Jugendgerichtshilfe

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Die Jugendgerichtshilfe (JGH) hat sich als Teil der Jugendhilfe (des Jugendamtes) an den Besonderheiten des Jugendstrafrechts und dem ihm innewohnenden Erziehungsgedanken zu orientieren (vgl. § 2 JGG) und heutzutage deshalb auch häufiger als "Jugendhilfe im Strafverfahren" (JuHiS) bezeichnet. Sie begleitet Jugendliche und Heranwachsende vor, während und nach der Gerichtsverhandlung und übernimmt neben ihrer beratenden Tätigkeit in der Hauptverhandlung, wo sie als gesetzlich vorgesehene Verfahrensbeteiligte agiert, zusätzlich auch Aufgaben der Jugendhilfe. Außerdem ist ihr mit dem Recht auf Stellungnahme vor dem Jugendgericht (§ 50 Abs. 3 Satz 2 JGG) "eine sensible und verantwortungsvolle Position im Jugendstrafrecht eingeräumt worden, denn meist stellt die JuHiS in der Hauptverhandlung die einzige pädagogisch ausgebildete Fachkraft, die beteiligt ist" (Rieckhof 2009:151). Die Funktionen der JGH können auch von Trägern der freien Jugendhilfe wahrgenommen werden. Das erfolgt dann im Auftrag des Jugendamtes (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 8 SGB VIII). Die Teilnahme an Verfahren nach dem JGG ist eine der so genannten "anderen Aufgaben" der Jugendhilfe, die alle hoheitlichen Aufgaben, welche grundsätzlich das Wächteramt der Jugendhilfe betreffen, umfassen (Seithe 2001: 31). Orientierung liefern die Handlungsmaximen des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz/KJHG).

Aufgaben und gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 8 SGB VIII ist die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz eine der "anderen Aufgaben" der Jugendhilfe. Die Jugendhilfe hat gem. § 52 Abs. 1 SGB VIII im Jugendstrafverfahren nach Maßgabe der §§ 38 und 50 Abs. 3 Satz 2 JGG mitzuwirken (Brachold 1999:4).

Die JGH übernimmt die Beratung und Betreuung der Jugendlichen, ihrer Sorgeberechtigten sowie der jungen Volljährigen während des gesamten Strafverfahrens. Sie prüft, ob für den Beschuldigten Jugendhilfemaßnahmen nach dem SGB VIII in Betracht kommen und kooperiert diesbezüglich mit dem zuständigen Allgemeinen Sozialen Dienst (i.F. ASD), falls sie als spezialisierter Fachdienst organisiert ist (dies ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, s. Punkt 4). Die JGH prüft, ob die Voraussetzungen vorliegen, um das Strafverfahren ggf. vorzeitig beenden zu können (z.B. im Hinblick auf bereits erfolgte Angebote der Jugendhilfe / Schule / Eltern oder der Polizei, die als erzieherisch ausreichend betrachtet werden können), bzw. ob solche Voraussetzungen geschaffen werden können, indem z.B. bereits vor der Hauptverhandlung (Jugendhilfe-) Maßnahmen ergriffen werden (vgl. §§ 45 Abs. 2 und 3, 47 Abs. 1 JGG (Diversion)). Die JGH unterstützt und berät die am Strafverfahren beteiligten Organe durch Einbringen der psychosozialen und pädagogischen Gesichtspunkte, Ermittlungen zur Person des Angeklagten und seiner Biographie (gem. § 43 Abs. 1 JGG), Berichterstattungen an die Staaatsanwaltschaft und das Gericht, sowie die Teilnahme an der Hauptverhandlung. Dabei richtet sich der Umfang der Berichterstattung bzw. der mündlichen Stellungnahme nach den Belangen des Einzelfalls (.Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Anm. d. Verf.) Zu beachten sind die Datenschutzbestimmungen des SGB VIII und des SGB X (Rieckhof 2009:152). In Haftsachen hat die JGH beschleunigt zu berichten (§ 38 Abs. 2 S. 3 JGG) Die Teilnahme an der Hauptverhandlung beeinhaltet die Erstellung einer Sozialprognose und eines Vorschlags zur Beendigung des Verfahrens bzw. zu den in Frage kommenden Rechtsfolgen (§ 38 Abs. 2 und 3 JGG). Für Letzteres orientiert sich die JGH am Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht (§ 2 Abs. 1 JGG) und der Frage, was pädagogisch sinnvoll und erzieherisch notwendig bzw. ausreichend ist, um den Jugendlichen / Heranwachsenden von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Die JGH äußert sich in der Hauptverhandlung zur Verantwortlichkeit i.S.d. § 3 JGG und regt bei Zweifeln die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens an. Bei Heranwachsenden äußert sich die JGH zur Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht (§ 105 JGG). Nach der Hauptverhandlung wacht die JGH über die gerichtlichen Auflagen und Weisungen, soweit nicht die Bewährungshilfe dazu berufen ist ( § 38 Abs. 2 S. 5-7) oder arbeitet mit der Bewährungshilfe zusammen (§ 38 Abs. 2 S. 8 JGG). Sie betreut den jungen Menschen während des Vollzugs der Untersuchungshaft, des Jugendarrestes und der Jugendstrafe (§ 38 Abs. 2 S. 9 JGG) und unterstützt den Inhaftierten bei der Wiedereingliederung (§ 38 Abs. 2 S. 9 JGG) (Goerdeler 2009: 16-17). In Haftsachen prüft die JGH, ob Alternativen zur Vermeidung von Untersuchungshaft bereitstehen ( §§ 71, 72 JGG, § 116 StPO).

