Festungshaft

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Festungshaft bezeichnet eine in Deutschland nicht mehr angewandte Strafart, welche neben den klassischen Gefängnis- und Zuchthausstrafen ersatzweise angeordnet werden konnte. Besonderheit dieser, nicht für alle strafrechtlichen Verstöße anwendbaren Strafe, war der nicht entehrende Charakter (custodia honesta), sowie die privilegierte Behandlung und Unterbringung der bei Gericht als "ehrbar" definierten Straftäter.

Bereits im Reichstrafgesetzbuch des Deutschen Reiches und dessen "juristischen Vorgängern", insbesondere in den deutschsprachigen Gebieten Europas, fand die Festungshaft bis 1953 auch noch Anwendung im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik. Nach der, ohne gravierende inhaltliche Folgen nach sich ziehenden „Umbenennung“ von Festungshaft in Einschließung im Jahr 1953, wurde diese Art der Strafe 1969 anlässlich des „1. und 2. Gesetzes zur Reform des Strafrechts“ aus dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik gestrichen.

In Festungshaft einsitzende Persönlichkeiten der deutschen Zeitgeschichte waren beispielsweise Adolf Hitler und Rudolf Heß (1923-1924 Hochverrat), Werner von Siemens (1842 Sekundantenbeteiligung an einem Duell), Fritz Reuter (1833- 1840 Majestätsbeleidigung/versuchter Hochverrat) und Anton Graf von Arco- Valley (1919- 1924 versuchter Mord).


Begriffsbestimmung

Festungshaft, früher eine ausschließlich militärische, auf einer Festung vollstreckte, nicht entehrende Freiheitsstrafe (custodia honesta) bei Zweikampf und einigen politischen Straftaten.

In Abgrenzung zur Haft in Festungen, welche eine klassische Form der Haftstrafe im Sinne einer zu verbüßenden Gefängnis- oder Zuchthausstrafe darstellt, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf eine besondere Strafart, die Festungshaft. Festungshaft wurde ursprünglich in primär dafür vorgesehenen Örtlichkeiten vollzogen. Diese waren allein am äußeren Erscheinungsbild (in der Form von Festungsbauten) von Gefängnissen zu unterscheiden. Hier sollte besonders dem Gedanken der Abgrenzung des „nicht entehrten Festungshaftverurteilten“ zum normalen Inhaftierten in Form von gesonderter und gehobener Unterbringung Rechnung getragen werden.

Rechtshistorische Einordnung

Im Laufe der Geschichte wurden viele der klassischen Festungen, welche primär oder ausschließlich zur Unterbringung von zu Festungshaft verurteilten Personen dienten, zu normalen Gefängnissen oder Zuchthäusern umgebaut oder erweitert. Das juristische Konstrukt der Festungshaft konnte jedoch auch an diesen, äußerlich nun in vielen Fällen nicht mehr von Gefängnissen zu unterscheidenden Gebäuden, vollzogen werden. Aber auch dieser Veränderung entgegengesetzte „Trends“ konnten beobachtet werden. So wurden beispielsweise ab 1920 in der reinen Gefangenenanstalt Landsberg am Lech auch zu Festungshaft Verurteilte untergebracht, jedoch in klarer Abgrenzung in Ausgestaltung und Unterbringung zum zu Gefängnis oder Zuchthaus verurteilten Straftäter.

