Drogenabhängige im Strafvollzug

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Vermehrte Inhaftierungen Drogenabhängiger seit den 70er Jahren konfrontierten den Strafvollzug mit dem Drogenproblem. Der Umgang und die Behandlung Drogenabhängiger im Strafvollzug stellt ein besonderes Problem dar. Inhaftierte Drogenabhängige befinden sich aufgrund ihrer Suchterkrankung im Vollzug in einer besonders problematischen Situation. Im Rahmen des rechtlichen Auftrages des Strafvollzuges der Resozialisierung und der Gewährung von Sicherheit, bewegt sich der Strafvollzug in seinen Reaktionsmöglichkeiten auf diese Situation in einem Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Hilfe.



Definition "Drogenabhängigkeit"

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Drogenabhängigkeit als „einen Zustand psychischer und physischer Abhängigkeit von einer Substanz mit zentralnervöser Wirkung, die zeitweise oder fortgesetzt eingenommen wird.” Der WHO (1981) zufolge sind Drogen „alle Stoffe, Mittel, Substanzen, die aufgrund ihrer chemischen Natur Strukturen oder Funktionen im lebenden Organismus verändern, wobei sich diese Veränderungen insbesondere in den Sinnesempfindungen, in der Stimmungslage, im Bewusstsein oder in anderen psychischen Bereichen oder im Verhalten bemerkbar macht“. Schädlicher Gebrauch von psychotropen Substanzen liegt nach der WHO dann vor, wenn der Konsum zu einer körperlichen und/oder psychischen - nachweisbaren - Gesundheitsschädigung führt. Drogenabhängigkeit wird - ebenso wie Alkoholabhängigkeit - als behandlungsbedürftige Krankheit betrachtet. Als Drogenabhängige können jene Menschen bezeichnet werden, für deren Leben der ständige Konsum der Droge ihrer Wahl bestimmend ist und die als belastende Aspekte dabei Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Hilfebedürftigkeit erleben.

Die WHO koordiniert die internationalen Bestrebungen zur Unterbindung des Drogengebrauchs und ist bemüht einheitliche Begriffe zu finden, um alle Drogen zu erfassen, die bekämpft werden sollen. Drogenabhängigkeit wurde als Generalbegriff eingeführt.

Inhaftierte Drogenabhängige

Folgende Darstellung der Situation inhaftierter Drogenabhängiger bezieht sich auf die Gruppe der Personen, die vorrangig Konsumenten von Betäubungsmitteln, also von illegalen Drogen sind. Hierunter fallen folgende Substanzen: Heroin und andere synthetische Morphinderivate; Kokain und die chemisch umgesetzte und besonders gefährliche Variante Crack; Cannabis in der Form von Marihuana und Haschisch; Amphetamine und Metamphetamine wie Preludin, Ritalin, Pervitin und Captagon; LSD; Ecstasy; Opium und Morphium. Darüber hinaus konsumieren Drogenabhängige häufig sogenannte Sedativa, starke Beruhigungs- und Schlafmittel wie Barbiturate und Benzodiazepine (wie z.B. Rohypnol). Viele Drogenabhängige konsumieren häufig mehrere der illegalen und legalen Substanzen gleichzeitig. Dieses Konsumverhalten wird als Polytoxikomanie bezeichnet.

Drogen und Kriminalität

Rechtliche Regelung des Umgangs mit Betäubungsmitteln

Den generellen Umgang mit Betäubungsmitteln regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Das Betäubungsmittelgesetz ist ein deutsches Bundesgesetz und löste 1971 das Opiumgesetz von 1921 ab. Als Anlagen beinhaltet das BtMG drei Listen mit einer Aufzählung der

  1. nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel (Handel und Abgabe verboten, z.B. Heroin)
  2. verkehrsfähigen, aber nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmittel (Handel erlaubt, Abgabe verboten, z.B. Ausgangsstoffe wie Cocablätter)
  3. verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel (Abgabe nach BtMVV Betäubungsmittelverschreibungs-Verordnung, z.B. Codein).

