Als Vergeltung bezeichnet man im weitesten Sinn jede Reaktion auf eine vorhergegangene Aktion. Im älteren Sprachgebrauch verstand man unter diesem eine Gegenleistung oder Belohnung für erwiesene Dienste, ohne eine entsprechende Differenzierung zwischen ökonomischen, juristischen und sozialen Kulturbereichen dabei vorzunehmen . Es besteht jedoch eine Wortverwandtschaft mit dem Begriff des Geldes. Heutzutage wird Vergeltung meist als Strafe mit dem Charakter der Sühne und Rache verstanden. Das Vergeltungsprinzip ist in die historischen Gesetzgebungen verschiedener Rechtsordnungen mit eingeflossen, wobei eine gewisses Verhältnis zwischen Tat und Sühne durch eine Ausgleichshandlung geschaffen wird, die auch über die tatsächliche Schwere der Tat hinausgehen kann. Unterformen der Vergeltung, die nicht darüber hinausgehen, sind der [[[Schadenersatz]]] und [[[Talion]]].



Ursprünglicher Vergeltungsbegriff

Historisch

Das Ius talionis oder Lex talionis oder Talionsprinzip in frühen antiken Rechtstexten (lat. Retaliation, eigentlich Wiedervergeltung) beschreibt das einfache Verhältnis der Ausgleichshandlung oder der Buße, das Eintreiben eines gleichartigen Ausgleichs. Vielfach existierte jedoch bereits simultan die mehrfache Buße, wobei bestimmte Delikte besonders bestraft wurden, in dem die Höhe der Strafe überproportional hoch zum Durchschnitt ist. Dieses Strafprinzip findet sich noch häufig in fränkischem und germanischem Recht. Im griechisch- römischen Recht finden sich schon deutliche Bestrebungen, die Anteile der Rache in der Strafe, durch das Recht zurückzudrängen.

Religiös

In den abrahamitischen Religionen finden sich in deren heiligen Schriften vielfach direkte Lehren zur gesellschaftlichen Organisation und zu Rechtssprechungen, die das Verhältnis eines Gottes zu den Menschen und den Menschen untereinander regelt. Der bedeutende Einfluss von religiösen Rechtslehren auf die Entstehung moderner Rechtstheorien ist heute unbestritten. Die Frage nach der angemessenen Antwort auf Unrecht wird seit deren Niederschriften in den jeweiligen Gemeinden diskutiert und bezieht sich auf die Umsetzung durch die Höhe eines Schadenersatzes oder Zuführung des gleichen oder ähnlichen Schadens. Asiatische Religionen glauben meist an das ewige Rad des Karmas. Das menschliche Wiedervergelten ist demnach nicht förderlich um das höchste Ziel der Erkenntnis zu erlangen, die Leid verlängernde Wirkung lässt das Rad der Wiedergeburt nicht enden.


Die Entwicklung der Vergeltung

Die einzelnen Rechtsbegriffe um die Strafe und dem Vergeltungsbegriff entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte in starker Abhängigkeit zueinander, sowie die einzelnen Bedeutungen ebenso deutliche Schnittmengen mit anderen Begriffen entwickelten. Die Vergeltungstheorie hat in jedoch in ihrer generellen Entwicklung eine Tendenz zur Symbolisierung und Idealisierung . Dem Vergeltungsbedürfnis liegt eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit zugrunde , der auch den emotionalen Anteil der Rache befriedigt.

Eine bewusste und kriminalpädagogisch- kritische Reflektion der Strafzwecke manifestiert sich erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts, wobei die Meinung zu dem Vergeltungsgedanken dazu weiterhin umstritten blieb.


Vergeltungstheorie in Deutschland

Bei der Gründung des Deutschen Reiches war die Grundlage im RStGB vom 15.5.1871 ein kantsches , autoritäres Staats- und Strafrechtsverständnis, wobei es Straftheoretisch der Vergeltungsidee verpflichtet war . 1882 fordert Franz v. Liszt schon in seinem Marburger Programm die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts, zu Lasten des Vergeltungsgedanken. Die Wendung von Tat- zum Täterstrafrecht, wird heute bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die überwiegende Strafrechtswissenschaft bei der Rechtfertigung strafrechtlicher Sanktionen noch den Schutz des Individuums in den Vordergrund und beschränkte den Strafanspruch des Staates . Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte an dem im Rechtsgefühl des Volkes verwurzelten Vergeltungsgedanken angeknüpft werden . In deutlicher Abkehr hiervon hat das Grundgesetz das Bekenntnis zur Würde des Menschen vorangestellt (z.B. Art. 102 GG), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist, wonach sich die Rechtfertigung von Strafe allerdings nicht erledigt hat. In abgeschwächter Form wurde diese Diskussion erneut zu den Arbeiten der Großen Strafrechtskommission 1962 aufgebracht. In Deutschland besteht heute allerdings weitgehend Konsens darüber, dass die Vergeltungsidee den Einsatz der Strafe nicht mehr rechtfertigen kann. Dem Begriff der Gerechtigkeit kommt damit überragende Bedeutung für die Ausgestaltung einer freiheitlichen Rechtsordnung zu , der seinen Inhalt aus dem Bereich der Ethik bezieht .


