Verwahrung

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Die Verwahrung ist die Aufbewahrung von jemandem oder von einer Sache für einen späteren Zweck (Verwahrung von Wertsachen; Verwahrung einer Person). Kriminologisch von Bedeutung ist die freiheitsentziehende Verwahrung von Personen, die ohne Strafgrund zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit gegen ihren Willen eingesperrt werden. Diese Art der Verwahrung, die den Betroffenen, da sie keine Strafe (mehr) verbüßen, eine Art Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit abverlangt, ist in vielen Staaten gesetzlich geregelt und in manchen auch so benannt. So heißt sie in Deutschland Sicherungsverwahrung, in der Schweiz aber vollkommen schnörkellos Verwahrung. Insofern entspricht die schweizerische "Verwahrung" der deutschen "Sicherungsverwahrung".

Die Verwahrung nach schweizerischem Recht

Verwahrung nach schweizerischem Strafgesetzbuch (StGB) ist eine sichernde Massnahme auf unbeschränkte Zeit mit dem Ziel des Schutzes der Öffentlichkeit durch Ein- bzw. Wegschliessung eines gefährlichen Täters nach dem Strafvollzug. In ihrer Zielsetzung entspricht die Verwahrung dabei der Sicherungsverwahrung nach deutschem Recht.

Eine Verwahrung muss aus spezialpräventiver Notwendigkeit grundsätzlich dann angeordnet werden, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer, die öffentliche Sicherheit gefährdender Straftaten des Täters, zu begegnen (Art. 56 Abs. 1 lit. a und b StGB). Als isolierende Massnahme darf sie nach dem Grundsatz der Subsidiarität als ultima ratio aber nur dann angeordnet werden, wenn vorrangig anzuordnende resozialisierende Massnahmen keinen Erfolg versprechen (Art. 56a Abs. 1 StGB).

Die ordentliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB

Voraussetzungen der Anordnung

Die Anordnung der ordentlichen Verwahrung ist nach Art. 64 Abs. 1 StGB unter mehreren kumulativ gegebenen Voraussetzungen möglich: Erstens ist die tatbestandsmässige, wenn auch nur versuchte, und rechtswidrige Erfüllung einer der aufgeführten Anlasstaten nach dem Katalog von Art. 64 StGB erforderlich, somit eines Mordes (Art. 112 StGB), einer vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), einer schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB), einer Vergewaltigung (Art. 190 StGB), eines Raubes (Art. 140 StGB), einer Geiselnahme (Art. 185 StGB), einer Brandstiftung (Art. 221 StGB) oder einer Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB). Alternativ zu diesem abschliessenden Katalog enthält des Gesetz eine Generalklausel, wonach auch eine mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat genügt, durch welche - in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Opferhilfegesetzes - die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt wurde resp. werden sollte.

Im weiteren ist die ernsthafte, d.h. mit prognostisch hoher Wahrscheinlichkeit verbundene Erwartung bzw. Befürchtung erforderlich, dass der Täter auf Grund seiner Persönlichkeitsmerkmale, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände weitere Taten dieser Art begeht (lit. a). Nach dieser Formel können somit theoretisch auch psychisch gesunde Ersttäter verwahrt werden, bei welchen die Prognose einer Widerholungsgefahr besonders schwer zu treffen ist und ein Novum gegenüber Art. 42 aStGB darstellt, nach welchem nur geistig Abnorme sowie Gewohnheitsverbrecher, nicht aber gesunde Ersttäter verwahrt werden konnten. Ferner ist nach lit. b unter Bezugnahme auf die Rückfallgefahr eine Verwahrung von Tätern mit einer psychiatrischen Diagnose zulässig auf Grund einer anhaltenden oder lang andauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Anlasstat im Zusammenhang steht und wiederum ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Artikel 59 StGB keinen Erfolg verspricht, d.h. von einer Unbehandelbarkeit des psychisch gestörten Täters ausgegangen werden muss.

