Vermögensabschöpfung (Strafrecht): Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 9: Zeile 9:
Dem Grundgedanken folgend, ist der Staat verpflichtet, jegliche Anreize zur Begehung gewinnorientierter Delikte abzuwenden.
Dem Grundgedanken folgend, ist der Staat verpflichtet, jegliche Anreize zur Begehung gewinnorientierter Delikte abzuwenden.


Ziel der Vermögensabschöpfung ist es, die Vermögensordnung nach einer deliktischen Handlung wiederherzustellen. Die Verfallsvorschriften sollen darüber hinaus eine general- und spezialpräventive Wirkung entfalten, indem der Staat dem Täter/ Teilnehmer einer Straftat deliktisch Erlangtes entzieht und vor Augen führt, dass strafrechtswidrige Bereicherung nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen.
Ziel der Vermögensabschöpfung ist es, die Vermögensordnung nach einer deliktischen Handlung wiederherzustellen. Die Verfallsvorschriften sollen darüber hinaus eine general- und spezialpräventive Wirkung entfalten, indem der Staat dem Täter/ Teilnehmer einer Straftat deliktisch Erlangtes entzieht und vor Augen führt, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen.


== Anspruchsgrundlagen ==
== Anspruchsgrundlagen ==
Zeile 15: Zeile 15:
Die strafrechtlichen Vorschriften zur Vermögensabschöpfung betreffen die §§ 73 bis 76a StGB. Die Bestimmungen zum Verfall finden sich in den §§ 73 bis 73e StGB. Der Einziehung liegen die §§ 74 bis 74f StGB zugrunde. Der § 75 StGB umfasst Sondervorschriften für Organe und Vertreter, während die §§ 76 und 76a StGB gemeinsame Vorschriften bezüglich Verfall und Einziehung zum Inhalt haben.
Die strafrechtlichen Vorschriften zur Vermögensabschöpfung betreffen die §§ 73 bis 76a StGB. Die Bestimmungen zum Verfall finden sich in den §§ 73 bis 73e StGB. Der Einziehung liegen die §§ 74 bis 74f StGB zugrunde. Der § 75 StGB umfasst Sondervorschriften für Organe und Vertreter, während die §§ 76 und 76a StGB gemeinsame Vorschriften bezüglich Verfall und Einziehung zum Inhalt haben.


Des Weiteren nehmen die strafrechtlichen Vorschriften der Vermögensabschöfung Bezug auf zivilrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, insbesondere auf Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß der §§ 812 ff. BGB.
Des Weiteren nehmen die strafrechtlichen Vorschriften der Vermögensabschöpfung Bezug auf zivilrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, insbesondere auf Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß der §§ 812 ff. BGB.


== Verfall ==
== Verfall ==
Zeile 25: Zeile 25:
a) Täterbezogene Verfall (§ 73 Abs.1 u. 2 StGB): Die Voraussetzung für einen täterbezogenen Verfall ist eine rechtswidrige Tat. Eine vorsätzliche Tat wird im Gegensatz zur Einziehung nicht vorausgesetzt, so dass Verfall auch bei Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Ferner muss der Täter/ Teilnehmer einer Tat unmittelbar aus der Straftat etwas, einen Vermögenszuwachs, erlangt haben.
a) Täterbezogene Verfall (§ 73 Abs.1 u. 2 StGB): Die Voraussetzung für einen täterbezogenen Verfall ist eine rechtswidrige Tat. Eine vorsätzliche Tat wird im Gegensatz zur Einziehung nicht vorausgesetzt, so dass Verfall auch bei Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Ferner muss der Täter/ Teilnehmer einer Tat unmittelbar aus der Straftat etwas, einen Vermögenszuwachs, erlangt haben.


