Itaúna

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In der brasilianischen Stadt Itaúna im Bundesstaat Minas Gerais befindet sich ein von der Hilfsorganisation APAC und Gefangenen selbst verwaltetes Gefaengnis mit 139 Inhaftierten im geschlossenen, halboffenen und offenen Vollzug. Unter den Inhaftierten befinden sich auch solche, die wegen Mordes, Drogenhandels und anderen schweren Delikten verurteilt wurden. Rueckfallrate und Kosten werden als wesentlich geringer als im staatlichen Strafvollzug angegeben. Eine unabhaengige Evaluation steht noch aus.

Die Justizvollzugsanstalt nennt sich allerdings weder JVA noch Gefaengnis, sondern Centro de Integração Social, getragen von der APAC, der Schutz- und Hilfsvereinigung fuer Verurteilte, die ihrerseits wiederum in erster Linie von christlichen Kirchen getragen wird.

Die Inhaftierten werden nicht als Gefangene, sondern als recuperandos bezeichnet (zu Bessernde). Nach 5 Jahren betrug die Quote der Gebesserten (= nicht rueckfaellig gewordenen Inhaftierten) 92% - waehrend man im Normalvollzug von einer Quote von rund 15% ausgeht.

Das Zentrum erhaelt viel Besuch von Interessenten aus dem Justizwesen. Der Grund fuer die vielen Interessenten ist die von der UNO mittels PFI (Prison Fellowship International) ausgesprochene Empfehlung, sich an dieser Einrichtung als Modell zu orientieren (Besichtigungen dienstags und donnerstags). Besuchstag fuer Inhaftierten ist der Sonntag.

Inhaftierte duerfen zweimal pro Woche telefonieren (das kostet dann einen Real = 45 Cent).

Geschichte

Das APAC-Gefaegnis von Itaúna war das weltweit zweite (das erste war das in São José dos Campos, gegruendet von Valdeci Antônio de Oliveira mit Hilfe seiner Kollegen von der katholischen Gefangenenfuersorge, der Pastoral Carcerária).

Die Finanzierung war schwierig, die Akzeptanz in der Stadt gering. Nach drei Jahren war der erste Pavillon fuer den offenen Vollzug fertiggestellt, nach drei weiteren Jahren der fuer den halboffenen. Um diese Zeit wurde das offizielle Gefangnis der Stadt durch eine Gefangenenrevolte zerstoert und 60 Ihaftierte des geschlossenen und des halboffenen Vollzugs wurden in das eilig staerker gesicherte APAC transferiert.

In Anerkennung der guten Ergebnisse der Arbeit der APAC wurde der von der Stadt organisierte Neubau des Gefaegnisses vom Richter Paulo Antônio de Carvalho an Valdeci uebergeben: am Tag seiner Eroeffnung wurde es statt eines Gefaegnisses eine APAC.

Als daraufhin die Staatsregierung keinen Anlass mehr sah, fuer die Verpflegung der Inhaftierten aufzukommen, organisierten Valdeci und die APAC Hilfe aus der Bevoelkerung der Stadt, die auf diese Weise ihre feindselige Haltung ueberwand. Neben einigen Verwaltungsangestellten sind es lauter Freiwillige, die den Betrieb aufrechterhalten - einschliesslich einer ganzen Reihe von Zahnaerzten, Aerzten, Krankenpflegepersonal und Lehrern. Freiwillige werden mit dem Konzept in viermonatigen Kursen vertraut gemacht.

Kein einziger Polizist oder staatlicher "Schliesser" arbeitet in der APAC von Itaúna.


Auf Schulunterricht und Berufsausbildung wird in der Anstalt grosser Wert gelegt (Pflicht: Grundschulabschluss). Arbeitslohn in der Anstalt: 180 Reais (ca. 70 Euro).

  • Kosten APAC: R$ 628,00
  • Kosten im Normalvollzug: R$ 1.700,00

Der Staatsanwalt Joaquim Alves vom Tribunal de Justiça de Minas Gerais (TJ/ MG) unterstuetzt das Projekt und lancierte das Projekt Novos Rumos no Sistema Penal im Jahre 2001. Die Legislative aenderte das Strafvollzugsgesetz (Lei Estadual de Execuções Penais).

Heute gibt es 23 APACS in Minas Gerais. Auch grosse Unternehmen wie Usiminas unterstuetzen das Projekt der APACS.

Anekdote

Ein Inhaftierter namens Luís Fernando liess sich nach Itaúna verlegen, weil er gehoert hatte, dass man von dort gut fliehen koenne. Nach einer Woche in Itaúna lud ihn Valdeci zu einem Ausflug ein. Sie fuhren nach Nova Era, um sich einen Vortrag ueber APAC anzuhoeren. Auf der Rueckfahrt besuchten sie die Familie des Gefangenen. Obwohl Luís schon aus dem Staatsgefaegnis Lavras Sul-Susepe, aus dem Centro de Recuperação Pio Canedo und aus dem Gefaengnis Nelson Hungria geflohen war, sass er nunmehr seine drei Jahre im geschlossenen Vollzug ab und ging dann ueber den halboffenen in den offenen Vollzug.


Weblinks

  • Martino, Natália (2009) Homens e criminosos, in: NovaE [[1]] (14.10.2010)
  • Martino, Natália Não me chamem de bandido, in: NovaE [[2]] (17.10.2010)