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Korruption in der Ukraine anhand unwirksamer Kriminalpolitik


Einleitung

Mit gut siebzehn Jahren nationaler Unabhängigkeit zählt die Ukraine zu den jungen Staaten auf der europäischen Landkarte. Durch die „Orangene Revolution“ ist die ein wesentlich freieres Land geworden. Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sind grundsätzlich gewährleistet. Aber die Reformen des Straf- und Strafprozessrechts sind nicht abgeschlossen. Die steigende Zahl von Straftaten und eine veränderte Wahrnehmung der Kriminalität beeinflussen die Reformen.

In der unabhängigen Ukraine gibt es sowohl Schwierigkeiten bei der Schaffung eines neuen institutionellen Rahmens als auch bei der personellen Machtverteilung. Wie dies für postsowjetische Staaten in gewisser Weise typisch war, entstanden Konflikte zwischen den sich selbst als Reformbefürworter bezeichnenden Regierungsmitgliedern und dem als Reformhindernis angesehenen Parlament. Der Dauerstreit war weniger von ideologischen als vielmehr von machtpolitischen Interessen geprägt. Darüber hinaus richtete sich der Fokus der beteiligten Interessengruppen und Einzelakteure vor allem auf politische Entscheidungsbefugnisse und wirtschaftliche Ressourcen. Deswegen eine der größten Schwierigkeiten der Ukraine die Korruption ist, die sich negativ auf Wirtschaft und Politik auswirkt.


1. Menschenrechte und Strafrechtspolitik

Die ukrainische Verfassung sieht Gewaltenteilung sowie die Unabhängigkeit der Judikative vor. Konstitutionell ist ein weitaus geringeres Gewicht der Exekutive als in anderen Transformationsstaaten vorgesehen, wodurch die Rolle des Parlaments gestärkt wird und sich positiv auf die Prinzipien der Gewaltenteilung auswirkt. Allerdings gelingt es der Exekutive immer wieder erfolgreich, administrativen Druck auf die Zusammensetzungen der Legislative auszuüben. Die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative hat auch in der Vergangenheit die Durchsetzung von Reformen blockiert und zu zahlreichen personellen Wechseln an der Spitze der Regierung geführt.

Die gesetzgeberischen Reformen der letzen Jahre, wie etwa die Reform der Strafprozessordnung, dürften den Grad der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine erhöht haben. Entgegen der Verankerung einer unabhängigen Judikative in der Verfassung ist die Unabhängigkeit der Rechtsprechung in der Praxis beeinträchtigt. Die größten Probleme bilden dabei unzureichend ausgebildete Richter, die niedrigen Löhne der Richter sowie die Abhängigkeit von der Exekutive in Fragen der Raumvergabe. Solange Budget- und Ressourcenfragen in der Judikative nur unzureichend gelöst sind, fällt es den mächtigen Lobbygruppen leicht, Einfluss auf das Rechtswesen auszuüben.

Gravierende Verletzungen der bürgerlichen Freiheitsrechte äußerten sich wiederholt durch Morde, Anschläge und Einschüchterung von Journalisten, Parlamentariern, Mitgliedern der politischen Opposition sowie konkurrierender Wirtschaftsvertreter. Gemäß der normativen Vorgaben des Europarates ist die Abschaffung der Todesstrafe zum 22. Februar 2000 ein essenzieller Fortschritt bei der Gewährung der Menschenrechte. Im Jahre 2005 und 2006 wurden mehrere Gesetze zur Justizreform verabschiedet, bei denen es gemäß dem Verfassungsauftrag darum ging, Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz zu stärken. Der Aufbau der Gerichte wurde modifiziert, und den Richtern der Handels- und Appellationsgerichte sowie des Obersten Gerichtshofs wurde das Recht eingeräumt, ihren Präsidenten selbst zu ernennen und zu wählen. Amtsrichter können zwar ebenfalls ihre Präsidenten wählen, aber in der Praxis tut dies nach wie vor das Justizministerium. In der täglichen Arbeit hat der Justizapparat wie verlautet seine Leistungsfähigkeit noch nicht wesentlich steigern können, und er ist nach wie vor politischer und administrativer Einmischung von Seiten der Exekutive sowie der Korruption ausgesetzt.