Nach Art. 56 Abs. 3 StGB ist zur Anordnung einer Verwahrung zwingend ein psychiatrisches Gutachten zur Rückfallgefahr und Therapierbarkeit einzuholen. Art. 64 Abs. 2 StGB weicht vom vikariierenden System des Massnahmerechts und dem Grundsatz des Vorrangs der Massnahme vor der Strafe ab, indem zugunsten eines kumulativen Systems ausdrücklich postuliert wird, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe der Verwahrung voraus geht bzw. der Vollzug der Verwahrung an die Freiheitsstrafe anschliesst. Diesbezüglich wird von der Lehre die Frage einer Kollision mit dem Grundsatz 'ne bis in idem' gestellt, zumal nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe das verübte Unrecht eigentlich abgegolten ist.

Besteht während des Vollzugs der Freiheitsstrafe die hohe Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters in der Freiheit, so kann das Gericht, welches ursprünglich die Verwahrung angeordnet hat, nach Art. 64 Abs. 3 StGB den Täter bedingt aus dem Strafvollzug entlassen und der Vollzug der Verwahrung wird damit aufgeschoben. Diese Möglichkeit der Entlassung aus dem Strafvollzug ist nicht mit der Entlassung aus der Verwahrung nach Art. 64a StGB zu verwechseln.

Die Verwahrung wir in einer Massnahmevollzugsanstalt oder in einer Strafanstalt vollzogen. Art. 64 Abs. 4 StGB statuiert dazu ausdrücklich, dass dabei die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten ist. Ist dies der Fall, so erlaubt das Gesetz nach Art. 99 Abs. 2bis StGB sogar den Vollzug in Form eines Wohn- und Arbeitsexternats.

Aufhebung und Entlassung

Nach Art. 64a StGB wird der Täter aus der Verwahrung mit einer Probezeit von zwei bis fünf Jahren bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Dies bedeutet soviel, dass in Bezug auf die Gefahr der Begehung weiterer Anlasstaten von einer günstigen Prognose ausgegangen werden kann. Bei ernstzunehmenden Anhaltspunkten für eine Rückfallgefahr ist die Rückversetzung des bedingt Entlassenen in die Verwahrung möglich, selbst wenn tatsächlich kein neues Delikt verübt worden ist (Art. 64a Abs. 3 StGB). Hat sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so ist er endgültig entlassen (Art. 64a Abs. 5 StGB).

Die Verwahrung wird gemäss Art. 64b StGB durch die zuständige Behörde auf Gesuch hin oder von Amtes wegen periodisch überprüft, wobei der Bericht der Anstaltsleitung, eine unabhängige sachverständigen Begutachtung (vgl. dazu auch Art. 56 Abs. 4 StGB) und die Empfehlung der Fachkommission einzuholen sowie der Täter anzuhören ist (Art. 64b Abs. 3 StGB).

Die lebenslängliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1bis StGB

Die Verwahrungsinitiative

Am 3. Mai 2000 wurde die Volksinitiative mit dem Titel 'Lebenslängliche Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter' mit 194390 gültigen Unterschriften in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht. Die Urheberinnen der Initiative wollten für extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter eine Verwahrung mit restriktiven Entlassungsbedingungen einführen. Eine Entlassung sollte danach nur geprüft werden können, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass der Täter geheilt werden könne und künftig für die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstelle. Zudem sollten Gutachten zur Beurteilung von Sexual- und Gewaltstraftätern immer von zwei voneinander unabhängigen Experten erstellt werden und die Behörden für Rückfälle entlassener Täter verantwortlich gemacht werden können.

Am 4. April 2001 empfahl der Bundesrat dem Parlament, die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung, da sie 'offene Türen' einrenne, da die damals laufende Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches als zentrales Element den Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern ohnehin bereits vorsehe. Zudem sei die lebenslängliche Verwahrung nach geltendem Recht möglich und die Initiative ziele nur auf die kleine Gruppe der psychisch gestörten Delinquenten und erfasse damit einen wesentlichen Teil der gefährlichen Straftäter nicht. Die Initiative äussere sich auch nicht, wie die lebenslängliche Verwahrung zu vollziehen sei. Schliesslich seien die neu zu schaffenden Sicherheitsschranken kompliziert und unzweckmässig und die in allen Kantonen vorhandenen Fachkommissionen ermöglichten eine fundierte und breit abgestützte Beurteilung gefährlicher Straftäter.

