Verwahrung

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Die Verwahrung nach schweizerischem Strafgesetzbuch (StGB) ist eine sichernde Massnahme auf unbeschränkte Zeit mit dem Ziel des Schutzes der Öffentlichkeit durch Ein- bzw. Wegschliessung eines gefährlichen Täters nach dem Strafvollzug. In ihrer Zielsetzung entspricht die Verwahrung dabei der Sicherungsverwahrung nach deutschem Recht.


Die gesetzliche Regelung der Verwahrung

Die ordentliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB

Voraussetzungen der Anordnung

Die Anordnung der ordentlichen Verwahrung ist nach Art. 64 Abs. 1 unter mehreren kumulativ vorhandenen Voraussetzungen möglich: Erstens ist die tatbestandsmässige, wenn auch nur versuchte, und rechtswidrige Erfüllung einer der aufgeführten Anlasstaten nach dem Katalog von Art. 64 StGB erforderlich, somit eines Mordes (Art. 112 StGB), einer vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), einer schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB), einer Vergewaltigung (Art. 190 StGB), eines Raubes (Art. 140 StGB), einer Geiselnahme (Art. 185 StGB), einer Brandstiftung (Art. 221 StGB) oder einer Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB). Alternativ zu diesem abschliessenden Katalog enthält des Gesetz eine Generalklausel, wonach auch eine mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat, durch welche, angelehnt an den Sprachgebrauch des Opferhilfegesetzes, die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt wurde resp. werden sollte, genügt.

Im weiteren ist die ernsthafte, d.h. mit prognostisch hoher Wahrscheinlichkeit verbundene Erwartung bzw. Befürchtung, erforderlich, dass der Täter auf Grund seiner Persönlichkeitsmerkmale, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände weitere Taten dieser Art begeht (lit. a). Nach dieser Formel können somit theoretisch auch psychisch gesunde Ersttäter verwahrt werden (bei denen die Prognose eine Widerholungsgefahr besonders schwer zu treffen ist), was ein Novum gegenüber Art. 42 aStGB darstellt, da nach damals geltendem Recht nur geistig Abnorme sowie Gewohnheitsverbrecher, nicht aber gesunde Ersttäter verwahrt werden konnten. (nach Stratenwerth eine reine Leerformel, die unbestimmt und daher menschenrechtswidrig ist /). Ferner ist nach lit. b unter Bezugnahme auf die Rückfallgefahr eine Verwahrung von Tätern mit einer psychiatrischen Diagnose zulässig auf Grund einer anhaltenden oder lang andauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Anlasstat im Zusammenhang steht und wiederum ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer stationären therapeutischen Massanahme nach Artikel 59 keinen Erfolg verspricht, d.h. von einer Unbehandelbarkeit des psychisch gestörten Täter ausgegangen werden muss.

Nach Art. 56 Abs. 3 StGB ist zur Anordnung einer Verwahrung zwingend ein psychiatrisches Gutachten zur Rückfallgefahr und Therapierbarkeit einzuholen. Art. 64 Abs. 2 StGB weicht vom vikariierenden System des Massnahmerechts und dem Grundsatz des Vorrangs der Massnahme vor der Strafe ab, indem zugunsten eines kumulativen Systems ausdrücklich postuliert wird, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe der Verwahrung voraus geht bzw. der Vollzug der Verwahrung an die Freiheitsstrafe anschliesst. Diebsbezüglich wird von der Lehre die Frage einer Kollision mit dem Grundsatz 'ne bis in idem' gestellt, zumal nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe das verübte Unrecht eigentlich abgegolten ist. Besteht während des Vollzugs der Freiheitsstrafe die hohe Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters in der Freiheit, so kann das Gericht, welches urspünglich die Verwahrung angeordnet hatte, nach Art. 64 Abs. 3 StGB den Täter bedingt auf dem Strafvollzug entlassen und der Vollzug der Verwahrung wird damit natürlich aufgeschoben. Diese Möglichkeit der Entlassung aus dem Strafvollzug ist nicht mit der Entlassung aus der Verwahrung nach Art. 64a StGB nicht zu verwechseln. Die Verwahrung wir in einer Massnahmevollzugsanstalt oder in einer Strafanstalt vollzogen. Art. 64 Abs. 4 statuiert dazu ausdrücklich, dass dabei die 'öffentliche Sicherheit' zu gewährleisten ist. Ist dies der Fall, so erlaubt das Gesetz nach Art. 99 Abs. 2bis StGB sogar den Vollzug in Form eines Wohn- und Arbeitsexternats.

Aufhebung und Entlassung

Nach Art. 64a StGB wird der Täter aus der Verwahrung mit einer Probezeit von zwei bis fünf Jahren bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt, was soviel bedeutet, dass in Bezug auf die Gefahr der Begehung weiterer Anlasstaten von einer günstigen Prognose ausgegangen werden kann. Bei ernstzunehmenden Anhaltspunkten für eine Rückfallgefahr ist die Rückversetzung des bedingt Entlassenen in die Verwahrung möglich, selbst wenn tatsächlich kein neues Delikt verübt worden ist (Art. 64a Abs. 3 StGB). Hat sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so ist er endgültig entlassen (Art. 64a Abs. 5 StGB). Die Verwahrung wird gemäss Art. 64b StGB durch die zuständige Behörde auf Gesuch hin oder von Amtes wegen periodisch überprüft, wobei gestützt auf einen Bericht der Anstaltsleitung, einer unabhängigen sachverständigen Begutachtung, der Anhörung einer Fachkommission sowie des Täters zu entscheiden ist(Art. 64b Abs. 3 StGB).

