Terror, Terrorismus: Unterschied zwischen den Versionen

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In Folge der Revolution in Frankreich fand die Idee der Auflehnung gegen die Monarchien mehr und mehr Zustimmung. Unter Anhängern der Bewegung der Anarchisten, Revolutionären, Sozialisten und Nihilisten entwickelte sich der Gedanke der "Propaganda der Tat". Diese Formel fasst nach Waldmann (1998) im Grunde das Kalkül von Terror und Terrorismus zusammen. Fürst Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) führt die Formel aus: „Durch Tatsachen, die sich der allgemeinen Aufmerksamkeit aufzwingen, dringt die neue Idee in die Köpfe ein und erobert Anhänger. Manche Tat macht in einigen Tagen mehr Propaganda als Tausende von Broschüren" (Kropotkin, zitiert bei Waldmann 1998: 48). Im Russland des 19. Jahrhunderts war es eine Gruppe namens Narodnaya Wolya (Wille des Volkes), die diesen Gedanken erstmals in bemerkenswertem Ausmaß umsetzte und neben diversen anderen Vertretern des Zarentums am 1. März 1881 Zar Alexander II ermordete. Dieser Anschlag der Gruppe war gleichzeitig auch ihr letzter, in Folge der Ermordung des Zaren wurde die Gruppe binnen eines Jahres inhaftiert und getötet.  
In Folge der Revolution in Frankreich fand die Idee der Auflehnung gegen die Monarchien mehr und mehr Zustimmung. Unter Anhängern der Bewegung der Anarchisten, Revolutionären, Sozialisten und Nihilisten entwickelte sich der Gedanke der "Propaganda der Tat". Diese Formel fasst nach Waldmann (1998) im Grunde das Kalkül von Terror und Terrorismus zusammen. Fürst Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) führt die Formel aus: „Durch Tatsachen, die sich der allgemeinen Aufmerksamkeit aufzwingen, dringt die neue Idee in die Köpfe ein und erobert Anhänger. Manche Tat macht in einigen Tagen mehr Propaganda als Tausende von Broschüren" (Kropotkin, zitiert bei Waldmann 1998: 48). Im Russland des 19. Jahrhunderts war es eine Gruppe namens Narodnaya Wolya (Wille des Volkes), die diesen Gedanken erstmals in bemerkenswertem Ausmaß umsetzte und neben diversen anderen Vertretern des Zarentums am 1. März 1881 Zar Alexander II ermordete. Dieser Anschlag der Gruppe war gleichzeitig auch ihr letzter, in Folge der Ermordung des Zaren wurde die Gruppe binnen eines Jahres inhaftiert und getötet.  


Vier Monate nach dem gewaltsamen Tod des Zaren kam es in London während eines Anarchistenkongresses zur Gründung einer ‚Anarchistischen’ oder auch ‚Schwarzen Internationale’. Hoffman bemerkt hierzu: „Obwohl diese Idee wie die meisten ihrer hochgestochenen Pläne zu nichts führte, reichte die Publizität, die durch eine auch nur vermeintliche Anarchistische Internationale geschaffen wurde, aus, um den Mythos einer globalen revolutionären Verschwörung zu schaffen. Dadurch wurden Befürchtungen und Verdächtigungen angeregt, die in keinem Verhältnis zu irgendwelchen realen Wirkungen oder politischen Erfolgen dieser Internationale standen" (1998: 22). Obwohl also kurz zuvor immerhin ein russischer Zar von Terroristen ermordet wurde, ergab sich allein aus der Fähigkeit der Narodnaya Wolya zu gezielten Attacken noch nicht zwangsläufig eine Gefahr für die politische Ordnung Russlands. Trotzdem riefen und rufen die Ermordung von Personen des öffentlichen Lebens oder Anschläge auf symbolträchtige Bauten Gefühle der Verunsicherung hervor, die schon 1901 in den USA nach der Ermordung des Präsidenten William McKinley durch einen ‚Sympathisanten’ ein gesetzliches Einreiseverbot für Anarchisten nach sich zogen. Letzten Endes hatte der Anarchismus trotz vieler aufsehen erregender ‚Erfolge’ und "abgesehen von der Aufpeitschung zumeist übertriebener Ängste, sowohl auf die Innen- wie auf die Außenpolitik der betroffenen Länder kaum greifbare Auswirkungen" (Hoffman 1998: 22).  
Vier Monate nach dem gewaltsamen Tod des Zaren kam es in London während eines Anarchistenkongresses zur Gründung einer ‚Anarchistischen’ oder auch ‚Schwarzen Internationale’. Hoffman bemerkt hierzu: „Obwohl diese Idee wie die meisten ihrer hochgestochenen Pläne zu nichts führte, reichte die Publizität, die durch eine auch nur vermeintliche Anarchistische Internationale geschaffen wurde, aus, um den [[Myth | Mythos]] einer globalen revolutionären Verschwörung zu schaffen. Dadurch wurden Befürchtungen und Verdächtigungen angeregt, die in keinem Verhältnis zu irgendwelchen realen Wirkungen oder politischen Erfolgen dieser Internationale standen" (1998: 22). Obwohl also kurz zuvor immerhin ein russischer Zar von Terroristen ermordet wurde, ergab sich allein aus der Fähigkeit der Narodnaya Wolya zu gezielten Attacken noch nicht zwangsläufig eine Gefahr für die politische Ordnung Russlands. Trotzdem riefen und rufen die Ermordung von Personen des öffentlichen Lebens oder Anschläge auf symbolträchtige Bauten Gefühle der Verunsicherung hervor, die schon 1901 in den USA nach der Ermordung des Präsidenten William McKinley durch einen ‚Sympathisanten’ ein gesetzliches Einreiseverbot für Anarchisten nach sich zogen. Letzten Endes hatte der Anarchismus trotz vieler aufsehen erregender ‚Erfolge’ und "abgesehen von der Aufpeitschung zumeist übertriebener Ängste, sowohl auf die Innen- wie auf die Außenpolitik der betroffenen Länder kaum greifbare Auswirkungen" (Hoffman 1998: 22).  


