Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff 'Theorie' ist dem griech. 'Theoría' - das „Zuschauen, Betrachten, Untersuchen" entlehnt, welches wiederum auf dem Substantiv 'Theorós' - "Zuseher eines Schauspiels" beruht. Seit dem 16. Jahrhundert ist 'Theorie' als Fremdwort bezeugt und wurde als Gegensatz zu 'Praxis' (griech. 'pratteín' - "tun, verrichten, handeln") gebraucht.
Der Begriff 'Theorie' ist dem griech. 'Theoría' - das „Zuschauen, Betrachten, Untersuchen" entlehnt, welches wiederum auf dem Substantiv 'Theorós' - "Zuseher eines Schauspiels" beruht. Seit dem 16. Jahrhundert ist 'Theorie' als Fremdwort bezeugt und wurde als Gegensatz zu 'Praxis' (griech. 'pratteín' - "tun, verrichten, handeln") gebraucht.


Im 18. Jahrhundert bezeichnete man als `Theoretiker` eher abschätzig einen Gelehrten, der ohne tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt seine Erkenntnisse gewann.
Im 18. Jahrhundert bezeichnete man als `Theoretiker` eher abschätzig einen Gelehrten, der ohne tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt seine Erkenntnisse gewann. Das bewog zwar Immanuel Kant (1793) dazu, den Dualismus von Rationalismus und Empirismus bzw. der abstrakten Wissenschaft und der konkreten historischen Wirklichkeit (philosophisch) aufzuheben, doch ließ das die Konflikte und gegenseitigen Abwertungen zwischen "Theoretikern" und "Praktikern", welche die gesamte Geschichte der Kriminologie wie auch der Kriminalistik durchziehen, unberührt.
Erst Immanuel Kant (1793) hob den Dualismus von Rationalismus und Empirismus bzw. der abstrakten Wissenschaft und der konkreten historischen Wirklichkeit auf.


Allgemein wird unter `Theorie´ ein gedanklicher Entwurf zur Erklärung von Zusammenhängen verstanden, der über den Komplexitätsgrad einer schlichten Vermutung hinausgeht. Insofern ist eine Theorie ein komplexes System von in einem begrenzten Zusammenhang stehenden generalisierten und abstrakten Annahmen bzw. Hypothesen über Beziehungen und Wirkungen bestimmter - empirisch erfassbarer -  Phänomene. Dieses System von Annahmen soll zudem nach Möglichkeit in sich logisch konsistent (widerspruchsfrei) sein, eine innere Struktur aufweisen und hinreichend informationsreich sein, um bestimmte Phänoemene auch ausschließen zu können. Von Vorteil ist es, wenn Theorien keine verkappten Werturteile transportieren (Werturteilsfreiheit). Auch sollten Theorien nach Möglichkeit mit präzisen  Begriffen arbeiten - das erleichtert die Operationalisierung der Begriffe und die Überprüfbarkeit der Theorien selbst. Je häufiger und je rigider die Falsisifierungsversuche einer Theorie und je besser ihr Zustand nach diesen Versuchen, desto höher ihr Grad der "Bewährung" und desto wahrscheinlich ist es, dass das, was die Theorie behauptet oder prognostiziert, auch wirklich so ist.
Allgemein wird unter `Theorie´ ein gedanklicher Entwurf zur Erklärung von Zusammenhängen verstanden, der über den Komplexitätsgrad einer schlichten Vermutung hinausgeht. Insofern ist eine Theorie ein komplexes System von in einem begrenzten Zusammenhang stehenden generalisierten und abstrakten Annahmen bzw. Hypothesen über Beziehungen und Wirkungen bestimmter - empirisch erfassbarer -  Phänomene. Dieses System von Annahmen soll zudem nach Möglichkeit in sich logisch konsistent (widerspruchsfrei) sein, eine innere Struktur aufweisen und hinreichend informationsreich sein, um bestimmte Phänoemene auch ausschließen zu können. Von Vorteil ist es, wenn Theorien keine verkappten Werturteile transportieren (Werturteilsfreiheit). Auch sollten Theorien nach Möglichkeit mit präzisen  Begriffen arbeiten - das erleichtert die Operationalisierung der Begriffe und die Überprüfbarkeit der Theorien selbst. Je häufiger und je rigider die Falsisifierungsversuche einer Theorie und je besser ihr Zustand nach diesen Versuchen, desto höher ihr Grad der "Bewährung" und desto wahrscheinlich ist es, dass das, was die Theorie behauptet oder prognostiziert, auch wirklich so ist.

