Benutzer:Monika L.

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Der Jugendarrest ist ein, seit Jahrzehnten in der Fachwelt umstrittenes, freiheitsentziehendes Mittel der Jugendstrafrechtspflege. In der Diskussion stehen seine Intention und Wirkung, die inhaltliche Ausgestaltung, als auch das Fortbestehen des Instruments an sich (Bihs 2014: S. 120). Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) basiert auf dem Erziehungsgedanken (§ 2 Abs. 1 JGG), über dessen Definition in der Jugendstrafrechtsszene ebenfalls wenig Einigkeit besteht (Brunner/Dölling 2011: S. 32). Neben Veränderungen des JGG sind auch in den vergangenen Jahren neue Entwicklungen des Jugendarrests zu beobachten (Bihs 2014: S. 120; Brunner/Dölling 2011: S. 3).

Gesetzliche Verortung

Jugendstrafrecht

Gemäß § 2 Abs. 1 JGG ist das Ziel des Jugendstrafrechts einer erneuten Straffälligkeit jugendlicher und heranwachsender Menschen (Jugendkriminalität) entgegen zu wirken. Der Jugendrichter hat im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine „Reaktionsbeweglichkeit bei den“ zu verhängenden „Maßnahmen“. Seine Entscheidungen sind abhängig von der Persönlichkeit des mutmaßlichen Täters, die unter Mithilfe der Jugendgerichtshilfe (JGH, Jugendhilfe im Strafverfahren) „gründlich erforscht“ werden muss. (Brunner/Dölling 2011: S. 38 ff).

Das JGG baut auf „einem dreispurigem Sanktionssystem“ mit Subsidiaritätscharakter auf (Kühndahl-Hensel 2014: S. 40). Es ist unterteilt in Erziehungsmaßregeln (§§ 9 – 12), Zuchtmittel (§§ 13 – 16a), worunter der Jugendarrest fällt und Jugendstrafe (§§ 17, 18). Dabei dürfen stationäre und freiheitsentziehende Maßnahmen nicht angeordnet werden, wenn ambulante Maßnahmen in ihrer Wirkung auf den jungen Delinquenten ausreichen (Eisenberg 2014: S. 89).

Eine Sanktion nach dem JGG ist niemals generalpräventiv (wie im Erwachsenenstrafrecht), sondern immer spezialpräventiv auf den Entwicklungsstand des einzelnen jungen Menschen ausgerichtet (Brunner/Dölling 2011: S. 34).

Erziehungsbegriff

Eine Definition des Erziehungsbegriffs findet sich weder im Jugendgerichtsgesetz, noch ist eine einheitliche Begriffsklärung des Erziehungsgedankens (ErzG.)in der entsprechenden Fachliteratur zu finden. Die Diskussion beginnt bei der Streichung des ErzG. aus dem Jugendstrafrecht, da er eine Verschleierung, bzw. Etikettierung des Strafens impliziert. So hätten autoritäre und repressive Zwangsmaßnahmen nichts mit Erziehung gemein (Zach 1996: S. 253). Das Jugendstrafrecht würde vielmehr soziale Ungleichheiten weiter verstärken. So fordern Kritiker geringe Sanktionen (Brunner/Dölling 2011: S. 32).

Andere Meinungen sprechen hingegen von einer entkriminalisierenden Funktion des Erziehungsbegriffs.

Einigkeit besteht in dessen Ausrichtung an der Rückfallverhinderung, also eines Lebens ohne Straftaten (Eisenberg 2014: S. 90).

Zielsetzung und Aufgaben

„Normverinnerlichung ist nach den Befunden der Kriminologie ein wesentlicher Faktor für konformes Verhalten“. Durch normbekräftigende “jugendadäquate Intervention“ soll die Legalbewährung des jungen Menschen erreicht werden. Er erhält Unterstützung bei der Bewältigung der Probleme, die zu seinem delinquenten Verhalten geführt haben. Mit einem „Kompromiss zwischen Erziehung und Strafe“ soll der „Jugendliche für sein Tun verantwortlich“ gemacht werden und lernt bestenfalls die Fähigkeit zur Selbstkontrolle (Brunner/Dölling 2011: S. 33, 34, 36).