Die JGH übernimmt die Zuweisung und ggf. auch die Durchführung ambulanter pädagogischer Maßnahmen nach dem JGG, z.B.:

- Zuweisung / Durchführung von Arbeitsleistungen zugunsten staatlicher oder gemeinnütziger Einrichtungen ( §§ 10 Abs. 1 Nr. 4 und 15 Abs. 1 Nr. 3 JGG).

- Durchführung der Betreuung und Aufsicht im Rahmen von richterlichen Betreuungsweisungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG).

- Zuweisung / Durchführung von Sozialen Trainingskursen (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 JGG).

- Mitwirkung bei der Durchführung von Schadenswiedergutmachungen ( § 15 Abs. 1 Nr. 1 JGG) und Konfliktschlichtungen im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG).

- Überwachung von richterlichen Weisungen und Auflagen einschließlich Stellungnahmen zu notwendigen Änderungen oder Aufhebungen ( § 38 Abs. 2 und § 11 JGG).

Als Verfahrensbeteiligter hat die JGH keine aktiven Mitwirkungsrechte (wie z.B. ein Fragerecht, oder das Recht, Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen), jedoch umfängliche Beteiligungsrechte: Gem. § 70 Satz 1 JGG ist die JGH von Einleitung und Ausgang des Verfahrens zu unterrichten. Ihr sind Zeit und Ort der Hauptverhandlung rechtzeitig mitzuteilen (§ 50 Abs. 3 S. 2 JGG). Die JGH hat ein Recht in der Hauptverhandlung angehört zu werden (§ 50 Abs. 3 S. 2 JGG) und sich zu ergreifenden Maßnahmen zu äußern (§ 38 Abs. 2 S. 2 JGG). Der Erlass eines Haftbefehls, dessen Vollstreckung und die vorläufige Festnahme eines Jugendlichen / Heranwachsenden sind der JGH mitzuteilen (§ 72a JGG). Ihr ist der Zugang zum in U-Haft befindlichen Beschuldigten und der Kontakt zum jungen Menschen im Vollzug des Jugendarrestes und der Jugendstrafe zu ermöglichen (§ 93 Abs. 3 JGG i.V.m. § 148 StPO.) (Goerdeler 2009:17).