Besonderes Augenmerk verlangt weiterhin die Lage in Haftanstalten, in Polizeigewahrsam, in psychiatrischen Anstalten und Kinderheimen. Die Haftbedingungen in ukrainischen Gefängnissen, insbesondere Untersuchungshaftanstalten, sind häufig schlecht. Korruption und Vorteilsnahme sind in Justiz und Verwaltung wie auch bei den Strafverfolgungsorganen weiterhin ein großes Problem. Rolle und Selbstverständnis der Staatsanwaltschaft sind noch zu stark von sowjetischer Tradition geprägt. Die personelle und materielle Ausstattung der Gerichte ist ungenügend, die Richterschaft oft mangelhaft ausgebildet, die Dauer der Gerichtsverfahren zum Teil übermäßig lang.

Mit einem Präsidialerlass vom Februar 2007 wurde die Regierung angewiesen, eine Reihe von Maßnahmen zum verstärkten Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption zu führen, wozu auch ein bis 2012 laufendes Aktionsprogramm zählt. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem Maßnahmen, die dazu dienen, korruptes Verhalten von Regierungsbeamten zu entlarven, Maßnahmen gegen kriminelle Versuche der Veruntreuung von Haushaltsmitteln und Regelungen für einen verstärkten Schutz von Gerichtsbeamten und Beamten der Vollzugsorgane. Die Ukraine ist der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarats nicht beigetreten. Am 10. September 2003 hat die Ukraine einen regionalen Antikorruptions-Aktionsplan der OECD gemeinsam mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Russischen Föderation und Tadschikistan unterzeichnet.

Aber trotzdem gibt es heute keine deutliche staatliche Strategie nach der Korrektur der Situation mit der organisierten Kriminalität. Der Präsident Juschtschenko hat im Jahre 2006 das Gesetz der Überwindung der Korruption „Auf dem Weg zur Redlichkeit“ verabschiedet, (aber es klingt eher poetisch als juristisch). Der Präsident hat der Werchowna Rada zur Betrachtung das Projekt des Gesetzes Ukraine „Über die Verantwortung der juristischen Personen für die Vollziehung korrumpierten Rechtsverletzungen“, andere Projekte der Gesetze, entsprechende mit den internationalen unterschriebenen Konventionen in der Sphäre der Gegenwirkung der Korruption und der organisierten Kriminalität gegeben. Es wird die Konzeption der staatlichen Politik in Sphäre der Strafrecht und der Versorgung der Rechtsordnung in der Ukraine entwickelt. Das letzte Dokument ist ziemlich progressiv, doch fordert das die professionelle Erörterung und die breite öffentliche Diskussionen.


2. Soziale Probleme und Korruption

Die Etablierung einer unabhängigen Ukraine und die Wirtschaftskrise zu Beginn der 90-er Jahre führten zum Kollaps der sozialen Sicherungssysteme und damit zu einer Zunahme sozialer Probleme. Die zunehmende Segregation der Gesellschaft in arm und reich, der Rückgang der Lebenserwartung und ein wachsender Prozentsatz der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung sind Folgen der Transformation.

Die Ukraine verfügt über kein stabiles, gesellschaftlich verankertes Parteiensystem. Die Parteien sind vielmehr als Spielbälle der verschiedenen Interessengruppen und regionalen Akteure zu kennzeichnen. Eine nachhaltige Repräsentation der Interessen der Bevölkerung kann damit nur unzureichend gewährleistet werden. Oftmals wird die politische Bühne durch wirtschaftliche und regionale Partikularinteressen und Akteure dominiert, wobei Parteien meist als Vehikel zur Durchsetzung dieser Interessen dienen.

Der „Corruption Perception Index“ führt die Ukraine – gemeinsam etwa mit Bolivien, Sudan oder Mazedonien – auf Platz 106 von 133 gewerteten Staaten. Korruption und mangelnde Transparenz der wirtschaftlichen und politischen Prozesse erweist sich somit – trotz der Verabschiedung einer Vielzahl von Anti-Korruptionsgesetzen – als ein erhebliches Problem für die marktwirtschaftliche und demokratische Entwicklung der Ukraine. Die verbreitete Korruption wirft nicht zuletzt auch einen Schatten auf die Defizite des ukrainischen Rechtsstaates, da gesetztes Recht so nicht effizient zur Anwendung kommen kann.

Die Ratifizierung des Zivilrechtsübereinkommens des Europarats zur Bekämpfung der Korruption und des Strafrechtsübereinkommens zur Bekämpfung der Korruption von 1999 ist bereits eingeleitet. Das Innenministerium hat eine dienstübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, die die einschlägigen ausländischen Gesetze analysiert und Änderungen für Verbesserungen der ukrainischen Gesetze entwirft. Nach dem Internationalen System zur Erfassung der sichtbaren Korruption liegt die Ukraine mit einer Note von 2,3 auf 10 in der Rangliste auf Platz 106. Eine schlechte Platzierung auf der Skala der sichtbaren Korruption schreckt erfahrungsgemäß ausländische Investoren ab und gilt als die Wirtschaftsentwicklung hemmender Faktor.