Der Verstoß gegen das BtMG wird mit Strafe belegt.

1982 trat das novellierte Betäubungsmittelgesetz in Kraft, das inhaftierten Drogenabhängigen unter bestimmten Bedingungen die Vorrangigkeit von Therapie vor Strafe ermöglichte. Gleichzeitig wurde der Strafrahmen erweitert und die Strafobergrenze für besonders schwere Fälle von 10 auf 15 Jahre Freiheitsstrafe erhöht.

Zunahme von Drogenabhängigen im Gefängnis

Parallel zur Zunahme von Drogenkonsumenten seit den 70er Jahren in der Allgemeinbevölkerung, stieg die Zahl der wegen Verstoßes gegen das BtMG oder Beschaffungsdelikten verurteilten Drogenkonsumenten. So hat die Anzahl drogensüchtiger Gefangener in deutschen Gefängnissen im Lauf der letzten 30 Jahre drastisch zugenommen: 1970 saßen 0,2 % der Gefangenen wegen Betäubungsmitteldelikte ein, 1995 waren es bereits 12,5 %.

Schätzungen internationaler Institutionen (WHO) für die Situation in Europa gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der Gefangenenpopulation drogenabhängige Gefangene sind. Der Anteil drogenabhängiger Frauen in den Justizvollzugsanstalten beträgt häufig 50%.

Hinzu kommen Menschen, die erst in der Haft begonnen haben, intravenös Drogen zu konsumieren. Nach einer Studie in Vollzugsanstalten in mehreren europäischen Ländern liegt die Zahl der Befragten, die angaben, im Vollzug mit dem Spritzendrogengebrauch begonnen zu haben zwischen 5 und 15 % (European Network 1998).

Viele Drogenabhängige werden im Laufe ihrer „Karriere“ wegen Drogen- oder Beschaffungsdelikten einmal oder mehrfach inhaftiert. Empirische Befunde zeigen, dass Drogenabhängige längere Haft- als Therapiezeiten aufweisen (AMSEL-Studie 1991: 342 ff.).

Drogenbedingte Kriminalität

Die offiziellen Zahlen drogenabhängiger Gefangener spiegeln nicht die Anzahl der drogenanhängigen Inhaftierten in deutschen Gefängnissen wider, da viele Abhängige nicht wegen des Verstoßes gegen das BtMG, sondern wegen Beschaffungsdelikten (Diebstahl, Raub, Erpressung, Betrug, illegale Prostitution etc.) verurteilt werden. Demnach ist davon auszugehen, dass sich bei den größten Deliktarten Diebstahl (25,5 %) und Raub/Erpressung (14 %) eine unbekannte Zahl von Drogenkonsumenten befindet. Personen, die nach dem BtMG verurteilt werden, müssen hingegen nicht auch drogensüchtig sein, wie z.B. Personen, die ausschließlich Handel mit Betäubungsmittel treiben oder im Zusammenhang mit illegalem Drogenhandel stehen (Händler, Kuriere).

Rechtliche Grundlagen für die Behandlung Drogenabhängiger im Strafvollzug

Die Gesundheitsfürsorge ist in den §§ 56 -66 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) geregelt. Nach dem § 56 (1) StVollzG ist für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen zu sorgen.

Weitere Grundlage für die Behandlung drogensüchtiger Inhaftierter ist der in § 3 Abs. 1–3 des StVollzG geregelte gesetzliche Auftrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse und Gegenwirkung schädlicher Wirkungen des Freiheitsentzuges sowie der Eingliederungsgrundsatz.

