Vergeltung: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine bewusste und kriminalpädagogisch- kritische Reflektion der Strafzwecke manifestiert sich erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts, wobei die Meinung zu dem Vergeltungsgedanken dazu weiterhin umstritten blieb.
Eine bewusste und kriminalpädagogisch- kritische Reflektion der Strafzwecke manifestiert sich erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts, wobei die Meinung zu dem Vergeltungsgedanken dazu weiterhin umstritten blieb.


Bei der Gründung des Deutschen Reiches war die Grundlage im RStGB vom 15.5.1871 ein kantsches, autoritäres Staats- und Strafrechtsverständnis, wobei es Straftheoretisch der Vergeltungsidee verpflichtet war .
Bei der Gründung des Deutschen Reiches war die Grundlage im RStGB vom 15.5.1871 ein kantsches, autoritäres Staats- und Strafrechtsverständnis, wobei es Straftheoretisch der Vergeltungsidee verpflichtet war.
1882 fordert Franz v. Liszt schon in seinem Marburger Programm die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts, zu Lasten des Vergeltungsgedanken. Die Wendung von Tat- zum Täterstrafrecht, wird heute bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt.
1882 fordert [[Franz v. Liszt]] schon in seinem [[Marburger Programm]] die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts, zu Lasten des Vergeltungsgedanken. Die Wendung von Tat- zum Täterstrafrecht, wird heute bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt.
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die überwiegende Strafrechtswissenschaft bei der Rechtfertigung strafrechtlicher Sanktionen noch den Schutz des Individuums in den Vordergrund und beschränkte den Strafanspruch des Staates. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte an dem im Rechtsgefühl des Volkes verwurzelten Vergeltungsgedanken angeknüpft werden.
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die überwiegende Strafrechtswissenschaft bei der Rechtfertigung strafrechtlicher Sanktionen noch den Schutz des Individuums in den Vordergrund und beschränkte den Strafanspruch des Staates. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte an dem im Rechtsgefühl des Volkes verwurzelten Vergeltungsgedanken angeknüpft werden.
In deutlicher Abkehr hiervon hat das Grundgesetz das Bekenntnis zur Würde des Menschen vorangestellt (z.B. Art. 102 GG), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist, wonach sich die Rechtfertigung von Strafe allerdings nicht erledigt hat.
In deutlicher Abkehr hiervon hat das Grundgesetz das Bekenntnis zur Würde des Menschen vorangestellt (z.B. Art. 102 GG), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist, wonach sich die Rechtfertigung von [[Strafe]] allerdings nicht erledigt hat.
In abgeschwächter Form wurde diese Diskussion erneut zu den Arbeiten der Großen Strafrechtskommission 1962 aufgebracht. In Deutschland besteht heute allerdings weitgehend Konsens darüber, dass die Vergeltungsidee den Einsatz der Strafe nicht mehr rechtfertigen kann.
In abgeschwächter Form wurde diese Diskussion erneut zu den Arbeiten der Großen Strafrechtskommission 1962 aufgebracht. In Deutschland besteht heute allerdings weitgehend Konsens darüber, dass die Vergeltungsidee den Einsatz der Strafe nicht mehr rechtfertigen kann.


Dem Begriff der Gerechtigkeit kommt damit überragende Bedeutung für die Ausgestaltung einer freiheitlichen Rechtsordnung zu, der seinen Inhalt aus dem Bereich der Ethik bezieht. Die Gerechtigkeit ist das Sinnkriterium des Strafrechts und nicht primär utilitaristische Zwecke der Sicherung und Besserung. Radbruch erklärt, dass sich im Vergeltungsgedanke zugleich der Gedanke der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit erfülle. Maßgeblich sei nicht das äußere Erscheinungsbild der Vergeltung, entscheidend sei vielmehr das geistige Verständnis der Bestrafung als Realisierung von Gerechtigkeit.
Dem Begriff der [[Gerechtigkeit]] kommt damit überragende Bedeutung für die Ausgestaltung einer freiheitlichen Rechtsordnung zu, der seinen Inhalt aus dem Bereich der Ethik bezieht. Die Gerechtigkeit ist das Sinnkriterium des Strafrechts und nicht primär utilitaristische Zwecke der Sicherung und Besserung. Radbruch erklärt, dass sich im Vergeltungsgedanke zugleich der Gedanke der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit erfülle. Maßgeblich sei nicht das äußere Erscheinungsbild der Vergeltung, entscheidend sei vielmehr das geistige Verständnis der Bestrafung als Realisierung von Gerechtigkeit.




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Unter den absoluten Straftheorien ist die Vergeltungstheorie neben der Sühnetheorie vertreten und wurde unter anderem von Immanuel Kant, Hegel und Binding vertreten. Das durch die Handlung des Täters geschaffene Unrecht soll durch die Strafe aufgewogen werden, um die verletzte Rechtsordnung auf diese Weise wiederherzustellen. Sie dient dem Schuldausgleich und stellt auf diese Weise die Gerechtigkeit wieder her. Die Vergeltungstheorie sieht im Rechtsbruch ebenso eine angemaßte Ausnahmestellung des Rechtsbrechers gegenüber den Mitbürgern, die durch eine Strafe ausgeglichen werden muss.
Unter den absoluten [[Straftheorien]] ist die Vergeltungstheorie neben der Sühnetheorie vertreten und wurde unter anderem von [[Immanuel Kant]], [[Hegel]] und [[Binding]] vertreten. Das durch die Handlung des Täters geschaffene Unrecht soll durch die Strafe aufgewogen werden, um die verletzte Rechtsordnung auf diese Weise wiederherzustellen. Sie dient dem Schuldausgleich und stellt auf diese Weise die Gerechtigkeit wieder her. Die Vergeltungstheorie sieht im Rechtsbruch ebenso eine angemaßte Ausnahmestellung des Rechtsbrechers gegenüber den Mitbürgern, die durch eine Strafe ausgeglichen werden muss.
Im Gegensatz hierzu sind die relativen Straftheorien eher auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten fokussiert und beinhalten die Abschreckungstheorie (Generalprävention, vgl. Feuerbach) und die Besserungstheorie (Resozialisierung, vgl. v. Liszt).
Im Gegensatz hierzu sind die relativen Straftheorien eher auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten fokussiert und beinhalten die Abschreckungstheorie ([[Generalprävention]], vgl. [[Feuerbach]]) und die Besserungstheorie (Resozialisierung, vgl. v. Liszt).
Hingegen wird Genugtuung für das Opfer nicht als Strafzweck angesehen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich Vergeltung und Abschreckung in Rechtstheorie und Rechtspraxis von Anfang an in enger Verknüpfung zueinander entwickelt haben (Hoffmann 1992).
Hingegen wird Genugtuung für das Opfer nicht als Strafzweck angesehen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich Vergeltung und Abschreckung in Rechtstheorie und Rechtspraxis von Anfang an in enger Verknüpfung zueinander entwickelt haben (Hoffmann 1992).
Die Vergeltung ist daher keine Aufgabe der Strafe, vielmehr begrenzt das Schuldprinzip lediglich die nach präventiven Gesichtspunkten festzulegende Strafe.
Die Vergeltung ist daher keine Aufgabe der Strafe, vielmehr begrenzt das Schuldprinzip lediglich die nach präventiven Gesichtspunkten festzulegende Strafe.
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