Stigmatisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Gegenwärtig haben besonders Goffman und Lemert sich mit dem Problem des Stigmas auf der interaktionalen Ebene befasst. Goffman versteht Stigma als Beeinträchtigung bzw. Herabminderung einer Person oder einer Gruppe. Dabei ist der Begriff ebenso wie der des abweichenden Verhaltens zu relativieren, da eine bestimmte Eigenschaft die Normalität, zum anderen eine starke Abweichung von ihr bestätigt, und zwar immer dann, wenn eine Person in unerwünschter Weise anders ist, als dies von ihr angenommenen worden ist (Goffman 1967 S. 13). Da Personen aus randständigen Gruppen wegen ihrer Isoliertheit und daraus resultierende begrenzte Möglichkeit, der herrschenden Kultur wünschenswert erscheinenden Rollen zu trainieren, um entsprechende Verhaltenseinstellungen und -erfahrungen zu erlernen, nur über ein begrenztes Verhaltensrepertoire verfügen, sind sie besonders leicht zu stigmatisieren.
Gegenwärtig haben besonders Goffman und Lemert sich mit dem Problem des Stigmas auf der interaktionalen Ebene befasst. Goffman versteht Stigma als Beeinträchtigung bzw. Herabminderung einer Person oder einer Gruppe. Dabei ist der Begriff ebenso wie der des abweichenden Verhaltens zu relativieren, da eine bestimmte Eigenschaft die Normalität, zum anderen eine starke Abweichung von ihr bestätigt, und zwar immer dann, wenn eine Person in unerwünschter Weise anders ist, als dies von ihr angenommenen worden ist (Goffman 1967 S. 13). Da Personen aus randständigen Gruppen wegen ihrer Isoliertheit und daraus resultierende begrenzte Möglichkeit, der herrschenden Kultur wünschenswert erscheinenden Rollen zu trainieren, um entsprechende Verhaltenseinstellungen und -erfahrungen zu erlernen, nur über ein begrenztes Verhaltensrepertoire verfügen, sind sie besonders leicht zu stigmatisieren.


Goffman setzt sich überwiegend damit auseinander, wie Personen Stigmen bewältigen, während Lemert in der Analyse der sekundären Deviation sich mit Prozessen befasst, die Stigmen verursachen oder verstärken. Stigma ist nach der Konzeption Goffmans ein gesellschaftliches Problem, dass „die Mittel zur Kategorisierung von Personen und den kompletten Satz von Attributen, die man für die Mitglieder jeder dieser Kategorien als gewöhnlich und natürlich empfindet“ (Goffmann 1967 S. 9) zur Verfügung stellt. Dabei zeigt Stigma eine doppelte Perspektive: Ist eine Einstufung aufgrund vermeintlichen Andersseins minifest, so gilt eine Person als diskreditiert, versucht sie ihre Makel zu verbergen, so bleibt sie zwar in der primären Deviation ist aber zu jeder Zeit diskreditierbar (Goffmann 1967 S. 268). Beide Aspekte lassen sich auf die von Goffman genannten Stigmenarten, also körperliche Anomalien, individuelle Charakterfehler und phylogenetische Stigmen transferieren.
Goffman setzt sich überwiegend damit auseinander, wie Personen Stigmen bewältigen, während Lemert in der Analyse der sekundären Deviation sich mit Prozessen befasst, die Stigmen verursachen oder verstärken (vgl. Lemert 1971). Stigma ist nach der Konzeption Goffmans ein gesellschaftliches Problem, dass „die Mittel zur Kategorisierung von Personen und den kompletten Satz von Attributen, die man für die Mitglieder jeder dieser Kategorien als gewöhnlich und natürlich empfindet“ (Goffmann 1967 S. 9) zur Verfügung stellt. Dabei zeigt Stigma eine doppelte Perspektive: Ist eine Einstufung aufgrund vermeintlichen Andersseins minifest, so gilt eine Person als diskreditiert, versucht sie ihre Makel zu verbergen, so bleibt sie zwar in der primären Deviation ist aber zu jeder Zeit diskreditierbar (Goffmann 1967 S. 268). Beide Aspekte lassen sich auf die von Goffman genannten Stigmenarten, also körperliche Anomalien, individuelle Charakterfehler und phylogenetische Stigmen transferieren.


Gemeinsam ist allen Stigmatisierten, dass sie einer Vielzahl von Diskriminierungen (Gouldner 1960 S. 292) ausgesetzt sind und daher ihre Lebenschancen als erheblich reduziert sehen müssen. Dies wird allein schon in bestimmten Umgangssprachen deutlich, deren Wörter zugleich als Termini in der Wissenschaft verwendet werden, wie Hilfsschüler, Idiot, schwachsinnig, Neger usw.
Gemeinsam ist allen Stigmatisierten, dass sie einer Vielzahl von Diskriminierungen (Gouldner 1960 S. 292) ausgesetzt sind und daher ihre Lebenschancen als erheblich reduziert sehen müssen. Dies wird allein schon in bestimmten Umgangssprachen deutlich, deren Wörter zugleich als Termini in der Wissenschaft verwendet werden, wie Hilfsschüler, Idiot, schwachsinnig, Neger usw.
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'''Lautmann,''' R. (1971): Entstigmatisierung durch Rechtsgesetze, KrimJ 1971 S. 935
'''Lautmann,''' R. (1971): Entstigmatisierung durch Rechtsgesetze, KrimJ 1971 S. 935
'''Lemert,''' E. M. (1971): The Stigma Theory of Crime and Social Deviation, in: The American Journal of Sociology, Vol. 77, No. 2, 357-358


'''Rubington,''' E.; Weinberg, M. S. (Hrsg.): Deviance (1968), London   
'''Rubington,''' E.; Weinberg, M. S. (Hrsg.): Deviance (1968), London   


'''Scott,''' R. A. (1970): The construction of conceptions of stigma by professional experts, in: Douglas, J. D. (Hrsg.), Deviance and respectability, New York, S. 255 – 290
'''Scott,''' R. A. (1970): The construction of conceptions of stigma by professional experts, in: Douglas, J. D. (Hrsg.), Deviance and respectability, New York, S. 255 – 290
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