Die Erläuterungen zum Begriff stellen ausschließlich auf die Anwendung und Ausgestaltung der Festungshaft in den Staaten des Deutschen Reiches seit 1871 und der Bundesrepublik Deutschland bis 1969 ab. Festungshaft wurde nach ihrer Umbenennung im Jahre 1953 in Einschließung (3. Strafrechtsänderungsgesetzes) im Jahr 1969 endgültig aus dem Strafgesetzbuch entfernt. Vorläufer dieser besonderen Art der freiheitsentziehenden Regelung gab es auch schon im Norddeutschen Bund und einzelnen deutschen Königreichen - z.B. Bayern - vor der Einführung des Reichsstrafgesetzbuches im Deutschen Reich. Im Spektrum der verschiedenen Strafarten, welche das Reichsstrafgesetzbuch vorsah, nahm die Festungshaft eine explizit gesonderte Rolle im Verhältnis zu den anderen zu verhängenden Freiheitsstrafen ein. Man verhängte sie insbesondere (also nicht ausschließlich) gegen Personen von hohem gesellschaftlichem und politischem Ansehen, welchen aufgrund ihres Standes und der begangenen Tat eine ehrenhafte Gesinnung unterstellt werden konnte. Sie wurde somit als „nicht entehrende Freiheitsstrafe“ angesehen. Klassische mit Festungshaft bedrohte Straftaten waren politisch motivierte Handlungen, solche im Zusammenhang mit Duellen, militärische Verfehlungen und jene, welche in der Absicht einer Verunglimpfung von Kaiser und Krone begangen wurden.

Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 konnten die in ihm aufgegangenen deutschsprachigen Gebiete erstmals eine einheitliche Legislative und Judikative für sich beanspruchen. Grundlage war das Reichsstrafgesetzbuch und die wenige Jahre später in Kraft tretende Reichsstrafprozessordnung. Auf dieser Grundlage konnten die Staaten des Deutschen Reiches erstmals gesetzliche Grundlagen für einen einheitlichen Umgang für mit Strafe bedrohte Handlungen und den Strafprozess für sich beanspruchen. In dieser für das neu gegründete Deutsche Reich "rechtsreformatorischen Einheitsbetrachtung" blieb auch die vorher schon in vielen Teilen des Landes -wie dem Norddeutschen Bund- durchgeführte und gesetzlich geregelte Festungshaft inhaltlicher Bestandteil gesetzlicher Regelungen.

In der Fassung von 1871 charakterisierten die Todesstrafe, verschiedene Arten der Freiheitsstrafe (Zuchthaus, Gefängnis, Haft und Festungshaft) sowie Geldstrafen das Bestrafungssystem im Deutschen Reich. Die Freiheitsstrafe stellte hier den größten Teil der Strafanwendungen dar. Rückblickend betrachtet gab es keine Maßregeln oder Strafaussetzung, was eine (im heutigen Verständnis) resozialisierende Einwirkung auf den Straftäter so gut wie unmöglich machte. Auch die privilegierte Festungshaft, welche unter den genannten Freiheitsstrafen die mildeste und "offenste" Form darstellte, konnte nicht als eine resozialisierende Strafe im heutigen Sinne angesehen werden. Der Resozialisierungsgedanke und das Ziel der Verhütung künftiger Straftaten im Rahmen des Sanktionssystems wurden faktisch erst mit den Strafrechtsreformgesetzen von 1969 eingeführt.


Im Gesetzestext war für die Anwendung von Festungshaft §17 RStGB einschlägig. Hier hieß es:

"Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist funfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen".

Insofern bleibt festzuhalten, dass eine Verurteilung zur Festungshaft nicht wie gewöhnlich an die Schwere der Tat, sondern an entsprechende persönliche "Klassenprivilegien" gebunden war. So konnte anstelle einer in der Regel mit Gefängnis oder Zuchthaus zu bestrafenden Tat bei Vorliegen solcher "Priviligierungsgründe" auf Festungshaft entschieden werden. So wird klar, dass Festungshaft eine Form von „Ersatzstrafe“ für ansonsten verhängte Zuchthaus oder Gefängnisstrafen war.

Gustav Radbruchs erklärtes Ziel als Reichsjustizminister (1921-1923) war es, die Festungshaft durch eine nicht moralisierende, sondern allein auf die subjektive Pflichtüberzeugung des Täters abstellende Strafart - die Einschließung zu ersetzen. Jedoch konnten sich seine Reformvorstellungen zum damaligen Zeitpunkt nicht durchsetzen.