Am 8.02.2004 stimmten gut 56% der Abstimmenden (entgegen der Empfehlung des Bundesrates) für die "Verwahrungs-Initiative" und damit für die lebenslange Inhaftierung gefährlicher Gewalt- und Sexualverbrecher. Damit trat der entsprechende Artikel 123a der Bundesverfassung sofort in Kraft. Das Parlament tat sich wegen vermuteter Kollisionen mit den Menschenrechten (Europäische Menschenrechts-Konvention; EMRK) schwer mit der Umsetzung dieses Gesetzgebungsauftrags. Am 2. April 2004 wurde eine Arbeitsgruppe mit der Konkretisierung der als interpretationsbedürftig empfundenen neuen Verfassungsbestimmung beauftragt und am 23. November 2005 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Umsetzung der Verwahrungsinitiative.

2007 lehnte sich die Rechtskommission des Nationalrats an die Vorschläge des Bundes- und des Ständerats an und schlug vor, dass die lebenslang Verwahrten zwar grundsätzlich mit lebenslanger Unfreiheit rechnen müßten, gleichwohl aber die Hoffnung auf Freilassung nicht prinzipiell aufgeben müßten. Vor die Freilassung sei aber eine Kaskade von Maßnahmen zu schalten. Insbesondere müßten die Behörden prüfen, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, wonach der Täter oder die Täterin derart therapiert werden könnte, dass er oder sie für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstelle. Diese Behandlung werde dem Täter oder der Täterin angeboten und in einer geschlossenen Einrichtung vorgenommen. Sei die Gefährlichkeit danach "erheblich verringert", so könne das Gericht die lebenslange Verwahrung aufheben und eine stationäre Therapie anordnen. Zudem könne das Gericht den Täter oder die Täterin aus der lebenslangen Haft bedingt entlassen, wenn er oder sie infolge hohen Alters, schwerer Krankheit oder anderer Gründe keine Gefahr mehr darstelle.

Am 1. August 2008 schliesslich setzte der Bundesrat auf Gesetzesstufe die Ausführungsbestimmungen zur lebenslänglichen Verwahrung mit Art. 64 Abs. 1bis StGB in Kraft, womit dem zentralen Anliegen der Verwahrungsinitiative, dem Schutz der Gesellschaft vor extrem gefährlichen Straftäter, unter gleichzeitiger Beachtung der Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprochen wurde.

Voraussetzungen der Anordnung

Gleich wie bei der ordentlichen Verwahrung enthält das Gesetz einen abschliessenden Anlasstatenkatalog, jedoch keine den Anwendungsbereich ausdehnende Generalklausel.

Die Anlasstaten, bei denen das Gericht die lebenslängliche Verwahrung anordnen muss, sind weitgehend, aber nicht völlig deckungsgleich mit den Tatbeständen der ordentlichen Verwahrung. So fehlen bei der lebenslänglichen Verwahrung die Tatbestände der Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) und der Brandstiftung (Art. 221 StGB). Ergänzt wird der Katalog im Vergleich mit der ordentlichen Verwahrung aber um die Tatbestände der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB), der Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 StGB), des Menschenhandels (Art. 182 StGB), des Völkermordes (Art. 264 StGB) und der Verletzung des Völkerrechts nach Art. 108 bis 113 des Militärstrafgesetzes.

Zur Aussprechung einer lebenslänglichen Verwahrung ist eine tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhafte, nicht aber zwingend vollendete Tatbegehung erforderlich.

Kumulativ wird für eine Anordnung verlangt, dass der Täter mit dem Verbrechen vorsätzlich die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte (lit. a), er dadurch seine extreme Gefährlichkeit manifestiert hat, indem bei ihm eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er erneut ein Verbrechen gemäss Katalog begeht (lit. b) und der Täter dauerhaft - also nicht nur vorübergehend - als nicht therapierbar eingestuft wird, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht (lit. c). Ebenso wie bei der ordentlichen, kann die lebenslängliche Verwahrung somit auch für einen erstmaligen und psychisch nicht gestörten Täter angeordnet werden, obschon dies vom Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird. Insofern ist nicht klar ersichtlich, welche Therapie nach lit. c überhaupt gemeint sein soll, wenn es sich um einen Täter handelt, der gar keiner Therapie bedarf.

