Ultra: Unterschied zwischen den Versionen

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Nachdem in den 1960er Jahren der Fußball ("calcio") in Italien dem Radsport als beliebtester Sportart den Rang abgelaufen hatte, bildeten sich die ersten Fangruppen mit dem Ziel organisierter Unterstützung ihrer Mannschaften: "Der Legende nach soll eine italienische Zeitung den Begriff 'Ultra' erstmalig benutzt haben, um Anhänger des AC Turin zu beschreiben. Sie hatten einen Schiedsrichter aus Wut bis zum Flughafen verfolgt. 'Ultra' war ein Synonym für Radikalität" (Blaschke 2007b). Während sich die meisten Ultras als unpolitisch bezeichnen, gab es in den Anfängen der Ultra-Bewegung eher "linke" Orientierungen (z.B. seit 1977 "Commando Ultra Curva Sud" im Umfeld des AS Rom) und seit etwa der Jahrtausendwende eine Tendenz nach rechts, die nur eine Minderheit von Klubs (wie Livorno, Lecce, Siena oder Cagliari) bisher noch nicht erreicht hat.
Nachdem in den 1960er Jahren der Fußball ("calcio") in Italien dem Radsport als beliebtester Sportart den Rang abgelaufen hatte, bildeten sich die ersten Fangruppen mit dem Ziel organisierter Unterstützung ihrer Mannschaften: "Der Legende nach soll eine italienische Zeitung den Begriff 'Ultra' erstmalig benutzt haben, um Anhänger des AC Turin zu beschreiben. Sie hatten einen Schiedsrichter aus Wut bis zum Flughafen verfolgt. 'Ultra' war ein Synonym für Radikalität" (Blaschke 2007b). Während sich die meisten Ultras als unpolitisch bezeichnen, gab es in den Anfängen der Ultra-Bewegung eher "linke" Orientierungen (z.B. seit 1977 "Commando Ultra Curva Sud" im Umfeld des AS Rom) und seit etwa der Jahrtausendwende eine Tendenz nach rechts, die nur eine Minderheit von Klubs (wie Livorno, Lecce, Siena oder Cagliari) bisher noch nicht erreicht hat.
In der Klub-Politik werden die Ultras einerseits von den Eignern instrumentalisiert, um missliebige Trainer oder Spieler zu vertreiben. Andererseits können sie auch eine eigenständige Macht darstellen. So zwang das "Collettivo Autonomo Viola" des AC Florenz zwei Präsidenten durch massiven Protest zum Rücktritt; in Verona verhinderten Ultras die Verpflichtung eines (schwarzen) Spielers, indem sie in Ku-Klux-Klan-Verkleidung ins Stadion kamen und eine überlebensgroße Stoffpuppe mit dem Schild "Negro go away" aufhingen. Die Ultras des Vereins Lazio Rom ("Irriducibili") errangen in den Jahren um und nach 2000 wichtige Positionen, gerieten aber auch in den Dunstkreis des organisierten Verbrechens. Vier Führungspersonen kamen in Untersuchungshaft, darunter der sagenumwobene Fabrizio Toffolo.
In der Klub-Politik werden die Ultras einerseits von den Eignern instrumentalisiert, um missliebige Trainer oder Spieler zu vertreiben. Andererseits können sie auch eine eigenständige Macht darstellen. So zwang das "Collettivo Autonomo Viola" des AC Florenz zwei Präsidenten durch massiven Protest zum Rücktritt; in Verona verhinderten Ultras die Verpflichtung eines (schwarzen) Spielers, indem sie in Ku-Klux-Klan-Verkleidung ins Stadion kamen und eine überlebensgroße Stoffpuppe mit dem Schild "Negro go away" aufhingen. Die Ultras des Vereins Lazio Rom ("Irriducibili") errangen in den Jahren um und nach 2000 wichtige Positionen, gerieten aber auch in den Dunstkreis des organisierten Verbrechens. Vier Führungspersonen kamen in Untersuchungshaft, darunter der sagenumwobene Fabrizio Toffolo. - Der italienische Rekordmeister Juventus Turin wurde vom Sportgericht im November 2007 zu 20 000 Euro Strafe verurteilt, weil Juve-Ultras beim Spiel gegen Meister Inter Mailand am 4. November 2007 den schwedischen Stürmer serbischer Abstammung, Zlatan Ibrahimovic, als "schmutzigen Zigeuner" beschimpft hatten. -
2005 wurde ein Gesetz verabschiedet, das elektronische Eintrittskontollen, Videoüberwachung aller Zuschauersektoren und die Erhöhung der Ordnerzahlen vorsah, doch nur unzureichend implementiert wurde.  Die meisten Vereine zogen sich mit Ausnahmegenehmigungen aus der Affäre.  
 