Eine weitere gesetzliche Regelung, in der Festungshaft als Strafe explizit genannt wurde, ist das Militär- Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, welches am 20.06.1872 verkündet und am 25.06.1872 in Kraft getreten war. Hier hieß es ebenfalls in §17:

"Die Freiheitsstrafe ist, wenn ihre Dauer mehr als sechs Wochen beträgt, Gefängniß oder Festungshaft, bei kürzerer Dauer Arrest. Ist eine angedrohte Zuchthausstrafe auf eine kürzere als einjährige Dauer zu ermäßigen, so tritt an deren Stelle Gefängniß von gleicher Dauer".

Die Festungshaft als Ehrenhaft „custodia honesta”

Bei Festungshaft handelte es sich um eine sogenannte „Ehrenhaft“, welche auch „custodia honesta” (lateinisch: nicht entehrende Strafe) genannt wurde. Neben der Anwendung bei Straftaten im Zusammenhang mit Duellen und militärischen Verfehlungen wurde besonders bei politischen Straftätern und einer ihnen in der Regel unterstellten „nicht ehrlosen Gesinnung bei der Tat“ anstelle von Zuchthaus auf Festungshaft entschieden. Ein wichtiger, formalgesetzlich normierter Unterschied zur Gefängnis- oder Zuchthausstrafe, welcher aus den genannten Auszügen des RStGB hervorgeht, ist die Dauer der verhängten Strafe und die darauf im Verhältnis angerechnete Zeit, welche der Verurteilte in Festungshaft verbracht hat.

So hieß es in §20 und §21 RStGB:

§20 RStGB: "Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist". § 21 RStGB: "Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnißstrafe, achtmonatliche Gefängnißstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich zu achten".

Man trug hier dem (im Weiteren noch thematisierten) Streit zwischen Liberalen und Konservativen im Reichstag Rechnung, dass Festungshaft (sofern sie denn überhaupt Bestandteil des RStGB bleiben sollte) aufgrund ihrer privilegierten Stellung im Strafsystem nicht auch noch eine Begünstigung in Form der zu verbüßenden Haftzeit erlangte. Die Stellung der Festungshaft im Kontext der Strafen als „Ehrenhaft“ war jedoch bei deren Übernahme in das RStGB und der Rechtssprechung nicht unumstritten. Besonders die liberalen Kräfte im Reich waren, entgegen den Bestrebungen der Konservativen und des Reichskanzlers Graf Otto von Bismarck, an der gesetzlichen Fixierung interessiert; im Hinblick auf die Anwendungsbreite dieser Strafe auf einen „eher reichskritischen, liberalen Personenkreis“ zu dieser Zeit eine politisch nicht zu unterschätzende Forderung.

So wurde in einer Debatte im Reichstag über „Die Bestrafung der politischen Verbrechen" im Rahmen der Ratifizierung des Reichsstrafgesetzbuches das Bestreben der liberalen Partei vorgetragen, „für die politischen Verbrechen und Vergehen eine besonders schonende und rücksichtsvolle Beurtheilung und Behandlung zu sichern“.

In der angewandten Rechtssprechung sollte dies wie folgt berücksichtigt werden: „... sie verlangte (die liberale Partei) zumal, daß aus der Bestrafung derselben Alles entfernt werde, was dem politischen Verbrechen einen entehrenden Charakter gebe. Dasselbe solle in der Regel nicht mit Zuchthaus, auch nicht mit Gefängniß, sondern mit der mildesten Art der Freiheitsstrafe, mit Festungshaft bestraft werden, und wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft gestatte, da soll auf Zuchthaus nur dann erkannt werden dürfen, wenn festgestellt werde, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen sei“.

Diese Forderungen wurden letztendlich bei Gesetzgebung und Rechtssprechung angenommen und umgesetzt. Besondere Beachtung ist hier der in der Rechtspraxis Rechnung getragenen Formulierung „in der Regel“ zu schenken. Somit wurde klar, dass eine Abweichung der Anwendung von Festungshaft bei entsprechenden politischen Straftaten zunächst grundsätzlich die Unterstellung einer „Ehrhaften Gesinnung“ zugrunde legte und somit die Ausnahme darstellte.