Es wird deutlich, dass in Folge der Französischen Revolution ein bedeutender Wandel des Begriffs Terrorismus eingetreten ist: von einer Strategie zur Machterhaltung eines Regimes zur Widerstandsstrategie von Revolutionären. Walther ordnet diesen Bedeutungswandel im Deutschen in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein: „Die Interpretationen im Umkreis der Revolution von 1848/49 bilden einen Einschnitt in die Begriffsgeschichte von ‚Terror’. (...) Zugespitzt: 1848 endete die Epoche, in der Terror unverhohlen und praktisch ausschließlich im Habit von Staatlichkeit oder offen als Instrument staatlicher Gewalt auftrat. (...) Systematisch sind die beiden Epochen – vergröbernd – dadurch zu unterscheiden, dass in der zweiten die Wirkung solcher Gewaltausübung auf das Publikum, die Motive der Handelnden und die Fragen nach dem cui bono zur Hauptsache werden. Die Wirkung von Taten auf Dritte wird wichtiger als die Taten selbst. Die Publikumswirkung erscheint als unmittelbarer Zweck, während der eigentliche Zweck zur Tat in unbestimmter zeitlicher und sachlicher Relation steht. Die Tat dient als Vehikel geschichtsphilosophischer Erwartungen. Sie schert aus einer eindeutigen Ziel-Mittel-Relation aus. Was sie damit an Rationalität verliert, soll sie im diffus bleibenden Adressatenkreis an Achtung und Nimbus gewinnen, beim Publikum an Angst und Entsetzen hervorrufen“ (1990: 385).
Es wird deutlich, dass in Folge der Französischen Revolution ein bedeutender Wandel des Begriffs Terrorismus eingetreten ist: von einer Strategie zur Machterhaltung eines Regimes zur Widerstandsstrategie von Revolutionären. Walther ordnet diesen Bedeutungswandel im Deutschen in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein: „Die Interpretationen im Umkreis der Revolution von 1848/49 bilden einen Einschnitt in die Begriffsgeschichte von ‚Terror’. (...) Zugespitzt: 1848 endete die Epoche, in der Terror unverhohlen und praktisch ausschließlich im Habit von Staatlichkeit oder offen als Instrument staatlicher Gewalt auftrat. (...) Systematisch sind die beiden Epochen – vergröbernd – dadurch zu unterscheiden, dass in der zweiten die Wirkung solcher Gewaltausübung auf das Publikum, die Motive der Handelnden und die Fragen nach dem cui bono zur Hauptsache werden. Die Wirkung von Taten auf Dritte wird wichtiger als die Taten selbst. Die Publikumswirkung erscheint als unmittelbarer Zweck, während der eigentliche Zweck zur Tat in unbestimmter zeitlicher und sachlicher Relation steht. Die Tat dient als Vehikel geschichtsphilosophischer Erwartungen. Sie schert aus einer eindeutigen Ziel-Mittel-Relation aus. Was sie damit an Rationalität verliert, soll sie im diffus bleibenden Adressatenkreis an Achtung und Nimbus gewinnen, beim Publikum an Angst und Entsetzen hervorrufen“ (1990: 385).


In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ist ein erneuter Bedeutungswandel des Begriffs Terrorismus zu beobachten, nun wurde er vermehrt in seiner ursprünglichen Form als Beschreibung von Mitteln zur Aufrechterhaltung von Macht durch „Massenunterdrückung“ (1998: 26) im Nationalsozialismus und von anderen totalitären Regimen verwendet – jedoch ebenfalls als negative Fremdbezeichnung, nicht wie beim terreur von den Machthabenden als positive Eigenbezeichnung. In der Terrorismusforschung spielt die Erforschung staatlichen Terrors eine im Vergleich zu der Erforschung des Terrorismus ‚von unten’ untergeordnete Rolle.
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ist ein erneuter Bedeutungswandel des Begriffs Terrorismus zu beobachten, nun wurde er vermehrt in seiner ursprünglichen Form als Beschreibung von Mitteln zur Aufrechterhaltung von Macht durch „Massenunterdrückung“ (1998: 26) im Nationalsozialismus und von anderen totalitären Regimen verwendet – jedoch ebenfalls als negative Fremdbezeichnung, nicht wie beim terreur von den Machthabenden als positive Eigenbezeichnung. In der Terrorismusforschung spielt die Erforschung staatlichen Terrors eine im Vergleich zu der Erforschung des Terrorismus ‚von unten’ untergeordnete Rolle.
Anonymer Benutzer