Aussiedlerkriminalität

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Aussiedlerkriminalität

Seit Ende des zweiten Weltkrieges werden Deutschstämmige aus den ehemaligen Ostblockstaaten in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland als „Aussiedler“ und seit dem 31. Dezember 1992 als sog. „Spätaussiedler“ gehört diese Volksgruppe zur Grundstruktur der deutschen Bevölkerung. Aussiedlerkriminalität (von lat. crimen = Beschuldigung, Anklage, Schuld, Verbrechen + Aussiedler) bezeichnet die Summe aller Straftaten, die von Aussiedlern und Spätaussiedlern begangen werden.


Begriffsbestimmungen

Legaldefinition: Aussiedler, Spätaussiedler

Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) bezeichnet Aussiedler als deutsche Volkszugehörige, die vor dem Kriegsende am 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, der ehemaligen Tschechoslowakei (heute Tschechien und Slowakische Republik), Ungarn, Rumänien (primär Siebenbürgen), Bulgarien, dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien, Danzig, Estland, Lettland, Litauen oder China gehabt haben und diese Länder nach Abschluss der Vertreibungsmaßnahmen verlassen haben oder verlassen mussten und in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme gefunden haben (§ 1 II Nr. 3 BVFG (BGBl I, 829)). Zentral für die Annerkennung als Aussiedler ist der Nachweis der Volkszugehörigkeit. Gem. § 6 I BVFG ist deutscher Volkszugehöriger und somit deutscher i.S.d. des Art. 116 I GG „wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“.

Aussiedler, die nach dem 31.12.1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland gekommen sind, um ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu nehmen, werden als Spätaussiedler bezeichnet (§ 4 BVG (BGBl I, 829) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993). Die neue rechtliche Grundlage für die Aufnahme von (Spät-)Aussiedlern wurde im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 geschaffen ((BGBl I 2094). Das Gesetz ist am 01.01.1993 in Kraft getreten).

Gemäß § 4 II können auch deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 II Nr.3 BVFG näher bezeichneten Aussiedlungsgebieten die Rechtsstellung eines Spätaussiedlers erhalten. Als Spätaussiedler wird jedoch nur aufgenommenen, wer aufgrund seiner deutschen Abstammung im Herkunftsland diskriminiert wird. Ausgenommen sind hiervon deutsche Volkszugehörige aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und den baltischen Staaten. Sie gelten ohne besonderen Nachweis als Spätaussiedler. Für diesen Personenkreis wird eine diskriminierende Behandlung als Regelfall vorausgesetzt. Gleich bleibend ist jedoch auch bei den Spätaussiedlern, dass sie als „deutsch“ im Sinne des Grundgesetzes anerkannt sind, § 4 III BVFG i.V.m. Art. 116 I GG.

Zahlen

Von 1950 bis 2006 reisten insgesamt 4.489.629 Aussiedler und Spätaussiedler in die Bundesrepublik ein, wobei 2.341.960 aus der ehemaligen Sowjetunion und 1.444.927 aus der Republik Polen einreisten. Bis April 2007 konnte ein weiterer Zuwachs von 2.059 Spätaussiedlern festgestellt werden.

Aussiedlerkriminalität

Zum öffentlichen Diskurs über die anfänglich vermehrt entstehenden und bei einem kleinen Teil der Neubevölkerung fortbestehenden Probleme gehört regelmäßig die Besorgnis über die Kriminalität.

Erfassung der (Spät-) Aussiedlerkriminalität

Zur kriminalistischen Analyse stehen die Polizeistatistik, die Rechtspflegestatistik und die Strafvollzugsstatistik zur Verfügung, wobei die am häufigsten benutzten Datenquellen für die Messung der Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) darstellt. Diese wird seit 1953 jährlich vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden veröffentlicht. Der PKS sind insbesondere Angaben über Delikte, Opfer und – sofern die Polizei den/die Tatverdächtige(n) ermitteln konnte – auch Informationen über Tatverdächtige zu entnehmen. Bezogen auf die (Spät-) Aussiedlerkriminalität muss auf die relativ unzureichende oder gar gänzlich fehlende statistische Datenlage hingewiesen werden, denn bisher gibt es keine verlässlichen Quellen, die das Ausmaß der Hellfeld-(Spät-) Aussiedlerkriminalität i.S.d. polizeilich erfassten Straftaten für das gesamte Bundesgebiet darstellen. Der Anteil der (Spät-) Aussiedler an allen deutschen Tatverdächtigen sowie an der gesamten Bevölkerung kann aufgrund der fehlenden bundesweiten Statistik nicht ermittelt werden. Die Problematik der statistischen Erfassung der (Spät-) Aussiedlerkriminalität hängt mit der Rechtsstellung der (Spät-) Aussiedler zusammen, die als deutsche i.S.d. Art. 116 I GG gelten und somit in den Statistiken nicht gesondert aufgeführt werden. Denn grundsätzlich gilt, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik lediglich zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen differenziert.

