Welt ohne Gefängnisse

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Die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gefängnisse ist den meisten Menschen suspekt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: was soll man denn sonst machen, wenn man Verbrecher weder umbringen noch frei herumlaufen lassen will? Das Gefängnis ist kein Wert an sich, aber so lange die Menschen keine Engel werden, so lange ist und bleibt es ein notwendiges Übel. Das ist die Meinung der Herrschenden, aber auch die Meinung der Beherrschten. Es ist sogar die Meinung der Gefangenen. Der Glaube an die Notwendigkeit des Gefängnisses ist heute weiter verbreitet als der Glaube an Gott. Und dennoch handelt es sich um einen Mythos. Einen Alltagsmythos. Denn eine Welt ohne Gefängnisse ist möglich. Das belegt Alejandro Gómez Jaramillo in diesem Buch. Er zeigt uns die herrschende Meinung und die enorme Kraft, mit der sich das Glaubenssystem von der Notwendigkeit der Gefängnisse allen Kritiken entgegenstemmt. Zu den wichtigsten Teilen seiner Ausführungen gehört die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Gegenargumenten, die immer dann vorgebracht werden, wenn die Perspektive einer Welt ohne Gefängnisse als weltfern, idealistisch und unrealistisch gebrandmarkt werden soll. Es sind dies insbesondere drei Einwände.

Erstens heißt es, die Abschaffung der Gefängnisse sei utopisch; sie übersteige die menschliche Vorstellungskraft - und was man sich nicht vorstellen könne, das könne man auch nicht realisieren. Die wenigen, die auf eine besondere Vorstellungskraft vertrauten und sich eine Welt ohne Gefängnisse ausmalten, seien keine Visionäre, sondern (harmlose oder weniger harmlose) Geisteskranke: eher mit Don Quixote in seinem Kampf gegen die Windmühlen zu vergleichen als mit aufgeklärten Reformern.

Was dieses Argument angeht, so habe ich der Widerlegung, die sich in diesem Buch findet, nichts hinzuzufügen (zumal der Autor das, was ich dazu zu sagen habe, freundlicherweise schon zitiert hat). Höchstens dieses: das Verhältnis von Vorstellung und Realität ist sehr viel mysteriöser, als die meisten Menschen glauben. Die meisten Menschen sagen: was man sich "nicht einmal vorstellen" kann, das muss logischerweise eine noch geringere Chance auf eine Daseinsform in der Realität haben. Was man sich "gerade noch" vorstellen kann, das hat vielleicht eine minimale Chance auf Realisierung; was man sich "nicht einmal vorstellen" kann, das hat absolut gar keine Chance, jemals Realität zu werden. Doch so ist es gerade nicht. Die reale Geschichte der Welt ist voller Ereignisse, die zur allgemeinen Verblüffung der Zeitgenossen passierten. Wer hat denn 1958 vorhergesehen, dass ein Jahr später eine 50jährige Castro-Herrschaft auf der Insel Cuba beginnen könnte? Wer hat 1916 die Oktoberrevolution in Russland und die Herrschaft Stalins vorhergesehen? Wer hat 1988 den Fall der Berliner Mauer und den Untergang der Sowjetunion vorhergesehen? Und wie wäre das allgemeine Urteil der Mehrheit über die drei oder vier Personen ausgefallen, die solche Vorhersagen gewagt hätten? Hätte man sie nicht für Phantasten, für Spinner und Sonderlinge gehalten? Und war es nicht genau das, was man in den USA über die Vorkämpfer der Sklavenbefreiung dachte, bis es dann plötzlich doch so weit war? Eine Welt ohne Sklaverei - das war für die Südstaatler bis zum Ende des amerikanischen Bürgerkriegs unvorstellbar. Mit anderen Worten: es sind immer nur wenige Individuen, deren Vorstellungskraft ausreicht, um sich ein Bild von einer möglichen Zukunft zu machen, die mehr ist als nur die Extrapolation eines bekannten Trends. Um der Vorstellungskraft auf die Sprünge zu helfen, kann es manchmal auch nützlich sein, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Was die Gefängnisse angeht, so schrumpft ihr Ewigkeits-Nimbus ganz gehörig, wenn wir einen distanzierten Blick auf die Geschichte des homo sapiens sapiens werfen. Menschenartige Wesen mit dem Gattungsnamen "homo" begannen ihre Existenz auf der Erde vor etwa zwei bis drei Millionen Jahren. Den "homo sapiens" gibt es seit rund 250 000 Jahren. Vor 10 000 Jahren wurden die ersten Menschen sesshaft: sie lernten Ackerbau und Viehzucht und gründeten feste Siedlungen. Bis dahin und noch viele Jahrtausende länger war die Welt unzweifelhaft eine Welt ohne Gefängnisse. Es gab Konflikte und Sanktionen, aber es gab weder "Kriminalität" noch "Gefängnisse". Und dies nicht nur dem Namen nach, sondern die Konfliktregelung war eher einem zukunftsorientierten Heilungs- und Wiedergutmachungsprozess vergleichbar als einer heutigen Strafe. Das Gefängnis folgte erst auf die Geburt der modernen Kriminalstrafe. In Europa, belehrte uns Gotthold Bohne, entstanden die Gefängnisse erst zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert in Norditalien. Andere verweisen, wie in diesem Buch sehr schön nachzulesen ist, auf das Bridewell und die Amsterdamer Institutionen im späten 16. Jahrhundert. Foucault wiederum geht sogar bis zur Zeit der "Großen Transformation" von 1760 bis 1840, um die Geburt des Gefängnisses zu datieren (Bohne 1925; Foucault 2004).