Das (potentielle) Bedürfnis der Allgemeinheit nach Vergeltung ist im Rahmen des JGG unzulässig (Eisenberg 2014: S. 99).

Jugendarrest

Geschichte

Im Jahr 1923 wurde das erste JGG eingeführt, welches an die Stelle der §§ 55 bis 57 StGB trat (Eisenberg 2014: S. 1, 2.

Während der NS-Zeit wurde 1940 der Jugendarrest (JA) im Rahmen einer Verordnung eingeführt (Eisenberg 2014: S. 2). Mit einer Höchstdauer von 4 Wochen ersetzte er die kurzfristigen Gefängnisstrafen und diente u.a. der harten Disziplinierung (Brunner/Dölling 2011: S. 127).

Mit der Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO) aus dem Jahr 1966 wurde die Förderung der Entwicklung des Jugendlichen im Arrest festgeschrieben und die „individualisierende erzieherische Aufgaben“ hinzugefügt (Kühndahl-Hensel 2014: S. 61).

Das Land Bremen hat im Jahr 1989 seine Jugendarrestanstalt (JAA) geschlossen, nachdem bei einem Modellprojekt namens „Probe“ eine beachtliche Senkung der Rückfallquote festgestellt wurde (Begleitstudie Schumann 1985). Anstatt einer Arrestverhängung wurde die gleiche Zielgruppe mit einer Betreuungsweisung sanktioniert (vgl. http://www.die-bruecke-dortmund.de/straffaelligenhilfe/ambulante-massnahmen-jgg/betreuungsweisungen.html).

Weiterentwicklung

Der JA, wie wir ihn heute kennen, ist in der BRD das schärfste Zuchtmittel (§ 16 JGG). Ohne die Wirkung einer Strafe (§ 13 Abs. 3 JGG) und damit nicht im Bundeszentralregister aufgeführt (der Betroffene ist nicht vorbestraft), grenzt sich der JA bewusst zeitlich von der Jugendstrafe (§ 18 Abs. 1 JGG) ab, die mindestens 6 Monate beträgt (Brunner/Dölling 2011: S. 127).

Eine Ähnlichkeit zum JA besteht in den schock- und abschreckungsgeprägten Sanktionen in den USA. Die bekannteste „sharp shock“ Konzeption sind die Bootcamps(Kühndahl-Hensel 2014: S. 23 ff). Ihre Erfolgsquote ist jedoch eher gering (Graebsch 2006: S. 52).

Jugendarrest als Zuchtmittel

Die Zuchtmittel bilden "das Mittelstück des jugendstrafrechtlichen Sanktionenkanon. Sie werden dann verhängt, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat“ (§ 13 Abs. 1 JGG)“ (Bihs 2013: S. 189).

Laut Bundesverfassungsgericht handelt es sich beim JA um einen kurzfristigen und (am besten) rasch einsetzenden Freiheitsentzug mit sühnendem Charakter (Brunner/Dölling 2011: S. 126).

Im Jahr 2010 wurden im Rahmen der Rechtsfolgen (absolut: 108.464) folgende Zahlen des statistischen Bundesamtes ermittelt (Eisenberg 2014: S. 92):

  • 9,1% Erziehungsmaßregeln, davon 99,% Weisungen/Erziehungsbeistandschaft (§ 30 SGB-8)
  • 75,% Zuchtmittel, darunter 75,5% Auflagen/Verwarnung, 24,4% JA
  • 15,9% Jugendstrafe, davon 62,9% Aussetzung zur Bewährung

Demnach stellen „die Zuchtmittel … die am häufigsten verhängte Sanktionenkategorie innerhalb des Jugendstrafrechts dar", was insbesondere auf die Sozialstunden zurück zu führen ist (Bihs 2013: S. 213). Von insgesamt 19.892 Arresten im Jahr 2010 wurden 50,6% als Dauerarrest, 8,8% als Freizeit- und 40,5% als Kurzzeitarrest verhängt (Bihs 2013: S. 216).