Vergeltung als Straftheorie

Unter den absoluten Straftheorien ist die Vergeltungstheorie neben der Sühnetheorie vertreten und wurde unter anderem von Immanuel Kant, Hegel und Binding vertreten. Das durch die Handlung des Täters geschaffene Unrecht soll durch die Strafe aufgewogen werden, um die verletzte Rechtsordnung auf diese Weise wiederherzustellen. Sie dient dem Schuldausgleich und stellt auf diese Weise die Gerechtigkeit wieder her. Die Vergeltungstheorie sieht im Rechtsbruch ebenso eine angemaßte Ausnahmestellung des Rechtsbrechers gegenüber den Mitbürgern, die durch eine Strafe ausgeglichen werden muss.

Im Gegensatz hierzu sind die relativen Straftheorien eher auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten fokussiert und beinhalten die Abschreckungstheorie (Generalprävention, vgl. Feuerbach) und die Besserungstheorie (Resozialisierung, vgl. v. Liszt). Hingegen wird Genugtuung für das Opfer nicht als Strafzweck angesehen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich Vergeltung und Abschreckung in Rechtstheorie und Rechtspraxis von Anfang an in enger Verknüpfung zueinander entwickelt haben (Hoffmann 1992). Die Vergeltung ist keine Aufgabe der Strafe, vielmehr begrenzt das Schuldprinzip lediglich die nach präventiven Gesichtspunkten festzulegende Strafe


Kriminologische Kritik

Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Entwicklung modernen Staaten und dem Bedürfnis nach Strafrechtfertigung bzw. Setzung von Strafzwecken (Hoffmann 1992) Die Reflektion von Strafrechtfertigung und der mit Strafe verfolgten Zwecke begann jedoch mit der ersten Herausbildung von organisierten Staaten. Dies lies sich anhand der jüdischen, griechischen, römischen und mittelalterlich- deutschen Entwicklung nachweisen. Vergeltung und Abschreckung wurden hierbei gleichermaßen herangezogen um staatliche Straffälligkeit zu rechtfertigen. Es liegt demnach nahe, dass hierdurch die Herrschaft der Herrschenden gestützt wird. Hoffmann nennt weitere Enklaven der Vergeltung, wie z. B. Geldstrafen, mit denen trotz anders lautender Bekundungen schlichte Vergeltung betrieben wird. Insbesondere im Bereich der Verkehrsdelikte herrsche `Denkzettelmentalität`. In neuerer Zeit wurde das Thema aktuell diskutiert, da im Iran einer junge Frau, die durch die Tat eines verschmähten Liebhabers, Opfer eines Säureattentates wurde, per Gericht zugestanden, dem Täter ebenfalls Säure in die Augen zu träufeln.


Literaturangaben

 1.Grimm Bd. 25 Sp. 411
 2.Bianchi, a.a.O. S.62
 3.Bianchi, ebd.
 4.U. Klug, Bedeutung des Schutzgedankens, S 72. Dabei ist anzumerken, dass dies nicht dem modernen Wortgebrauch von Sühne umfasst.
 5.Müller- Dietz, Strafbegriff und Strafrechtspflege, S.24
 6.Spendel, Lehre vom Strafmaß, S.96
 7.Kant, I.: Die Metaphysik der Sitten, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.):
   Kant's gesammelte Schriften, Bd. VI, Berlin 1914, S. 331.
 8.Eser, A., Hundert Jahre deutscher Strafgesetzgebung, in: Festschrift für W. Maihofer,
   Frankfurt a.M. 1988, S. 109 ff.
 9.Marxen, Kampf gegen das liberale Strafrecht, S.21 ff.
 10.Marxen, a.a.O., S.67ff, 107.
 11.Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S.19
 12.Radbruch, Rechtsphilosophie, S.119ff.