstruktur des Kunden um komplexe Strukturen, stellt sich die Frage, wie tiefgehend recherchiert werden soll. Was kann der Gesetzgeber den Unternehmen an Aufwand für solche Ermittlungen zumuten? Diese Frage ist derzeit vom Gesetzgeber nicht konkret beantwortet.

Einige Firmen nutzen u. a. den Dienst von Wirtschaftsauskunfteien, um erste Informationen zu erhalten. Diese Methode ist zeit- und kostenintensiv und birgt das Risiko, dass die Daten nicht vollständig und aktuell sind. Hierfür fehlt es den meisten Firmen an Erfahrung mit der Qualität der Informationen und dem damit zusammenhängenden Bedarf an weiterführenden Recherchen. Nach der Einholung der Auskunft sollten die Daten weiter verarbeitet werden. Der Prozess erfordert den Einsatz von Ressourcen und setzt Erfahrung in der Ermittlung von Hintergrundinformationen voraus. Daraus ergibt sich weiterer Fortbildungsbedarf für die zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens. Die kriminologische Untersuchung von U. Suendorf (2001) hat ergeben, dass einige Banken sogar auf das Einholen von Handelsregisterauszügen verzichtet haben. Inzwischen zeigt sich allerdings ein deutliches Interesse der Banken an der Implementierung der Gefährdungsanalyse, die die Erstellung eines KYC-Profils beinhaltet.

Der risikoorientierte Ansatz

Da das Risiko der Geldwäscherei bzw. Terrorismusfinanzierung unterschiedlich hoch sein kann, hängt der Umfang der weiteren Maßnahmen (Sorgfaltspflichten), die die Unternehmen durchführen müssen, vom Kundenprofil, der Art des Geschäftes und der Transaktion etc. ab. Diese Methode des so genannten „risikoorientierten Ansatzes“ reflektiert die Erkenntnis, dass die Unternehmen selbst die branchenspezifischen Risiken am besten einschätzen können. Dadurch können die Unternehmen die Maßnahmen flexibel steuern, tragen aber auch mehr Eigenverantwortung für die Wahl des richtigen Umfangs.

Anwendungsbereich und -zeitpunkt

Das KYC-Profil wird vor der Begründung des Vertragsverhältnisses erstellt (gemäß § 4 Abs. 1 GwG) und sollte je nach Risikoeinstufung turnusmäßig aktualisiert werden.

Verarbeitung und Aufbewahrung von Daten

Je nach Unternehmensgröße kann die Ermittlung und Verarbeitung von Hintergrundinformationen erhebliche Datenmengen produzieren, die verwaltet und aufbewahrt werden müssen. Man spricht im Finanzsektor in diesem Zusammenhang auch über "Datenfriedhöfe". Die Aufbewahrungspflichten sind gesetzlich festgelegt. Einige Beratungsunternehmen haben sich auf die Verarbeitung von Hintergrundinformationen spezialisiert und stellen den Unternehmen spezielle Tools zur Verfügung, die auch ein Kundenmanagement ermöglichen bzw. eine Schnittstelle zum vorhandenen Kundenmanagement enthalten.


Weitere Anwendungsprobleme

Politisch exponierte Personen

Verstärkte Sorgfaltspflichten bestehen bei natürlichen Personen, die nicht zur Identifizierung anwesend sind bzw. im Ausland ein öffentliches Amt bekleiden, um das Risiko der Korruption zu vermeiden. Auch das Management des Kunden sowie die wirtschaftlich Berechtigten sollten im Rahmen des KYC-Konzepts auf deren Beziehung zu einer „politisch exponierten Person“ (PEP) überprüft werden, soweit diese Beziehung öffentlich bekannt ist. Artikel 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/60//EG definiert als politisch exponierte Personen „diejenigen natürlichen Personen, die wichtige öffentliche Ämter ausüben oder ausgeübt haben, und deren unmittelbare Familienmitglieder oder ihnen bekanntermaßen nahe stehende Personen“. Die wichtigen öffentlichen Ämter sind z.B. Minister, Parlamentsabgeordnete und Regierungschefs aber auch Verwaltungsorgane staatlicher Unternehmen und nach Artikel 1 der Richtlinie 2006/70/EG definiert. Die Beziehungen zu einer PEP, die Ausübung von öffentlichen Ämtern oder generelle politische Aktivitäten können nur begrenzt und mit erheblichem Aufwand, z. B. in der lokalen Presse recherchiert werden.