Nach dem Äquivalenzprinzip sollen die medizinischen Standards innerhalb des Strafvollzuges denen außerhalb des Vollzuges angepasst werden; die medizinische Versorgung in den Anstalten muss sich grundsätzlich an den Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren. Hierzu führt die WHO in ihren Richtlinien zu “HIV-Infektion und AIDS im Gefängnis” aus: “Alle Gefangenen haben ein Recht auf Gesundheitsfürsorge, einschließlich vorbeugender Maßnahmen, die denjenigen in der Allgemeinbevölkerung entspricht und Diskriminierung vermeidet, dies insbesondere im Hinblick auf ihren rechtlichen Status und ihre Nationalität” (WHO 1993).

Nach § 35 ff. Betäubungsmittelgesetz (BtMG) besteht für drogenabhängige Inhaftierte die Möglichkeit, sofern sie nicht zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zugunsten einer stationären Therapiebehandlung zurückstellen zu lassen. § 35 ff. BtMG kann nur dann angewandt werden, wenn der Verurteilte die Tat in Zusammenhang mit seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.

Des Weiteren besteht nach dem § 64 StGB die Möglichkeit, Abhängigkeitserkrankte, die straffällig geworden sind, in einer Entziehungsanstalt unterzubringen (Maßregelvollzug).

Gesundheitliche und psychosoziale Situation Drogenabhängiger im Strafvollzug

Die Situation von Drogenabhängigen im Strafvollzug kann als Spiegelbild der Situation Drogenabhängiger innerhalb der Gesellschaft betrachtet werden, die geprägt ist von vielfältigen gesundheitlichen, psychischen und sozialen Problemen. Inhaftierte Drogenabhängige weisen oft langjährige und intensive Drogenkarrieren auf. Viele verfügen über mehrjährige Erfahrungen in Institutionen wie Haft, Psychiatrie und Maßregelvollzug. Die grundsätzlich einschneidende und als belastendend empfundene Erfahrung des Freiheitsentzuges erschwert sich für Drogenabhängige aufgrund ihrer Abhängigkeitserkrankung.

Der Konsum legaler und illegaler Drogen gehört – trotz Bestrebungen, dies einzudämmen – zum Alltag in Justizvollzugsanstalten. Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit gehen davon aus, dass etwa 40 % der angenommenen 20.000 Drogenabhängigen den Konsum in der Haft fortsetzen. Auch die Folgeerscheinungen des Drogenkonsums innerhalb der Haft sind die gleichen wie außerhalb des Vollzuges: Überdosierungen und Drogentote, gestreckte und verunreinigte Substanzen, Beschaffungsdruck, Händlerhierarchien, Schulden, Infektionsrisiken.


Gesundheitliche Situation

Viele Drogenabhängige sind von den Infektionskrankheiten HIV/AIDS und Hepatitis B und C betroffen. Vor allem aufgrund des Konsums illegaler Drogen im Strafvollzug haben sich diese Infektionskrankheiten innerhalb der letzten 20 Jahre erheblich ausgebreitet. Durch den gemeinsamen Gebrauch von nicht sterilem Spritzbesteck sind hier insbesondere die Drogenkonsumenten betroffen, die die Drogen intravenös zu sich nehmen. Riskantes Konsumverhalten wie z.B. das „needle sharing“ erhöht sich im Strafvollzug. Auch Drogenabhängige, die außerhalb des Vollzuges präventive Praktiken anwenden, sind im Vollzug auf das hochriskante Verhalten angewiesen, wenn sie Drogen intravenös konsumieren, da steriles Spritzbesteck nicht verfügbar ist. Das gemeinsame Nutzen einer Spritze sowie der Spritzutensilien wie Wasser, Löffel und Filter erhöht das Infektionsrisiko erheblich.

Viele der langjährig Drogenabhängigen konsumieren mehrere Substanzen gleichzeitig. Auch innerhalb der Haft ist der Mischkonsum unter Drogenabhängigen verbreitet. Aufgrund von Entzugssymptomen oder belastenden Situationen werden diejenigen Substanzen konsumiert, die in der Anstalt verfügbar sind.

