31.738
Bearbeitungen
Uganda (Diskussion | Beiträge) |
Tiao (Diskussion | Beiträge) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Ein Whistleblower (Hinweisgeber; wörtlich 'Pfeifenbläser' - engl.; vgl. dt.: 'jd. verpfeifen') ist eine Person, die einen Missstand in ihrem beruflichen Umfeld an die Öffentlichkeit bringt. Ein Whistleblower löst den Loyalitätskonflikt zwischen der Treue zu seinem Arbeitgeber einerseits und seinen Pflichten als Staatsbürger andererseits zugunsten der Interessen der Allgemeinheit an der Aufdeckung von unhaltbaren Zuständen. Er schadet damit aber oft seinem Arbeitgeber und dessen wirtschaftlichen oder politischen Interessen - und er erleidet selbst häufig Nachteile (Kündigung, Diskriminierung, Strafverfolgung ...). Gleichwohl äußern 90% der Whistleblower in einer Untersuchung von Don Soeken (USA), dass sie sich wieder so verhalten würden. Nach der Aufdeckung zahlreicher großer Skandale (z.B. Enron) wurde der Schutz für Whistleblower in den USA und Großbritannien spürbar verbessert. | Ein Whistleblower (Hinweisgeber; wörtlich 'Pfeifenbläser' - engl.; vgl. dt.: 'jd. verpfeifen') ist eine Person, die einen Missstand in ihrem beruflichen Umfeld an die Öffentlichkeit bringt. Ein Whistleblower löst den Loyalitätskonflikt zwischen der Treue zu seinem Arbeitgeber einerseits und seinen Pflichten als Staatsbürger andererseits zugunsten der Interessen der Allgemeinheit an der Aufdeckung von unhaltbaren Zuständen. Er schadet damit aber oft seinem Arbeitgeber und dessen wirtschaftlichen oder politischen Interessen - und er erleidet selbst häufig Nachteile (Kündigung, Diskriminierung, Strafverfolgung ...). Gleichwohl äußern 90% der Whistleblower in einer Untersuchung von Don Soeken (USA), dass sie sich wieder so verhalten würden. Nach der Aufdeckung zahlreicher großer Skandale (z.B. Enron) wurde der Schutz für Whistleblower in den USA durch den Sarbanes-Oxley Act (seit 2002) und in Großbritannien durch den Public Interest Disclosure Act (PIDA 1998) spürbar verbessert, während entsprechende Initiativen in Deutschland auffällig viele Jahre in den Schubladen des Justizministeriums liegen und immer noch nicht als reif genug angesehen werden. Deutsche Arbeitsgerichte sehen z.B. einen Kündigungsgrund, wenn ein Whistleblower eine Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber erstattet. Das Bundesarbeitsgericht hält es auch für sanktionswürdig, wenn ein Whistleblower heimliche Gesetzesverstöße seines Arbeitsgebers an die Öffentlichkeit trägt (2 AZR 235/02). | ||
Zu den durch Whistleblowing aufgedeckten Skandalen gehörten die Fälle Enron und Siemens, die Korruptionsaffären EADS und IKEA sowie die Insider-Geschäfte des Gewerkschaftsführers Steinkühler. Darüber hinaus sind zahllose Skandale in der Lebensmittelbranche, im Gesundheitswesen und anderen gesellschaftlichen Bereichen durch Whistleblower ans Tageslicht gekommen. In den USA zeichnete das Time Magazine 2002 drei Whistleblower als "Person of the Year" aus. | |||
Zeile 39: | Zeile 35: | ||
== Whistleblowing in den USA: der Sarbanes-Oxley-Act == | == Whistleblowing in den USA: der Sarbanes-Oxley-Act (SOX) == | ||
Der SOX verpflichtet US-Aktiengesellschaften und ihre Unternehmenseinheiten in der EU sowie Nicht-US-Unternehmen, die an einer US-Börse notiert sind, Verfahren zur Entgegennahme, Speicherung und Bearbeitung von (vertraulichen, anonymen) Beschwerden in Bezug auf die Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen und Wirtschaftsprüfungsfragen einzuführen. Abschnitt 806 des SOX verpflichtet zur Gewährleistung des Schutzes von Beschäftigten börsennotierter Unternehmen vor Vergeltungsmaßnahmen. | Der SOX verpflichtet US-Aktiengesellschaften und ihre Unternehmenseinheiten in der EU sowie Nicht-US-Unternehmen, die an einer US-Börse notiert sind, Verfahren zur Entgegennahme, Speicherung und Bearbeitung von (vertraulichen, anonymen) Beschwerden in Bezug auf die Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen und Wirtschaftsprüfungsfragen einzuführen. Abschnitt 806 des SOX verpflichtet zur Gewährleistung des Schutzes von Beschäftigten börsennotierter Unternehmen vor Vergeltungsmaßnahmen. | ||
Zeile 46: | Zeile 42: | ||
==Whistleblowing in Großbritannien== | ==Whistleblowing in Großbritannien== | ||
War das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer lange Zeit eines der Unterordnung, so änderte sich das Arbeitnehmerbild im Laufe des 20. Jahrhunderts erheblich. Das Recht des Arbeitnehmers auf freie Meinungsäußerung endet nicht mehr unbedingt an den Werkstoren (vgl. Hepple: 1999, 205 ff.; Simitis: 1975, 132 ff.). Diese Veränderung betrifft auch das Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung einerseits und der vertraglichen Pflicht zur Verschwiegenheit andererseits. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und seine Rechtsprechung zur freien Meinungsäußerung (Art. 10 Abs. 1 EMRK) betont in diesem Zusammenhang die doppelte Dimension der Meinungsfreiheit als unabdingbares Element der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung einerseits und als grundlegendes Funktionselement eines freiheitlich demokratischen Staates andererseits (EGMR v. 07.12.1976, EuGRZ 1977, S. 38 ff. - Handyside gegen das Vereinigte Königreich). | |||
Damit beinhaltet dieses Grundrecht auch eine offenkundige Relevanz für das Verständnis des Whistleblowing-Gesetzes (PIDA 1998) in Großbritannien. | Damit beinhaltet dieses Grundrecht auch eine offenkundige Relevanz für das Verständnis des Whistleblowing-Gesetzes (PIDA 1998) in Großbritannien. |