Internationale Ermittlungen

Die Internationalität von Geldwäsche ist eins der Hauptprobleme bei der Bekämpfung. Meist ist der wirtschaftlich Berechtigte nur schwer oder gar nicht ermittelbar. In einigen Ländern sind die Teil- oder Inhaber von Gesellschaften, z. B. Aktiengesellschaften in der Schweiz, nicht im öffentlichen Handelsregister eingetragen. Sie werden meist durch einen Treuhänder rechtlich vertreten und müssen keine Angaben zu den tatsächlichen Personen oder Gesellschaften hinter der Gesellschaft machen. Daher ist es für Unternehmen teilweise nicht möglich, die durch den Kunden selbst angegeben Daten zu verifizieren. Letztlich muss das Unternehmen dem Kunden Glauben schenken. Nur wenn die Angaben völlig unschlüssig sind, kann der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten begründet werden.

Professionelle Geldwäscher

Bei der Identifizierung gehen die meisten Unternehmen von einem vertrauenswürdigen und ehrlichen Kunden aus. Es ist für Bankangestellte sehr schwierig, einen gut vorbereiteten Geldwäscher mit Fragen nach dem wirtschaftlich Berechtigten aus dem Konzept zu bringen und zumindest den Hinweis auf Unregelmäßigkeiten zu erhalten. Eine gut überlegte falsche Legende kann auch erfahrene Bankangestellte täuschen. Da die Legende nicht sofort überprüft werden kann, sehen die Banken die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten als nicht immer erfolgsversprechend an. Es bleibt häufig nichts anderes übrig, als dem Kunden zu vertrauen.

Kriminologische Relevanz

Es gibt einige kriminologische Untersuchungen, die die Implementierung von Präventionsmaßnahmen, insbesondere im Finanzsektor in der Praxis untersuchen. KPMG hat eine weltweite Geldwäsche Umfrage bei Banken durchgeführt und insbesondere die Relevanz der Geldwäschebekämpfung hinterfragt. Allerdings gibt es keine aktuellen Studien, die die Anwendungen des KYC Prinzips oder verwandte Verfahren (z.B. Client/Customer Due Dilligence) und ihre Machbarkeit sowie Grenzen bei Unternehmen untersucht, die nicht im Finanzsektor tätig sind. Insbesondere wäre eine Untersuchung interessant, die die tatsächliche Durchführung der Präventionsmaßnahmen wie die Erstellung des KYC Profils und deren Kosten und Folgen aufzeigt.

Literaturliste

Ackermann, Jürg-Beat: Geldwäscherei, Money Laundering. Eine vergleichende Darstellung des Rechts und der Erscheinungsformen in den USA und der Schweiz, Schweizer Schriften zum Bankrecht, Band 12, Zürich 1992, S.31

Altenkirsch, Lars: Techniken der Geldwäsche und ihre Bekämpfung. Banking und Finance Aktuell, Band 10, Bankakademie Verlag, Frankfur a.M., 2002

Derleder, Peter; Knops, Kai-Oliver; Bamberger, Heinz-Georg: Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht. Springer Verlag, 2003, §4 24, 32

Gropp, Walter/ Sinn, Arndt: Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen. 1. Aufl., Nomos Verlagsgesellschaft, Gießem, 2006

Herzog, Prof. Dr. Henning; Höche, Thorsten: Neue Wege der Geldwäscheprävention. In: Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC), 2/09, S. 53 ff.

Kätzler, Dr. Joachim: Anforderungen an die Organisation der Geldwäscheprävention bei Bankinstituten - Ausgewählte Einzelfragen. In: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 5/2008

Sarmiento, Javier: Money Laundering. Black Market Peso Exchange: An International Scheme. In: Fraud Magazine, July/August 2007, S. 25 ff.

Suendorf, Ulrike: Geldwäsche, eine kriminologische Untersuchung. Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied und Kriftel, 2001

Vogelaar, Donald M.: Know your customer: using practical market research for profit. Prentice Hall, 1992

Woodruff, Robert B.; Gardial, Sarah: Know your customer: new approaches to understanding customer value and Satisfaction. Blackwell Business, 1996

Links

KPMG Geldwäsche Umfrage 2007 [1]

KYC NEWS [2]