Wandel und Entwicklung in der JGH

Seit Beginn der Jugendgerichtsbewegung wurde gefordert, dem Gericht eine nichtjuristische Institution "zur Seite zu stellen", um den besonderen Erfordernissen des täterorientierten Jugendstrafrechts gerecht zu werden. Erstmals war die JGH im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG / 1922) und im Reichsjugendgerichtsgesetz (RJGG / 1923) verankert und hatte im wesentlichen die Aufgabe, den Jugendrichter zu unterstützen. Die Schutzaufsicht war das Haupterziehungsmittel der JGH in dieser Zeit (Trenczek 2003:15). An dieser "auf den Jugendrichter zugeschnittenen Funktion" hat sich auch später zunächst nicht viel verändert: Im Nationalsozialismus wurde die JGH in den Dienst der NS-Ideologie gestellt, um die "Volkszugehörigkeit des Beschuldigten, seine Lebens- und Sippenverhältnisse, seine Lebensgeschichte, seine Haltung in der Volks- und Jugendgemeinschaft" zu erkunden (vgl. §§ 25, 28 Abs. 1 RJGG / 1943). Auch nach dem Krieg verzichtete man im Jugendwohlfahrtsrecht auf eine eigenständige Bestimmung von Aufgaben und Funktionen der JGH mit einem generellen Verweis auf das JGG (Trenczek 2003:16). Mit dem JGG von 1953 verdichtete sich dann die Rolle der JGH als "Ermittlungshilfe für das Jugendgericht" (Seidel 1988 zit. nach Trenczek 2003:16). Im Zuge der Änderungen innerhalb des Jugendgerichtsgesetzes im Jahre 1990 fand ein Umdenken bzgl. des Aufgabenverständnisses der JGH statt. Diese war lange Zeit auf das Abfassen von Ermittlungsberichten und die Wahrnehmung von Hauptverhandlungsterminen verengt. Durch die so genannte "Innere Reform des Jugendstrafrechts" wurde die Durchführung von Betreuungsweisungen auf die JGH übertragen, um ihre Aufgaben um eine zusätzliche sozialarbeiterische bzw. pädagogische Komponente zu erweitern (Laubenthal 1993:34). Deutlich wird dieser Paradigmenwechsel z.B. im § 52 Abs. 3 SGB VIII, der das Ende des so genannten "Gerichtsgängerprinzips" bedeutet. Vorrang haben demnach die jungen Menschen, nicht das Jugendgericht (Münder 2001:1011). Während im alten Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) die Tätigkeit der Jugendämter vornehmlich als Hilfe für das Gericht angesehen wurde, hat der Gesetzgeber durch die Neugestaltung der §§ 50, 52 SGB VIII durch die Änderung des Wortlautes deutlich gemacht, dass im Vordergrund die Hilfe für die Betroffenen steht (vgl. ebd.). Der § 52 Abs. 2 SGB VIII verpflichtet die Jugendhilfe, im Kontext strafbaren Verhaltens von jungen Menschen kontinuierlich zu prüfen, ob es möglich ist, anstelle von strafrechtlichen Sanktionen Angebote und Leistungen der Jugendhilfe zur Verfügung zu stellen (Münder 2001:1012). So konnte die JGH zunehmend betreuend-helfende Tätigkeiten übernehmen, welche insbesondere eine vermehrte Durchführung ambulanter Maßnahmen sowie Beteiligung an der Diversion (Zurückstellen des strafrechtlichen Sanktionsanspruches zu Gunsten ambulanter Leistungen der Jugendhilfe, Anm. d. Verf.) beinhalten (vgl.ebd.). Aktuell sind diese positiven Entwicklungen jedoch wieder rückläufig. Durch vermehrte Auslagerung der ambulanten Maßnahmen auf freie Träger der Jugendhilfe wird die JGH in ihren pädagogischen Aufgaben beschnitten und muss sich daher wieder verstärkt auf ihre gerichtlichen Aufgaben beschränken.

Spezialisierter Fachdienst JGH

In den unterschiedlichen Bundesländern arbeitet die JGH als mehr oder weniger spezialisierter Fachdienst. Die Mitwirkung im Jugendstrafverfahren fordert Kompetenzen und Qualifikationen, die ein gewisses Mindestmaß an Spezialisierung erforderlich machen. Dabei dürfe die JGH aber nicht zu "einer von den sonstigen Strukturen der Jugendhilfe losgelösten Insel im Jugendamt werden" (Goerdeler 2009:37). Es gibt unterschiedliche Varianten in der Bundesrepublik. Teilweise existieren komplett spezialisierte Fachdienste, die ausschließlich JGH-Aufgaben wahrnehmen und mit dem ASD kooperieren. Dann existieren andernorts innerhalb des ASD spezialisierte Kollegen, die die Aufgabe der JGH übernehmen, oder JGH-Tätigkeiten werden von allen ASD Mitarbeitern "nebenbei" miterledigt. Goerdeler empfielt Formen, in denen die Mitwirkungsaufgaben von spezialisierten Kollegen wahrgenommen werden, die jedoch weiterhin in einem direkten Bezug zu den Sozialräumen stehen (Goerdeler 2009:37). Im Jahre 1998 / 1999 wurde mit Hilfe des Bundesjugendministeriums und der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen ( i. F. DVJJ) eine bundesweite JGH-Umfrage durchgeführt, deren Ergebnisse im Forschungsbericht von Thomas Trenczek 2003 zusammengetragen werden. Dort zeigen sich auch Auswirkungen einer spezialisierten, bzw. weniger spezialisierten JGH. Der Spezialisierungsgrad hat u.a. Auswirkungen auf das Vorgehen der Mitarbeiter und die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen. Während 2/3 der voll-spezialisierten Mitarbeiter grundsätzlich alle gerichtlichen Termine wahrnehmen, ist dies nur bei 1/3 der Mitarbeiter des ASD der Fall (Trenczek 2003:146). Mit abnehmendem Spezialisierungsgrad verzichten die Mitarbeiter auf Sanktionsvorschläge (vgl. ebd. S. 149 / Weitere Ergebnisse der Umfrage in Trenczek 2003). Bei der Spezialisierung der JGH ist andererseits der auch von Goerdeler erwähnte Verlust der Sozialraumorientierung zu bemängeln. Mitarbeiter der spezialisierten JGH arbeiten häufig nicht mehr im sozialräumlichen Kontext der Klienten, für die sie zuständig sind. Sie sind nicht oder schlecht in den Stadteil und die dortigen (Jugendhilfe-)Angebote integriert, und häufig sind die Mitarbeiter nicht einmal für einen zusammenhängenden Stadtteil zuständig, so dass die Kenntnis über die örtliche Infrastruktur und Besonderheiten weniger vorhanden ist.

