Journalisten-Tötung

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Laut CPJ wurden vom 1.1.1992 bis zum 30.6.2008 insgesamt 693 Journalisten getötet.

Eine Journalisten-Tötung erfolgt häufig im Auftrag von Personen und/oder Institutionen, die von der Berichterstattung einen Nachteil befürchten. Sie kann der Bestrafung für bereits erfolgte und/oder der Verhinderung künftiger Veröffentlichung dienen - dies einerseits spezialpräventiv in Bezug auf die Person der Getöteten, andererseits aber auch generalpräventiv in Bezug auf andere potentielle Berichterstatter, die dadurch abgeschreckt werden sollen.

Seit 1992 bemüht sich ein Committee to Protect Journalists (CPJ) um die Zählung von getöteten Journalisten und um die Aufklärung der Hintergründe. Dennoch bleiben Ermittlung und Strafverfolgung oft erfolglos. In Kolumbien wurde im Jahr 2009 nur ein Verdächtiger festgenommen.

In Lateinamerika konkurrieren laut der Interamerikanischen Journalistenvereinigung SIP die Staaten Kolumbien und Mexiko um den Rang des gefährlichsten Landes für Journalisten.

2009 lag Mexiko mit 11 vor Kolumbien mit 7 Fällen. In Mexiko wurden von 2000 bis 2009 56 und bis September 2011 80 solcher Taten registriert. Mehrere Journalisten gelten zudem als verschwunden. (Siehe auch Verfolgung von Journalisten in Mexiko).

Kolumbien

In Kolumbien wurden während der Drogenkonflikte der achtziger Jahre mehr als 120 Journalisten getötet. Im Jahre 2009 bat der 32jährige Sohn des (von der Polizei später getöteten) Drogenbosses Pablo Escobar, die Wirtwe des am 17.12.1986 auf Befehl seines Vaters umgebrachten Journalisten Guillermo Cano (erfolglos) um Verzeihung für die Tat seines Vaters.

  • 2009: 7. Opfer des Jahres war der 48 Jahre alte Fernseh- und Sportjournalist Humberto Rivas Quevedo. Er hatte sich in einem Begräbnisinstitut aufgehalten, als er mit fünf Pistolenschüssen von einem Täter umgebracht wurde, der auf einem mit laufendem Motor wartenden Motorrad fliehen konnte.

Afghanistan

2014

  • 21. März: AFP-Reporter Sardar Ahmad wird bei einem Angriff der Taliban im Kabuler Hotel „Serena“ erschossen. Es kommen weitere acht Personen ums Leben, darunter Ahmads Frau und zwei seiner drei Kinder.
  • 11. März: der schwedisch-britische Reporter Nils Horner wird im Zentrum von Kabul in der Nähe eines Restaurants von Unbekannten erschossen.


2010

  • 09. Januar: der britische Reporter Rupert Hamer von der Wochenzeitung „Sunday Mirror“ wird bei der Explosion eines Sprengsatzes im Süden Afghanistans getötet. Er hatte zusammen mit einem Kollegen, der bei dem Anschlag verletzt wurde, eine amerikanische Patrouille begleitet.

2009

  • 30. Dezember: die kanadische Reporterin Michelle Lang von der Zeitung „Calgary Herald“ wird bei der Explosion eines Sprengsatzes im südlichen Kandahar getötet. Mit ihr sterben vier kanadische Soldaten.


2008

  • 7. Juni: BBC-Reporter Abdul Samas Rohani wird aus der südlichen Unruheprovinz Helmand verschleppt und erschossen.

2006

  • 7. Oktober: Unbekannte erschießen im Norden von Afghanistan die beiden Deutschen Karen Fischer und Christian Struwe, zwei freie Mitarbeiter der Deutschen Welle, nachts in ihrem Zelt. Die Reporterin und der Techniker waren auf dem Weg in die Provinz Bamijan, um an einer Geschichte über die dortigen historischen Stätten zu arbeiten.

2001

  • In der Nacht zum 27. November wird der schwedische Kameramann Ulf Strömberg von maskierten Jugendlichen in einem Haus in Talokan im Norden des Landes erschossen.