Biographische Betrachtung

Um die historisch- rechtliche Umsetzung und die Bedingungen und Ausgestaltung der Festungshaft darzustellen, werden hier zwei exemplarische Persönlichkeiten der Zeitgeschichte biographisch betrachtet, welche sich in Festungshaft befunden haben.

Pragmatisch zeichnete sich diese privilegierte Art der Haft insbesondere durch die Aufhebung des ansonsten einschlägigen Arbeitszwangs sowie die gesonderte Unterbringung der Häftlinge unter gehobenen Haftbedingungen aus. Die Verurteilten wurden unter besonderer Berücksichtigung ihrer Beschäftigung und Lebensweise unter Beaufsichtigung gestellt.

Vollzogen wurde die Haft in der Regel in besonderen Gefangenenanstalten (Festungen) die den oben genannten Voraussetzungen entsprachen. Hierzu zählten u.a. die Anstalten:


• Gefangenenanstalt Landsberg am Lech

• Zitadelle Magdeburg

• Festung Glatz


Werner von Siemens

Siemens 1842 als Offizier der Preußischen Armee

Geboren am 13. Dezember 1816 in Lenthe bei Hannover, gestorben am 6. Dezember 1892 in Berlin. Siemens war deutscher Erfinder, Industrieller und Begründer der heutigen Siemens AG. Zu seinen berühmtesten Erfindungen zählen unter anderem die Galvanotechnik, der elektrische Zeigertelegraph und die Elektrotechnik.

Siemens trat 1835 ins preußische Militär ein, wo er bis 1849 seinen Dienst versah. 1841 war er Pionieroffizier in der Garnison Wittenberg und wurde von einem Militärgericht wegen der Teilnahme als Sekundant bei einem Duell zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. (Zur Strafbarkeit siehe §§112, 113 Militärstrafgesetzbuch i.V.m §§201-210 RStGB)

In diesem Falle entschied das aburteilende Militärgericht auf die nicht entehrende Freiheitsstrafe in Form von Festungshaft. Aufgrund seiner naturwissenschaftlichen (besonders physikalischen) Kenntnisse und Verdienste, die er bis zu seiner Verurteilung beim preußischen Militär geleistet hatte, gestand man ihm zu, physikalische Experimente in der Haft durchzuführen. Er unterlag in der Zitadelle Magdeburg, dem Ort der von ihm zu verbüßenden Strafe, keinem Arbeitszwang, welcher den anderen einsitzenden Gefängnisinsassen besonders schwere Erd- und Steinbrucharbeiten abverlangte.

Siemens wurde gestattet, sich eine zusätzliche Zelle nach seinem Belieben zu gestalten. Er richtete sich zu Forschungszwecken ein Labor in dieser Zelle ein. Dieses „Festungshaftlabor“ bescherte ihm den ersten großen wissenschaftlichen Erfolg. Es gelang ihm, ein Verfahren für die Versilberung und Vergoldung von Metallgegenständen zu entwickeln (die elektrische Galvanisierung). Durch den Verkauf dieser in Haft entwickelten Erfindung legte er den Grundstein für seine unternehmerisch– finanzielle Unabhängigkeit. Schon 1842, ein halbes Jahr nach seiner Inhaftierung in der Zitadelle Magdeburg, wurde er begnadigt. Die als privilegiert anmutende Behandlung sowie die Ausgestaltung des Haftalltags des Festungshäftlings Siemens wurde auch durch sein Gesuch auf Haftverlängerung zur Fortführung seiner Forschungen bestätigt, welchem aber seitens der Militärgerichtsbarkeit nicht stattgegeben wurde.

