Totale Institution: Unterschied zwischen den Versionen

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Es ist jedoch zu bemerken, dass die Solidaritätsbekundungen aus der Not heraus dem Misstrauen innerhalb des Institutionsalltags entegegenstehen. So führen nicht zwangsläufig ähnliche Schicksale in einer Einrichtung zu eine Fraternisation. Im Gegenteil, eher ist der Einzelne darauf bedacht möglichst unbeschadet durch den Alltag zu kommen. Ängste wie das Bestehlen seiner noch verbliebenden Habseligkeiten bis hin dem Risiko eines Angriffes seitens des Mitinsassen ausgesetzt zu sein, lässt den Insassen eher ein zurückgezogenes Leben führen.
Es ist jedoch zu bemerken, dass die Solidaritätsbekundungen aus der Not heraus dem Misstrauen innerhalb des Institutionsalltags entegegenstehen. So führen nicht zwangsläufig ähnliche Schicksale in einer Einrichtung zu eine Fraternisation. Im Gegenteil, eher ist der Einzelne darauf bedacht möglichst unbeschadet durch den Alltag zu kommen. Ängste wie das Bestehlen seiner noch verbliebenden Habseligkeiten bis hin dem Risiko eines Angriffes seitens des Mitinsassen ausgesetzt zu sein, lässt den Insassen eher ein zurückgezogenes Leben führen.


Weitere zu beobachtende Symptomatik ist u.a. das Auftreten von Stumpfsinn sowie Depersonalisation.  
Weitere zu beobachtende Symptomatik ist u.a. das Auftreten von Regression, kompromisslosen Standpunkt sowie Kolonisierung.  
Zu beobachten ist der Versuch der Auflehnung gegenüber dem System oder der gegenteiligen Konversion. Durch das tadellose Verhalten in der Form eines perfekten Insassen steht die Hoffnung einer baldigen Entlassung.
Bei der Regression zieht sich der Insasse demonstrativ aus dem Alltag der Einrichtung zurück. Sein Interesse ist nur noch darauf beschränkt Dinge an sich heranzulassen, die ihn nur unmittelbar bezüglich seiner Person betreffen.  
 
Beim kompromisslosen Standpunkt ist ein Zustand erreicht, indem der Insasse sich der Kooperation mit dem Personal verschließt.  
 
Resignationen zeigen sich in der Form der Kolonisierung, indem die Situation als positiv bewertet wird.
Resignationen zeigen sich in der Form der Kolonisierung, indem die Situation als positiv bewertet wird.
Glaubt der Insasse aus dem derzeitgen Alltag eine Zukunft aufzubauen, die ihn zufriedenstellt, so wird von einem Zustand der Kolonisierung gesprochen. Der Betroffene nimmt lediglich einen sehr kleinen Ausschnitt seiner Umwelt wahr. Durch die eher negativen Erfahrungen in der Welt außerhalb der Institution, die er vor dem Eintritt gemacht hat, glaubt er innnerhalb der Einrichtung ein durchaus besseres Leben führen zu können. Die bisher als schmerzlich nicht vorhandenen empfundenen Unterschiede zwischen der Außenwelt und der totalen Institution werden nicht mehr so stark wahrgenommen, bzw. sogar ausgeblendet. Dem Personal gegenüber untergräbt er ihre Macht durch seine Zufriedenheit, da sie dem Zustand eher ohnmächtig entgegenstehen.


Bewusst mangende Unterordnung durch den Insassen kann entweder ein Zeichen von Missbilligung und Unzufriedenheit seiner aktuellen Situation sein oder auch eine Aufrechterhaltung seiner derzeitigen Situation. Dies macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn der Insasse Sorge über das Leben nach seiner zukünftigen Entlassung hat. Statt sich auf die Entlassung vorzubereiten, versucht er alles, um die Zeit in der Einrichtung zu verlängern. Durch das Auflehnen gegenüber der Obrigkeit kommt die Person auch nicht in Erklärungsnot gegenüber seinen Mitinsassen, dass er letztlich gar nicht entlassen werden möchte.
Bei der Konversion wird durch das tadellose Verhalten in der Form eines perfekten Insassen die Möglichkeit einer baldigen Entlassung erhofft. Dies zeigt sich u.a. in perfektem Verhalten, wie sich das Personal dies erwünscht. Teilweise übernehmen die Insassen auch die Attitüden von einzelnen Personalangehörigen indem sie versuchen sich ähnlich zu kleiden,  bzw. das Verhalten zu imitieren. Hier ist mitunter auffällig, dass sie bei tatsächlicher Einbeziehung durch das Personal durchaus härter und strenger agieren.
 