Die lebenslängliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1bis StGB

Die Verwahrungsinitiative

Am 3. Mai 2000 wurde die Volksinitiative mit dem Titel 'Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter' mit 194390 gültigen Unterschriften in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht. Die Initianten der Initiative wollten für extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter eine Verwahrung mit restriktiven Entlassungsbedingungen einführen. Eine Entlassung sollte danach nur geprüft werden können, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse belegen würden, dass der Täter geheilt werden könne und künftig für die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstelle. Zudem sollten Gutachten zur Beurteilung von Sexual- und Gewaltstraftätern immer von zwei voneinander unabhängigen Experten erstellt werden müssen und die Behörden für Rückfälle entlassener Täter verantwortlich gemacht werden können. Am 4. April 2001 empfahl der Bundesrat dem Parlament, die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung, da sie 'offene Türen einrenne', da die damals laufende Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches als zentrales Element den Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern ohnehin bereits vorsehe. Zudem sei die lebenslange Verwahrung bereits nach geltendem Recht möglich. Ferner ziele die Initiative nur auf die kleine Gruppe der psychisch gestörten Delinquenten und erfasse damit einen wesentlichen Teil der gefährlichen Straftäter nicht. Die Initiative äussere sich auch nicht, wie die lebenslange Verwahrung zu vollziehen sei. Schliesslich seien die neu zu schaffenden Sicherheitsschranken kompliziert und unzweckmässig und die in allen Kantonen vorhandenen Fachkommissionen ermöglichten eine fundierte und breit abgestützte Beurteilung gefährlicher Straftäter. Am 8. Februar 2004 haben Volk und Stände entgegen der Empfehlung des Bundesrates die sog. Verwahrungsinitiative und damit Artikel 123a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit 56.2% Ja-Stimmen angenommen, welcher damit sofort in Kraft trat. Am 2. April 2004 wurde eine Arbeitsgruppe mit der Konkretisierung der als interpretationsbedürftig empfundenen neuen Verfassungsbestimmung beauftragt. Am 23. November 2005 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Umsetzung der Verwahrungsinitiative. Am 1. August 2008 schliesslich setzte der Bundesrat auf Gesetzesstufe die Ausführungsbestimmungen zur lebenslangen Verwahrung mit Art. 64 Abs. 1bis StGB in Kraft, womit dem zentralen Anliegen der Verwahrungsinitiative, des Schutzes der Gesellschaft vor extrem gefährlichen Straftäter, unter gleichzeitiger Beachtung der Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprochen wurde.

Voraussetzungen der Anordnung

Gleich wie bei der ordentlichen Verwahrung enthält das Gesetz einen abschliessenden Anlasstatenkatalog, jedoch keine den Anwendungsbereich ausdehnende Generalklausel. Die Anlasstaten, bei denen das Gericht die lebenslängliche Verwahrung anordnen muss, sind weitgehend, aber nicht völlig deckungsgleich mit den Tatbeständen der ordentlichen Verwahrung. So fehlen bei der lebenslänglichen Verwahrung die Tatbestände der Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) und der Brandstiftung (Art. 221 StGB). Ergänzt wird der Katalog im Vergleich mit der ordentlichen Verwahrung aber um die Tatbestände der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB), der Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 StGB), des Menschenhandels (Art. 182 StGB), des Völkermordes (Art. 264 StGB) und der Verletzung des Völkerrechts nach Art. 108 bis 113 des Militärstrafgesetzes. Zur Aussprechung einer lebenslänglichen Verwahrung ist eine tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhafte, nicht aber zwingend vollendete Tatbegehung erforderlich. Kumulativ wird für eine Anordnung verlang, dass der Täter mit dem Verbrechen vorsätzlich die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte (lit. a), er dadurch seine extreme Gefährlichkeit manifestiert, indem bei ihm eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er erneut ein Verbrechen gemäss Katalog begeht (lit. b) und der Täter dauerhaft - also nicht nur vorübergehend - als nicht therapierbar eingestuft wird, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht (lit. c). Ebenso wie bei der ordentlichen, kann die lebenslängliche Verwahrung somit auch für einen erstmaligen und psychisch nicht gestörten Täter angeordnet werden, obschon dies vom Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird. Insofern ist nicht klar ersichtlich, welche Therapie nach lit. c überhaupt gemeint sein soll, wenn es sich um einen Täter handelt, der gar keiner Therapie bedarf. Für die Anordnung einer lebenslänglichen Verwahrung hat sich das Gericht in seinem Entscheid gemäss Art. 56 Abs. 4bis auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Gutachtern zu stützen. Ein durch zwei Sachverständige gemeinsam erstelltes Gutachten reicht gemgemäss nicht aus. In besonderem Masse ist natürlich auch bei der lebenslänglichen Verwahrung die 'öffentliche Sicherheit' gemäss Art. 64 Abs. 4 StGB zu gewährleisten. Urlaube oder andere Vollzugsöffnungen dürfen daher nicht bewilligt werden. Der Vollzug in Form eines Wohn- und Arbeitsexternats ist aber auch hier laut Art. 90 Abs. 2bis und 4ter StGB möglich.