Zielgruppe

„Die Zielgruppe des Jugendarrests wird in den rechtlichen Vorschriften nur unzureichend bestimmt und findet hauptsächlich über Abgrenzungen zu anderen jugendstrafrechtlichen Sanktionen statt“ (Bihs 2013: S. 190).

„So sollte der JA im Grunde gut geartete, also kriminell nicht gefährdete Jugendliche mit Ehrgefühl treffen, die keiner länger dauernden erzieherischen Einwirkung, wohl aber eines energischen Hinweises bedürfen“ (Brunner/Dölling 2011: S. 126). Ausgeschlossen sind die verwahrlosten, gefährdeten und früh-delinquenten Jugendlichen, sowie geistig beeinträchtigte oder behinderte Menschen, die den Sinn des Zuchtmittels nicht verstehen.

Diese Zielgruppe wird in der einschlägigen Literatur heftig kritisiert. Diese „relativ gefestigte Personengruppe“ sei unter den beschriebenen Voraussetzungen benachteiligt und sollte eher Ziel der Diversionsmaßnahmen (§§ 45,47 JGG) sein, argumentieren Kritiker (Bihs 2013: S. 190). In der Praxis werde der JA jedoch häufig bei den "Arrest-untauglich" verhängt, die eher von den pädagogischen Erziehungsmaßnahmen nach §§ 10, 12 JGG profitieren könnten (Eisenberg 2014: S. 259 f; Brunner/Dölling 2011: S. 129).

Lebenslagen

Hinsichtlich der Lebenslagen der Arretenten zeigten Kobes & Pohlmann (2003) mangelnde Kenntnisse im schulischen Bereich auf, eine Zunahme von Menschen mit Lernbehinderung und folgende Belastungsfaktoren: Drogenproblematiken, Ausbildungsabbruch, Arbeitslosigkeit, Schuldenproblematiken und frühere Heimerziehung (Bihs 2013: S. 229).

In Schweglers Studie (1999, n=86) sind 46,5% der befragten Arrestanten in unvollständigen Familien aufgewachsen. 33,7% verfügten über keinen Hauptschulabschluss. Der HS-Abschluss war mit 52,3% am Häufigsten vertreten. Ein Drittel der Schüler besuchte die Schule regelmäßig. Von den Befragten verfügten 8 Personen über eine abgeschlossene Berufsausbildung. 56,4% der Befragten waren seit einem halben Jahr oder länger arbeitslos (Schwegler 1999: S. 36 ff).

Im Schnitt sind die jungen Arrestanten 16 - 17 Jahre alt und größtenteils männlich (Bihs 2013: S. 2017 ff).

Deliktstruktur

Die Delikte, wegen derer die Jugendlichen und Heranwachsenden u.a. zu JA verurteilt worden sind, teilten sich im Jahr 2011 folgendermaßen auf:

  1. Körperverletzungen (§§ 223 – 231 StGB) mit 33,3%
  2. Diebstahl und Unterschlagungsdelikte (§§ 242 - 248c StGB) mit 28,2%
  3. Delikte im Bereich Raub und Erpressung (§§ 249 - 255, 316a StGB).

„Im Jahre 2011 haben diese Deliktgruppen ... einen Anteil von 21,0% an allen Arrestverhängungen ausgemacht, so dass immer noch von überwiegend relativ leichten Normverstößen für die Zielgruppe des JA ausgegangen werden kann“.

Daten bzgl. der Beschlussarreste können nicht ermittelt werden, da sie von den Justizeinrichtungen nicht separat erhoben werden (Bihs 2013: 2017 f).

Arrestformen

Der Jugendarrest wird gem. § 16 Abs. 1 JGG in 3 Formen durchgeführt:

  1. Freizeitarrest (§ 16 Abs. 2 JGG)
  2. Kurzarrest (§ 16 Abs. 3 JGG)
  3. Dauerarrest (§ 16 Abs. 4 JGG)

Der Dauerarrest kann als Urteils- (§ 16 JGG) oder Beschlussarrest gem. § 11 Abs. 3 JGG, § 15 Abs. 3 Satz 2 JGG oder § 98 Abs. 2 OwiG erfolgen.