Das "doppelte Mandat"

Aus der Darstellung der Aufgaben und gesetzlichen Grundlagen der JGH ergeben sich zwei Tätigkeitsbereiche. Zum einen erfüllt sie eine Berartungs-, Ermittlungs- und Kontrollfunktion für die Justiz, und zum anderen handelt sie im Auftrag der Jugendhilfe. Auch wenn sich die Zielgruppe der Jugendhilfe und Justiz überschneidet und laut Goerdeler "der erzieherische Auftrag bei den Disziplinen gleich ist", so unterscheide sich doch "ihr Erziehungsverständnis, ihre Arbeitsweise, Verfahrensarten und Reaktionsmöglichkeiten" (Goerdeler 2007: 128). Die verschiedenen Arbeitsformen und Ziele der Jugendhilfe und der Justiz führen gelegentlich zu Konflikten in der Kooperation.

Für die Jugendhilfe sei Straffälligkeit ein Indikator für problematische Lebensverhältnisse und entwicklungsspezifische Reifungsprozesse. Daher müsse ihre Antwort darauf entsprechend anders ausfallen als die disziplinierenden Strategien der Justiz (Faltermeier 1991:29). Perspektive der Jugendhilfe sei immer die Verwirklichung des in § 1 Abs. 1 SGB VIII definierten Rechtes des jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Die Verwirklichung gesellschaftlicher Strafbedürfnisse sei hingegen nicht ihre Aufgabe (Goerdeler 2009:15). Die Justiz beruft sich in der Kooperation mit der Jugendhilfe auf die im § 38 JGG festgeschriebene Berichtspflicht der JGH. Im justiziellen Rahmen agiert die JGH als Ermittlungshelfer und informiert das Gericht über grobe Verstöße gegen Auflagen und Weisungen. Dies birgt die Gefahr einer bloßen Instrumentalisierung der JGH durch das Gericht und belastet die sozialpädagogische Arbeit mit dem Klienten und das Vertrauensverhältnis. Die JGH hat neben der "Berichtspflicht" lediglich ein Vorschlagsrecht was die zu ergreifende Maßnahme betrifft (die JGH ist nicht in jedem Fall verpflichtet, sich schriftlich zu äußern. Die Stellungnahme kann i.d. Regel auch mündlich in der Hauptverhandlung erfolgen. Anm. d. Verf.). Die Teilnahme an der Hauptverhandlung und der abschließende Vorschlag einer Maßnahme zur persönlichkeitsadäquaten Behandlung des Täters bieten der JGH die Möglichkeit, gestaltend am Verfahren mitzuwirken. Die "verantwortlichen Organe" haben dafür Sorge zu tragen, dass dies auch zur Geltung kommt (Brachold 1999:13). Dabei ist das Gericht aber keinesfalls an die Empfehlungen der JGH gebunden.