Psychosoziale Situation

Die für Drogenabhängige lebensweltspezifischen Strukturen, geprägt durch drogen- und suchtbedingte Dynamiken setzen sich unter verschärften Bedingungen im Strafvollzug fort. Die Verbreitung von Drogen im Vollzug prägt somit die Gefangenensubkultur; Schmuggel, Konsum, Verkauf und Finanzierung von Drogen gehören daher zum Haftalltag.

Drogenabhängige müssen Wege der Drogenbeschaffung und Finanzierung finden. Dies können sein: Geld leihen bei Mitgefangenen, Diebstahl, Verkauf eigener Wertsachen, Prostitution, Gewalt. Es entstehen Abhängigkeiten von Drogenverkäufern, Schulden entstehen, die wiederum durch erzwungene Dienste wie Prostitution, Drogentransport oder Drogenverwahrung wettgemacht werden. Drogenabhängige befinden sich häufig an unterster Stelle der Inhaftierten-Hierarchie. Die Drogenbeschaffung mit den Nebeneffekten wie Gewalt und Erpressung prägen die Struktur innerhalb des Vollzuges. Reaktionen des Vollzuges, wie verstärkte Kontrollen treffen alle Gefangenen.

Die soziale Situation Drogenabhängiger ist häufig geprägt durch mangelnde oder nicht existierende Ausbildung. Die Zahl der Bezieher von staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe liegt bei inhaftierten Drogenabhängigen höher als bei den anderen Gefangenen. Darüber hinaus sind viele der drogenabhängigen Inhaftierten erheblich verschuldet. Qualifizierte Beratung, die für die Inhaftierten während der Haftzeit eine Schuldenregulierung anbieten, gibt es in den meisten Haftanstalten nicht.

Umsetzung rechtlicher Grundlagen für Drogenabhängige im Strafvollzug

Im Strafvollzugsgesetz sind Regelungen vorgesehen, die auf dem Resozialisierungsauftrag basieren. Nach der Inhaftierung wird ein Vollzugsplan erstellt. In den Regelungen des § 10 und § 11 des StVollzG werden die Beschränkungen deutlich, die sich für Drogenabhängige und Suchtgefährdete in diesem Bereich ergeben.

§ 10 des Strafvollzugsgesetzes

Der § 10 StVollzG regelt die Unterbringung Verurteilter in den offenen oder geschlossenen Vollzug. Nach den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften (VV) Nr. 2 Abs. 1 sind u.a. Gefangene, die erheblich suchtgefährdet sind, in der Regel für die Unterbringung in den offenen Vollzug ungeeignet. Suchtgefährdete und drogenabhängige Inhaftierte werden auf diesem Wege von der Möglichkeit, die Freiheitsstrafe im offenen Vollzug zu verbüßen, häufig ausgeschlossen.

§ 11 des Strafvollzugsgesetzes

§ 11 des StVollzG regelt die Lockerungen des Vollzuges. Die bundeseinheitlichen VV Nr. 7 Abs. 1 sehen vor, dass Lockerungen wie Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang nur zulässig sind, wenn der Gefangene für diese Maßnahmen geeignet ist und insbesondere ein Missbrauch nicht zu befürchten ist. Nach Abs. 2 Nr. 7 der VV sind für diese Lockerungen in der Regel Gefangene ungeeignet, die erheblich suchtgefährdet sind. Drogenabhängigen und Suchtgefährdeten wird somit grundsätzlich zunächst ein Missbrauch der Lockerungen unterstellt, die weiteres strafbares Verhalten befürchten lässt. So werden auch in diesem Regelungsbereich Drogenabhängige von Lockerungsmöglichkeiten vorwiegend ausgeschlossen.

Behandlungs- und Kontrollmaßnahmen des Strafvollzugs

Der Strafvollzug soll Sicherheit gewähren und den gesetzlich vorgegebenen Resozialisierungsauftrag erfüllen. Im Hinblick auf die Situation Drogenabhängiger bewegt sich der Strafvollzug in einem Spannungsfeld zwischen Kontrolle, Ignoranz des Problems und Hilfsangeboten für die Abhängigkeitserkrankten.


