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Slavoj Žižek


Slavoj Žižek [ˈʒiʒɛk] (* 21. März 1949 in Ljubljana) ist besonders durch seine einflussreiche Propagierung der Psychoanalyse Jacques Lacans und deren Einführung in die Populärkultur und der Kulturphilosophie bekannt geworden.


Leben

Im Jahr 1949 wurde Slavoj Žižek im ehemals realsozialistischen Jugoslawien, dem heutigen Slowenien, geboren und wuchs auch dort auf. Das Fundament seiner Ideologie nach Jaques Lacan wurde bereits an der Universität Paris VIII gelegt, wo er in den Jahren von 1981 bis 1985 studierte, unter der Obhut eines gewissen Jaques-Alain Miller, einem Schüler des französischen Psychoanalytikers Lacans. Slavoj Žižek war als Dissident im Realsozialismus aktiv und wurde 1990 Kandidat für das so genannte Kollektive Phänomen für die Liberaldemokratie Sloweniens. Zudem war er viele Jahre Herausgeber der Zeitschrift der slowenischen Lacan-Schule. Er setzte sich außerdem mit den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Marx auseinander sowie mit den Denkansätzen aus dem Bereich des Poststrukturalismus und dem Deutschen Idealismus, der Medientheorie, der Cultural Studies und dem Feminismus. Sein erstes Hauptwerk, mit dem er international Aufmerksamkeit bezog, lautete The sublime Object of Ideology, welches 1989 erschien. 20 Monographien wurden seither von Slavoj Žižek veröffentlicht, unter der Berücksichtigung der lacanschen Lesart bezüglich der Populärkultur und der Philosophie. Žižek ist an der Universität Ljubljana und an der European Graduate School in Saas-Fee (Schweiz) Professor für Philosophie, hat mehrere Gastprofessuren im Ausland inne und ist seit dem Jahr 2001 Fellow des Kollegs Friedrich Nietzsche. Seit Anfang 2007 ist er International Director des Birkbeck Institute for the Humanities an der University of London.


„But what if...“ - Slavoj Žižeks Texte

Slavoj Žižek entwickelt vielfach seine Philosophie, indem er die Theorien anderer Autoren kommentiert und deren Theoreme und Entwürfe im Hintergrund seiner eignen Fragestellungen mit einbindet. Er behandelt die Lehre von Lacan im Wesentlichen und die klinischen Aspekte der Psychoanalyse, jedoch in Abkehr der medizinischen Sichtweise. Zudem schreibt er über viele andere Themen, wie zum Beispiel der Ideologie, Ökologie, Kapitalismus, Toleranz, Postmoderne, Oper, Fundamentalismus, Rassismus, Menschenrechte, Globalisierung, Subjektivierung und Kino.

Slavoj Žižeks Eigenständigkeit im Hinblick seiner Theorien besteht aus der Verflechtung der Theorien von Lacan und zahlreicher Beispiele aus der Politik, der Populärkultur und des Films. Mit dessen Hilfe, er diese zunächst abstrakten Theorien versucht anzuwenden und zu veranschaulichen, aber auch weiterzuentwickeln. Slavoj Žižeks Philosophie basiert auf einen gewissen amorphotischen Blick auf die Wirklichkeit. Der Begriff Amorphose stammt aus der Malerei des 15. und 16. Jahrhundert und beschreibt verzogene Bildinhalte, die erst unter einem bestimmten Blickwinkel sichtbar und erkennbar werden. Das heißt, erst durch das Verlassen einer Zentralperspektive wird die Entzifferung eines Bildinhalts ermöglicht. Im Fall Žižeks würde es bedeuten, dass durch das Verlassen einer angeblich natürlichen und kohärenten zentralen Perspektive, eine Umkehr einer vermuteten Sinnstruktur der Wirklichkeit möglich wäre. Dies leitet er in seinen Texten mit den Worten „but what if...“ ein.


