Rote Hilfe e.V.


Die Rote Hilfe ist eine Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Sie ist auf zwei Ebenen organisiert; zum einen bundesweit zum anderen gibt es in einigen Städten Orts- bzw. Regionalgruppen (aktuell 48). Die Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Göttingen und versteht sich als Nachfolger der historischen Roten Hilfe Deutschlands. Der Verein der Roten Hilfe finanziert sich über Spenden, Erträge aus Einrichtungen der Organisation und Mitgliederbeiträge und besitzt derzeit in etwa 6000 Mitglieder.

Selbstverständnis

Die Rote Hilfe besitzt eine Satzung, die in aktueller Fassung aus dem Jahr 2010 stammt. Der Verein verfolgt bei seiner Arbeit folgende Ziele[1]

  • Wir bereiten zusammen mit den Angeklagten den Prozeß vor und machen besonders seinen politischen Hintergrund in der Öffentlichkeit bekannt.
  • Wir sorgen durch Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse aus den Beitragsgeldern dafür, daß die finanziellen Belastungen von vielen gemeinsam getragen werden. Besonders Anwalts- und Gerichtskosten können teilweise oder ganz übernommen werden, aber auch Zahlungen zum Lebensunterhalt geleistet werden, wenn hohe Geldstrafen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Gefangenschaft die Betroffenen oder ihre Familien in Schwierigkeiten gebracht haben.
  • Zu politischen Gefangenen halten wir persönlichen Kontakt und treten dafür ein, daß die Haftbedingungen verbessert, insbesondere Isolationshaft aufgehoben wird; wir fordern ihre Freilassung
  • Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der Arbeiter_innenbewegung, die Internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg.

Geschichte

Vorgeschichte

Bereits im Jahr 1921 hatte sich aus den Kreisen der Arbeiterschaft die erste Rote Hilfe Deutschlands gegründet. Hintergrund waren die Märzkämpfe in Mitteldeutschland, die für viele die Einkerkerung und Folterung als Folge hatten. Da vor allem Kommunisten betroffen waren, sah die kommunistische Partei ihre Aufgabe darin die Unterstützungsorganisation zu beleben.

Im Rahmen des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale wurde im Jahr 1922 die Internationale Roter Hilfe (IRH) gegründet. Es kam zu einer raschen weltweiten Entwicklung, die immer mehr die Frage der Organisation in den Mittelpunkt brachte. Letztendlich kam es im Jahre 1943 zur Auflösung der IRH.

Nach dem Verbot der kommunistischen Partei 1924, wurde die Arbeit der Roten Hilfe intensiviert. Allerdings drohte auch dem Rote Hilfe Komitee ein Verbot. Schon damals war die Unterstützung von Rechtsanwälten ein Schwerpunkt der RHD. Es wurden regelmäßig Broschüren zum Thema Verhalten bei Vernehmung, Verhaftung und Prozessen veröffentlicht. Die RHD hatte im Laufe der Weimarer Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen und gehörte zu einer der größten proletarischen Massenorganisationen dieser Zeit in Deutschland.

Nach der Machtübernahme der Faschisten kam es zu einer vollständigen Veränderung der politischen Lage. Davon war auch die RHD betroffen. Anfang 1933 wurden die Räumlichkeiten der RHD durchsucht und es kam zu mehreren Verhaftungen und Verhandlungen von Mitgliedern der RHD. Seitdem arbeitete die Rote Hilfe in der Illegalität. Es gab weiterhin Auflagen der Zeitung „Tribunal“, die als wichtiges Kommunikationsmittel und zum Austausch von Informationen dienten, sowie den Zusammenhalt stärkten. Die schwierigen Bedingungen führten im Zeitraum 1936 -1938 zu einer Auflösung der RHD.

Mit den 60erJahren und den ersten Demonstrationen wurde deutlich, dass mehrere Menschen Rechtshilfeunterstützung brauchten. Es kam zu der Gründung mehrerer Rote Hilfe Gruppen in verschiedenen Städten. Es wurde die Zeitung „Rote Hilfe“ bundesweit ausgegeben, die das breite politische Spektrum wieder spiegelte. Dadurch kam es zur Abspaltung der Schwarzen Hilfe Gruppen, die ihre Arbeit nicht in der Betreuung von politischen Gefangenen, sondern aller Gefangener sah. Von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD)/ Außerparlamentarische Opposition (APO) wurde 1970 ein Rote Hilfe e.V. gegründet, der zentral organisiert und in Landesverbände unterteilt war (er ist nicht zu verwechseln mit der RH e.V. von heute). Diese Rote Hilfe e.V. löste sich 1979 auf.