Forschungstand

Verlässliche Zahlen über die von (Spät-) Aussiedlern begangenen und registrierten Straftaten in Deutschland existieren nicht und exakte Belastungszahlen können daher nicht berechnet werden.

Allerdings gibt es in einigen Bundesländern Neuregelungen, die dort zukünftig Auswertungsmöglichkeiten zulassen. So wird in Bayern seit dem 01.01.1997 zusätzlich zu den bundeseinheitlichen Tatverdächtigenmerkmalen das Merkmal „Geburtsland“ als „Mussfeld“ erfasst. Die durchgängige Erfassung von Staatsangehörigkeit und Geburtsland ermöglicht somit eine Differenzierung der deutschen Tatverdächtigen in hier bzw. im Ausland geborene. Noch konsequenter jedoch fiel eine diesbezügliche Neuregelung in Niedersachsen aus, die die Erfassung von (Spät-) Aussiedlern in die PKS seit dem 01.01.1998 ermöglicht. In Niedersachsen hingegen wird in die PKS seit dem 01.01.1998 eine eigene Schlüsselzahl für (Spät-) Aussiedler verwendet, die im Feld Staatsangehörigkeit in der Tatverdächtigenzeile einzutragen ist.

Erkenntnisse amtlicher Statistiken

Um die tatsächliche Kriminalitätsbelastung der (Spät-) Aussiedler messen zu können, wurden in verschiedenen Regionen Deutschlands empirische Studien durchgeführt.

Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) und das Innenministerium Niedersachsen haben erstmals gemeinsam auf Basis der PKS Niedersachsen die Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen untersucht. Die Analyse erstreckt sich auf den Zeitraum von 1988-1995 sowie 1997 (Pfeiffer/Brettfeld/Delzer, 1996). Überprüft wurde die Richtigkeit der Hypothese, dass der festgestellte Anstieg der Tatverdächtigenziffern von jungen Deutschen in Niedersachsen zumindest teilweise auf die Zuwanderung von (Spät-) Aussiedlern zurückzuführen sei. Da tatverdächtige (Spät-) Aussiedler zu dieser Zeit in Niedersachen innerhalb der Gruppe der deutschen Tatverdächtigen noch nicht gesondert erfasst wurden, konnte nicht auf die PKS zurückgegriffen werden. Ermittelt wurde daher für jeden Landkreis und für jede Stadt in Niedersachsen Zuwanderungszahlen von (Spät-) Aussiedlern. Es wurde dann ein Vergleich des Kriminalitätsanstieges in Landkreisen und Städten mit hohem Zuwachs und mit geringem Zuwachs an (Spät-) Aussiedlern vorgenommen. Dieser ergab, dass die Häufigkeitszahlen in den Landkreisen mit hohem (Spät-) Aussiedlerzuzug stark angestiegen waren, während in den Landkreisen mit geringem (Spät-) Aussiedlerzuzug sowie in Gesamtniedersachsen weniger starke Anstiege oder sogar ein Rückgang der Kriminalitätsbelastung zu verzeichnen war.

Die bislang umfangreichste Analyse wurde von der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei (KFG) im Landeskriminalamt Bayern durchgeführt und durch weitere Primärerhebungen in ausgewählten Städten bzw. Regionen Bayerns ergänzt. Die durchgängige Erfassung des Geburtslandes von Tatverdächtigen in der PKS für den Freistaat Bayern ermöglichte eine Erfassung und Auswertung der Delinquenzbelastung der (Spät-) Aussiedler. Schwerpunkt dieser Untersuchung sollte bei den jungen Straftätern liegen, wobei auch andere Altergruppen berücksichtigt wurden. Als Vergleichsgruppe zu den (Spät-) Aussiedlern wurden Erkenntnisse über Deutsche und Nichtdeutsche herangezogen (Luff, 2000). Die Untersuchung ergab, dass die Kriminalitätsbelastung der (Spät-) Aussiedler in etwa dem der Deutschen entspricht. Allerdings wurde festgestellt, dass vor allem die jugendlichen aber auch heranwachsenden (Spät-) Aussiedler mit ihren relativ hohen Tatverdächtigenbelastungszahlen auffallen.