Das Subjekt nach Žižek

In Anlehnung an Jaques Lacan beschreibt Slavoj Žižek das Werden eines Subjekts oder das Subjekt-Sein als einen Prozess ständigen Ringens. Die verschiedenen Appelle und Identifikationen, die an das Individuum von Geburt an herangetragen werden, müssen in diesem Ringen verarbeitet werden. Es ist für Žižek zwingend notwendig, dass sich das Individuum in eine Art Identifikationsschablone der Gesellschaft integriert und es so zu einer Stabilisierung kommen kann, damit der psychotische Wahnsinn, wie er es nennt, eingedemmt wird. Es muss demnach eine vorübergehende notwendige Integration in der Gesellschaft folgen. Die Identitäten und die Identitätsbildung bei Žižek sind also eng verbunden mit Ideologien, psychischen Konstellationen des Unbewussten und gesellschaftlichen Verhältnissen. Dabei spielt eine Konzeption von Lacan eine wichtige Rolle: Die Konzeption des Anderen, über den sich das Subjekt erst als Eigenes konstituiert.

Dieses Andere besitzt bei Lacan zwei Dimensionen: der große Andere und der kleine Andere, das Objekt klein a. Das Objekt klein a bezieht sich auf das Objekt des Begehrens des Subjekts, also das Streben und das Vereinen, zum Beispiel das sexuelle Begehren eines anderen Menschen. Es ist austauschbar und beliebig, solange es im Rahmen des persönlichen Phantasmas, der persönlichen Phantasien passt, welche es erst begehrenswert machen. Objekt klein a hat eine spezielle Eigenschaft: Es ist dem Subjekt immer schon entzogen. Ein Mangel dieses Begehrens treibt das Subjekt zu bestimmten Handlungen. Slavoj Žižek plausibilisiert seine Theorien und die mit Lacan in Verbindung stehenden Theorien stets mit einem Spielfilm. In diesem Falle zieht Žižek McGuffin vor, vom Regisseur Alfred Hitchcock.

Der große Andere hingegen ist ein Symbol für eine Garantie von Gesetze und Normen innerhalb einer Gesellschaft, damit das Subjekt erst eine Platz innerhalb einer Gesellschaft inne haben kann. Dies kann zum Beispiel ein Elternteil oder eine andere Bezugsperson sein, oder ein Richter, Lehrer sowie Polizist. Für Žižek besteht in dieser Strukturierung des Subjekts durch den großen Anderen auch die wesentliche Funktionsweise der Ideologie – wofür er in der Regel das Beispiel des Stalinismus anführt. Die Krux hierbei ist allerdings, dass Lacan und somit auch Žižek davon ausgehen, dass das Ich, also demnach das Subjekt nicht von einer inneren Instanz aus dem Subjekt heraus entsteht, sondern aus der Instanz des großen Anderen. Das Subjekt gewinnt durch die Anerkennung des Anderen seinen eigentlichen Subjektstatus. Der Ort, an dem sich das Subjekt orientiert und identifiziert, ermöglicht es dem Subjekt, durch die Sprache einen Weg zur Kommunikation und Artikulation zu finden. Es ist also ein purer Gegensatz zur berühmten Definition von René Descartes: „ich denke, also bin ich.“


Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre

Das Imaginäre, das Symbolische, das Reale: jene Kategorien bilden den methodologischen Kern der Psychoanalyse nach Jaques Lacan und spielen demnach eine zentrale Rolle im Denken Žižeks. Auch hier besteht Slavoj Žižeks Leistung vor allem in der Übertragung der abstrakten lacanschen Begriffe auf Phänomene aus dem Bereich der Philosophie, Politik, und der Populärkultur sowie dem Alltag.


Das Reale

Das Reale ist bei Žižek nicht mit dem Begriff der Realität gleichzusetzen. Das Reale bezieht sich auf das, welches nicht symbolisch ist oder imaginär festgehalten. Es bedeutet eine Abkehr von der Realität, es bezieht sich vielmehr auf etwas Unmögliches oder einen traumatischen Einschlag. In der Realität bleibt demnach immer ein Realrest übrig, wie zum Beispiel der Sexualität, des Lebens und des Todes. Das Reale besteht aus den Leerstellen, welche die Realität unvollständig und inkonsistent machen. Bezieht man diese Thematik auf die Psychoanalyse, so bedeute dies, dass die Realität nicht nur eine beliebige Erzählung unter vielen anderen sei. Der Patient zum Beispiel muss den Kern seines Lebens erzählen, auf die traumatische Dimension seiner Innenwelt eingehen, sie erkennen, aushalten und neu versuchen zu erzählen.