Rote Hilfe e.V. seit 1975

Ab 1973 entstanden, hauptsächlich auf Initiative der KPD/ Marxististen-Lenisten (ML), neue RH Gruppen, die der Partei nahe waren. Bei einem gemeinsamen Treffen aller RH und Schwarze Hilfe Gruppe kam es 1974 zu einem Bruch aus politischen Gründen, die Anfang 1975 zu der Gründung der KPD/ML nahen Rote Hilfe Deutschlands (RHD) führte.

Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Rote Hilfe sehr dezentral organisiert. 1986 kam es durch einen Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz zur Umbenennung in Rote Hilfe e.V.. Hauptaufgabe ist weiterhin die Unterstützung von Linken, die einer „Repression“ ausgesetzt sind.

Entwicklungen ab 1990

Mit der steigenden Anzahl der Orts- und Regionalgruppen brauchte es eine Neuregelung, um die einzelnen Gruppen besser zu organisieren. Die Rechte und Pflichten der einzelnen Gruppen waren bisher unzureichend definiert und in der Satzung nicht festgeschrieben. Deswegen wurde auf der Mitgliederversammlung 1990 eine Satzungskommission gegründet. Bei der Bundesmitgliederversammlung 1992 konnte die Satzungsänderung verabschiedet werden. Zusätzlich wurde über die Ausrichtung der Arbeit diskutiert. So kam es zu der Entscheidung den Schwerpunkt noch eindeutiger auf die Antirepressionsarbeit zu legen.

Die Rote Hilfe steht dem nach Hans Litten (ein bekannter Rechtsanwalt der Roten Hilfe in der Weimarer Republik) benannten Hans-Litten Archiv e.V. nah. Der Verein wurde im Jahr 2005 gegründet und wurde als Verein zur Errichtung und Förderung eines Archivs der Solidaritätsorganisation der Arbeiter- und ArbeiterInnenbewegung und der Sozialen Bewegung (Rote-Hilfe-Archiv) in das Vereinsregister eingetragen.[2]

Die Rote Hilfe publiziert die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Die Rote Hilfe. Zusätzlich gibt es weitere Publikationen in Form von Büchern und Broschüren, die Themen wie Rechtshilfetipps zur Aussageverweigerung, Verhalten bei Demonstrationen und ähnliches beinhalten. Diese sind über den Literaturvertrieb der Roten Hilfe erhältlich.[3]

Extremismus Vorwurf

Im Jahr 2010 kam es zu einer Stellungnahme der Bundesregierung im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage der Linken: „Die Gefangenenhilfsorganisation ‚Rote Hilfe e. V.‘ (RH) ist keine humanitäre, auf die Resozialisierung von Straftätern ausgerichtete Solidaritätsorganisation. Ihr Ziel ist es vielmehr, gewaltbereite ‚Linke‘ in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken. Dabei identifiziert sich die RH nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen.“[4]

Das Bundesamt für Verfassungsschutz erwähnt die Rote Hilfe in seinen jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichten: „Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Unterstützung von Straf- und Gewalttätern aus dem „linken“ Spektrum, die „wegen ihres politischen Engagements zum Ziel staatlicher Repressionen“ werden. Sie wird von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragen.“[5] In dem Bericht von 2010 wurde die Nähe zur linksextremistischen Zeitung junge Welt, sowie die „Affinität zum gewaltbereiten Linksextremismus der RAF-Zeit“ dargestellt.[6]

Im Extremographen des Landes Brandenburg, welcher vom Verfassungsschutz auch für das Jahr 2014 erstellt wurde, werden extremistische Standorte und Strukturen dargestellt, so auch die Rote Hilfe. "Unsere Kernaufgabe ist der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung.Dafür beobachten wir extremistische Bestrebungen. Als Partner der Zivilgesellschaft unterrichten wir vielmehr regelmäßig die Öffentlichkeit und weisen auf Gefahren hin. Das stärkt unsere wehrhafte Demokratie.“[7] In einem Artikel der Tageszeitung neues Deutschland wird die Gleichsetzung von mehr oder weniger linksradikalen Antifaschisten mit gewaltbereiten Rechtsextremisten als Verharmlosung des Rechtsextremismus und rechter Gewalt bezeichnet.[8]

