Verschwindenlassen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
 
Zeile 4: Zeile 4:
== Geschichte des Verschwindenlassens ==
== Geschichte des Verschwindenlassens ==


Im Dritten Reich wurde die Praxis des Verschwindenlassens mit dem "Nacht-und-Nebel-Erlass" vom 7. Dezember 1941 vergesetzlicht. Die entsprechende stalinistische Praxis wurde in der sowjetischen Besatzungszone übernommen: in den Jahren 1945 bis 1949 betrug die Zahl der spurlos Verschwundenen vermutlich rund 150.000 Personen.
Im Dritten Reich wurde die Praxis des Verschwindenlassens mit dem "Nacht-und-Nebel-Erlass" vom 7. Dezember 1941 vergesetzlicht. Die entsprechende stalinistische Praxis wurde in der sowjetischen Besatzungszone übernommen: in den Jahren 1945 bis 1949 betrug die Zahl der spurlos Verschwundenen vermutlich rund 150.000 Personen. In Lateinamerika verschwanden zwischen 1966 und 1986 mehr als 90.000 Personen durch staatliche oder parastaatliche Aktivitäten[1].




Zeile 13: Zeile 13:
Das Verschwindenlassen erfüllt meist verschiedene Tatbestände (u.a. Freiheitsberaubung). Der Unrechtsgehalt des Verschwindenlassens wird dadurch aber nach verbreiteter Ansicht nicht hinreichend erfasst. Daraus resultieren verschiedene Versuche der Schaffung eines Straftatbestands des Verschwindenlassen.  
Das Verschwindenlassen erfüllt meist verschiedene Tatbestände (u.a. Freiheitsberaubung). Der Unrechtsgehalt des Verschwindenlassens wird dadurch aber nach verbreiteter Ansicht nicht hinreichend erfasst. Daraus resultieren verschiedene Versuche der Schaffung eines Straftatbestands des Verschwindenlassen.  


 
== Einzelnachweise ==
[1] Ana Luccrecia Molina Theissen (1996): La desaparicion forzada de personas en America Latina. In: Institutio Latinoamericano de Derechos Humanos (Hg.): Serie Estudios Basicos de Derechos Humanos VII, San Jose de Cosra Rica, S.65ff. http://www.rosario.gov.ar/sitio/lugares_disfrutar/museomemoria/archivos/desaparicionforzada.pdf 


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 13. Dezember 2007, 15:43 Uhr

Das Verschwindenlassen von Personen war und ist eine Form der "staatsverstärkten Kriminalität" (Wolfgang Naucke), bzw. der "Makrokriminalität" (Herbert Jäger). Es besteht darin, dass eine Regierung oder eine parastaatliche Organisation einen Menschen seiner Freiheit beraubt und/oder tötet, ohne dass Angehörige, Freunde oder Öffentlichkeit etwas über den Verbleib der Person erfahren. Das Verschwindenlassen wurde u.a. im nationalsozialistischen Deutschland, in der Sowjetunion und von lateinamerikanischen Diktaturen praktiziert. Als Instrument der Herrschaftssicherung besitzt es den Vorteil, beim Opfer und in seinem Umfeld größte Angst und Einschüchterung zu erzeugen, das Sanktionsrisiko für die Täter aber gering zu halten. Auch Staaten, die sich als Bollwerke des Rechtsstaats und individueller Freiheit verstehen, sind - wie das Beispiel des Gefangenenlagers Guantanamo zeigt - gegen die Versuchung zur Nutzung dieses Instruments nicht gefeit.


Geschichte des Verschwindenlassens

Im Dritten Reich wurde die Praxis des Verschwindenlassens mit dem "Nacht-und-Nebel-Erlass" vom 7. Dezember 1941 vergesetzlicht. Die entsprechende stalinistische Praxis wurde in der sowjetischen Besatzungszone übernommen: in den Jahren 1945 bis 1949 betrug die Zahl der spurlos Verschwundenen vermutlich rund 150.000 Personen. In Lateinamerika verschwanden zwischen 1966 und 1986 mehr als 90.000 Personen durch staatliche oder parastaatliche Aktivitäten[1].


Rechtliche Aspekte

Der Festgenommene hat in Rechtsstaaten grundsätzlich ein Recht darauf, seine Angehörigen zu informieren. Die nach der Rechtslage in Deutschland darüber hinausgehende Verpflichtung des Staates zur Benachrichtigung wird von deutschen Gerichten in der Praxis zu einem bloßen Recht herabgestuft. Nach Ansicht von Kai Cornelius wird dadurch das einzig wirksame Instrument zur Verhinderung des Verschwindenlassens ausgehöhlt.

Das Verschwindenlassen erfüllt meist verschiedene Tatbestände (u.a. Freiheitsberaubung). Der Unrechtsgehalt des Verschwindenlassens wird dadurch aber nach verbreiteter Ansicht nicht hinreichend erfasst. Daraus resultieren verschiedene Versuche der Schaffung eines Straftatbestands des Verschwindenlassen.

Einzelnachweise

[1] Ana Luccrecia Molina Theissen (1996): La desaparicion forzada de personas en America Latina. In: Institutio Latinoamericano de Derechos Humanos (Hg.): Serie Estudios Basicos de Derechos Humanos VII, San Jose de Cosra Rica, S.65ff. http://www.rosario.gov.ar/sitio/lugares_disfrutar/museomemoria/archivos/desaparicionforzada.pdf

Literatur

  • Cornelius, Kai (2006) Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen. Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 1: Allgemeine Reihe. Band 18. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag.
  • Grammer, Christoph (2006) Der Tatbestand des Verschwindenlassens einer Person. Transposition einer völkerrechtlichen Figur ins Strafrecht. Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Band S 105. Berlin: Duncker & Humblot.