Dunkelziffer

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Als Dunkelziffer bzw. auch "Dunkelzahl" wird gelegentlich das Verhältnis zwischen der Zahl der (in amtlichen Statistiken) ausgewiesenen und der Zahl der wirklich begangenen Straftaten bezeichnet (Göppinger 1997). Der Begriff beruht wohl auf der falschen Übersetzung des englischen Begriffs "dark number" (Dunkelzahl) in der Dissertation des japanischen Staatsanwalts Shigema Oba (1908:28).

Oba hatte ausgeführt (S. 27f.), "daß nur ein kleiner Teil der Verbrecher wirklich zur Bestrafung gebracht wird, während ein großer Prozentsatz derselben ohne Strafe bleibt. Die Hauptursache liegt darin, daß eine große Anzahl von Verbrechern deswegen nicht bestraft werden, weil die von ihnen begangenen Verbrechen überhaupt der zuständigen Behörde nicht bekannt werden, und weil die Verbrecher selbst, wenn die Verbrechen auch schon bekannt sind, nicht ausfindig gemacht werden können. Die genaue Ziffer von solchen unbekannten Verbrechen kann man durch die Statistik nicht beweisen, da es kein kompetentes Organ gibt, welches uns darüber vollständig Aufschluß gibt. Dagegen kann man die Ziffer von Verbrechen, welche der zuständigen Behörde bekannt sind, aber wegen Unbekanntbleibens des Täters nicht verfolgt werden, ziemlich genau wissen. Aber wir sind nicht imstande, diese Ziffer durch eine Statistik aller / Kulturländer darzustellen, da diese Sache für mehrere Länder ein amtliches Geheimnis bildet. Ich bin überzeugt, daß jeder Mann, welcher Erfahrung aus der Praxis in diesen Dingen hat, genau weiß, daß nur ungefähr 30—50 % der bekannten Verbrechen an dem Täter durch die Strafe gesühnt werden, während 50 — 70% derselben nicht verfolgt werden."

Es folgte dann die Einführung des Begriffs der Dunkelziffer (S. 28):

"Der Statistiker nennt eine solche Ziffer von Vorkommnissen, welche nicht ans Licht kommen, sondern im Dunkeln bleiben, die Dunkelziffer (dark-number) im Gegensatz zur Lichtziffer (light-number). Daß unter der ganzen Kriminalität den größten Prozentsatz der eben genannten zwei Dunkelziffern (nämlich der Ziffer der unbekannten Verbrechen einerseits und der unentdeckten Verbrecher andrerseits) diejenigen Verbrechen, welche ohne Wissen der anderen Menschen geheim begangen werden, z. B. Diebstahl, Münzfälschung u. dergl., bilden, wissen Männer der Praxis, und es ist dies leicht zu verstehen. (....) Außer den beiden großen Dunkelziffern, in welchen der wirkliche Verbrecher nicht verfolgt wird, muß man aber noch eine gewisse Anzahl von Verbrechern berücksichtigen, welche wegen Mangel an Beweisen freigesprochen werden, oder welche sich auf irgend eine Weise der Strafe entziehen. Diese Anzahl ist auch eine Dunkelziffer, da niemand darüber Genaues wissen kann. Daß der Totalbetrag der eben genannten drei Dunkelziffern den höchsten Prozentsatz unter allen Verbrechen bildet, ist nicht schwer zu ver/stehen. (...) Diese drei großen Dunkel-Ziffern haben ihren Grund in der mangelhaften Ermittlung des Verbrechens."

Der Begriff hat sich dennoch in der Folgezeit in Deutschland - und in entsprechenden Variationen auch im Ausland (als "cifra negra" etc.) eingebürgert, auch wenn die Dunkelziffer keine Ziffer, sondern eine Zahl bezeichnet. Häufig wird der Begriff der Dunkelziffer auch synonym mit dem heute geläufigeren und weniger irreführenden Begriff Dunkelfeld verwendet.

Basierend auf der Erhebung empirischer Daten durch repräsentative Befragungen sieht man sich heute in der Lage, in gewissem Rahmen die Dunkelziffer zu schätzen und das Dunkelfeld aufzuhellen. Eine exakte Aufklärung der Dunkelziffer ist jedoch nicht möglich.

Im übertragenen Sinn wird Dunkelziffer auch im Gesundheitswesen verwendet und bezeichnet ein Missverhältnis von diagnostizierten (oder auch statistisch erfassten bzw. gemeldeten) Krankheitsfällen zur tatsächlichen Krankheitshäufigkeit (Prävalenz).

Hohe Dunkelziffern sind oft mit einer negativen Konnotation belegt.

Literatur

  • Oba, Shigema (1908) Unverbesserliche Verbrecher und ihre Behandlung. Berlin: Hermann Bahr. Volltext: [[1]]
  • Sabine Rückert: Tote haben keine Lobby: die Dunkelziffer der vertuschten Morde Hoffmann und Campe, 1. Aufl. Hamburg 2000. 302 S. ISBN 3-455-11287-0 Rezension von Rolf-Ingo Behnke
  • Hans Göppinger: Kriminologie, Beck Verlag (1997) ISBN 3-406-07343-3
  • Gerhard Heilenz: Kindesmißhandlung: Häufigkeit und Dunkelziffer: eine Querschnittsuntersuchung an 1003 stationären PatientInnen der Universitäts-Kinderklinik Freiburg. Freiburg im Breisgau, Univ., Dissertation 1995. 114 S.
  • Klaus Scheib: Die Dunkelziffer bei Tötungsdelikten aus kriminologischer und rechtsmedizinischer Sicht. Logos-Verl., Berlin 2002. 289 S. (Zugl. Berlin, Humboldt-Univ., Dissertation 2001) ISBN 3-8325-0050-2
  • Karl Brasse: Dunkelziffer von Unfalltoten. Münster (Westfalen), Univ., Dissertation 1990
  • Helmut Hartmann: Sozialhilfebedürftigkeit und "Dunkelziffer der Armut" : Bericht über das Forschungsprojekt zur Lage potentiell Sozialhilfeberechtigter. Kohlhammer, Stuttgart 1981. 187 S. ISBN 3-17-007496-2
  • Hans Joachim Schneider: "Kriminologie". ISBN 3-406-36969-3
  • Hans-Dieter Schwind: "Kriminologie", 19. Auflage, Heidelberg 2009, ISBN 3-7832-0800-9
  • Klaus-Uwe Henschelhard: "Absolutbestimmung der Dunkelziffer", Univ. Heidelberg, Dissertation
  • Grundlage dieses Beitrags ist Wikipedia dt.: "Dunkelziffer" in der Fassung vom 26.05.2010 [[2]].