Das Gefängnis ist also eine sehr junge Institution, und es gibt einige Hinweise darauf, dass sie auch nicht viel älter werden, sondern durch andere Formen der Sanktionierung und Konfliktregelung schon bald abgelöst werden wird. Schon Gilles Deleuze (1992) hatte vielleicht nicht unrecht, als er vor einigen Jahren erklärte: Wie viele andere Einschließungsmilieus ist das Gefängnis eine Einrichtung, die schon längst überholt ist und nur noch auf ihre Abschaffung wartet.

Zweitens heißt es, eine Abschaffung der Gefängnisse sei deswegen unrealistisch, weil sie gar nicht isoliert durchzuführen sei, sondern als Voraussetzung eine Veränderung ganz anderer Strukturen der Gegenwartsgesellschaften erfordere. Ohne eine vorherige Veränderung der politischen und der ökonomischen Machtstrukturen sei die Abschaffung von Gefängnissen eine blanke Illusion.

Dies ist ein zähes Argument, weil es weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Es ist nicht ganz richtig, weil es das Verhältnis zwischen Ökonomie und Recht als Einbahnstraße zwischen der Basis (der Ökonomie) und dem Überbau (dem Recht) betrachtet, während sich doch sogar unter traditionellen Marxisten schon herumgesprochen hat, dass die Dinge sehr viel komplizierter sind und damit auch sehr viel mehr Dynamik entfalten können. Erstens ist die Zuordnung von gesellschaftlichen Phänomenen zu diesen beiden Sphären alles andere als eindeutig regelbar und zweitens führt kein Weg an der Anerkennung starker Wechselwirkungen zwischen "Basis" und "Überbau" vorbei. Viel wichtiger ist aber drittens, dass das Argument auch nicht ganz falsch ist. Tatsächlich geht eine signifikante Veränderung wie die Abschaffung einer Institution (wie z.B. des Gefängnisses) nie ganz isoliert, sondern impliziert auch Veränderungen in benachbarten Sphären. So wäre es z.B. ein durchaus berechtigter Gedanke, dass eine Abschaffung der Gefängnisse nicht möglich wäre ohne eine gewisse (auch tiefgreifende) Veränderung im Strafprozess, in der Straftheorie und in der ganzen Konfiguration von staatlichen Akteuren, Tätern und Opfern. Mit anderen Worten: es ist durchaus nicht falsch zu sagen, dass eine Abschaffung der Gefängnisse auch die Veränderung ganz anderer Strukturen der Gegenwartsgesellschaft impliziert. Doch diese Tatsache - und wahrscheinlich ist es eine - wird vielleicht auch falsch interpretiert, wenn man darin ein Hindernis für die Abschaffung der Gefängnisse betrachtet. Schon gar nicht eignet sich dieses Argument, um die Befürworter einer Welt ohne Gefängnisse als naive Trottel darzustellen. Vielmehr kann dieses Argument uns dafür sensibilisieren, dass bereits heute eine solche Entwicklung im Gang ist. Es ist eine Entwicklung, die real ist und die fortschreitet. Zugleich ist es eine Entwicklung, die heute noch kaum wahrgenommen wird, weil sie sich nicht dort vollzieht, wo der Fokus der Aufmerksamkeit liegt, sondern an den Rändern der wahrnehmbaren Welt. Es ist eine Entwicklung, die das Potential besitzt, auf mittlere Sicht das Gefängnis zu besiegen - und es ist eine Entwicklung, die Hand in Hand geht mit einer Transformation der Voraussetzungen, auf denen das Gefängnis beruht: einer Transformation dessen, was unter Gerechtigkeit verstanden wird, und unter der Lösung eines Konflikts.

