Vergeltung: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Vergeltung''' bezeichnet man im weitesten Sinn jede Reaktion auf eine vorhergegangene Aktion. Im älteren Sprachgebrauch verstand man unter diesem eine Gegenleistung oder Belohnung für erwiesene Dienste, ohne eine entsprechende Differenzierung zwischen ökonomischen, juristischen und sozialen Kulturbereichen dabei vorzunehmen .  
Als '''Vergeltung''' bezeichnet man im weitesten Sinn jede Reaktion auf eine vorhergegangene Aktion. Im älteren Sprachgebrauch verstand man unter diesem eine Gegenleistung oder Belohnung für erwiesene Dienste, ohne eine entsprechende Differenzierung zwischen ökonomischen, juristischen und sozialen Kulturbereichen dabei vorzunehmen .  
Es besteht jedoch eine Wortverwandtschaft mit dem Begriff des Geldes. Heutzutage wird Vergeltung meist als [[Strafe]] mit dem Charakter der [[Sühne]] und [[Rache]] verstanden. Das Vergeltungsprinzip ist in die historischen Gesetzgebungen verschiedener Rechtsordnungen mit eingeflossen, wobei eine gewisses Verhältnis zwischen Tat und Sühne durch eine Ausgleichshandlung geschaffen wird, die auch über die tatsächliche Schwere der Tat hinausgehen kann. Unterformen der Vergeltung, die nicht darüber hinausgehen, sind der [Schadenersatz] und [Talion].
Es besteht jedoch eine Wortverwandtschaft mit dem Begriff des Geldes. Heutzutage wird Vergeltung meist als [[Strafe]] mit dem Charakter der [[Sühne]] und [[Rache]] verstanden. Das Vergeltungsprinzip ist in die historischen Gesetzgebungen verschiedener Rechtsordnungen mit eingeflossen, wobei eine gewisses Verhältnis zwischen Tat und Sühne durch eine Ausgleichshandlung geschaffen wird, die auch über die tatsächliche Schwere der Tat hinausgehen kann. Unterformen der Vergeltung, die nicht darüber hinausgehen, sind der Schadenersatz und Talion.




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Die einzelnen Rechtsbegriffe um die Strafe und dem Vergeltungsbegriff entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte in starker Abhängigkeit zueinander, sowie die einzelnen Bedeutungen ebenso deutliche Schnittmengen mit anderen Begriffen entwickelten.
Die einzelnen Rechtsbegriffe um die Strafe und dem Vergeltungsbegriff entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte in starker Abhängigkeit zueinander, sowie die einzelnen Bedeutungen ebenso deutliche Schnittmengen mit anderen Begriffen entwickelten.
Die Vergeltungstheorie hat in jedoch in ihrer generellen Entwicklung eine Tendenz zur Symbolisierung und Idealisierung . Dem Vergeltungsbedürfnis liegt eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit zugrunde , der auch den emotionalen Anteil der Rache befriedigt.
Die Vergeltungstheorie hat in jedoch in ihrer generellen Entwicklung eine Tendenz zur Symbolisierung und Idealisierung. Dem Vergeltungsbedürfnis liegt eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit zugrunde , der auch den emotionalen Anteil der Rache befriedigt.


Eine bewusste und kriminalpädagogisch- kritische Reflektion der Strafzwecke manifestiert sich erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts, wobei die Meinung zu dem Vergeltungsgedanken dazu weiterhin umstritten blieb.
Eine bewusste und kriminalpädagogisch- kritische Reflektion der Strafzwecke manifestiert sich erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts, wobei die Meinung zu dem Vergeltungsgedanken dazu weiterhin umstritten blieb.
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Bei der Gründung des Deutschen Reiches war die Grundlage im RStGB vom 15.5.1871 ein kantsches , autoritäres Staats- und Strafrechtsverständnis, wobei es Straftheoretisch der Vergeltungsidee verpflichtet war .
Bei der Gründung des Deutschen Reiches war die Grundlage im RStGB vom 15.5.1871 ein kantsches, autoritäres Staats- und Strafrechtsverständnis, wobei es Straftheoretisch der Vergeltungsidee verpflichtet war .
1882 fordert Franz v. Liszt schon in seinem Marburger Programm die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts, zu Lasten des Vergeltungsgedanken. Die Wendung von Tat- zum Täterstrafrecht, wird heute bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt.
1882 fordert [[Franz v. Liszt]] schon in seinem [[Marburger Programm]] die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts, zu Lasten des Vergeltungsgedanken. Die Wendung von Tat- zum Täterstrafrecht, wird heute bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt.
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die überwiegende Strafrechtswissenschaft bei der Rechtfertigung strafrechtlicher Sanktionen noch den Schutz des Individuums in den Vordergrund und beschränkte den Strafanspruch des Staates . Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte an dem im Rechtsgefühl des Volkes verwurzelten Vergeltungsgedanken angeknüpft werden .
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die überwiegende Strafrechtswissenschaft bei der Rechtfertigung strafrechtlicher Sanktionen noch den Schutz des Individuums in den Vordergrund und beschränkte den Strafanspruch des Staates. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte an dem im Rechtsgefühl des Volkes verwurzelten Vergeltungsgedanken angeknüpft werden.
In deutlicher Abkehr hiervon hat das Grundgesetz das Bekenntnis zur Würde des Menschen vorangestellt (z.B. Art. 102 GG), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist, wonach sich die Rechtfertigung von Strafe allerdings nicht erledigt hat.
In deutlicher Abkehr hiervon hat das Grundgesetz das Bekenntnis zur Würde des Menschen vorangestellt (z.B. Art. 102 GG), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlicher Gewalt ist, wonach sich die Rechtfertigung von Strafe allerdings nicht erledigt hat.
In abgeschwächter Form wurde diese Diskussion erneut zu den Arbeiten der Großen Strafrechtskommission 1962 aufgebracht. In Deutschland besteht heute allerdings weitgehend Konsens darüber, dass die Vergeltungsidee den Einsatz der Strafe nicht mehr rechtfertigen kann.
In abgeschwächter Form wurde diese Diskussion erneut zu den Arbeiten der Großen Strafrechtskommission 1962 aufgebracht. In Deutschland besteht heute allerdings weitgehend Konsens darüber, dass die Vergeltungsidee den Einsatz der Strafe nicht mehr rechtfertigen kann.
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Unter den absoluten Straftheorien ist die Vergeltungstheorie neben der Sühnetheorie vertreten und wurde unter anderem von Immanuel Kant, Hegel und Binding vertreten. Das durch die Handlung des Täters geschaffene Unrecht soll durch die Strafe aufgewogen werden, um die verletzte Rechtsordnung auf diese Weise wiederherzustellen. Sie dient dem Schuldausgleich und stellt auf diese Weise die Gerechtigkeit wieder her. Die Vergeltungstheorie sieht im Rechtsbruch ebenso eine angemaßte Ausnahmestellung des Rechtsbrechers gegenüber den Mitbürgern, die durch eine Strafe ausgeglichen werden muss.
Unter den absoluten Straftheorien ist die Vergeltungstheorie neben der Sühnetheorie vertreten und wurde unter anderem von Immanuel Kant, Hegel und Binding vertreten. Das durch die Handlung des Täters geschaffene Unrecht soll durch die Strafe aufgewogen werden, um die verletzte Rechtsordnung auf diese Weise wiederherzustellen. Sie dient dem Schuldausgleich und stellt auf diese Weise die Gerechtigkeit wieder her. Die Vergeltungstheorie sieht im Rechtsbruch ebenso eine angemaßte Ausnahmestellung des Rechtsbrechers gegenüber den Mitbürgern, die durch eine Strafe ausgeglichen werden muss.