Grundsätzlich soll der Schul- oder Ausbildungsbesuch durch den Arrest nicht negativ beeinflusst werden. Entsprechend darf der Freizeitarrest nur während der Wochenenden vollzogen werden und soll 48 Stunden nicht übersteigen (Eisenberg 2014: S. 260 f). So soll er als besonderes Übel wahrgenommen werden, indem er dem jungen Menschen das lieb-gewonnene Wochenende raubt. Der Kurzarrest dient der Alternative zum Freizeitarrest, falls aus erzieherischen Gründen ein zusammenhängender Arrest von 2 Freizeiten (4 Tagen) sinnvoll erscheint (Eisenberg 2014: S. 261).

Der Dauerarrest wird zwischen einer Woche und längstens 28 Tagen verhängt. Die Dauer soll u.a. an der Problemsituation des Jugendlichen bemessen werden, so kann er bei längerem Aufenthalt die Unterstützung des Sozialdienstes der JAA in Anspruch nehmen (Kühndahl-Hensel 2014: S. 41).

Kommt ein Betroffener seinen Auflagen (§ 15 JGG) oder Weisungen (§§ 10 – 12 JGG, § 23 Abs. 1 JGG, § 88 Abs. 6 JGG) schuldhaft nicht nach, kann gegen ihn Ungehorsamsarrest (Beschluss-, Beuge-, Ersatz-, Nichtbefolgungsarrest) bis zu 4 Wochen verhängt werden. Gleiches gilt, wenn ein Jugendlicher unentschuldigte Schulversäumnisse nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) aufweist und die Geldbuße/Sozialstunden nicht erfüllt hat (Kühndahl-Hensel 2014: S. 42).

Warnschussarrest/Warnarrest

Jahrzehntelang wurde um den „Warnarrest“ (Kühndahl-Hensel 2014: S. 75) (Jugendstrafe ausgesetzt zur Bewährung neben Jugendarrest) in der Fachwelt gestritten (Bihs 2013: S 194). Eine Einigkeit über dessen Ablehnung herschte überwiegend vor (Kühndahl-Hensel 2014: S. 78 f). Eine öffentliche Forderung nach mehr Härte, besonders für schwere Gewaltstraftäter, wurde laut und der Gesetzgeber geriet (u.a. durch die Presse) unter Druck. im Jahr 2013 führte er schließlich den Jugendarrest neben der Jugendstrafe ein (Kühndahl-Hensel 2014: S. 84 ff). Gem. § 16a JGG soll Jugendarrest neben Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden (auch bei § 57 JGG), wenn

  1. dem Betroffenen seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht verdeutlicht werden soll (Vorbeugung des Freispruchs zweiter Klasse).
  2. der Betroffene für einen begrenzten Zeitraum aus seinem schädlichen Umfeld heraus genommen werden sollte.
  3. durch den Arrest nachdrücklich auf den Betroffenen erzieherisch eingewirkt werden soll, um bessere Erfolge für die Bewährungszeit zu gewährleisten (Abschreckung).

Vollstreckung

Die Vollstreckung des Arrests ist unter den §§ 82, 85, 86 JGG geregelt. Hier wird u.a. der Jugendrichter am zuständigen Amtsgericht der JAA als Vollstreckungsleiter benannt.

Der Jugendliche/Heranwachsende ist aufgrund der Ladung zum Arrestantritt verpflichtet und kann durch die Polizei zwangsweise zugeführt werden (Dölling/Brunner 2011: S. 132).

Im Durchschnitt liegen 3 - 4 Monate zwischen der Rechtkraft eines Urteils und der Ladung zum Arrestantritt. Nimmt man den Zeitraum zwischen Tatbegehung und Arrestantritt können durchschnittlich 13 Monate vergehen (Bihs 2013: 222 f).

Im Jahr 2013 betrug die Kapazität in der BRD 35 Jugendarrestanstalten und 1161 Arrestplätze (Bihs 2013: S. 209).

Vollzug

Das JGG nimmt in § 90 Bezug auf den Vollzug des JA, welcher größtenteils in JAAen vollzogen wird. Der JA soll erzieherisch gestaltet werden und dem Jugendlichen dabei helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.

