Totale Institution: Unterschied zwischen den Versionen

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Durch den so genannten Fraternisationseffekt wird versucht, den harten, trostlose Alltag zu kompensieren. Insassen, die vor ihrer Einweisung keine Verknüpfungspunkte zueinander hatten, stehen sich nun in totalen Institutionen trotz fehlender sozialer Bindung sehr nahe; es kommen Primärgruppen zustande. Gemeinsam wird versucht, dem repressiven Alltag in der Einrichtung zu trotzen. Während dieser Entwicklung zeigt sich, dass ein Mitverständnis untereinander entsteht.  
Durch den so genannten Fraternisationseffekt wird versucht, den harten, trostlose Alltag zu kompensieren. Insassen, die vor ihrer Einweisung keine Verknüpfungspunkte zueinander hatten, stehen sich nun in totalen Institutionen trotz fehlender sozialer Bindung sehr nahe; es kommen Primärgruppen zustande. Gemeinsam wird versucht, dem repressiven Alltag in der Einrichtung zu trotzen. Während dieser Entwicklung zeigt sich, dass ein Mitverständnis untereinander entsteht.  


Die Loyalität drückt sich darin aus, dass die enstandenden Gefühle sowie entwickelten Abwehrmechanismen während der Zeit in den Institutionen geteilt werden können. Ferner wird strikt zwischen der Welt innerhalb des Einrichtung und der außerhalb getrennt. Das heißt, die Gründe weswegen es zu einer Einweisung gekommen ist, hat lediglich  eine sekundäre Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Vorwürfe die den Insassen zur Last gelegt werden, durch Anteilnahme der Mitinsassen leichter neutralisiert werden können.
Die Loyalität drückt sich darin aus, dass die enstandenden Gefühle sowie entwickelten Abwehrmechanismen während der Zeit in den Institutionen geteilt werden können. Ferner wird strikt zwischen der Welt innerhalb des Einrichtung und der außerhalb getrennt. Das heißt, die Gründe weswegen es zu einer Einweisung gekommen ist, haben lediglich  eine sekundäre Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Vorwürfe die den Insassen zur Last gelegt werden, durch Anteilnahme der Mitinsassen leichter neutralisiert werden können.
Kollektive Fraternisation stärkt den Zusammenhalt einer Gruppe. Sie zeigt sich in der Form, dass sie gegen das Personal erfolgt. Durch die Gruppendynamik wird versucht, das Personal zu provozieren. Die Solidarität reicht in diesen Situationen soweit, dass die Gruppe der Insassen den eigentlichen Anstifter zu decken versucht, damit dieser nicht dem Bestrafungssystem der Einrichtung ausgesetzt ist. Um die abgesprochene Solidarität zu verhindern, versucht die Institution von vornherein die Bildung von Primärgruppen zu unterbinden.
Kollektive Fraternisation stärkt den Zusammenhalt einer Gruppe. Sie zeigt sich in der Form, dass sie gegen das Personal erfolgt. Durch die Gruppendynamik wird versucht, das Personal zu provozieren. Die Solidarität reicht in diesen Situationen soweit, dass die Gruppe der Insassen den eigentlichen Anstifter zu decken versucht, damit dieser nicht dem Bestrafungssystem der Einrichtung ausgesetzt ist. Um die abgesprochene Solidarität zu verhindern, versucht die Institution von vornherein die Bildung von Primärgruppen zu unterbinden.


Es ist jedoch zu bemerken, dass die Solidaritätsbekundungen aus der Not heraus dem Misstrauen innerhalb des Institutionsalltags entegegenstehen. So führen nicht zwangsläufig ähnliche Schicksale in einer Einrichtung zu Fraternisation. Im Gegenteil, ist der Einzelne eher darauf bedacht möglichst unbeschadet durch den Alltag zu kommen. Ängste wie der Diebstahl seiner noch verbliebenden Habseligkeiten bis hin dem Risiko eines Angriffes seitens des Mitinsassen ausgesetzt zu sein, lässt den Insassen eher ein zurückgezogenes Leben führen.
Es ist jedoch zu bemerken, dass die Solidaritätsbekundungen aus der Not heraus dem Misstrauen innerhalb des Institutionsalltags entegegenstehen. So führen nicht zwangsläufig ähnliche Schicksale in einer Einrichtung zu Fraternisation. Im Gegenteil, ist der Einzelne eher darauf bedacht möglichst unbeschadet durch den Alltag zu kommen. Ängste wie der Diebstahl seiner noch verbliebenen Habseligkeiten bis hin dem Risiko eines Angriffes seitens des Mitinsassen ausgesetzt zu sein, lässt den Insassen eher ein zurückgezogenes Leben führen.