Im Gegensatz hierzu sind die relativen Straftheorien eher auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten fokussiert und beinhalten die Abschreckungstheorie (Generalprävention, vgl. Feuerbach) und die Besserungstheorie (Resozialisierung, vgl. v. Liszt).
Im Gegensatz hierzu sind die relativen Straftheorien eher auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten fokussiert und beinhalten die Abschreckungstheorie (Generalprävention, vgl. [[Feuerbach]]) und die Besserungstheorie (Resozialisierung, vgl. v. Liszt).
Hingegen wird Genugtuung für das Opfer nicht als Strafzweck angesehen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich Vergeltung und Abschreckung in Rechtstheorie und Rechtspraxis von Anfang an in enger Verknüpfung zueinander entwickelt haben (Hoffmann 1992).
Hingegen wird Genugtuung für das [[Opfer]] nicht als Strafzweck angesehen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich Vergeltung und Abschreckung in Rechtstheorie und Rechtspraxis von Anfang an in enger Verknüpfung zueinander entwickelt haben (Hoffmann 1992).
Die Vergeltung ist keine Aufgabe der Strafe, vielmehr begrenzt das Schuldprinzip lediglich die nach präventiven Gesichtspunkten festzulegende Strafe
Die Vergeltung ist keine Aufgabe der Strafe, vielmehr begrenzt das Schuldprinzip lediglich die nach präventiven Gesichtspunkten festzulegende Strafe


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  1.Grimm Bd. 25 Sp. 411
* Grimm Bd. 25 Sp. 411
  2.Bianchi, a.a.O. S.62
* Bianchi, a.a.O. S.62
  3.Bianchi, ebd.
* Bianchi, ebd.
  4.U. Klug, Bedeutung des Schutzgedankens, S 72. Dabei ist anzumerken, dass dies nicht dem modernen Wortgebrauch von Sühne umfasst.
* U. Klug, Bedeutung des Schutzgedankens, S 72. Dabei ist anzumerken, dass dies nicht dem modernen Wortgebrauch von Sühne umfasst.
  5.Müller- Dietz, Strafbegriff und Strafrechtspflege, S.24
* Müller- Dietz, Strafbegriff und Strafrechtspflege, S.24
  6.Spendel, Lehre vom Strafmaß, S.96
* Spendel, Lehre vom Strafmaß, S.96
  7.Kant, I.: Die Metaphysik der Sitten, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.):
* Kant, I.: Die Metaphysik der Sitten, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.):
     Kant's gesammelte Schriften, Bd. VI, Berlin 1914, S. 331.
     Kant's gesammelte Schriften, Bd. VI, Berlin 1914, S. 331.
  8.Eser, A., Hundert Jahre deutscher Strafgesetzgebung, in: Festschrift für W. Maihofer,
* Eser, A., Hundert Jahre deutscher Strafgesetzgebung, in: Festschrift für W. Maihofer,
     Frankfurt a.M. 1988, S. 109 ff.
     Frankfurt a.M. 1988, S. 109 ff.
  9.Marxen, Kampf gegen das liberale Strafrecht, S.21 ff.
* Marxen, Kampf gegen das liberale Strafrecht, S.21 ff.
  10.Marxen, a.a.O., S.67ff, 107.
* Marxen, a.a.O., S.67ff, 107.
  11.Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S.19
* Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S.19
  12.Radbruch, Rechtsphilosophie, S.119ff.
* Radbruch, Rechtsphilosophie, S.119ff.
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