Jeju

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Jeju (auch: Cheju) ist der Name einer subtropischen südkoreanischen Provinz und Insel (Jeju-do) sowie einer Stadt auf dieser Insel (Jeju-si), die südlich der koreanischen Halbinsel vorgelagert ist. Einerseits gilt die Insel, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten war und auf der heute noch zahlreiche Schamanismus-Gottheiten angebetet werden, als mythisch und geheimnisumwittert. Zum anderen ist sie ein beliebtes Urlaubsziel der koreanischen Bevölkerung, insbesondere für die Flitterwochen. Am 15.4.2014 sank ein Schiff mit vielen Schülern, die sich auf einem Ausflug nach Jeju befanden.

1948 war Jeju Schauplatz einer mit dem Jeju-Massaker blutig niedergeschlagenen Revolte. Das Massaker begann im April 1948 und dauerte in Teilen Jejus bis in das Jahr 1953. Viele Inselbewohner flohen nach Japan, wo sie unter anderem in Osaka ihr eigenes Viertel (Korea Town) gründeten. Bis Ende der 1980er Jahre wurden diese Ereignisse vollständig verschwiegen [1].

Vorgeschichte

Die Vereinten Nationen verabschiedeten am 14. November 1947 die UN-Resolution 112, der zufolge landesweite Wahlen unter Aufsicht der UN-Kommission stattfinden sollten. Die Sowjetunion, Besatzungsmacht in Nordkorea, lehnte diese Resolution jedoch ab und verweigerte der UN-Kommission den Zugang zu Nordkorea. Bei den von der Sowjetunion durchgeführten Wahlen gewannen die von dieser Regierung unterstützten Kandidaten. Daraufhin verabschiedete die UN-Versammlung einen neue Resolution, die Wahlen am 10. Mai 1948 im südlichen Teilgebiet Koreas vorsahen, welches von der United States Army Military Government in Korea (USAMGIK) regiert wurde.

Auf Jeju planten die Kommunistische Arbeiterpartei Südkorea sowie Jugendliche und Studenten für den 1. März 1948 Demonstrationen, in denen sie sich unter anderem gegen die allgemeinen Lebensbedingungen, eine hohe Arbeitslosigkeit, scheinbar willkürliche Besteuerungen und eine wachsende Schere zwischen einer kleinen Elite und einer großen, in Armut lebenden Bevölkerung richten wollten. Ebenso wollten sie eine vermeintliche Gefährdung der örtlichen Schmuggelwirtschaft sowie Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen seitens rechtsgerichteter Marodeure von der Halbinsel, die nach Jeju geschickt worden waren, anprangern (siehe auch Repressives Verbrechen). Vor allem setzten sie sich aber für ein vereinigtes Land und gegen die nur für den Süden angesetzten Wahlen ein. Diese Demonstrationen schlug die Polizei nieder, wobei sie sechs Teilnehmer erschoss und circa 2.500 Personen, die der Unterstützung der Demonstranten verdächtigt wurden, verschleppte.

Die Rebellion

In der Bevölkerung Jejus wuchs die Wut über die Ereignisse vom 1. März 1948. Um ihre Autonomie zu bewahren und sich gegen die Repressionen durch die Polizei zu wehren, planten linksgerichtete Rebellen für den 3. April 1948 einen Aufstand. Gegen 02:00 Uhr morgens attackierten ungefähr 350 bis 400 Männer und Frauen – nur wenige von ihnen mit Schusswaffen, die meisten mit Speeren, Schwertern, oder landwirtschaftlichem Gerät bewaffnet – 12 Polizeiwachen sowie Wahllokale und Einrichtungen politischer Gegner. Circa 50 bis 100 Todesopfer waren auf beiden Seiten zu beklagen.[2] [3]

Das Massaker

Polizei und Paramilitärs schlugen mit großer Brutalität zurück und verfolgten eine Strategie der verbrannten Erde. Sie rächten sich, indem sie Demonstranten oder deren Verwandte töteten und teilweise deren weibliche Familienmitglieder zwangsheirateten. Mit der Absicht, die Aufständischen im bergigen Landesinnern zu isolieren, wurden alle Dörfer, die mehr als vier Kilometer von der Küste entfernt waren, dem Erdboden gleichgemacht. Die Streitkräfte der Regierung errichteten Basislager in den Städten im Küstenstreifen, die Rebellen in den Bergen. Die dazwischen gelegenen Bauerschaften wurden zu den Hauptschauplätzen der Kampfhandlungen. Um die Aufstände möglichst schnell nieder zu schlagen, rekrutierte die Regierung rechtsradikale Flüchtlinge aus dem kommunistisch geführten Nordkorea zur Bildung einer paramilitärischen Jugendorganisation namens Northwest Youth Association und schickte darüber hinaus circa 3.000 Soldaten nach Jeju. Am 29. April 1948 meuterten jedoch einige Hundert von ihnen und überließen ihre Waffen den Rebellen. Im Herbst 1948 zählten die Rebellen mittlerweile ungefähr 4.000 Mitglieder. Trotz unzureichender Bewaffnung gelangen ihnen immer wieder kleinere Erfolge gegenüber den Regierungsverbündeten. Schließlich solidarisierten sie sich mit den Nordkoreanern und hissten deren Nationalflagge.