Sonstiges

In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Berichten in den Medien über bekannte Unterstützer, hauptsächlich aus der Politik, der Roten Hilfe. Dabei ging es vor allem um die Glaubwürdigkeit und die Vertretung des demokratischen Grundgedankens in der Politik, bei einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in der Roten Hilfe.

Die im November 2007 gewählte Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel gehörte der Roten Hilfe an. Nach einer öffentlichen Diskussion über ihre Mitgliedschaft trat sie im Dezember 2007 aus dem Verein aus.[9] [10]2013 wurde die Mitgliedschaft von Sina Doughan, ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend, bekannt. Auf ihre Mitgliedschaft und die Tätigkeiten der Roten Hilfe angesprochen, äußerte sie sich, dass sie es „sehr, sehr kritisch“ sähe, sollte die „Rote Hilfe“ tatsächlich politisch motivierte Gewalt gutheißen. Sie selbst „lehne Gewalt in jeder Form aus tiefer Überzeugung ab.“[11]

Im Jahr 2013 geriet der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, Oliver Höffinghof in die öffentliche Kritik von Seiten der SPD und der CDU, nachdem seine Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe bekannt wurde.[12]

Literatur

  • Bambule (Hrsg.), Das Prinzip Solidarität: Zur Geschichte der Roten Hilfe in der BRD Band 1, Hamburg 2013
  • Bambule (Hrsg.), Das Prinzip Solidarität: Zur Geschichte der Roten Hilfe in der BRD Band 2, Hamburg 2013
  • Nikolaus Braun, Schafft Rote Hilfe: Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919-1938), Bonn 2003
  • Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., Vorwärts und nicht vergessen: 70/20 Jahre Rote Hilfe, Kiel 1996
  • Inge Helm, Gelebte Emanzipation: Mutige Frauen zwischen Küche, Mutterkreuz und „Roter Hilfe“, Berlin 2008
  • Hartmut Rübner, „Die Solidarität organisieren". Konzepte, Praxis und Resonanz linker Bewegung in Westdeutschland nach 1968, Berlin 2012
  • Redaktionskollektiv der Hamburger Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. (Hrsg.), Eurovisionen: Aspekte und Entwicklungen der europäischen Repressionsarchitektur, Hamburg 2013
  • Heinz-Jürgen Schneider/Erika Schwarz/ Josef Schwarz, Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands: Politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik, Bonn 2002

Weblinks

1. http://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/ueber-uns

2. http://www.hans-litten-archiv.de/web/

4. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/014/1701484.pdf aufgerufen am 23.02.2015

5. http://www.verfassungsschutz.de/de/download-manager/_vsbericht-2013.pdf /Seite 186-188/ aufgerufen am 23.02.2015

6. http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2011/vsb2010.pdf?__blob=publicationFile /Seite 181/182/ aufgerufen am 24.02.2015

7. http://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/allgemeine-publikationen/publikationen-landesbehoerden-allgemein/plakat-bb-2014-07-extremistische-strukturen-und-standorte-2014 aufgerufen am 02.03.2015

8. http://www.neues-deutschland.de/artikel/939809.warum-ich-mitglied-der-roten-hilfe-bin.html aufgerufen am 02.03.2015

9. http://www.welt.de/politik/article1419293/Neue-Juso-Chefin-verlaesst-Rote-Hilfe.html aufgerufen am 23.02.2015

10. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linksextremismus-juso-chefin-verlaesst-rote-hilfe-a-520827.html aufgerufen am 23.02.2015

11. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/vorwuerfe-gegen-jungpolitikerin-dasselbe-in-gruen-12146844.html aufgerufen am 24.02.2015

12. http://www.tagesspiegel.de/berlin/fuehrungskrise-pirat-christopher-lauer-gibt-fraktionsvorsitz-auf/8324958.html audgerufen am 24.02.2015