Weitere zu beobachtende Symptomatik ist u.a. das Auftreten von Regression, kompromisslosem Standpunkt (Goffmann, 1973:66) sowie Kolonisierung.  
Weitere zu beobachtende Symptomatik ist u.a. das Auftreten von Regression, kompromisslosem Standpunkt (Goffmann, 1973:66) sowie Kolonisierung.  
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Resignationen zeigen sich in der Form der Kolonisierung, indem die Situation als positiv bewertet wird.
Resignationen zeigen sich in der Form der Kolonisierung, indem die Situation als positiv bewertet wird.
Glaubt der Insasse aus dem derzeitgen Alltag eine Zukunft aufzubauen, die ihn zufriedenstellt, so wird von einem Zustand der Kolonisierung gesprochen. Der Betroffene nimmt lediglich einen sehr kleinen Ausschnitt seiner Umwelt wahr. Durch die eher negativen Erfahrungen in der Welt außerhalb der Institution, die er vor dem Eintritt gemacht hat, glaubt er innnerhalb der Einrichtung ein durchaus besseres Leben führen zu können. Die bisher als schmerzlich empfundenen Unterschiede zwischen der Außenwelt und der totalen Institution werden nicht mehr so stark wahrgenommen, bzw. sogar ausgeblendet. Dem Personal gegenüber untergräbt er ihre Macht durch seine Zufriedenheit, da sie dem Zustand eher ohnmächtig entgegenstehen.
Glaubt der Insasse aus dem derzeitigen Alltag eine Zukunft aufzubauen, die ihn zufriedenstellt, so wird von einem Zustand der Kolonisierung gesprochen. Der Betroffene nimmt lediglich einen sehr kleinen Ausschnitt seiner Umwelt wahr. Durch die eher negativen Erfahrungen in der Welt außerhalb der Institution, die er vor dem Eintritt gemacht hat, glaubt er innnerhalb der Einrichtung ein durchaus besseres Leben führen zu können. Die bisher als schmerzlich empfundenen Unterschiede zwischen der Außenwelt und der totalen Institution werden nicht mehr so stark wahrgenommen, bzw. sogar ausgeblendet. Dem Personal gegenüber untergräbt er ihre Macht durch seine Zufriedenheit, da sie dem Zustand eher ohnmächtig entgegenstehen.
   
   
Durch das Konversionsverhalten wird durch die fehlerfreie Anpasung in der Form eines perfekten Insassen die Möglichkeit einer baldigen Entlassung erhofft. Dies zeigt sich u.a. in perfektem Verhalten, wie sich das Personal dies erwünscht. Teilweise übernehmen die Insassen auch die Attitüden von einzelnen Personalangehörigen indem sie versuchen sich ähnlich zu kleiden,  bzw. das Verhalten zu imitieren. Hier ist mitunter auffällig, dass sie bei tatsächlicher Einbindung durch das Personal durchaus härter und strenger agieren.  
Durch das Konversionsverhalten wird durch die fehlerfreie Anpasung in der Form eines perfekten Insassen die Möglichkeit einer baldigen Entlassung erhofft. Dies zeigt sich u.a. in perfektem Verhalten, wie sich das Personal dies erwünscht. Teilweise übernehmen die Insassen auch die Attitüden von einzelnen Personalangehörigen indem sie versuchen sich ähnlich zu kleiden,  bzw. das Verhalten zu imitieren. Hier ist mitunter auffällig, dass sie bei tatsächlicher Einbindung durch das Personal durchaus härter und strenger agieren.  
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== Fazit, Kritik ==
== Fazit, Kritik ==


Das primäre Ziel von einer totalen Institution ist die Veränderung des Charakters der betroffenen Person. Die bewusst entstehende Spannung in der Einrichtung soll als strategischer Hebel zur Menschenführung dienen.  
Das primäre Ziel einer totalen Institution ist die Veränderung des Charakters der betroffenen Person. Die bewusst entstehende Spannung in der Einrichtung soll als strategischer Hebel zur Menschenführung dienen.  
Weitere anerkanne Ziele von totalen Institutionen sind u.a. Erziehung und Ausbildung, medizinische Behandlung sowie Schutz der übrigen Gesellschaft (Psychiatrie).  
Weitere anerkanne Ziele von totalen Institutionen sind u.a. Erziehung und Ausbildung, medizinische Behandlung sowie Schutz der übrigen Gesellschaft (Psychiatrie).  
Gerade totale Institutionen in der Form eines Strafvollzuges verfolgen die primären generalpräventiven Ziele wie der Unschädlichmachung, der Vegeltung, der Abschreckung und der Besserung der betroffenen Insassen zum Schutz der Gesellschaft ausserhalb dieser Einrichtungen.
Gerade totale Institutionen in der Form eines Strafvollzuges verfolgen die primären generalpräventiven Ziele wie der Unschädlichmachung, der Vegeltung, der Abschreckung und der Besserung der betroffenen Insassen zum Schutz der Gesellschaft ausserhalb dieser Einrichtungen.
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