  • 19. November: vier Journalisten werden auf einer Straße zwischen Dschalalabad und der Hauptstadt Kabul angegriffen und getötet: Die italienische Kriegsreporterin Maria Grazia Cutuli von der Tageszeitung „Corriere della Sera“, der spanische „El Mundo“-Reporter Julio Funtes sowie der australische Kameramann Harry Burton und der aus Afghanistan stammende Fotograf Asisullah Haidari, die für die Nachrichtenagentur Reuters arbeiteten. Später erklärt das Rote Kreuz, dass wahrscheinlich Taliban die Gruppe töteten. Demnach wurden sie gesteinigt und von mehreren Kugeln getroffen.
  • 11. November: der „Stern“-Reporter Volker Handloik sowie der französische RTL-Reporter Pierre Billaud und die Reporterin Johanne Sutton von Radio France Internationale (RFI) geraten an der Nordostfront in einen Hinterhalt der Taliban. Die drei Journalisten werden später tot aufgefunden. (AFP)

Einzelfälle

  • Anna Stepanowna Politkowskaja (russisch Анна Степановна Политковская, wiss. Transliteration Anna Stepanovna Politkovskaja, geborene Мазепа/ Masepa; * 30. August 1958 in New York; † 7. Oktober 2006 in Moskau) wurde im Oktober 2006 in ihrem Wohnhaus in Moskau erschossen. Sie war eine russische Reporterin, Autorin und Aktivistin für Menschenrechte, die durch Reportagen und Bücher über den Krieg in Tschetschenien, über Korruption im Verteidigungsministerium und dem Oberkommando der Streitkräfte in Tschetschenien bekannt wurde.
  • Fadel Shana, ein 24jähriger Palästinenser, kam am 16.04.2008 ums Leben, als israelische Panzer aus 1,5 km Entfernung auf das mit Stativ filmende Reuters-Team zwei "Flechettes"-Granaten feuerten, die jeweils etwa 5000 winzige Metallpfeile freisetzten. Der Kameramann und acht weitere Zivilisten starben, der Toningenieur Wafa Abu Mizyed wurde verletzt. Die Reporter trugen blauen Schutzwesten mit der Aufschrift "Presse". Mindestens eine israelische Beobachtungsdrohne kreiste über der Gruppe und konnte das Medien-Team als solches identifizieren. Shanas letzte Aufnahmen zeigen ein Panoramabild mit dem fraglichen Panzer und das Abfeuern der Granate: "Für den Kameramann war das erste Geschoss tödlich" (FAZ 17.06.08: 44: Israel soll aufklären. Reuters fragt nach totem Reporter). Ein Armeesprecher erklärte Reuters, dass der Vorfall weiter untersucht werde. Zwei Monate nach dem Tod des Reporters gab es keine weiteren Erklärungen seitens der israelischen Streitkräfte. Ein Bericht der BBC stellt eine Verbindung mit dem Tod dreier israelischer Soldaten bei Kampfhandlungen im Gaza-Streifen her. In einer Art Racheaktion habe die israelische Armee daraufhin an einem Tag den Kameramann und weitere 14 Zivilisten, darunter Kinder, gezielt getötet: "Five Palestinian children and a farmer tending his fields were among the others who paid the price."

Weblinks und Literatur

Schon wenige Tage nach der Bluttat vom 31. Juli in Mexiko-Stadt wurde ein „üblicher Verdächtiger“ festgenommen. Der Mann sei wegen Vergewaltigung und Körperverletzung vorbestraft, teilte die Polizei mit. Zudem seien die Fingerabdrücke des Verhafteten am Tatort gefunden worden, hieß es. Der Verdächtige habe zugegeben, in die Wohnung eingedrungen zu sein, in der die fünf Leichen gefunden worden waren. Er habe jedoch bestritten, etwas mit den Morden zu tun zu haben. Die Ermittlungen in der Sache dauerten an.
„Das ist so ein alter Hut“, sagte Emily Edmonds-Poll, Politik-Professorin an der Universität von San Diego, dem Rundfunksender BBC kurz nach dem raschen „Fahndungserfolg“ der mexikanischen Polizei: „Man verhaftet den nächstbesten Kriminellen und beschuldigt ihn des Verbrechens.“ Immerhin behaupten die Behörden nicht, der fünffache Mord sei aufgeklärt. Vielmehr wurde am Dienstag Javier Duarte, Gouverneur des Bundesstaats Veracruz, vernommen. Duarte ist Mitglied der auch in Mexiko-Stadt regierenden „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) von Präsident Enrique Peña Nieto. Duarte regiert seit 2010 in dem Südost-Staat am Golf von Mexiko. Seit seinem Amtsantritt wurden in Veracruz 14 Journalisten ermordet, so viele wie in keinem anderen Bundesstaat.