3. Zusammenarbeit der Ukraine und internationaler Organisationen in den Bereichen Justiz und Inneres

Der EU Aktionsplan für den Bereich Justiz und Inneres, der mit der Ukraine am 10. Dezember 2001 vereinbart wurde, beschreibt die Bereiche der Zusammenarbeit in diesem Politikfeld. An oberster Stelle stehen Probleme wie Rückübernahme und Migration, Grenzsicherung, Geldwäsche, Menschenhandel, Drogenhandel, Korruption, sowie die Prävention und Bekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie. Die Umsetzung des Aktionsplanes wird durch eine detaillierte so genannte Erfolgstafel eingerichtet, die regelmäßig von den Ukrainischen Behörden in Zusammenarbeit mit der EU aktualisiert wird. Die Erfolgstafel zeigt Fortschritte an, welche die Ukraine in den Bereichen Asyl, Grenzkontrolle, Geldwäsche und dem Einsatz von Verbindungsbeamten erreicht hat. Das Strafrecht sieht strenge Strafen für Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Pornographie vor. Die Regierung hat im Juni 2002 einen Nationalen Aktionsplan 2002-2005 gegen Menschenhandel angenommen. Die ukrainischen Grenzschutztruppen sind per Gesetz entmilitarisiert und in einen staatlichen Grenzschutz umgeformt worden, der im Juni 2003 durch ein entsprechendes Gesetz geschaffen wurde. Im Februar 2003 wurde eine Reihe von Maßnahmen für die verstärkte Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption verabschiedet (z. B. Maßnahmen zur Verhinderung von Frauen- und Kinderhandel). Hinsichtlich der Ratifizierung des VN-Übereinkommens über transnationale Kriminalität und der Zusatzprotokolle betreffend den Menschenhandel und die Migranteneinschleusung hat die Ukraine am 4. Februar 2004 ihre Gesetze entsprechend angepasst, aber die Ratifizierungsurkunde noch nicht bei den VN hinterlegt. Die Ukraine hat mit Moldau und Rumänien ein Trilaterales Übereinkommen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität in Grenzregionen abgeschlossen.

Außerdem hat die Ukraine die wesentlichen Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ratifiziert, mit Ausnahme des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, und das zugehörige Protokoll. Ebenso hat die Ukraine die grundlegenden ILO Übereinkommen ratifiziert (Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit, kollektive Tarifverhandlungen, Kinderarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz). Bezug nehmend auf die Aufgaben und Verpflichtungen der Ukraine als Mitglied des Europarats hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats in einer Resolution vom 29. September 2003 festgestellt, dass die Ukraine trotz merklicher Fortschritte seit 2001 noch nicht sämtlichen Aufgaben und Pflichten gerecht wird.


Zusammenfassung

Nach der Orangenen Revolution hat das ukrainische Volk große Hoffnungen auf die neue Regierung gesetzt, aber in der Ukraine hat sich nichts geändert. War kein gerichtliche Prozess, das bezeugen könnte, dass sich die Organe der Rechtsordnung an der einflussreicheren verbrecherischen Organisation bemächtigt haben.

Das politische System ist stabiler geworden. Allerdings haben formale Reformfortschritte immer wieder zu negativen Reaktionen auf Seiten der Interessengruppen geführt, was die Nachhaltigkeit der Veränderungen erheblich behindert und darüber hinaus Korruption begünstigt sowie Einschränkungen von politischen Freiheiten nach sich zieht. Die marktwirtschaftliche und demokratische Zukunft der Ukraine wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die bisherigen Reformschritte fortzuführen. Dazu ist es notwendig, den Einfluss der Interessengruppen in institutionellen Strukturen zu kanalisieren. Die Ukraine ist ein prägnanter Fall, bei dem wichtige Teile des Staates durch private Interessengruppen kolonisiert werden, staatliche Ressourcen immer wieder auf der Grundlage klientelistischer Netzwerke verteilt werden und Korruption eines der Wesenmerkmale der Staats- und Verwaltungsstruktur bildet. Ein raffiniertes, von außen kaum durchschaubares Geflecht zwischen den mächtigsten Politikern und Wirtschaftsfürsten erlaubte den Clans Zugang zu Staatsvermögen und den ersten Zuschlag bei lukrativen Privatisierungen. Mit diesem System ist die Ukraine laut Transparency International zum korruptesten Land Europas geworden.