Für die Anordnung einer lebenslänglichen Verwahrung hat sich das Gericht in seinem Entscheid gemäss Art. 56 Abs. 4bis StGB auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Gutachtern zu stützen. Ein durch zwei Sachverständige gemeinsam erstelltes Gutachten reicht demgemäss nicht aus. In besonderem Masse ist natürlich auch bei der lebenslänglichen Verwahrung die 'öffentliche Sicherheit' gemäss Art. 64 Abs. 4 StGB zu gewährleisten. Urlaube oder andere Vollzugsöffnungen dürfen daher nicht bewilligt werden. Der Vollzug in Form eines Wohn- und Arbeitsexternats ist aber auch hier laut Art. 90 Abs. 2bis und 4ter StGB möglich.

Prüfung der Entlassung und bedingte Entlassung

Für den Fall, dass der lebenslänglich verwahrte Täter für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt, sieht Art. 64c StGB einerseits ein mehrstufiges Verfahren der Prüfung der Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung mit dem Ziel der Umwandlung in eine stationäre therapeutische Massnahme und andererseits unter bestimmten Voraussetzungen direkt die bedingte Entlassung des Täters aus der Verwahrung vor:

Nach Art. 64c Abs. 1 bis 3 StGB prüft die zuständige Behörde in einem ersten Schritt von Amtes wegen oder auf Gesuch des lebenslänglich verwahrten Straftäters, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass der Täter so behandelt werden kann, dass er für die Öffentlich keine Gefahr mehr darstellt. Dabei entscheidet die kantonale Vollzugsbehörde aufgrund eines Berichts der Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit lebenslänglich verwahrter Straftäter.

Fällt die Vollzugsbehörde zur Frage der Behandelbarkeit des lebenslänglich verwahrten Täters einen positiven Entscheid, wird diesem nach Abs. 2 - weiterhin unter dem Vollzugsregime der lebenslänglichen Verwahrung - eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung angeboten, die er annehmen oder ablehnen kann.

Konnte die Gefährlichkeit des Täters durch die Behandlung so weit verringert werden, dass er für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt, so hebt nun das Gericht, das ursprünglich die lebenslängliche Verwahrung angeordnet hat, diese auf und ordnet in einem letzten Schritt an deren Stelle eine stationäre therapeutische Massnahme in einer geschlossenen Einrichtung an.

Direkt aus der lebenslänglichen Verwahrung kann gemäss Art. 64c Abs. 4 StGB dasselbe Gericht, das ursprünglich die lebenslängliche Verwahrung angeordnet hat, den lebenslänglich verwahrten Straftäter bedingt, mit einer Probezeit von zwei bis fünf Jahren, entlassen, wenn er infolge seines hohen Alters, schwerer Krankheit oder aus einem anderen Grund, beispielsweise wegen einer schweren Behinderung, für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Dabei richtet sich das Verfahren nach den Regeln der bedingten Entlassung aus der ordentlichen Verwahrung.

Die Gerichte haben bei ihren Urteilen aufgrund von Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen, die den Täter weder zuvor behandelt noch in anderer Weise betreut haben, zu entscheiden. Art. 64c Abs. 6 StGB sieht vor, dass die Prüfung der Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung bereits während des die Verwahrung vorausgehenden Strafvollzuges geprüft werden kann, sofern sich der Täter bereits während dieser Zeit hinsichtlich Gefährlichkeitsprognose positiv entwickelt.

Die nachträgliche Verwahrung nach Art. 65 Abs. 2 StGB

Mit der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches trat am 1. Januar 2007 Absatz 2 der Bestimmung von Art. 65 StGB in Kraft. Sie ermöglicht bei Tätern, die ursprünglich einzig zu einer Freiheitsstrafe mit zwangsläufig begrenzter Dauer verurteilt worden sind, nicht aber zu einer Verwahrung, diese nachträglich anzuordnen, wenn die Voraussetzungen der Verwahrung bereits im Zeitpunkt der ersten Verurteilung bestanden haben, das Gericht davon aber keine Kenntnis haben konnte. Mit Art. 65 Abs. 2 StGB wurde somit die erforderliche gesetzliche Grundlage für eine Revision zu Ungunsten des Täters geschaffen.