Prüfung der Entlassung und bedingte Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung

Konflikt mit Art. 5 Abs. 4 EMRK

Art. 64c StGB

Die nachträgliche Verwahrung nach Art. 65 Abs. 2 StGB

Mit der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches trat am 1. Januar 2007 Abs. 2 der Bestimmung von Art. 65 StGB in Kraft. Sie ermöglicht bei Tätern, die ursprünglich einzig zu einer Freiheitsstrafe mit zwangsläufig begrenzter Dauer verurteilt worden sind, nicht aber zu einer Verwahrung, diese nachträglich anzuordnen, wenn deren Voraussetzungen bereits im Zeitpunkt der ersten Verurteilung bestanden haben, das Gericht davon aber keine Kenntnis haben konnte. Mit Art. Art. 65 Abs. 2 StGB wurde die gesetzliche Grundlage für eine Revision zu Ungunsten des Täters geschaffen, deren Zulässigkeit in der Lehre allgemein umstritten ist und in Form der nachträgliche Anordnung der Verwahrung gar als rechtsstaatlich unzulässig beurteilt wird, da sie das Verbot der Doppelbestrafung und des Grundsatzes ne bis in idem verletzen.

Kritik

viele unbestimmte Rechtsbegriffe massiver Eingriff in persönliche Freiheit bzw. Freiheitsrechte, Frage der Verhältnismässigkeit (Weber ZStrR, 120 (2002) 398 Aussicht auf Entlassung ist bei der Verwahrung schwindend klein. Schwierigkeiten der Prognose (Es braucht einen Fernblick zum Zeitpunkt des Urteils, wie sich der Täter nach Vollzug der Freiheitsstrafe nach vielleicht 10 Jahren präsentiert).vgl 375 Trechsel / Pauen N 18 Mitte

Abwägung des Bedürfnisses der Öffentlichkeit bzw. Bevölkerung nach Sicherheit mit den Persönlichkeitsrechten des Täters.

Rückfallprognosen sind immer ungenau.

vgl. zum Katalog der LlV: S. 374 Trechsel / Pauen N 15/17Mitte vgl. zum Anwendungsbereich der LlV: S. 376 Trechsel / Pauen N 20: selten bis nie, symbolische Gesetzgebung.

Positiv: Die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern im Sinn von Art. 42 wurde gestrichen.

Weblinks

Weiterführende Literatur

  • Anastasiadis-Ritzmann Renate: Massnahmen: Bewegende Neuerungen oder 'alter Wein in neuen Schläuchen?' in: ZStrR 126 (2008) 264
  • Bänziger Felix/Hubschmid Annemarie/Sollberger Jürg (Hrsg.): Zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafrechts und zum neuen materiellen Jugendstrafrecht, 2. Auflage, Bern 2006
  • Hansjakob Thomas/Schmitt Horst/Sollberger Jürg (Hrsg.): Kommentierte Textausgabe zum revidierten Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Luzern 2006
  • Jositsch Daniel/Bischoff Patrick: Die Verwahrungsinitiative - ein Pyrrhussieg?, in: Jusletter 17. Januar 2005
  • Kunz Karl-Ludwig: Zur Neugestaltung der Sanktionen des Schweizerischen Erwachsenenstrafrechts, in: ZStrR 117(1999) 234
  • Kunz Karl-Ludwig: Die Verwahrung psychisch unauffälliger Straftäter - ein Problem für den Rechtsstaat? Überlegungen zur Legitimität der sichernden Verwahrung, in: ZStrR 122 (2004) 234
  • Kunz Karl-Ludwig: Zum Problem der gesetzlichen Umsetzung der Verfassungsbestimmungen über die lebenslängliche Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter (Art. 123a der Bundesverfassung): Eine Quadratur des Kreises, in: ZStrR 125 (2007) 96
  • Kunz Karl-Ludwig/Stratenwerth Günter: Zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwahrung, in: ZStrR 123 (2005) 2
  • Stratenwerth Günter: Die freiheitserziehenden Massnahmen im bundesrätlichen Entwurf für die Revision des Allgemeinen Teils des StGB, in: ZStrR 117 (1999) 277
  • Stratenwerth Günter: Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006
  • Stratenwerth Günter: Neuere Strafgesetzgebung - eine Philippika, in: ZStrR 127 (2009) 114
  • Trechsel Stefan: Von der Initiative zum Strafgesetz, in: Jusletter 17. Mai 2004
  • Trechsel Stefan et al.: Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, Zürich, St. Gallen, 2008
  • Weber Jonas Peter: Zur Verhältnismässigkeit der Sicherungsverwahrung, in: ZStrR 120 (2002) 398