Strafvollzug in freier Form

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Der Strafvollzug

Strafvollzug in freier Form

Der Strafvollzug in freier Form tritt unter bestimmten Bedingungen für Jugendliche in Kraft. Geregelt wird dieses durch das Jugendgerichtsgesetz. Von besonderer Bedeutung ist hier der §91 Abs.3 JGG. Es handelt sich hierbei um eine Alternative innerhalb des Jugendstrafvollzuges, es bestehen gewisse Ähnlichkeiten zum offenen Vollzug, primär durch die Reduzierung der Sicherheitsvorkehrungen und dadurch, dass der Vollzug nicht in einer Justizvollzugsanstalt durchgeführt wird.

Das übergeordnete Ziel, das im Vollzug der Freiheitsstrafe angestrebt werden soll, ist das Vollzugsziel. Die Gefangenen im Strafvollzug sollen:"fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen." (§ 2 StVollzG).

Hiervon lassen sich die folgenden Ziele ableiten:

Ein Richtziel im Strafvollzug ist unter anderem das im §2 StVollzG definierte Vollzugsziel: die Resozialisierung. Dieses beinhaltet "alle Maßnahmen, welche eine (Wieder-) Eingliederung straffällig gewordener Jugendlicher oder Erwachsener in die Gesellschaft anzielen." (Vgl.Keller und Novak, 1993) Die Formulierung dieses Ziels ist nicht präzise definiert. Klare Richtlinien zur Umsetzung werden nicht gegeben.

Kurze Historie des Strafvollzug

Der Strafvollzug erfuhr im Laufe der Jahrhunderte vom reinen Verwahrvollzug bis zum Erziehungs- oder Behandlungsvollzug einige Veränderungen. Der Strafvollzug findet seinen Ursprung im 16. Jahrhundert. Den Anfang machte England im Jahre 1555, es entstand ein Arbeitshaus für Landstreicher und Diebe, die durch Arbeit resozialisiert werden sollten. Dem Vorbild Englands folgend, wurden in Deutschland und Holland weitere Einrichtungen eröffnet. Die erste „Anstalt“ für „missratene“ Kinder entstand 1603 in Deutschland. Die bis dahin bekannten Zuchthäuser, waren von reinem Vergeltungscharakter geprägt und bestanden weiterhin fort.

Die neuen Ansätze, welche durch Resozialisierungsbemühungen geprägt waren, fanden durch den 30-jährigen Krieg (1618-1648) ein Ende. Im 18. Jahrhundert setzten umfassende Reformbewegungen ein, welche eine klare Differenzierung zwischen Kindern und Erwachsenen verdeutlichten. Diese wirkten sich auf die Strafverbüßung für Kinder und Jugendliche aus, welche den Status der Erziehungsbedürftigkeit erhielten und somit andere Haftvoraussetzungen erforderten. Als Ergebnis dieser veränderten Haltung wurde 1912 ein Jugendgefängnis eröffnet (in Wittlich). 1923 wurde vom Reichstag das erste Jugendgerichtsgesetz ins Leben gerufen. Erstmalig wurden erzieherische Aspekte berücksichtigt.

In der Fassung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) von 1953 wurden Bewährungsstrafen und Bewährungshilfe verankert. §91 JGG definiert den Jugendstrafvollzug als Erziehungsvollzug. 1976 wurden weitere Veränderungen vorgenommen: In §2 des Strafvollzuggesetzes (StVollzG) wurden die Themen des allgemeinen Strafvollzugs erweitert indem die Resozialisierung in den Vordergrund gerückt wurde.

Im Laufe der Entwicklung wurden zwei, zum Teil gegensätzlich scheinende Ansätze deutlich:

1. Resozialisierung und Behandlung

2. Schutz der Gesellschaft durch „Verwahrung“ im geschlossenen Vollzug


Gesetzliche Grundlage Jugendstrafvollzug:

„Der Jugendstrafvollzug betrifft nur die Jugendstrafe, was aus § 91 Absatz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) hervorgeht. Er findet in speziellen Jugendstrafanstalten statt (§ 92 Absatz 1 JGG), die von den Strafvollzugsanstalten für Erwachsene institutionell und räumlich getrennt sind, so dass jeglicher Kontakt mit "ausgewachsenen" Straftätern verhindert wird. Die dort tätigen Vollzugsbeamten müssen auch besonders für die Betreuung Jugendlicher geschult sein (§ 91 Absatz 4 JGG). Zu Beginn des Aufenthaltes wird aufgrund einer psychologischen Untersuchung des Jugendlichen ein Vollzugsplan erstellt, der den weiteren Ablauf der Jugendstrafe für diesen festlegt. Der Jugendliche lebt dann innerhalb der Anstalt in einer so genannten Erziehungsgruppe, die meist von einem Sozialarbeiter geleitet wird. Wie diese Gruppen von ihrer Zusammensetzung her genau aussehen, ist in den einzelnen Anstalten ziemlich verschieden. Sport und Arbeit kommen im Vollzug besondere Bedeutung zu (§ 91 Absatz 2 JGG), da sie den Jugendlichen von weiterer Straffälligkeit abhalten sollen. Insbesondere eine regelmäßige Arbeit soll ihm Selbstvertrauen schenken und nicht nur monoton sein. Auch der Besuch einer Berufsschule ist im Strafvollzug möglich, so dass der Jugendliche auch seine Berufsausbildung nachholen kann. Weiter gibt es ein psychotherapeutisches Angebot: Gruppentherapie, soziale Trainingskurse (zum Beispiel Anti-Aggressions-Training) und Drogenentzug sind im Jugendstrafvollzug heute weitgehend Standart. Sogar eine weitgehende Lockerung des Vollzugs kann erfolgen - bis hin zum halboffenen Vollzug oder zum "Freigängertum" (§ 91 Absatz 3 JGG). Diese Lockerungen dienen letztlich auch der Erziehung und fördern die Selbständigkeit des Einzelnen. Schließlich ist auch die Entlassung zu organisieren, der Übergang des Jugendlichen in die "normale Welt" wird ihm durch die Hilfe der Behörden erleichtert.“ (Vgl. http://cms.valuenet.de/tsolcgi/ts.cgi?tsurl=0.59410.547339.0.0&tsstmplt=object_ph)