Man darf sich freilich nicht vom Blick auf das Zentrum der Welt blenden lassen. Man muss auf die Ränder blicken. Das Zentrum der Macht sind die USA. Dort feiert das Gefängnis seine letzten großen Triumphe. In keinem Land der Erde wächst das System der Gefängnisse so schnell und so grenzenlos wie in den USA. Nirgendwo sitzt einer von 100 Bürgern hinter Gittern. Aber in den USA mit ihren (mehr als) 200 Millionen Einwohnern gibt es (mehr als) 2 Millionen Gefangene: "One in 100" (Pew 2008). Dass eine so rapide wachsende Institution schon bald Vergangenheit sein könnte, will angesichts solcher Entwicklungen nicht einleuchten.

Doch der Anschein des Erfolgs ist trügerisch. So trügerisch wie der Boom des Sklavenhandels, der seiner Abschaffung vorausgegangen war. Manche Institutionen scheinen ausgerechnet dann noch einmal explosionsartig expandieren zu wollen, wenn sie das Ende nahen spüren - ähnlich wie Sterne, die sich bekanntlich kurz vor dem Sternentod noch einmal ganz gewaltig auszudehnen pflegen. Und ist es nicht eine erwiesene historische Tatsache, dass der Sklavenhandel über den Atlantik seinen Höhepunkt genau in den Jahrzehnten erlebte, die seiner Abschaffung unmittelbar vorausgingen? Wer die wahnsinnige Geschwindigkeit beobachtet, mit der das amerikanische Gefängnissystem alle bisherigen Dimensionen der Einsperrung wie ein Hürdenläufer überspringt, kann gar nicht anders, als an diese Beispiele zu denken. Dies auch deshalb, weil sich in den USA gerade wegen des Irrsinns der Gefängnis-Explosion immer mehr Nicht-Regierungs-Organisationen mit den Ursachen dieser Misere, mit ihren ökonomischen und menschlichen Kosten, mit Alternativen zum Gefängnis und mit Öffentlichkeitsarbeit gegen das Gefängnis befassen. Es ist diese Art der Selbst-Aufklärung und Selbst-Mobilisierung der Zivilgesellschaft, die schon früher die Weichen für große Veränderungen gestellt hatte und die es bald auch in bezug auf die Große Einsperrung tun könnte.