In der Freiburger Kohortenstudie (Grundies, 2000) konnte schließlich über eine aufwendige Identifizierung der (Spät-) Aussiedler anhand ihrer Geburtsorte erstmals der Umfang der polizeilichen Registrierung von (Spät-) Aussiedlern in Baden-Württemberg bestimmt werden. Aufgrund der bekannten Zuwachszahlen und der in Baden-Württemberg lebenden (Spät-) Aussiedler war es möglich, das Verhältnis der polizeilich erfassten (Spät-) Aussiedler zur Grundgesamtheit und damit die Registrierungsraten von (Spät-) Aussiedlern zu bestimmen. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass die Prävalenzrate der (Spät-) Aussiedler im Vergleich zu den der Deutschen überproportional sei. Im Durchschnitt werden die (Spät-) Aussiedler mit 16 Jahren ein Jahr früher als die deutschen Jugendlichen registriert. Dabei weisen männliche (Spät-) Aussiedler aus den GUS-Staaten gegenüber denjenigen aus Polen und Rumänien eine höhere Prävalenz auf, wobei die Erhöhung auf die nach 1990 eingereisten (Spät-) Aussiedler zurückzuführen ist.

Erkenntnisse aus der Dunkelfeldforschung

Um die Ergebnisse der Hellfelduntersuchungen abschließend beurteilen zu können, führte das KFN 1998 eine Dunkelfeldanalyse der nicht angezeigten Straftaten durch (zusammenfassend in Pfeiffer/Wetzels, FES 2000). Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Schüler aus Großstädten befragt. Es wurden umfangreiche Informationen zur sozialen Lage, zu Opfererfahrungen, Anzeigeverhalten, zu Merkmalen der Täter und zur selbstberichteten Delinquenz erhoben. Diese Untersuchung ergab, dass keine wesentlich höhere Delinquenzbelastung junger Aussiedler im Vergleich zu deutschen und ausländischen Jugendlichen festgestellt werden konnte. So konnten Strobl/Kühnel (2000) in der Kriminalität von Aussiedlern und Deutschen ebenfalls keinen statistisch signifikanten Unterschied feststellen, eine höhere Devianzneigung der Nichtdeutschen war dagegen statistisch nachweisbar.

Strafvollzug

Um über die Situation der Aussiedler ein abgerundetes Gesamtbild zu erlangen, wurde u.a. eine bundesweite Befragung der Jugendstrafvollzugsanstalten bezüglich der Anteile von Aussiedlern und Nichtdeutschen bei den Zugängen 1998 (Pfeiffer/Dworschak (1999), Pfeiffer/Wetzels (2000)) durchgeführt. Auch diese Untersuchung gelang zu dem Ergebnis, dass nicht nur für junge Migranten, sondern auch für junge (Spät-) Aussiedler gilt, dass sie unter den mittelschwerer bis schwerer Delikt registrierten Straftätern, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, deutlich überrepräsentiert sind.

Eine weitere Untersuchung von Walter/Grübl (2000) in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim in Baden-Württemberg zeigte ähnliche Ergebnisse. Es wurde festgestellt, dass eine 3-fache Überrepräsentierung der (Spät) Aussiedler im Vergleich zu den deutschen Insassen vorlag, wobei der nahezu doppelt so hohe Anteil der 14-21-jährigen in der GUS-deutschen Bevölkerung berücksichtigt wurde. Bei Berücksichtigung des Alters wurde allerdings festgestellt, dass (Spät-) Aussiedler aus den GUS-Staaten meist überdurchschnittlich jung im Vollzug aufgenommen wurden.