Adolf Hitler

Adolf Hitler in Festungshaft

Nach dem gescheiterten Putschversuch am 08.11.1923 im Bürgerbräukeller und dem Marsch zur Münchener Feldherrenhalle wurde Hitler am 11.11.1923 wegen Hochverrates festgenommen. Beim seinem Prozess im Frühjahr 1924 wurde Hitler eben dieser Straftat angeklagt und unter "federführender" Einflussnahme vom vorsitzenden Richter am Bayrischen Gerichtshof -Georg Neithardt, der mit den Nationalsozialisten sympathisierte- trotz seiner österreichischen Staatsangehörigkeit, welche eigentlich seine Ausweisung zur Folge hätte haben müssen, zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Neben Neithardt waren noch ein weiterer Berufsrichter und drei Laien für die notwendige Mehrheit von vier Stimmen für die Verurteilung verantwortlich. Von den fünf Jahren Festungshaft in der Festung Landsberg am Lech verbüßte Hitler allerdings nur ein Jahr- bis zu seiner Entlassung am 20.12.1924. Im Rahmen der Urteilsbegründung verwies Neithardt auf Hitlers Kriegsverdienste im ersten Weltkrieg, sein „deutsches Denken und Fühlen“, sowie darauf, dass er und seine Mitstreiter "rein vaterländischen Geistes und des edelsten selbstlosen Willens“ gewesen seien. So konnte er letztendlich darauf verweisen, dass Hitlers Tat nicht aus einer „ehrlosen Gesinnung entsprungen sei“ und somit Festungshaft erst in Frage kam.

Hitlers Haft in Landsberg gestaltete sich nach anfänglichen „Schwierigkeiten“ mit seiner Person selbst (Depressionen, Hungerstreik), wie der Gefängnispsychologe Alois Maria Ott es beschrieb, als privilegiert. Der damalige Gefängnisdirektor der Haftanstalt, Otto Leybold, hegte große Sympathien für den Häftling Hitler. Besonders begünstigt durch die Unterstützung Leybolds konnte er in ständigem Kontakt mit seinen mitverurteilten Putschisten, welche ebenfalls ihre Strafe in Landsberg verbüßten, verbleiben. Fast täglich fanden unbeaufsichtigte Treffen der „inhaftierten Kameraden“ statt. Darüber hinaus wurde es ihnen ermöglicht, zu jeder Zeit gemeinsam Karten zu spielen, Alkohol zu trinken und zu rauchen. So beschrieb Ott, dass es nicht selten vorkam, dass die „prominenten Häftlinge bis in die Nacht grölten und johlten, wobei sie selten nüchtern waren“.

Ein weiteres Privileg, dass Hitler mit Duldung von Direktor Leybold genoss, bestand darin, dass er jederzeit und ohne Beschränkungen Besuch empfangen durfte (3.April-20.Oktober 1924 allein 489 Besuche). Ferner wurden ihm weitere Zellen zum privaten Gebrauch zur Verfügung gestellt, welche er unter anderem als „Unterhaltungs- und Tagungsraum“ nutzte.

Unterhaltungs und Tagesraum Festungshaftanstalt. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bürgervereinigung Landsberg e.V. vgl. auch diesen Artikel

Diese Bedingungen der Festungshaft legten den Grundstein dafür, dass auch in der Haftzeit Hitlers eine Art „funktionierende Parteizentrale“ in Landsberg aufgebaut werden konnte. Privatkorrespondenz wurde unzensiert befördert, und der direkte Kontakt zu Funktionären „außerhalb der Mauern“, wie Ernst Röhm oder Erich Ludendorff konnte ohne Probleme aufrechterhalten werden. Darüber hinaus schrieb Hitler während seiner Zeit in Landsberg sein Buch „Mein Kampf“, welches sich einige Jahre später im Besitz von Millionen deutscher Haushalte befand.