b) Empfängerbezogene Verfall (73 Abs.3 StGB): Der empfängerbezogene Verfall unterscheidet sich vom täterbezogene Verfall dadurch, dass der Verfall sich gegen einen Unbeteiligten einer Tat richtet, der aus dieser Tat einen Vermögenszuwachs erlangt hat. Bei diesem Grundtyp, der sog. Vertreterklausel, handelt der Täter/ Teilnehmer der Tat für einen Dritten (Empfänger), ohne selbst bereichert zu werden. Für einen empfängerbezogenen Verfall ist es unerheblich, ob der Tatunbeteiligte Kenntnis von einer rechtswidrigen Tat hat. Demzufolge spielt es auch keine Rolle, der der Empfänger gut- oder bösgläubig ist.
b) Empfängerbezogene Verfall (§ 73 Abs.3 StGB): Der empfängerbezogene Verfall unterscheidet sich vom täterbezogenen Verfall dadurch, dass der Verfall sich gegen einen Unbeteiligten einer Tat richtet, der aus dieser Tat einen Vermögenszuwachs erlangt hat. Bei diesem Grundtyp, der sog. Vertreterklausel, handelt der Täter/ Teilnehmer der Tat für einen Dritten (Empfänger), ohne selbst bereichert zu werden. Für einen empfängerbezogenen Verfall ist es unerheblich, ob der Tatunbeteiligte Kenntnis von einer rechtswidrigen Tat hat. Demzufolge spielt es auch keine Rolle, ob der Empfänger gut- oder bösgläubig ist.


c) Dritteigentümerbezogene Verfall (§ 73 Abs.4 StGB): Der dritteigentümerbezogene Verfall ist dann gegeben, wenn der Gegenstand des Verfalls einem Dritten - zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung über den Verfall - gehört oder zusteht. Das Wort "gehören" beinhaltet das Eigentum an einer körperlichen Sache, während mit dem Wort "zustehen" die quasi-dingliche Inhaberschaft von Rechten verbunden ist. Voraussetzung für die Anwendung der sog. Drittverfallsklausel ist, dass der Dritte nicht selbst an der Tat beteiligt ist. Allerdings muss der Dritte bewusst den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder mit Wissen der Tatumstände zur Verfügung stellen. Die Anordnung zum Verfall selbst richtet sich aber nicht gegen den Dritten, sondern den Täter/ Teilnehmer der Tat.
c) Dritteigentümerbezogene Verfall (§ 73 Abs.4 StGB): Der dritteigentümerbezogene Verfall ist dann gegeben, wenn der Gegenstand des Verfalls - zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung über den Verfall - einem Dritten gehört oder zusteht. Das Wort "gehören" beinhaltet das Eigentum an einer körperlichen Sache, während mit dem Wort "zustehen" die quasi-dingliche Inhaberschaft von Rechten verbunden ist. Voraussetzung für die Anwendung der sog. Drittverfallsklausel ist, dass der Dritte nicht selbst an der Tat beteiligt ist. Allerdings muss der Dritte bewusst den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder mit Wissen der Tatumstände zur Verfügung stellen. Die Anordnung zum Verfall selbst richtet sich aber nicht gegen den Dritten, sondern den Täter/ Teilnehmer der Tat.


=== Vermögenszuwachs ===  
=== Vermögenszuwachs ===  
Zeile 75: Zeile 75:
b) Es besteht die Gefahr, dass der einziehende Gegenstand bei einer strafrechtswidrigen Tat zum Einsatz kommt, beispielsweise Falschgeld oder gefälschte Urkunden, oder der einziehende Gegenstand stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar (§ 74 Abs.2 Nr.2 StGB). Ein Gegenstand kann einerseits aufgrund seiner Beschaffenheit für die Allgemeinheit gefährlich sein. Dazu gehören beispielsweise Gifte, Sprengstoffe oder radioaktive Stoffe. Andererseits liegt gegebenenfalls eine Gefährlichkeit vor durch die Verwendung oder Verbindung des Gegenstandes mit anderen Gegenständen oder die Nachlässigkeit des Inhabers.
b) Es besteht die Gefahr, dass der einziehende Gegenstand bei einer strafrechtswidrigen Tat zum Einsatz kommt, beispielsweise Falschgeld oder gefälschte Urkunden, oder der einziehende Gegenstand stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar (§ 74 Abs.2 Nr.2 StGB). Ein Gegenstand kann einerseits aufgrund seiner Beschaffenheit für die Allgemeinheit gefährlich sein. Dazu gehören beispielsweise Gifte, Sprengstoffe oder radioaktive Stoffe. Andererseits liegt gegebenenfalls eine Gefährlichkeit vor durch die Verwendung oder Verbindung des Gegenstandes mit anderen Gegenständen oder die Nachlässigkeit des Inhabers.