Bislang fand dieser jedoch kaum Anwendung.Häufig wurden junge Menschen, deren Strafe ohne Bewährung ausgesetzt wurde, in normalen Justizvollzugsanstalten inhaftiert.

Der Strafvollzug in freier Form unterscheidet sich vom "offenen Vollzug". Gesetzliche Regelungen finden sich im § 10 StVollzG Offener und geschlossener Vollzug: § 10 StVollzG Offener und geschlossener Vollzug


Gesetzestext (Berücksichtigter Stand der Gesetzgebung: 30. Juni 2008)

"(1) Ein Gefangener soll mit seiner Zustimmung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, daß er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

(2) Im übrigen sind die Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Ein Gefangener kann auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist." (Vgl. http://www.jusline.de/index.php?cpid=f92f99b766343e040d46fcd6b03d3ee8&lawid=67&paid=10)


Ziele des Strafvollzugs in freier Form:

  • Realitätsnahe Resozialisation
  • intensives Sozialtraining
  • Übernahme allgemein anerkannter Wertvorstellungen
  • Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
  • demokratische Alltagsbewältigung
  • mehr Selbständigkeit und moralische Verantwortung
  • Soziale Trainingskurse
  • Konfliktfreies Zusammenleben
  • Sinnvolle Freizeitbeschäftigung
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Regelmäßige Arbeit
  • Einhaltung von Regeln und Richtlinien
  • Sauberkeit


Projektbeispiel: Just Community (Baden-Württemberg)

In Baden-Württemberg gibt es in der JVA Adelsheim das Projekt: „Just Community“. 15 Jugendlichen wird hier die Möglichkeit geboten, in „freier Form“ Selbständigkeit und moralische Verantwortung zu erlernen.

Die Teilnehmer des Projekts (junge Männer zwischen 14 - 23 Jahren, welche zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden), leben gemeinsam mit 5 Betreuern in einer Art Wohngemeinschaft. Drei der jungen Männer teilen sich ein Zimmer in einem separaten Haus, welches sich auf dem Anstaltsgelände der JVA befindet. Die Einrichtung ist nicht geschlossen, d.h. die Fenster sind nicht vergittert und die Eingangstüren tagsüber nicht verschlossen. Einmal im Monat wird eine gemeinsame Einkaufsfahrt in die nahe gelegene Stadt gemacht. Die Jugendlichen bestimmen ihren Alltag weitgehend selbst. Dieses verläuft jedoch nicht ohne Regeln. Sie erstellen eigene Regelkataloge, welche verbindlich für die Teilnehmer sind. Einmal wöchentlich findet ein Komitee statt, welches von zwei gewählten Vertretern der Jugendlichen durchgeführt wird. Stimmberechtigt sind nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Betreuer. Selbstbestimmtheit, Eigenverantwortung und Verantwortung für die Gemeinschaft zu tragen, können so nicht nur vermittelt, sondern auch gelebt werden.

Ein häufiges Kriterium gegen die Unterbringung in einer derart angelegten Einrichtung, besteht in der Finanzierung. Die Kosten belaufen sich ungefähr auf das doppelte der üblichen Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt.

Das Leben in einer JVA für junge Inhaftierte bietet jedoch kaum Möglichkeiten der Resozialisation. Die Persönlichkeitsentwicklung innerhalb des geschlossenen Vollzugs verläuft nicht unter den notwendigen Bedingungen, die ein Heranwachsender benötigt. Schulabschlüsse oder Ausbildungen können nicht absolviert werden, geschweige denn ein Arbeitsplatz gefunden werden. Diese und viele andere Möglichkeiten bieten sich jedoch innerhalb des Strafvollzugs in freier Form.(Vgl. http://www.spiegel.de/sptv/themenabend/0,1518,159022,00.html)

In den vergangenen Jahren entstanden in Deutschland unterschiedliche Einrichtungen für Jugendliche, deren primäres Ziel die Resozialisation war. Weitere Beispiele: Projekt "Chance", Jugendhof Seehaus.


Literaturangaben: http://cms.valuenet.de/tsolcgi/ts.cgi?tsurl=0.59410.547339.0.0&tsstmplt=object_ph (Stand: 2008-07-15)

http://www.jusline.de/index.php?cpid=f92f99b766343e040d46fcd6b03d3ee8&lawid=67&paid=10 (Stand: 2008-07-15)

http://www.spiegel.de/sptv/themenabend/0,1518,159022,00.html (Stand: 2008-07-16)

Keller und Novak, 1993 in: Kleines Pädagogisches Wörterbuch, Grundbegriffe - Praxisorientierungen - Reformideen. Freiburg im Breisgau

Weitere Informationen zum Strafvollzug unter: http://prisonportal.informatik.uni-bremen.de/prisonportal/index.php/Portal