Bewusst mangende Unterordnung durch den Insassen kann entweder ein Zeichen von Missbilligung und Unzufriedenheit seiner aktuellen Situation sein oder auch eine Aufrechterhaltung seiner derzeitigen Situation. Dies macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn der Insasse Sorge über das Leben nach seiner zukünftigen Entlassung hat. Statt sich auf die Entlassung vorzubereiten, versucht er alles, um die Zeit in der Einrichtung zu verlängern. Durch das offenkundige Auflehnen gegenüber der Obrigkeit kommt die Person auch nicht in Erklärungsnot gegenüber seinen Mitinsassen, dass er letztlich gar nicht entlassen werden möchte.
 
Im Alltag einer totalen Institution ist zu beobachten, das sich eine Mischung aus den oben beschriebenen Verhaltensmodi bei den Insassen entwickelt. Diese wird auch als Strategie des "Ruhig Blut bewahren" bezeichnet. Durch die selbst gewählten Verhaltensmechanismen versucht der Insasse möglichst unbeschadet den Alltag zu bewältigen.  




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Durch das nicht erwünschte Mitfühlen des Insassen auf menschlicher Ebene in totalen Institutionen, kann eine Dynamik in Gang gesetzt werden, die auch "Engagementzyklus" genannt wird. Hierbei durchbricht der Angehörige des Personals die anfängliche soziale Distanz zum Insassen durch emphatische Reflexion seiner selbst. Durch diese Ebene des näheren Bezugs zum Insassen erkennt der Personalangehörige die Situation die der Insasse ausgesetzt ist und fühlt sich verletzt, schuldig. Um dieser Situation zu entgehen, versucht er durch Ablenkung, Beschäftigung mit anderen Dingen seine Erfahrung zu kompensieren. Nach einem örtlichen und zeitlichen Abstand sinkt die Angstsschwelle der menschlichen Annäherung an den Insassen und die Kontaktaufnahme die letztlich wieder im Rückzug seitens des Personalangehörigen enden wird, wiederholt sich erneut.
Durch das nicht erwünschte Mitfühlen des Insassen auf menschlicher Ebene in totalen Institutionen, kann eine Dynamik in Gang gesetzt werden, die auch "Engagementzyklus" genannt wird. Hierbei durchbricht der Angehörige des Personals die anfängliche soziale Distanz zum Insassen durch emphatische Reflexion seiner selbst. Durch diese Ebene des näheren Bezugs zum Insassen erkennt der Personalangehörige die Situation die der Insasse ausgesetzt ist und fühlt sich verletzt, schuldig. Um dieser Situation zu entgehen, versucht er durch Ablenkung, Beschäftigung mit anderen Dingen seine Erfahrung zu kompensieren. Nach einem örtlichen und zeitlichen Abstand sinkt die Angstsschwelle der menschlichen Annäherung an den Insassen und die Kontaktaufnahme die letztlich wieder im Rückzug seitens des Personalangehörigen enden wird, wiederholt sich erneut.
Eine zu intensive Behandlung aus empathischer Sicht könnte ein Gefühl vermitteln, es dem Insassen so angenehm wie möglich zu gestalten. Die schon beschriebene Kolonisierung könnte durch dieses Verhalten seitens des Personals begünstigt werden.


== Literatur ==
== Literatur ==


*Goffman, Erving,1973, Asyle über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderen Insassen, Suhrkamp, Frankfurt am Main
*Goffman, Erving,1973, Asyle über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderen Insassen, Suhrkamp, Frankfurt am Main
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