Version vom 7. Oktober 2007, 18:05 Uhr

Der Begriff 'Theorie' ist dem griech. 'Theoría' - das „Zuschauen, Betrachten, Untersuchen" entlehnt, welches wiederum auf dem Substantiv 'Theorós' - "Zuseher eines Schauspiels" beruht. Seit dem 16. Jahrhundert ist 'Theorie' als Fremdwort bezeugt und wurde als Gegensatz zu 'Praxis' (griech. 'pratteín' - "tun, verrichten, handeln") gebraucht.

Im 18. Jahrhundert bezeichnete man als `Theoretiker` eher abschätzig einen Gelehrten, der ohne tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt seine Erkenntnisse gewann. Das bewog zwar Immanuel Kant (1793) dazu, den Dualismus von Rationalismus und Empirismus bzw. der abstrakten Wissenschaft und der konkreten historischen Wirklichkeit (philosophisch) aufzuheben, doch ließ das die Konflikte und gegenseitigen Abwertungen zwischen "Theoretikern" und "Praktikern", welche die gesamte Geschichte der Kriminologie wie auch der Kriminalistik durchziehen, unberührt.

Allgemein wird unter `Theorie´ ein gedanklicher Entwurf zur Erklärung von Zusammenhängen verstanden, der über den Komplexitätsgrad einer schlichten Vermutung hinausgeht. Insofern ist eine Theorie ein komplexes System von in einem begrenzten Zusammenhang stehenden generalisierten und abstrakten Annahmen bzw. Hypothesen über Beziehungen und Wirkungen bestimmter - empirisch erfassbarer - Phänomene. Dieses System von Annahmen soll zudem nach Möglichkeit in sich logisch konsistent (widerspruchsfrei) sein, eine innere Struktur aufweisen und hinreichend informationsreich sein, um bestimmte Phänoemene auch ausschließen zu können. Von Vorteil ist es, wenn Theorien keine verkappten Werturteile transportieren (Werturteilsfreiheit). Auch sollten Theorien nach Möglichkeit mit präzisen Begriffen arbeiten - das erleichtert die Operationalisierung der Begriffe und die Überprüfbarkeit der Theorien selbst. Je häufiger und je rigider die Falsisifierungsversuche einer Theorie und je besser ihr Zustand nach diesen Versuchen, desto höher ihr Grad der "Bewährung" und desto wahrscheinlich ist es, dass das, was die Theorie behauptet oder prognostiziert, auch wirklich so ist.

Daraus leitet sich auch das Prinzip der stets nur vorläufigen Geltung einer Theorie ab, welches durch die ständige Generierung neuen Wissens bedingt ist. So werden Theorien im Laufe der Zeit und fortschreitender Forschungserkenntnisse weiter entwickelt oder ganz verworfen (Paradigmenwechsel).

Aufgrund dieser besonderen Merkmale unterscheidet sich eine wissenschaftliche Theorie von Weltanschauungen, Ideologien oder so genannten Alltagstheorien, die v. a. auf (berichteten) Erfahrungen und Erlebnissen beruhen und demnach eher Behauptungswissen darstellen. Die zentrale Funktion einer Theorie liegt in der Steuerung und Organisierung des (empirischen) Forschungsprozesses sowie in der Verständigung über die grundlegenden Orientierungen innerhalb des jeweiligen wissenschaftlichen Fachbereiches begründet.

Damit wird auch deutlich, dass Theorien nie zeitlich, räumlich und sachlich voraussetzungslos entstehen, sondern sich immer an den gesellschaftlichen Bezügen, welche Probleme bzw. Forschungsbedarf eröffnen, orientieren.

Theorien können, entsprechend ihrem angegebenen Geltungsrahmen, verschieden große Bereiche der sozialen Realität umfassen. Zwischen den Theorien, die Aussagen über einzelne, raumzeitlich eng begrenzte empirische Regelmäßigkeiten treffen und umfassenden, komplexen Gesellschaftstheorien liegen die sogenannten "Theorien mittlerer Reichweite" (Robert K. Merton). Mit zunehmender Weite des Erklärungsanspruchs nehmen allerdings auch die Schwierigkeiten bei der empirischen Überprüfung zu. Wer die einfache empirische Überprüfbarkeit zum dominanten Maßstab für die Bewertung des "Nutzens" von Theorien macht, wird weder der Kritischen Theorie der Gesellschaft ("Frankfurter Schule") noch der Psychoanalyse noch solchen "Allgemeinen Kriminalitätstheorien", die sich die Erklärung des gesellschaftlichen Phänomens der Kriminalität als Gesamterscheinung zur Aufgabe machen, viel abgewinnen können.