Das Stadionverbot - la diffida - ist die häufigste Sanktion zur Kontrolle der Ultras, gilt jedoch z.T. auch als kontraproduktiv, zumal die gerichtliche Befassung mit ihnen Jahre dauern kann. Ronny Blaschke vermisst in Italien die Maßnahmen, die es in Großbritannien und Deutschland schon seit Jahren gibt: sozialpräventive Fanprojekte, polizeiliche Dateien und anderes: "Bisher wurden kräfte der Antiterroreinheit Digos in die Fankurven geschickt. Die zivilen Kontaktbeamten hingegen, die Squadre Tifoserie, vergleichbar mit den szenekundigen Beamten in Deutschland, werden von den Ultras kaum akzeptiert. Sie verdienen im Schnitt 1300 Euro im Monat. Niemand möchte sich dafür verprügeln lassen. 'Wir sind ihre größten Feinde. Uns jagen sie', sagt ein Polizist, der nicht genannt werden möchte. ... Sicherheitskosten und Schäden verschlingen in jeder Saison fast eine halbe Milliarde Euro. ... Vielleicht würden die Vereine den Ultras mehr Beachtung schenken, wenn die Stadien in ihrem Besitz wären. Die meisten Klubs mieten die Arenen bei den Kommunen zu einem Spottpreis ... die Kommerzialisierung nach amerikanischem Modell, die ein spendables Publikum aus der Mittelschicht anlockt, konnte sich in Italien nie durchsetzen. Frauen und Kinder sieht man auf den Tribünen nur vereinzelt" (Blaschke 2007b).
Gegen Ultras selbst ist die häufigste Sanktion das Stadionverbot, la diffida. Ronny Blaschke vermisst in Italien die Maßnahmen à la Großbritannien und Deutschland: sozialpräventive Fanprojekte, polizeiliche Dateien und anderes: "Bisher wurden kräfte der Antiterroreinheit Digos in die Fankurven geschickt. Die zivilen Kontaktbeamten hingegen, die Squadre Tifoserie, vergleichbar mit den szenekundigen Beamten in Deutschland, werden von den Ultras kaum akzeptiert. Sie verdienen im Schnitt 1300 Euro im Monat. Niemand möchte sich dafür verprügeln lassen. 'Wir sind ihre größten Feinde. Uns jagen sie', sagt ein Polizist, der nicht genannt werden möchte. ... Sicherheitskosten und Schäden verschlingen in jeder Saison fast eine halbe Milliarde Euro. ... Vielleicht würden die Vereine den Ultras mehr Beachtung schenken, wenn die Stadien in ihrem Besitz wären. Die meisten Klubs mieten die Arenen bei den Kommunen zu einem Spottpreis ... die Kommerzialisierung nach amerikanischem Modell, die ein spendables Publikum aus der Mittelschicht anlockt, konnte sich in Italien nie durchsetzen. Frauen und Kinder sieht man auf den Tribünen nur vereinzelt" (Blaschke 2007b).


== Ultras in Deutschland ==  
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Anonymer Benutzer