Kriminologischer Erklärungssatz

Die forschungstheoretischen Ergebnisse sind aus mehren Gründen zurückhaltend zu interpretieren. Es müssen etwaige Verzerrungsfaktoren bei der Auswertung der amtlichen Statistiken berücksichtigt werden, wie z.B. die Anzeigebereitschaft. Es ist zu überprüfen, ob die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung aufgrund eines „ethnischen Selektionssmechanismus“ dazu führen kann, dass die Straftaten von Kindern und Jugendlichen ethnischen Minderheiten häufiger angezeigt werden als diejenigen der jungen Deutschen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Tatverdächtigenstatistik nur den Teil der Vorfälle enthält, die polizeilich aufgeklärt werden konnte. Es ist daher fraglich, inwiefern sich die Aufklärungsquote der Polizei zwischen ethnisch verschiedenen Tätergruppen unterscheidet.

Alle dargestellten Studien kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass eine mangelnde Integration, unterschiedliche Wertvorstellungen, aber auch unterschiedliche gesellschaftsstrukturelle Bedingungen fördernd für die Kriminalität junger Aussiedler sind.

Es gibt verschiedene Ansätze, die die (Spät-) Aussiedlerkriminalität erklären:


Anomietheorie

Theoretisch wird diese Erkenntnis anhand der von Merton vertretenen ''Anomietheorie'' untermauert. Im Anschluss an die Hypothesen von Durkheim geht es Robert K. Merton darum zu erklären, warum die Häufigkeit normabweichenden Verhaltens in verschiedenen sozialen Schichten variiert. Dabei geht er davon aus, dass anomisches (abweichendes) Verhalten ein Zustand sozialer Desintegration ist, wobei kulturelle und soziale Strukturen einer Gesellschaft auseinanderklaffen und die gesellschaftlichen Normen und Werte auflösen. Bezogen auf die Aussiedler, insbesondere auf die Spätaussiedler, bedeutet es, dass der Wunsch nach materiellen Erfolg zwar angestrebt wird, dieser aber aufgrund ihrer desolaten sozialen Situation nicht oder nur schwer erreichbar ist. Aus dieser Diskrepanz entsteht ein anomischer Druck, der in Form der Kriminalität herausgelassen wird.

Kulturkonfliktstheorie

Nach der von Thorsten Sellin formulierten Kulturkonfliktstheorie ist die Überlegung, dass Einwanderer kulturelle Verhaltens- und Wertvorstellungen mitbringen, die von denen des Gastlandes abweichen, Ursache für anomisches Verhalten. Insbesondere bei den (Spät-) Aussiedlern, die in den letzten Jahren ausgereist sind, ist diese Abweisung deutlich. Viele (Spät-) Aussiedler haben Familien, die sich im Laufe der Zeit in den Herkunftsgebieten weitgehend an den jeweiligen Lebenskontext angepasst und ihre (noch Generationen vorher vorhandene) spezifisch an Deutschland orientierte Alltagskultur aufgegeben haben. Selbst die Elterngeneration hat zwischenzeitlich oft außerhalb der eigenen ethnischen Gruppe geheiratet, so dass viele der (Spät-) Aussiedler keine in Deutschland ansässigen deutschen Verwandten haben. Somit sind viele (Spät-) Aussiedler mit einer fast fremden Kultur konfrontiert, deren Normen und Werte ihnen weitestgehend nicht geläufig sind. Besonders für die jüngere Generation ist die Auswanderung bzw. Einwanderung in die Bundsrepublik problematisch. Im Gegensatz zu den älteren Generationen sind die jungen Menschen in den Herkunftsländern geboren und haben einen Großteil ihrer Sozialisation dort durchlaufen. Sie fühlen sich in diesen Ländern verankert und gesellschaftlich integriert. Sie stehen oft psychologisch und sozialpsychologisch zwischen zwei Kulturen, der so genannten Herkunftskultur ihrer Eltern (der Verwandten, Bekannten, Nachbarn etc.) auf der einen Seite und der sog genannten Wirtskultur (der sie umgebenden Gesellschaft mit Straßengruppen gleichaltriger, Kindergärten, Schulen, etc.) auf der anderen Seite. In dieser Situation müssen die Jugendlichen ihre Identität finden und entwickeln. Die jungen Menschen leiden speziell darunter, dass sie durch die Auswanderung von ihren Freunden getrennt – meist gegen ihren Willen – in eine ihnen fremde Welt gestellt werden. Dies geschieht zudem in einer Lebensphase, in der es gilt Unabhängigkeit von den Eltern und eine eigene Identität zu entfalten und zu festigen, wozu Jugendliche die Auseinandersetzung und den Kontakt mit ihren eignen peer-groups benötigen.