Kritik

Die relativ neu geschaffenen Bestimmungen über die Verwahrung sind vielfältiger Kritik der Strafrechtslehre ausgesetzt. So wird einerseits die mangelnde gesetzgeberische Qualität der Verwahrungsregeln, mit ihren vielen unbestimmte Rechtsbegriffen erwähnt, die hauptsächlich aufgrund des Drucks des Volks eingeführt worden seien und in ihrer Wirkung oft nur symbolischen Charakter hätten. Andererseits wird auf die dem Thema eigene Schwierigkeiten bzw. Unmöglichkeit der Prognosestellung verwiesen, die die Fähigkeit des Richters erfordere, bereits zum Zeitpunkt des Urteils vorauszusagen, wie sich der Täter nach etlichen Jahren Strafvollzug präsentieren werde. Drittens wird allgemein kritisiert, die Abwägung des Bedürfnisses der Öffentlichkeit bzw. der Bevölkerung nach Sicherheit mit den Persönlichkeitsrechten des Täters sei zu einseitig zu Lasten des Täters erfolgt und unter dem Aspekt des verfassungsmässigen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und der Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht vielerorts zumindest fraglich. Als eklatanter Verstoss gegen Art. 5 Abs. 4 EMRK, welcher jeder Person, der die Freiheit entzogen worden ist, das Recht einräumt zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist, wird der Umstand gewertet, dass es sich bei der in Art. 64c StGB mit Prüfungsbefugnis ausgestatteten 'Behörde' nicht - wie verlangt - um ein Gericht handle und die direkte Anordnung der Entlassung gar nicht vorgesehen sei. Hinsichtlich der in Art. 65 Abs. 2 StGB vorgesehenen Möglichkeit der Revision zu Ungunsten des Täters wird deren Zulässigkeit im Fall der nachträglichen Anordnung der Verwahrung von einigen Stimmen als rechtsstaatlich unhaltbar beurteilt, da dadurch das Verbot der Doppelbestrafung und des Grundsatzes 'ne bis in idem' verletzt werde.

Weblinks

Weiterführende Literatur

  • Anastasiadis-Ritzmann Renate: Massnahmen: Bewegende Neuerungen oder 'alter Wein in neuen Schläuchen?' in: ZStrR 126 (2008) 264
  • Bänziger Felix/Hubschmid Annemarie/Sollberger Jürg (Hrsg.): Zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafrechts und zum neuen materiellen Jugendstrafrecht, 2. Auflage, Bern 2006
  • Farago, Georg: Verwahrung wieder auf Kurs. Gegen ihren eigenen Willen hat die Rechtskommission eine Gesetzesvorlage erarbeitet. In: (Wiler) Tagblatt, 26. Oktober 2007: 7.
  • Hansjakob Thomas/Schmitt Horst/Sollberger Jürg (Hrsg.): Kommentierte Textausgabe zum revidierten Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Luzern 2006
  • Jositsch Daniel/Bischoff Patrick: Die Verwahrungsinitiative - ein Pyrrhussieg?, in: Jusletter 17. Januar 2005
  • Kunz Karl-Ludwig: Zur Neugestaltung der Sanktionen des Schweizerischen Erwachsenenstrafrechts, in: ZStrR 117(1999) 234
  • Kunz Karl-Ludwig: Die Verwahrung psychisch unauffälliger Straftäter - ein Problem für den Rechtsstaat? Überlegungen zur Legitimität der sichernden Verwahrung, in: ZStrR 122 (2004) 234
  • Kunz Karl-Ludwig: Zum Problem der gesetzlichen Umsetzung der Verfassungsbestimmungen über die lebenslängliche Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter (Art. 123a der Bundesverfassung): Eine Quadratur des Kreises, in: ZStrR 125 (2007) 96
  • Kunz Karl-Ludwig/Stratenwerth Günter: Zum Bericht der Arbeitsgruppe Verwahrung, in: ZStrR 123 (2005) 2
  • Stratenwerth Günter: Die freiheitserziehenden Massnahmen im bundesrätlichen Entwurf für die Revision des Allgemeinen Teils des StGB, in: ZStrR 117 (1999) 277
  • Stratenwerth Günter: Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006
  • Stratenwerth Günter: Neuere Strafgesetzgebung - eine Philippika, in: ZStrR 127 (2009) 114
  • Trechsel Stefan: Von der Initiative zum Strafgesetz, in: Jusletter 17. Mai 2004
  • Trechsel Stefan et al.: Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, Zürich, St. Gallen, 2008
  • Weber Jonas Peter: Zur Verhältnismässigkeit der Sicherungsverwahrung, in: ZStrR 120 (2002) 398