Medizinisch-therapeutische Maßnahmen und Angebote

Den inhaftierten Suchtkranken unterscheidet von anderen Suchtkranken lediglich die Tatsache, dass er inhaftiert ist. Ihm muss in gleicher Weise fachliche Hilfe zur Verfügung gestellt werden.

Das in der Gesellschaft in den letzten 10 Jahren entwickelte differenzierte Suchthilfeangbot mit niedrig- und hochschwelligen Angeboten (suchtbegleitende Angebote, ambulante Therapien, Substitutionsbehandlungen) existiert so im Vollzug nicht.

Suchtbegleitende Hilfsangebote, die vor allem das Ziel haben, Infektionen und Folgeerkrankungen zu verhindern, also Schaden zu minimieren, sind im Strafvollzug nicht existent. Lediglich Modellprojekte in einzelnen Bundesländern und in der Schweiz zur Infektionsprophylaxe (Ausgabe von sterilen Spritzen) existieren. Siehe Spritzenvergabe im Strafvollzug

Eine bundesweit einheitliche Praxis der medizinisch-therapeutischen Angebote für Drogenabhängige im Vollzug gibt es nicht.

Abstinenz ist das einzige Behandlungs- und Vollzugsziel. So sind die Therapieangebote und Behandlungsmöglichkeiten im Strafvollzug abstinenzorientiert.

Drogenabhängige, die in Haft kommen, müssen sich auf den Krankenstationen einer (häufig auch nicht medikamentengestützten) Entgiftungsbehandlung unterziehen. Dies gilt häufig auch für die Abhängigkeitserkrankten, die sich vor der Inhaftierung in einer Substitutionsbehandlung befunden haben. Auch für Substitutionsbehandlungen im Vollzug gilt, dass es keine einheitliche bundesweite Praxis gibt. Substitutionsbehandlungen mit Methadon oder Polamidon werden – wenn überhaupt – nur bei Entlassungsvorbereitungen Kurzzeitstrafen oder Entzugsbehandlungen durchgeführt. Nur in einzelnen Bundesländern haben Substituierte, die inhaftiert werden, die Möglichkeit, die Substitutionsbehandlung im Vollzug fortzusetzen.

In den meisten Haftanstalten arbeiten externe DrogenberaterInnen, die Beratung anbieten sowie Unterstützung bei der Erstellung von Kostenanträgen für eine stationäre Therapiebehandlung, um entweder die Aussetzung der Strafe nach § 35 BtMG oder eine vorzeitige Entlassung mit anschließender Therapie vorzubereiten. Die Inanspruchnahme dieses Beratungsangebotes ist freiwillig. Externe Drogenberater sind in ein Team einer externen Drogenberatungsstelle eingebunden. Im Idealfall können sie Kontakt zu dem Inhaftierten halten, um eine nahtlose Nachbetreuung zu ermöglichen. Für den Umfang und die Form der Angebote der externen Drogenberater gibt es keine einheitlichen Regelungen. Diese Angebote sind in der Regel mit nur sehr wenig Personal ausgestattet, so dass dies für die Beratungsinteressierten häufig lange Wartezeiten bedeutet.

Therapie statt Strafe-§ 35 ff. Betäubungsmittelgesetz

Unter den Bedingungen des Strafvollzugs sind Drogentherapien nicht möglich. Kriterien für eine Therapiebehandlung wie Freiwilligkeit oder freie Wahl der Therapieeinrichtung sind im Vollzug nicht gegeben. Für drogenabhängige Inhaftierte, die ihre Tat in Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen haben und zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt wurden, besteht die Möglichkeit, nach § 35 BtMG die Zurückstellung der Freiheitsstrafe zugunsten einer stationären Langzeittherapie zu beantragen. Mit Hilfe der externen DrogenberaterInnen werden diese Anträge gestellt. Wird diesem Antrag stattgegeben, kann die Drogentherapie begonnen werden. Wird die Therapie seitens des Drogenabhängigen abgebrochen oder beendet die Einrichtung die Behandlung vorzeitig (z.B. wegen Regelverletzungen), wird die Freiheitsstrafe weitervollstreckt. Sofern die Langzeittherapie erfolgreich verläuft, kann der Rest der Freiheitsstrafe nach § 36 BtMG zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Therapiezeit wird auf die Strafe angerechnet.