Das Mordopfer berichtete über Machenschaften der Drogenkartelle

Das letzte Opfer war Rubén Espinosa, ein 31 Jahre alter Fotoreporter aus Veracruz. Seine Leiche, die Folterspuren aufwies, wurde am 1. August in einem von Angehörigen der Mittelschicht bewohnten Viertel im Süden von Mexiko-Stadt gefunden. In der Wohnung fanden die von Nachbarn alarmierten Polizisten außerdem die Leichen der ebenfalls aus Veracruz stammenden Menschenrechtsaktivistin Nadia Vera sowie von drei weiteren Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, drei der vier Frauen seien vergewaltigt worden. Die Opfer waren außerdem mit Klebeband gefesselt und offenbar gefoltert worden. Alle fünf Leichen wiesen mehrere Schusswunden auf, unter ihnen jeweils ein Kopfschuss.
Espinosa war unter anderem für das in Mexiko-Stadt erscheinende Wochenblatt „Proceso“, die lokale Nachrichtenagentur AVC und die Fotoagentur „Cuartoscuro“ tätig. Er berichtete als Fotojournalist vor allem über soziale Proteste gegen Behördenwillkür und über Machenschaften der Drogenkartelle. Nachdem er in Veracruz mehrfach bedroht und in der Öffentlichkeit tätlich angegriffen worden war, floh Espinosa im Juni in die mexikanische Hauptstadt. Auch die Aktivistin Nadia Vera hatte sich nach Drohungen in die Hauptstadt abgesetzt. „Wir sehen mit Besorgnis, dass Mexiko-Stadt kein sicherer Zufluchtsort mehr für vertriebene Journalisten ist“, heißt es in einer Mitteilung von „Artículo 19“, der mexikanischen Sektion der internationalen Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit „Article 19“. Nach Angaben von „Artículo 19“ wurden seit 2000 in Mexiko 88 Journalisten ermordet und 90 Prozent dieser Morde werden niemals aufgeklärt.
Dass die Mörder Espinosas und der vier Frauen zur Rechenschaft gezogen werden, muss man deshalb bezweifeln. Mindestens ebenso zweifelhaft erscheint es, dass ausgerechnet Gouverneur Duarte zur Aufklärung der Morde vom 31. Juli beitragen kann. Er sagte zwar am Dienstag vor den Ermittlern aus Mexiko-Stadt aus. Anschließend teilte er mit: „Ich habe in der besagten Aussage alle Fragen beantwortet und deutlich gemacht, dass ich mich absolut von den Vorkommnissen vom 31. Juli in Mexiko-Stadt distanziere.“
Seine Abneigung gegen renitente Journalisten hat Duarte indes nie geleugnet. Es sind mehrere Aussagen des Gouverneurs überliefert, wonach Journalisten keine Recherchen über Machenschaften von Drogenkartellen und Verbrechenbanden anstellen sollten, weil ihnen dabei etwas zustoßen könnte. Deshalb gebe er Journalisten den Rat, „sich zu benehmen“. Ganz ohne Eigennutz erteilte der Gouverneur den Ratschlag freilich nicht: „Wenn Euch etwas zustößt, dann bin ich es, der ans Kreuz geschlagen wird. Also benehmt Euch!“
Vor drei Jahren wurde die prominente Journalistin Regina Martínez, die wie Espinosa für das Wochenblatt „Proceso“ gearbeitet hatte, erdrosselt in ihrem Haus in Xalapa, der Hauptstadt von Veracruz aufgefunden. Auch damals wurde rasch ein Verdächtiger festgenommen und für den angeblichen Raubüberfall verantwortlich gemacht. Der Mann rief später vor einem Richter sein Geständnis zurück und gab zu Protokoll, er sei durch Folter zu seiner Aussage gezwungen worden. Dennoch wurde er zu 38 Jahren Gefängnis verurteilt. „Die wirklich Schuldigen wurden nicht ermittelt“, kommentierte das Wochenmagazin „Proceso“ nach der Urteilverkündung zum gewaltsamen Tod seiner Mitarbeiterin Martínez.
  • Oehrlein, Joseph (2009) Fünf Schüsse. Ungeklärte Morde an Journalisten in Kolumbien. FAZ 22.12.09: 35.