Das Symbolische, das Reale und das Imaginäre spiegeln sich im Bereich der Psyche wider:

Zum einen gibt es das symbolische Reale, bezüglich eines Signifikanten. Zum anderen das reale Reale, welches ein Gefühl des Horrors vermittelt und das imaginäre Reale, welches von einem unergründlichen Symptom umgeben ist. Žižek vermittelt dies an einem Beispiel des Films Ganz oder gar nicht-Full Monty, wo sich die Hauptdarsteller ausziehen und sie in dieser Erniedrigung wieder etwas Erhabenes, etwas Unergründliches entdecken.


Das Symbolische

Das Symbolische bildet eine Art Struktur einer Gesellschaft oder einer Kultur. Das Symbolische umgibt eine soziale Realität mit Normen und Gesetzen. Deren Elemente, die Signifikanten, strukturieren sich in einem Geflecht der symbolischen Ordnung, wobei der große Andere die Autorität des Symbolischen darstellt.

Die drei Dimensionen des Symbolischen:

Zum einen das reale Symbolische, der Signifikant. Zum anderen das imaginäre Symbolische, welches den Jungschen Symbolen entspricht. Zudem das symbolische Symbolische, welches das Sprechen und die Sprache beinhaltet, zum Beispiel in einer Psychoanalyse. Slavoj Žižek veranschaulicht dies am Phänomen des Cyberspace.


Das Imaginäre

Das Imaginäre versteht sich im Sinne von Bildhaftigkeit, Vorstellung, Täuschung oder auch Verkennung. Es ist der Ort der Identifikation mit dem eigenen Ich. Lacan stellt die Theorie auf, dass dieses imaginäre Selbstverhältnis sich am Blick in den Spiegel auf sich selbst im Spiegelstadium bildet. Wobei der Blick, laut Lacan, letztlich auf einer „Verkennung“ beruht.

Die drei Dimensionen des Imaginären:

Zum einen das reale Imaginäre, ein Phantasma, welches den Platz des Realen einnimmt. Zum anderen das imaginäre Imaginäre, das Bild selbst und zuletzt das symbolische Imaginäre, welches nur außerhalb befähigt, über das Imaginäre sprechen zu können. Diese drei Ebenen des Psychischen verbinden sich laut Lacan zu einem Borromäischen Knoten, hingegen man einen löst, alle nicht mehr im Gleichgewicht sind und es zu einem traumatischen Verlust der Psyche führen kann.


Beispiele im Film

Slavoj Žižek veranschaulicht die Theorien Lacans anhand von Beispielen zahlreicher Spielfilme. Hitchcocks Filme wie Spellbound, Marnie und Psycho dienen als Vorlage der theoretischen Veranschaulichung. In Psycho behandelt er unter anderem die Thematiken des Subjekts und der Identitätsfindung, die des Signifikanten und die des Begehrens eines Anderen.


Literatur

  • Rex Butler: Slavoj Žižek zur Einführung (Originaltitel: Slavoj Žižek, übersetzt von Bettina Engels). Junius, Hamburg 2006, ISBN 3-88506-624-6
  • Dominik Finkelde: Slavoj Žižek zwischen Lacan und Hegel. Politische Philosophie – Metapsychologie – Ethik. Turia + Kant, Wien 2009, ISBN 978-3-85132-528-7.
  • Reinhard Heil: Die Kunst des Unmöglichen. Slavoj Žižeks Begriff des Politischen. In: Oliver Flügel, Reinhard Heil, Andreas Hetzel (Hrsg.): Die Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien heute. WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17435-6 (Leseproben).
  • Reinhard Heil: Zur Aktualität von Slavoj Žižek: Einleitung in sein Werk. VS, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-5311-6430-4.
  • 1989: The Sublime Object of Ideology. Verso Books, London/New York, ISBN 0-86091-256-6
  • 1992: Slavoj Žižek (Hrsg.): Everything you always wanted to know about Lacan (but were afraid to ask Hitchcock). Verso, ISBN 0-86091-394-5
  • dt. Ausgaben: Ein Triumph des Blicks über das Auge. Psychoanalyse bei Alfred Hitchcock. Turia + Kant, Wien 1998, 3. Aufl. 2000, ISBN 978-3-85132-161-6; Was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten. Suhrkamp, Frankfurt 2002, ISBN 3-518-29180-7


Dokumentarfilme von Slavoj Žižek

  • The Pervert's Guide to Cinema, 1, 2, 3, 2006. Regie und Produktion: Sophie Fiennes, eingeleitet und gesprochen von Slavoj Žižek.