Zusammenfassung

1953 wurde der althergebrachte Begriff der „Festungshaft“ mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz aus dem Wortlaut des Strafgesetzbuches (StGB) getilgt und durch Einschließung ersetzt. Mit der „Umbenennung“ dieses historischen Begriffs folgte jedoch lediglich eine Art der "Wortmodernisierung" des juristischen Konstruktes der custodia honesta, an dem man aber weiterhin festhielt. Der Sinn und Zweck dieser im Strafrecht installierten Institution einer nicht entehrenden Freiheitsstrafe blieb somit weiterhin bestehen.

So folgten diesem Schritt erst 1969, unter dem damals amtierenden Bundesjustizminister Gustav Heinemann, mit dem „1. und 2. Gesetz zur Reform des Strafrechts“ weitere, welche dem stärker werdenden Gedanken von Prävention und Resozialisierung im Strafrecht und Strafvollzug Rechnung trugen. In diesem Sinne wurde unter anderem die bisher im deutschen Strafrecht praktizierte Dreiteilung des Strafens durch eine Einheitsfreiheitsstrafe (Tröndle § 38 Rdnr. 1) ersetzt, welche grundsätzlich in Justizvollzugsanstalten zu vollstrecken sei. Diese unterschied nun nicht mehr zwischen besonders entehrenden (Zuchthaus), normal entehrenden (Gefängnis) und nicht entehrenden (Einschließung) Freiheitsstrafen. Erst von diesem Zeitpunkt an stand eine verhängte Freiheitsstrafe nicht mehr unter dem „Scheffel“ einer moralischen Bewertung der begangenen Tat des Verurteilten, welche sich letztendlich direkt auf die von ihm zu verbüßende Strafart auswirkte. Aktuell sind, neben den vom Gesetzgeber explizit als nicht entehrende Strafen eingeführten Ordnungswidrigkeiten (OwiG und Nebengesetzte/Verordnungen/Satzungen), nur noch „Überreste“ dieser Teilung im geltenden Strafrecht zu finden. So unterscheidet man im Jugendstrafrecht noch zwischen Jugendarrest (§16 JGG) und Jugendstrafe (§17 JGG); im Wehrstrafrecht gibt es neben der Freiheitsstrafe noch den sogenannten Strafarrest (§9 WStG).

Weblinks

http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks01a.htm ; (Zugriff: 16.06.2008)

http://www.landsberg.de/web.nsf/id/pa_dgrss6vbkkz.html (Zugriff: 18.06.2008)

http://www.justizvollzug-bayern.de/JV/Anstalten/JVA_Landsberg/ki/jva_ll (Zugriff: 18.06.2008)

Manfred Deiler: Hitlers Festungshaft in Landsberg am Lech

Literatur

  • BALTZER, Christian: Die geschichtlichen Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter im Reichsstrafgesetzbuch von 1871; Bonn:(Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, 69) 1966
  • BLANKE, Waldemar: Der erste Entwurf eines Deutschen Einheitsstrafrechts; Berlin, Guttentag, 1912/15, (Nachdruck 1991);
  • Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Fassung vom 15. Mai 1871
  • GRITSCHNEDER, Otto: Der Hitler-Prozeß und sein Richter Georg Neithardt; Verlag C.H.Beck, München 2001
  • JESCHECK, in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl., Berlin/New York 1992, Einleitung, Rndr. 93
  • LIEDTKE, E.: No. 11. Provinzial-Correspondenz; Achter Jahrgang, 16. März 1870; Druck und Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei; Staatsbibiliothek Berlin
  • LISZT, Franz v.: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge; Erster Band; J. Guttentag Vertragsbuchhandlung GmbH; Berlin 1905;S. 126-179
  • Reichsstrafgesetzbuch; RGBl. 1871 S. 127 sowie RGBl. 1877, S. 253
  • SONTAG, Karl R.: Die Festungshaft; ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Strafensystems und zur Erläuterung des Reichsstrafrechts; Leipzig [u.a.]; C.F. Winter'sche Verlagsbuchhandlung 1872
  • Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis No. 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte, in: Landsberg im 20. Jahrhundert, Heft 1 (1993)