Aktuelle Diskussion innerhalb der DVJJ

Die DVJJ ist ein Fachverband für Jugendhilfe und Jugendkriminalrecht. Sie befasst sich mit Ursachen und Auswirkungen der Jugendkriminalität. Sie setzt sich für eine rationale und an den Folgen orientierte Gestaltung des Jugendkriminalrechts ein (http://www.dvjj.de/). In Anlehnung an die Debatte um das "doppelte Mandat" in der JGH und ihrem Selbstverständnis als Teil der Jugendhilfe hat sich innerhalb der DVJJ eine Initiative gebildet, die sich für eine Namensänderung der JGH zur Verdeutlichung ihrer professionellen Rolle im Jugendstrafverfahren einsetzt. Die "Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendhilfe im Strafverfahren (BAG JuHiS)" [(http://www.dvjj.de/bag-juhis/)] der DVJJ hat diese Umbenennung in ihrem Namen bereits konsequent vollzogen. Nicht von Jugendgerichtshilfe (JGH) ist hier die Rede, sondern von Jugendhilfe im Strafverfahren (JuHis). Die BAG stützt sich dabei auf das SGB VIII, in dem der Begriff "Jugendgerichtshilfe" nicht mehr verwendet wird. "Stattdessen hat der Gesetzgeber die Mitwirkung in Verfahren nach dem JGG in § 52 SGB VIII als eine Aufgabe der Jugendhilfe, namentlich des kommunalen Jugendamtes definiert" (Goerdeler 2009:13). Mit der Namensänderung soll der Fokus der Arbeit auf ihre Verankerung in der Jugendhilfe gerichtet werden, statt auf die Ermittlungshilfe für die Justiz. Die Aufgaben der JGH unterscheiden sich laut Münder vom justiziellen Handlungsverständnis. Sie seien vordergründig auf die sozialpädagogische Unterstützung des Jugendlichen ausgerichtet (Münder 2001:1014). Kritiker betrachten eine Namensänderung der Jugendgerichtshilfe als nicht zielführend. Sie sorge für mehr Verwirrung, als dass sie das Verhältnis zwischen Jugendhilfe und Justiz kläre. Außerdem berufen sich Kritiker - meist aus dem beruflichen Kreis der Juristen - auf den in § 38 JGG verankerten Begriff "Jugendgerichtshilfe", während Befürworter argumentieren, dass es sich beim SGB VIII um das jüngere und damit modernere Gesetz handle. Kritiker innerhalb der JGH sehen in der Betonung des Jugendhilfeaspektes zudem eine Gefährdung der Spezialisierung. Man befürchtet, dass durch die Namensänderung die besondere Kooperation zwischen Jugendhilfe und Justiz und die dazu notwenigen speziellen Kenntnisse und Qualifikationen der JGH-Mitarbeiter, die sie von anderen Kollegen der allgemeinen Jugendhilfe abheben, nicht mehr als notwendig und schützenswert angesehen werden.

Weblinks

DVJJ:[[1]

JGH Dresden: [2]]

Literatur

Brachold, A. (1999): Der Beitrag der Jugendgerichtshilfe zur strafprozessualen Sachverhaltsermittlung und -bewertung. Frankfurt am Main.

Faltermeier, J. (1991): Zur Rolle und Funktion der Jugendhilfe in der Arbeit mit straffälligen Jugendlichen- Anmerkungen zum Verhältnis von Jugendhilfe und Justiz. In: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Jugendgerichtshilfe- Quo vadis? Bonn.

Goerdeler, J. (2007): Jugendhilfe und Justiz: Gesucht: Bessere Antworten auf Jugendkriminalität. Freiburg.

Goerdeler, J.(2009): Jugendhilfe im Strafverfahren (JuHiS)- Eine fachliche Empfehlung für die Handhabung der Mitwirkungsaufgabe nach § 52 SGB VIII der BAG JuHiS in der DVJJ. In: Goerdeler, J./ BAG Jugendhilfe im Strafverfahren in der DVJJ (Hrsg.): Jugendhilfe im Strafverfahren. Hannover.

Laubenthal, K. (1993): Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren. Köln, Berlin, München.

Münder,J. (2001): Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Überblick, Entwicklung. In: Otto, H.-U./ Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit/ Sozialpädagogik, 2. überarb. Aufl. Neuwied.

Rieckhof, Y. (2009): Das Erstgespräch und die Stellungnahme der Jugendhilfe im Strafverfahren- eine "Checkliste". In: Goerdeler, J./ BAG Jugendhilfe im Strafverfahren in der DVJJ (Hrsg.): Jugendhilfe im Strafverfahren. Hannover

Schlink, B. (1991): Jugendgerichtshilfe zwischen Jugend- und Gerichtshilfe- Verfassungsrechtliche Bemerkungen zu § 38 JGG. In: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Jugendgerichtshilfe- Quo vadis? Bonn.

Seidel, G. (1988): Die Jugendgerichtshilfe in ihrer Ermittlungsfunktion und ihr Einfluss auf richterliche Entscheidungen in Jugendstrafverfahren gegen weibliche Jugendliche. Frankfurt am Main.

Seithe, M. (1995): Praxisfeld: Hilfe zur Erziehung. Fachlichkeit zwischen Lebensweltorientierung und Kindeswohl. Opladen.

Trenczek, T. (2003): Die Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren. Konzeption und Praxis der Jugendgerichtshilfe. Weinheim, Basel, Berlin.

Trenczek, T. (2007): Jugendgerichtshilfe: Aufgaben und Steuerungsverantwortung. In: Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe 1/07.