Eine stationäre Therapiebehandlung unter diesen Bedingungen wird häufig als problematisch betrachtet, sowohl seitens der Drogenabhängigen, als auch seitens der Therapieeinrichtung. Drogenabhängige sehen sich dem Druck ausgesetzt, bei Regelverletzungen nicht nur die Therapie beenden zu müssen, sondern wieder inhaftiert zu werden. Seitens der Therapieeinrichtung sind therapeutische Behandlungen unter diesen Bedingungen schwieriger umzusetzen, da die Freiwilligkeit der Patienten nur bedingt gegeben ist.

Kontrollmaßnahmen

Durch die Sicherheitssysteme der Vollzugsanstalten (Kontrollen und Überwachung) soll das Einbringen von Drogen unterbunden bzw. reduziert werden. Um eine Reduzierung des Drogenangebotes durchzusetzen werden seitens der Anstalt Kontrollen durchgeführt: Körperkontrollen, Durchsuchung der Hafträume, Kontrolle der Post und der Pakete, Durchsuchungen der Gefangenen vor und nach Urlaubsausgängen und nach Besucherkontakten. Drogen gelangen trotzdem in die Haftanstalten über Besucher, Freigänger und z.T. auch durch Bedienstete der Haftanstalten. Die häufigsten Drogenfunde erfolgen bei Gefangenen und Besuchern nach Besuchen. Die Art und Weise der Durchführung von Kontrollen wird in den Bundesländern verschieden gehandhabt.

Um Drogengebrauch bei den Inhaftierten festzustellen, werden Urinkontrollen durchgeführt. Bei positiven Ergebnissen variieren die Sanktionsmöglichkeiten. Positive Urinkontrollen dienen häufig als Indikator für den Stand des Resozialisierungsfortschritts und werden zum Anlass genommen, Vollzugslockerungen und Vergünstigen rückgängig zu machen. Des Weiteren können Maßnahmen getroffen werden von der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen bis zur Erstattung einer Strafanzeige.

Fazit

Die Situation Drogenabhängiger im Strafvollzug spiegelt eine Diskrepanz und ein Dilemma wider. Drogenabhängigkeit ist weltweit als behandlungsbedürftige Erkrankung anerkannt. Gleichzeitig befinden sich Drogenabhängige aufgrund ihrer Situation sowie der rechtlichen Gegebenheiten fortwährend in illegalen und kriminellen Strukturen. In letzter Konsequenz bedeutet dies für viele Drogenabhängige Bestrafungen und Inhaftierungen. Auch im Strafvollzug setzen sich die drogenbedingten Strukturen fort unter verschärften Bedingungen. Um dem Strafvollzugsauftrag der Resozialisierung gerecht zu werden, müssten Drogenabhängige vor allem medizinisch und therapeutisch behandelt werden. Möglichkeiten und Angebote dieser Art existieren im Strafvollzug so nicht und sind unter den gegebenen Strukturen auch nicht möglich. Besonders die Situation Drogenabhängiger im Strafvollzug zeigt das Spannungsfeld zwischen differenziertem Behandlungsvollzug und Sicherheitsauftrag des Strafvollzuges. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit die Bedingungen im Strafvollzug geändert werden können oder müssen, um dem Strafvollzugsauftrag gerecht zu werden. Oder ob die Drogenpolitik von der Kriminalpolitik abgekoppelt und lediglich unter gesundheitsrelevanten und gesellschaftlichen Aspekten betrachtet werden sollte.

Literaturverzeichnis

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