Drogen im bürgerlichen Milieu

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  • Kemmesies, Uwe F. (2000) Umgang mit illegalen Drogen im 'bürgerlichen' Milieu (UmiD). Bericht zur Pilotphase. Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft. Forschungsberichte 2. Johann Wolfgang Goethe Universität.
Die Studie von Uwe E. Kemmesies untersucht den Gebrauch illegaler Drogen außerhalb der typischen "Drogenszenen". Zunächst unterzog Kemmesies jedoch die deutsche Drogenforschung einer kritischen Analyse, wobei er neben der Aufrechterhaltung von "Mythen" auch selektive "Forschungzugänge" (4) sowie -perspektiven bemängelt. Hinsichtlich des Themas seiner Studie konstatiert er, dass dieses von der Wissenschaft bis jetzt beinahe vollkommen unberührt blieb (25). Ziel seines einjährigen Pilotprojektes war es deshalb, speziell solche Konsumenten zu befragen, die durch ihren Gebrauch noch nicht institutionell auffällig geworden waren (40f.). Den daraus resultierenden Problemen bei der Stichprobenziehung wurde durch den Einsatz des sogenannten Schneeball-Systems begegnet (Dieses setzt auf ",Mund-zu-Mund-Propaganda'" (44), um die Bekanntheit eines Projektes in einem schwer zugänglichen Feld zu fördern und somit einen ersten Impuls zur Teilnahme zu geben.). Zusätzlich wiesen Meldungen in Presse und Rundfunk sowie Flugblätter auf die Befragung hin. Diese bestand einerseits aus offenen Interviews, durch die u.a. der Verlauf des Drogengebrauchs nachzuzeichnen war, und andererseits aus einem ergänzenden Fragebogen. Erhoben wurden die Daten von 34 Probanden (21 Männer und 13 Frauen). Das Alter der Befragten lag zwischen 22 und 47 Jahren (61f.). Sie gingen allesamt einer geregelten Tätigkeit nach, wobei rund ein Fünftel "im erweiterten Feld der mit der strafrechtlichen oder sozialmedizinischen Kontrolle des Drogenphänomens betrauten Institutionen arbeit[et]en" (65). Im Vergleich zur "offenen Drogenszene" (67) zeigte sich eine allgemein "geringere Drogenaffinität" im bürgerlichen Milieu (beispielweise ein höheres Einstiegsalter beim Cannabiskonsum). Zum Erstkonsum illegaler Drogen kam es bei keinem der Befragten im Kreise der Familie, hingegen bei 88% entweder unter Freunden oder Bekannten (71). In Bezug auf den aktuellen Konsum von Drogen stellte sich heraus, dass die legalen Substanzen Alkohol und Nikotin von den Probanden sowohl häufiger als auch in stärkerem Maße konsumiert wurden als in der Gesamtbevölkerung (73f.). Zudem wurde deutlich, dass "Kokain hinter Cannabis die zweithäufigst konsumierte illegale Drogen [war], wobei die Konsumintensität gegenüber Cannabis deutlich geringer" (76) ausfiel. Formelle Kontrolle, z.B. in Form der Drogengesetzgebung zeigte nur einen sehr geringen Einfluss auf das Konsumverhalten, stärker wirkte sich die informellen Kontrolle durch Bekannte, Partner und Familie (79ff.) aus. In Kontakt mit der Polizei kamen dabei trotz des oftmals jahrelangen Konsums bloß rund ein Drittel der Befragten. Wenn überhaupt ergaben sich daraus höchstens kurzfristige Effekte in Hinsicht auf eine Veränderung des Konsumverhaltens. Dennoch zeigte sich, dass mit zunehmendem Alter der Konsum stärker in den privaten "Raum" verlegt wurde, um "negative[n] Konsequenzen für die soziale Positionierung infolge einer (strafrechtlichen) Auffälligkeit" (85) aus dem Wege zu gehen. Zum Handel mit Drogen kam es überwiegend im privaten Umfeld, um das Risiko auffällig zu werden, gering zu halten und eine gleichbleibende Qualität der Drogen sicherzustellen. Selber Drogen verkauft hatten 38% der Teilnehmer schon einmal in ihrem Leben, zum Zeitpunkt der Befragung jedoch nur noch wenige (92ff). In einem letzten Schritt behandelte die Untersuchung das Befinden der Probanden, wobei sich erkennen ließ, dass diese überwiegend gesund und mit ihrer aktuellen Situation zufrieden waren. Sie gaben an, ihr Drogengebrauch diene insbesondere der Alltagskompensation, und zur Verbesserung der allgemeinen psychischen Verfassung (99ff.). Anhand dieser Basisdaten führt Kemmesies bis September 2002 eine dreijährige Folgeuntersuchung durch(2). Geplant ist eine Stichprobe von 250 Personen. Unter diesen sollen sich jeweils 50 Cannabis-, Ecstasy-, Kokain- und Heroin-Konsumenten befinden und weitere 50, die keine illegalen Drogen nehmen (41). Besonderes Interesse liegt dabei in der Erforschung, welchen Einfluss das Betäubungsmittelgesetz als formelle Kontrollinstanz zu nehmen vermag bzw. wo seine Grenzen liegen.

Kontrollierter Konsum