Im Rahmen der erweiterten Voraussetzung der Einziehung (§ 74a StGB) dürfen auch Gegenstände eingezogen werden, die - zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung über die Einziehung - Dritten gehören oder zustehen. Die Einziehung kann im Einzelnen erfolgen, wenn der tatunbeteiligte Dritte
Im Rahmen der erweiterten Voraussetzung der Einziehung (§ 74a StGB) dürfen auch Gegenstände eingezogen werden, die - zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung über die Einziehung - Dritten gehören oder zustehen. Die Einziehung kann im Einzelnen erfolgen, wenn entweder der tatunbeteiligte Dritte a) grob fahrlässig handelt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn leichtfertig und unkontrolliert ein Fahrzeug zur Nutzung überlassen wird, mit dem der Täter dann Einbruchsbeute abtransportiert.


a) grob fahrlässig handelt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn leichtfertig und unkontrolliert ein Fahrzeug zur Nutzung überlassen wird, mit dem der Täter dann Einbruchsbeute abtransportiert. Oder
Oder b) einem Dritten ist bei Erwerb eines Gegenstandes bewusst, dass der Gegenstand bei einer strafbaren Handlung eine Rolle spielte, die eine Einziehung rechtfertigen würde. Darüber hinaus muss der Dritte verwerflich handeln, indem er beispielsweise die Verhinderung der Einziehung beabsichtigt.
 
b) einem Dritten ist bei Erwerb eines Gegenstandes bewusst, dass der Gegenstand bei einer strafbaren Handlung eine Rolle spielte, die eine Einziehung rechtfertigen würde. Darüber hinaus muss der Dritte verwerflich handeln, indem er beispielsweise die Verhinderung der Einziehung beabsichtigt.


=== Gegenstände der Einziehung ===
=== Gegenstände der Einziehung ===


Gegenstände im Sinne der Einziehung sind Sachen oder Rechte. Rechte betreffen Rechte an Sachen (z.B. Hypotheken), Anwartschaften oder Forderungen (z.B. Bankguthaben). Allerdings sind nur die Gegenstände selbst einziehbar aber nicht die Rechte an einem Gegenstand (z.B. Pfandrechte). Des Weiteren müssen die Gegenstände entweder unmittelbar aus einer Straftat entstanden sein (sog. productum sceleris) oder die Gegenstände werden gebraucht oder sind bestimmt gewesen als Tatmittel bzw. Tatwerkzeug zur Begehung, Förderung oder Vorbereitung einer Straftat (sog. instrumenta sceleris).
Gegenstände im Sinne der Einziehung sind Sachen oder Rechte. Rechte betreffen Rechte an Sachen (z.B. Hypotheken), Anwartschaften oder Forderungen (z.B. Bankguthaben). Allerdings sind nur die Gegenstände selbst einziehbar aber nicht die Rechte an einem Gegenstand (z.B. Pfandrechte). Des Weiteren müssen die Gegenstände entweder unmittelbar aus einer Straftat entstanden sein (sog. productum sceleris) oder die Gegenstände werden gebraucht oder sind bestimmt gewesen als Tatmittel bzw. Tatwerkzeuge zur Begehung, Förderung oder Vorbereitung einer Straftat (sog. instrumenta sceleris).
Tatmittel/ Tatwerkzeuge sind beispielsweise das Geld, das für illegales Glückspiel verwendet wird, die zur Tötung benutzte Waffe oder das zur Flucht bereitgestellte oder verwendete Fahrzeug. Dagegen betreffen Gegenstände, die unmittelbar durch die Tat hervorgebracht sind, beispielsweise eine zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellte Urkunde oder gefälschte Münzen.
Tatmittel/ Tatwerkzeuge sind beispielsweise das Geld, das für illegales Glückspiel verwendet wird, die zur Tötung benutzte Waffe oder das zur Flucht bereitgestellte oder verwendete Fahrzeug. Dagegen betreffen Gegenstände, die unmittelbar durch die Tat hervorgebracht sind, beispielsweise eine zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellte Urkunde oder gefälschte Münzen.