Die „gesetzliche Grundlage für den Vollzug des Jugendarrests ist in den meisten Bundesländern nach wie vor die Jugendarrestvollzugsordnung aus dem Jahre 1976.“ In den Bundesländern NRW, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg ist bereits ein eigenständiges Jugendarrestvollzugsgesetz (JAVollzG) in Kraft getreten (vgl. http://www.dvjj.de/themenschwerpunkte/jugendarrest). Die Vollzugsgesetze beziehen neueste kriminologische Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis mit ein. Sie sind stärker erzieherisch ausgestaltet und werden, wie in NRW, wissenschaftlich begleitet (§ 33 JAVollzG NRW).

In der Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO) sind soziale Einzelhilfe, Gruppenarbeit und Unterricht vorgesehen (§ 10 Abs. 2 JAVollzO). Besonders viel Wert wird auf Kontaktaufnahme zu anderen Trägern (z.B. der Jugend- oder Wohnungslosenhilfe) nach der Entlassung (§ 26 Abs. 1 JAVollzO) und der Erstellung eines Schlussberichts (§ 27 JAVollzO) gelegt (Bihs 2013: S. 195).

Die Geschlechtertrennung wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich vollzogen. In NRW und Sachsen werden männliche und weibliche Arrestanten in getrennten JAAen untergebracht (Bihs 2013: S. 211).

Personal/Vollzugsbedienstete

In § 3 JAVollzO und §§ 30, 31 JAVollzG NRW (Jugendarrestvollzugsgesetz NRW) sollen Vollzugsbedienstete und Ehrenamtliche „erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein“, bzw. für die Erfüllung ihrer Aufgaben geeignet und für den Jugendarrest qualifiziert sein.

Neben dem Sozialdienst macht den größten Teil des Personals der Allgemeine Vollzugsdienst (AVD) aus. Dieser „ist in den Justizvollzugsanstalten zuständig für die Beaufsichtigung, Versorgung und Betreuung der Gefangenen“ (vgl. https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/Stellen/ausbildung/berufe/avd_vollzug/index.php).

Trotz der schwierigen Lebenslagen der jungen Klientel (vgl. Zielgruppe) und der gesetzlichen Grundlagen finden sich im JA überwiegend Bedienstete des AVD aus dem Erwachsenenvollzug wider. Das Personal wird (zumindest in NRW) nicht nach besonderen JA-tauglichen Vorerfahrungen ausgewählt. Zudem werden in der Ausbildung „keine kurzzeitpädagogischen Inhalte und Methoden gelehrt“ (Bihs 2014: S. 124 f).

Rückfälligkeit

Die Fachliteratur, als auch empirische Studien attestieren dem JA eine durchschnittliche Rückfallquote zwischen 64 % (stat. Bundesamt 2011: S. 34) und ca. 70 % (nach Heinz 2004: S. 42). Im Vergleich dazu liegen andere richterliche Maßnahmen (z.B. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel ohne JA und Jugendstrafe) bei 55,2 %, Diversionsverfahren bei 40 %. Dabei tritt bei „verwahrlosten oder stärker gefährdeten“ Jugendlichen eine Rückfällig deutlich häufiger auf (Eisenberg 2014: S. 259). Eisenhardt stellte 1976 (n=1200) fest, dass die Rückfallgefahr stieg, je länger sich ein Mensch im Arrest befand, da dieser bei längerem Aufenthalt nicht abschreckte, sondern eine Gewöhnung bei dem Arrestanten nach sich zog. Einen positiven Einfluss hatten darauf pädagogische Betreuung und Begleitmaßnahmen (Eisenhardt 1976: S. 346). Bei kürzerem Arrest war ein Schockeffekt eher erkennbar (Abschreckung) (Eisenhardt 1976: S. 568).