Vor allem aber ist es ungeheuer wichtig, sich nicht vom Zentrum des Imperiums blenden zu lassen. Wer immer nur auf Amerika und Europa blickt, dem entgeht das Wichtigste, was es im Augenblick zur Zukunft des Gefängnisse zu sehen gibt. Ich meine: die Bewegung zur "Restorative Justice". Diese Bewegung, die sich zunächst fast unbemerkt an den Rändern der alten angelsächsischen Kriminologie - in Australien, Neuseeland und Kanada - entwickelte, nimmt Abschied von den langweiligen Ritualen des Streits zwischen linker, liberaler und rechter Kriminalpolitik. Sie interessiert sich weder für das Ideal der fürsorglichen Behandlung noch für das neo-konservative oder neo-klassische Programm der just deserts. Nicht umsonst entwickelte sich "Restorative Justice" in Gegenden, in denen es noch intakte Gemeinschaften der Urbevölkerung gab - und die ersten Impulse kamen denn auch von der Kulturanthropologie der 60er und 70er Jahre sowie von rechtssoziologischen Forschungen,die sich mit dem Konflikt der traditionellen Rechtsordnung mit dem kolonialen Recht befasst hatten. Aus dieser Perspektive entwickelte sich das Bild einer von dem traditionell "westlichen" Modell radikal abweichenden Art der Lösung von "kriminellen" Konflikten, die gleichwohl (und nach der Ansicht vieler Intellektueller sogar "besser") funktioniert (vgl. Györy 2008).

Nach John Braithwaite ist Restorative Justice eine Form der Rechtsprechung, an der möglichst alle von einer Handlung betroffenen Personen teilnehmen und sowohl die Handlung selbst als auch deren Folgen für alle Betroffenen möglichst zwanglos besprechen. Es geht dabei um die Art und Weise der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens sowohl in psychischer als auch in materieller Hinsicht. Es geht um den Gefühls- und den Materialschaden auf der Seite des Opfers wie auch um die Wiederherstellung des Status des Täters in der Gemeinschaft - und last not least geht es um die Wiederherstellung der sozialen Kohäsion, die durch die Handlung geschwächt wurde. Zentral ist dabei die moralische Beschämung des Täters: erst wenn der Täter sich für seine Tat schämt, wenn er das Unrecht und die Notwendigkeit der Wiedergutmachung einsieht und bereit ist, sich dafür auch selbst zu engagieren, wird es möglich, ihm eine Brücke zur Reintegration zu bauen (reintegrative Beschämung). Eine zweite wichtige Voraussetzung ist die Zwanglosigkeit der Kommunikation - das heißt aber auch: die größtmögliche Distanz zu staatlichen Zwangspersonen wie Staatsanwälten oder Richtern. Schon das unterscheidet die Restorative Justice gravierend vom herkömmlichen Strafprozess. Tatsächlich ist aber praktisch alles anders - sogar das Ziel der Verhandlung. Ziel ist nicht eine abstrakte Bestrafung und die Wiederherstellung eines abstrakten Rechtsfriedens, sondern die positive Beendigung des Konfliktsfür die unmittelbar Beteiligten, die "caring community". Das Ziel ist nicht die Strafe und die Stärkung der staatlichen Autorität, sondern die Heilung von Verletzungen.

In einer breit angelegten Sekundäranalyse kommt John Braithwaite (2001) zu dem Schluss, dass es Alternativen zur traditionellen Strafjustiz und zum Gefängnis gibt, die diesen in jeder Hinsicht überlegen sind. In jeder Hinsicht heißt: im Hinblick auf die Bedürfnisse der Opfer von Straftaten, aber auch im Hinblick auf die Einwirkung auf die Täter und im Hinblick auf die Erwartungen des sozialen Umfeldes im Stadtviertel oder in der Gemeinde. Interessanterweise zeitigt Restorative Justice in der Praxis sogar im Hinblick auf die Ziele der Abschreckung, der Sicherung (Unschädlichmachung) und Resozialisierung bzw. Rehabilitation bessere Ergebnisse als das herkömmliche Strafsystem. "Aktive Abschreckung" als Teil einer dynamischen Regulationspyramide im Sinne Braithwaites ist geradezu ein Markenzeichen gut funktionierender Restorative Justice in einem dynamischen Eskalationssystem, das jeweils nur dann zur nächsten Stufe übergeht, wenn Reaktionen auf der darunter liegenden Intensitätsstufe wiederholt wirkungslos bleiben. - Die Kritiker können also beruhigt sein: zusammen mit der Abschaffung der Gefängnisse werden gleichzeitig auch noch andere Strukturen unserer Gesellschaft verändert. Sogar die Strukturen der Strafjustiz und die Vorstellungen von der Rolle des Staates und seiner Zwangsinstitutionen bei einer gerechten Konfliktlösung.