Generalleutnant Kim Ik-ruhl, der die südkoreanischen Streitkräfte auf der Insel befehligte, strengte Verhandlungen mit den Rebellen an, um zu einem möglichst schnellen und friedvollen Ende der Kampfhandlungen zu gelangen. Zwar kam es zu mehreren Treffen mit dem Rebellenführer Kim Dal-sam, jedoch zu keiner Einigung beider Seiten. Kim forderte von den Rebellen eine vollständige Kapitulation, wohingegen diese wiederum die Entwaffnung der örtlichen Polizei, die Enthebung sämtlicher Regierungsmitarbeiter der Insel von ihren Ämtern, ein Verbot der Northwest Youth Association sowie die Wiedervereinigung beider Landesteile. Kim Ik-ruhl wurde jedoch während der laufenden Verhandlungen plötzlich wieder in die südkoreanische Hauptstadt Seoul zurück beordert, sein Nachfolger ließ eine lang anhaltende Offensive gegen die Rebellen starten.[4]

Im Frühjahr 1949 wurden vier Bataillone der südkoreanischen Armee nach Jeju beordert, um die dortigen Polizei- und Paramilitäreinheiten zu unterstützen. Zusammen waren sie in der Lage, die übrig verbliebenen Rebellen in kurzer Zeit zu besiegen. Die Tötung des Rebellenführers Yi Tuk-ku am 17. August 1949 führte schließlich zur Zerschlagung der Führungsriege der Rebellen.[5]

Anfang der 1950er Jahre herrschte wieder Ruhe, manche Gebiete des Halla-Berges wurden allerdings erst im September 1954 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[6]

Aufarbeitung

In einer ihrer ersten Amtshandlungen verabschiedete die südkoreanische Nationalversammlung 1948 ein Landesverräter-Gesetz. Diesem zufolge galt die Kommunistische Arbeiterpartei Südkorea nun als illegal.[7] Das Massaker wurde seitens der Regierung immer verschwiegen, Hinterbliebene erhielten in ganz Korea Berufsverbot, Gedenkveranstaltungen und das Bergen der Toten waren verboten. Eine Aufarbeitung begann erst mit der Demokratisierung des Landes ab Ende der 1980er Jahre. So empfand der selbst an der Niederschlagung der Unruhen beteiligte General Kim Ik-ruhl († 1988) die in den Jahrzehnten danach in Südkorea vorherrschende Erklärung der Ereignisse als kommunistischen, separatistischen Aufstand als falsch: Einem nach seinem Tod veröffentlichten Manuskript zufolge war Nordkorea an ihnen nicht wesentlich beteiligt; das Handeln der Insulaner sei weniger ideologisch motiviert, als viel mehr eine Reaktion auf eine vermeintliche Gefährdung der örtlichen Schmuggelwirtschaft sowie auf Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen seitens rechtsgerichteter Marodeure von der Halbinsel, die nach Jeju geschickt worden waren. Bis zu diesem Zeitpunkt war die reine Erwähnung der Aufstände auf Jeju ein Verbrechen, auf das Schläge, Folter und lange Haftstrafen folgen konnten. Im Jahr 1992 ließ der damalige Präsident Roh Tae-woo eine Höhle am Halla-Berg, in der Überreste der Massakeropfer gefunden worden waren, versiegeln.[8] Erst im weiteren Verlauf der Neunziger Jahre entschuldigte sich die Regierung für die Verdrängung der Ereignisse und strengte deren Neubewertung sowie die Entschädigung von Überlebenden an. Eine 1999 von Präsident Kim Dae-jung berufene Untersuchungskommission belastete die Regierungsseite schwer. Im Oktober 2003 schließlich bat Präsident Roh Moo-hyun offiziell die Überlebenden sowie Angehörigen von Opfern um Entschuldigung. Im März 2009 stellte die „Wahrheits- und Aufarbeitungskommission“ fest, dass zu Beginn des Koreakriegs mindestens 20.000 der Gefangenen, die wegen der Teilnahme an Volksaufständen in Jeju, Yeosu und Suncheon oder aber wegen des Verdachts, Kommunisten zu sein, arrestiert worden waren, in ungefähr 20 landesweit verteilten Gefängnissen getötet wurden.[9] Ebenso verzeichnete sie 14.373 Vermisste, Verwundete und Tote, 86% davon auf Seiten der Sicherheitskräfte, die restlichen 14% unter den Rebellen. Insgesamt geht sie von mindestens 30.000 Todesopfern aus, wobei manchen Schätzungen zufolge sogar von mindestens 80.000 Todesopfern auszugehen sei.[10] Von den 230 Dörfern auf Jeju wurden ungefähr zwei Drittel dem Erdboden gleich gemacht und dabei circa 39.000 Häuser zerstört.

Literatur

Weblinks