Kritik

Kritische Stimmen bemängeln folgendes am Jugendarrest (hierbei handelt es sich nicht um eine vollständige und abschließende Aufzählung):

  • Der JA schrecke nicht ausreichend ab (vgl. Eisenhardt 1976).
  • Hohe Rückfallquote nach JA (Eisenberg 2014: S. 89).
  • Eine „Majorität und Erwachsenengesellschaft“ versuche ihre eigenen Ziele gegen Jugendliche durchzusetzen (Eisenberg 2014: S. 89). Diese Ziele seien nur schwer mit den entwicklungsbedingtem Zustand des Jugendlichen zusammen zu bringen (Eisenberg 2014: S. 95).
  • Es bestehe die Gefahr, dass falsche Maßnahmen, dem Betroffenen schaden (Brunner/Dölling 2011: S. 35). Der JA sei „latent aggressionsfördernd“, da die vergitterte Umgebung den jungen Menschen demütige. Der Jugendliche werde weiterhin degradiert und seine „vermeintliche Minderwertigkeit“ verstärkt.
  • Unklare Zielgruppenbestimmung (Eisenberg 2014: S. 171) und Mischung unterschiedlicher Zielgruppen (Dauer-, Beschluss- und Warnschussarrest) (Brunner/Dölling 2011: S. 19).
  • Um einen alsbaldigen Vollzug zu gewährleisten, werden die jungen Verurteilten vom Jugendrichter häufig zu einem Rechtsmittelverzicht angehalten (Eisenberg 2014: S. 263).
  • Die Umsetzung der JAVollzO/JAVollzG werde nicht adäquat umgesetzt. So gebe es bsbw. keine Psychologen im Arrest, obwohl das JAVollzG NRW diese in § 30 fordert. Auch der AVD sei nicht ausreichend qualifiziert (Eisenberg 2014: S. 994 f und Bihs 2014). Mangelnde räumliche Ausstattung lasse eine gewollte pädagogische Umsetzung nicht zu (Bihs 2013: S. 225 ff).

Ausblick

Der Strafcharakter wird sich aus dem Jugendstrafrecht vorerst nicht verdrängen lassen. Auf den JA könnte zu großen Teilen verzichtet werden, wenn andere päd. Rechtsfolgen weiter ausgebaut würden (Eisenberg 2014: S. 129, 255).

Am päd. Leitgedanken orientieren sich neue Konzepte, wie der JA als stationäres soziales Training (Eisenberg 2014: S. 253) oder der Vollzug in freier Form (§ 26 Abs. 4 JAVollzG NRW).

Die JA-Landschaft befindet sich aktuell stark in Bewegung. Dabei wird gewarnt, "das Gesetz dürfe … nicht dazu führen, den JA … in Erwartung eines besonderen erzieherischen Effekts zu verhängen“ (Kühndahl-Hensel 2014: S. 68).

Literatur

  • Bihs, Anne: Pädagogisches Personal im Jugendarrest: Verkannte „Schwerstarbeiter“ in einem unterschätzten Job, S. 120 – 126, ZJJ 02/2014
  • Brunner, Rudolf/Dölling: Dieter: Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 12. Aufl. de Gruyter 2011
  • Eisenberg, Ulrich: Jugendgerichtsgesetz – Kommentar, 17. Aufl., Beck 2014
  • Eisenhardt, Thilo: Gutachten über die kriminalpolitische und kriminalpädagogische Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, Bonn Bad Godesberg 1976
  • Graebsch, Christine: Gefangene helfen Jugendlichen nicht – wem dann?, S. 46 – 52, NK 02/2006
  • Heinz, Wolfgang: Die neue Rückfallstatistik – Legalbewährung junger Straftäter, S. 35 – 48, ZJJ 01/2004
  • Kühndahl-Hensel, Sandra: Der individualpräventive Schock im Jugendkriminalrecht, Dr. Kovac Hamburg 2014
  • Schwegler, Karin: Dauerarrest als Erziehungsmittel für junge Straftäter. Eine empirische Untersuchung über den Dauerarrest in der Jugendarrestanstalt Nürnberg vom 10. Februar bis 28. Mai 1997. München 1999
  • Zach, Günter: Jugendhilfe und Strafjustiz – Streitthema ohne Ende?, S. 251-253, DVJJ, 03/1996

Weblinks