Der dritte Einwand gegen die Abschaffung der Gefängnisse betrifft die Frage der Wahrung der Grundrechte und der prozessualen Garantien. Wenn die reintegrative Beschämung eine möglichst große Distanz zu den staatlichen Zwangsapparaten erfordert, dann stellt sich sofort die Frage, wie unter solchen Bedingungen die Grundrechte der Beteiligten und ihre prozessualen Garantien zu sichern sind. Das ist tatsächlich ein Dilemma. Denn ohne Staat besteht immer das Risiko der Verzerrung des Gesprächsprozesses durch die unterschiedlich verteilte soziale Macht. Holt man den Staat aber zurück, riskiert man das Scheitern der auf Ungezwungenheit basierenden Konfliktregelung.

Interessanterweise ist es wieder John Braithwaite, der sich dieses Problems angenommen hat, indem er sich mit der Frage nach den "Standards für wiederherstellende Gerechtigkeit" und ihrem Verhältnis zu juristischen Garantien auseinandersetzte (Braithwaite 2002). Gewisse juristische Garantien wie z.B. das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz und das des due process können in der Restorative Justice wegen ihrer Konzentration auf die jeweils einzigartige Situation nur beschränkt zur Geltung kommen. Es gelingt John Braithwaite aber, auch die Rolle und die Funktion der strafrechtlichen Konfliktregelung im Rahmen einer neuen Theorie der Gerechtigkeit umzudeuten, deren zentraler Wert die Freiheit von Fremdbestimmung darstellt (freedom as non-domination). Das Ziel von Restorative Justice ist es in John Braithwaites "Republikanischem Modell" der reintegrierenden Beschämung, die richtige Lösung zu finden. Das Maß für die Richtigkeit ist das "Dominium" aller Beteiligten, d.h. die Maximierung von Würde, Freiheit und Eigentum bei allen, die an dem Konflikt beteiligt waren oder sind.

Der vierte Einwand gegen die Abschaffung der Gefängnisse ist ausgerechnet die Straflosigkeit der Mächtigen. Selbst wenn man das Gefängnis abschaffen wolle, müsse man es doch für die großen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beibehalten. Oder wolle man die denn einfach laufen lassen?

Abgesehen davon, dass man sie immer hat laufen lassen, gibt es natürlich viele gute Gründe, die oberen Etagen der Macht mit mehr Gründlichkeit nach Delikten zu durchforsten. Auch das hat übrigens John Braithwaite (2005) vorgemacht. Wenn es aber stimmt, dass dem Wohl der Gesellschaft am besten gedient ist mit einer Art der Rechtsprechung, die nicht einfach auf Vergeltung, sondern auf "wiederherstellende Gerechtigkeit" abzielt und auf die Maximierung von Freiheit, Würde und Eigentum aller Beteiligten sowie auf das reintegrierende Beschämen der Täter, dann gibt es keinen guten Grund, das neue System der Konfliktregelung nicht auch auf solche Fälle anzuwenden.

An diesem Punkt bemerke ich, dass ich dabei bin, entweder nur die Argumente, die ich in diesem Buch gelesen habe, zu wiederholen - oder aber als Ergänzung dazu ein weiteres Buch unter dem Deckmantel des Vorworts zu verfassen. Da ich weder das eine noch das andere beabsichtigte, als ich zu schreiben anfing, mache ich hier Schluss und ergänze das Literaturverzeichnis um einige Publikationen, denen ich für die Zukunft mehr Aufmerksamkeit wünsche. Es gibt zwar noch viel zu sagen. Aber es wird auch noch viel gesagt werden. Nur nicht jetzt. Nicht von mir. Ich bin froh über dieses Buch. Wir alle können es sein.

Hamburg, den 12. März 2008 Sebastian Scheerer


Anmerkungen (1) Boh

Literatur

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  • Feest, Johannes & Bettina Paul (2008b) Abolitionismus. Einige Antworten auf oft gestellte Fragen. Kriminologisches Journal 40: 6-20.
  • Foucault, Michel (2004) Vigilar y Castigar. Nacimiento de la prisión. Mexico, D.F.: siglo XXI.
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