Theorie der sozialstrukturellen Benachteiligung

Bei diesem Erklärungsansatz (vgl. Schüler-Springorum, 1983) handelt es sich um einen schichtspezifischen Ansatz. Ähnlich wie bei der Delinquenz von Ausländern ist auch die Delinquenz von (Spät-) Aussiedlern eine Folge systematischer Chancenverweigerung durch die Gesellschaft, die i.d.R. zur Randständigkeit der Betroffenen führt. Symptomatisch für diese Chancenverweigerung sind etwa folgende nachteilige Sozialisationsbedingungen: beengte, ghettoähnliche Wohnsituation; hoher Anteil Jugendlicher, die nicht die Schule besuchen (Folge von Frustationserlebnissen); geringere Chance auf Ausbildungs- und Arbeitsplatz (Folge von mangelnden Sprachkenntnissen); unzureichende Eingliederungshilfen (zu den Eingliederungshilfen zählte der Anspruch auf Unterbringung, der Wohnberechtigungsschein für Sozialwohnungen, die Überbrückungshilfe, der Sprachkurs, berufliche Fördermaßnahmen, etc.. Diese Fördermaßnahmen wurden ab Januar 1993 nicht mehr angeboten. Dies führte dazu, dass in vielen Familien die Zahl der sozialhilfebedürftigen Aussiedler drastisch stieg. Auch die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an, da die von ihnen mitgebrachten Qualifikationen in der Industrie nur bedingt anerkannt wurden) und schließlich die erschwerte Integration durch die ablehnende Haltung der deutschen Bevölkerung.

Literatur

  • Aussiedler, Information zur politischen Bildung, Heft 267, 2. Quartal 2000. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (2000).
  • Gluba, Alexander; Schaser, Petra (2003): Registrierte Kriminalität von (Spät-) Aussiedlern in zwei niedersächsischen Großstädten, Eine Analyse auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik Hannovers und Wolfsburg von 1998 – 2001, In: Kriminalistik, 5/2003, S. 291-304.
  • Grundies, Volker (2000): Kriminalitätsbelastung junger (Spät-) Aussiedler, Monatszeitschrift für Kriminologie 2000, Heft 4.
  • Luff, Johannes (2000): Kriminalität von (Spät-) Aussiedlern. München.
  • Pfeiffer, Christian; Brettfeld, Katrin; Delzer, Ingo (1996): Kriminalität in Niedersachsen, Eine Analyse auf der Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik 1988-1995, KFN Forschungsbericht Nr. 56, Hannover.
  • Pfeiffer, Christian; Dworschak, Birke (1999): Die ethnische Vielfalt in den Justizvollzugsanstalten. DVJJ-Journal, 10, 184-188.
  • Pfeiffer, Christian; Wetzels, Peter (2000): Integrationsprobleme junger Spätaussiedler und die Folgen für ihre Kriminalitätsbelastung, in: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.), Digitale Bibliothek, http//:fes.de/fulltext/asfo/0086003.htm.

Schüler-Springorum, Horst (1983); Ausländerkriminalität – Ursachen, Umfang und Entwicklung, in: NStZ 1983, S. 529 ff.

  • Strobl, Rainer; Kühnel, Wolfgang (2000): Dazugehörig und ausgegrenzt. Analysen zu Integrationschancen junger Aussiedler, Weinheim/München.
  • Walter, Joachim; Grübl, Günter (1999): „Russlanddeutsche“ im Strafvollzug, in: Bewährungshilfe, Fachzeitschrift für Bewährungs- Gericht und Straffälligenhilfe, 4/1999, S. 360-374.
  • Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006): Hrsg.: Bundesministerium des Inneren/ Bundesministerium der Justiz, Berlin.

Weblinks

  • Bundeszentrale für politische Bildung

http://www.bpb.de/themen/L2K6XA,0,0,(Spät-) Aussiedlermigration_in_Deutschland.html#art0

  • Bund der Vertriebenen

http://www.bund-der-vertriebenen.de/infopool/spaetauss1.php3