Nicht unter die Einziehungsvorschrift fallen allerdings die sog. Beziehungsgegenstände. Hierbei handelt es sich um Sachen und Rechte, die nicht Werkzeug für oder Produkte der Tat sind, sondern notwendige Gegenstände der Tat selbst. Während bei einem Transport von Betäubungsmitteln die verwendeten Fahrzeuge als Tatmittel/ Tatwerkzeuge dienen, stellen die beförderten Betäubungsmittel selbst Beziehungsobjekte dar.
Nicht unter die Einziehungsvorschrift fallen allerdings die sog. Beziehungsgegenstände. Hierbei handelt es sich um Sachen und Rechte, die nicht Werkzeuge für oder Produkte der Tat sind, sondern notwendige Gegenstände der Tat selbst. Während bei einem Transport von Betäubungsmitteln die verwendeten Fahrzeuge als Tatmittel/ Tatwerkzeuge dienen, stellen die beförderten Betäubungsmittel selbst Beziehungsobjekte dar.


=== Einziehung des Wertersatzes ===
=== Einziehung des Wertersatzes ===
Zeile 96: Zeile 94:
b) Der Einziehungsgegenstand hätte eingezogen werden können, d.h. die Voraussetzungen eines Einziehungstatbestandes liegen vor, wenn die Einziehung nicht vom Täter/ Teilnehmer der Tat nachweislich vereitelt worden wäre. Die Vereitelung umfasst im Wesentlichen die Veräußerung, das Verschenken oder den Verbrauch im Sinne von Verzehr oder Verschleiß sowie die Zerstörung oder den Verlust des Gegenstandes (§ 74c Abs.1 StGB). Aber auch die Belastung des Gegenstandes mit dem Recht eines Dritten rechtfertigt die Einziehung des Wertersatzes (§ 74c Abs.2 StGB).
b) Der Einziehungsgegenstand hätte eingezogen werden können, d.h. die Voraussetzungen eines Einziehungstatbestandes liegen vor, wenn die Einziehung nicht vom Täter/ Teilnehmer der Tat nachweislich vereitelt worden wäre. Die Vereitelung umfasst im Wesentlichen die Veräußerung, das Verschenken oder den Verbrauch im Sinne von Verzehr oder Verschleiß sowie die Zerstörung oder den Verlust des Gegenstandes (§ 74c Abs.1 StGB). Aber auch die Belastung des Gegenstandes mit dem Recht eines Dritten rechtfertigt die Einziehung des Wertersatzes (§ 74c Abs.2 StGB).


Die Anordnung der Wertersatzeinziehung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Lässt sich der Verkehrswert des Gegenstandes -zum Zeitpunkt der richterlichen Einziehungsentscheidung - nicht ermitteln, dann kann, analog zum Verfall, der Wert des Gegenstandes geschätzt werden.
Die Anordnung der Wertersatzeinziehung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Lässt sich der Verkehrswert des Gegenstandes zum Zeitpunkt der richterlichen Einziehungsentscheidung nicht ermitteln, dann kann, analog zum Verfall, der Wert des Gegenstandes geschätzt werden.


== Literatur ==
== Literatur ==
48

Bearbeitungen