Weiterhin lassen sich zwei Arten der wissenschaftlichen Theoriengenerierung herausstellen, wobei die Grenzen hierbei fließend sind. Zum einen sieht die induktive Verfahrensweise ihren Ausgangspunkt in Erfahrungssätzen. Diese Hypothesen werden empirisch geprüft und so in direktem Bezug auf die soziale Realität die Theorie entwickelt und gegebenenfalls modifiziert oder korrigiert. Zum anderen verwenden Vertreter des deduktiven Vorgehens historisch vorausgehendes, verifiziertes Wissen und entwickeln mittels logischen Schließens die Theorie.

Kriminalitätstheorien behandeln Ursachen und Konsequenzen kriminellen Verhaltens und sind dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Sie sind demnach zeit- und ortsabhängig, beeinflussen bzw. reagieren auf soziale Wertvorstellungen und das gesellschaftliche Verständnis von Kriminalität(sursachen) sowie die Art der Reaktionen auf abweichende Handlungen. Unterschiedliche wissenschaftstheoretische Auffassungen und fachspezifische Zugänge der verschiedenen Bezugswissenschaften der Kriminologie über den Geltungsanspruch einer Theorie und auch den Gegenstandsbereich selbst führen zu einer Vielfalt von Konzepten, Modellen und Erklärungsansätzen zum Thema Kriminalität, welche allerdings nicht in allen Fällen eine Theorie im engeren Sinn darstellen. Aus diesem Grund fällt eine klassifizierte Darstellung von Kriminalitätstheorien schwer. Dennoch zeigt die historische Entwicklung der kriminologischen Forschung und Theoriebildung nach dem Anlage-Umwelt-Streit der italienischen (Kriminalanthropologen) und französischen (kriminalsoziologische Richtung) Schule im 19. Jahrhundert im darauf folgenden Jahrhundert einen Paradigmenwechsel. Dieser ist von den biologischen Theorien und Ansätzen, in denen Vererbung eine essentielle Rolle in der Ursachenforschung spielt, über die Dominanz der psychologischen und sozialpsychologischen Theorien, deren Hauptrichtungen psychodynamische Konzepte, kontroll- und lerntheoretische Ansätze, Aggressionstheorien und auch der Rational-Choice-Ansatz darstellen, bis hin zu den soziologisch und strafrechtssoziologisch orientierten Theorien zu verfolgen. Vertreter letzterer Richtung führen das Auftreten abweichender und krimineller Phänomene auf vorwiegend sozialstrukturelle Probleme zurück. Als Beiträge dieser gesellschaftstheoretischen Ausrichtung sind hier Kulturkonflikttheorien, Subkulturtheorien, Anomie-Theorie oder auch der Labeling-Ansatz zu nennen. Einen weiteren Zugang zur Einordnung der verschiedenen Ansätze und Vorstellungen bieten die unterschiedlichen Erklärungsebenen, auf denen diese ansetzen. Zu differenzieren ist hier die individuelle, täter- bzw. opferzentrierte Perspektive auf die Entstehung von kriminellen Handlungen von der strukturellen und auch von der institutionell orientierten Sichtweise auf das Phänomen, welche sich vor allem auf die Verbrechenskontrolle bezieht.Generell sind allerdings zahlreiche Verbindungen und Überschneidungen zwischen den einzelnen Theorien und Konzepten zu finden.



Literatur:

  • Albert, H u.a.: Forschungslogik der Sozialwissenschaften. Düsseldorf. 1974
  • Göppinger, H.: Kriminologie. 5. vollst. neubearb. und erw. Aufl. München. 1997
  • Kant, I.: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis,1793.
  • Kaiser, G.; Schellhoss, H. (Hrsg.): Kleines kriminologisches Wörterbuch. Freiburg. 1974
  • Schneider, H.-J.: Kriminologie. Berlin. New York. 1987
  • Popper, K. R.: Logik der Forschung. 2. durchges. Aufl. Berlin. 2004 (1935)


Weitere Informationen zum Stichwort Kriminalitätstheorien finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter Kriminalitätstheorien.