Stalking: Unterschied zwischen den Versionen

4 Bytes entfernt ,  16:27, 27. Nov. 2005
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
'''von Bärbel Bongartz'''
'''von Bärbel Bongartz'''


====Etymologie:====
====Etymologie====


Stalking (engl. „to stalk“) ,
Stalking (engl. „to stalk“) ,
Zeile 8: Zeile 8:
Der Ausdruck „Stalking“ entstammt der englischen Jagdsprache und kann mit „anschleichen“ oder „anpirschen“ übersetzt werden. Der Begriff meint ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Inzwischen bezeichnet der Begriff „Stalking“ fortgesetztes (zwanghaftes) Verfolgen, Belästigen und Terrorisieren eines Menschen. Diese (pathologische) Verhaltensweise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers geschieht. In den USA wird der Begriff in diesem Zusammenhang seit den 80er Jahren angewandt, in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren.
Der Ausdruck „Stalking“ entstammt der englischen Jagdsprache und kann mit „anschleichen“ oder „anpirschen“ übersetzt werden. Der Begriff meint ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Inzwischen bezeichnet der Begriff „Stalking“ fortgesetztes (zwanghaftes) Verfolgen, Belästigen und Terrorisieren eines Menschen. Diese (pathologische) Verhaltensweise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers geschieht. In den USA wird der Begriff in diesem Zusammenhang seit den 80er Jahren angewandt, in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren.


====Definitionen:====
====Definitionen====


Eine einheitliche Definition des Begriffs gibt es bislang nicht. Grund hierfür sind die verschiedenen Ausrichtungen der Begriffsbestimmung: das Ziel gesetzlicher Definitionen ist es, kriminelles Verhalten zu bestimmen, bei klinischen Definitionen hingegen steht ein wissenschaftliches Interesse im Vordergrund. Ein gemeinsames Ergebnis der verschiedenen Definitionen ist eine Konstellation von Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Eine einheitliche Definition des Begriffs gibt es bislang nicht. Grund hierfür sind die verschiedenen Ausrichtungen der Begriffsbestimmung: das Ziel gesetzlicher Definitionen ist es, kriminelles Verhalten zu bestimmen, bei klinischen Definitionen hingegen steht ein wissenschaftliches Interesse im Vordergrund. Ein gemeinsames Ergebnis der verschiedenen Definitionen ist eine Konstellation von Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Zeile 22: Zeile 22:
# „Incompetent suitors“ – inkompetente Verehrer – drängen sich einer Person ihres Interesses geradezu auf. Sie glauben, einen berechtigten Anspruch an ihr zu haben. Viele dieser Täter reagieren schnell auf gerichtliche Sanktionen. Sie suchen sich jedoch auch häufig neue Zielobjekte.
# „Incompetent suitors“ – inkompetente Verehrer – drängen sich einer Person ihres Interesses geradezu auf. Sie glauben, einen berechtigten Anspruch an ihr zu haben. Viele dieser Täter reagieren schnell auf gerichtliche Sanktionen. Sie suchen sich jedoch auch häufig neue Zielobjekte.


====WIE WURDE DER BEGRIFF IN DER VERGANGENHEIT BENUTZT?====
====Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt?====


Wie schon der Etymologie zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Begriff um einen Ausdruck aus der Jagdsprache. Somit ergibt sich eine Verwendung in der Vergangenheit auch lediglich in diesem Bereich, bis es zur Anwendung für das dargestellte Phänomen kam. Allerdings wurden ähnliche Verhaltensmuster bereits vor mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Literatur beschrieben. Diese Verhaltensmuster zeigten meist Frauen, die die wahnhafte Überzeugung entwickelt hatten, eine andere Person, meist ein sozial höher gestellter Mann, liebte sie. Im Rahmen eines solchen Liebeswahns (Erotomanie) konnten solche Personen dann auch ihren vermeintlichen Liebhaber belästigen, bedrohen oder sogar körperlich attackieren, d.h. sie konnten ein typisches Stalking-Verhalten entwickeln. Dieses Syndrom wurde bereits1927 von dem französischen Psychiater Gatian de Clerambault beschrieben (daher auch de Clerambault-Syndrom).  
Wie schon der Etymologie zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Begriff um einen Ausdruck aus der Jagdsprache. Somit ergibt sich eine Verwendung in der Vergangenheit auch lediglich in diesem Bereich, bis es zur Anwendung für das dargestellte Phänomen kam. Allerdings wurden ähnliche Verhaltensmuster bereits vor mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Literatur beschrieben. Diese Verhaltensmuster zeigten meist Frauen, die die wahnhafte Überzeugung entwickelt hatten, eine andere Person, meist ein sozial höher gestellter Mann, liebte sie. Im Rahmen eines solchen Liebeswahns (Erotomanie) konnten solche Personen dann auch ihren vermeintlichen Liebhaber belästigen, bedrohen oder sogar körperlich attackieren, d.h. sie konnten ein typisches Stalking-Verhalten entwickeln. Dieses Syndrom wurde bereits1927 von dem französischen Psychiater Gatian de Clerambault beschrieben (daher auch de Clerambault-Syndrom).  


====ZUSAMMENHÄNGE MIT ANDEREN BEGRIFFEN====
====Zusammenhänge mit anderen Begriffen====


Aufenthaltsverbot: Das Aufenthaltsverbot verbietet dem Adressaten, für einen festgelegten Zeitraum, einen genau bezeichneten örtlichen Bereich aufzusuchen (dauerhafter Platzverweis), sich darin aufzuhalten oder sich darin zu bewegen ( Betretungsverbot)<br>
Aufenthaltsverbot: Das Aufenthaltsverbot verbietet dem Adressaten, für einen festgelegten Zeitraum, einen genau bezeichneten örtlichen Bereich aufzusuchen (dauerhafter Platzverweis), sich darin aufzuhalten oder sich darin zu bewegen ( Betretungsverbot)<br>
Zeile 37: Zeile 37:
Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.
Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.


====ZUSAMMENHÄNGE IN DER MATERIELLEN REALITÄT:====
====Zusammenhänge in der materiellen Realität====


Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt. Wegen der gravierenden Konsequenzen für die Opfer, Handlungsbedarf dringend angezeigt. Problematisch ist, dass es in Deutschland keinen Stalking-Straftatbestand gibt. Interventionsmöglichkeiten bestehen dennoch in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und polizeirechtlicher Hinsicht. So trat am 1.1.2002 das Gewaltschutzgesetz ( Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen, ""GewSchG"") in Kraft. Danach besteht die Möglichkeit, dass ein Zivilgericht in Fällen der unzumutbaren Belästigung zivilrechtliche Maßnahmen zum Opferschutz anordnen kann, so kann z.B. gerichtlich untersagt werden, sich dem Opfer zu nähern. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geld - oder Freiheitsstrafe. Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um den Stalker z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung des Opfers zu hindern. Derzeit verfährt die Polizei in Bremen, bundesweit einzig, gesondert mit Stalking-Fällen. Im Januar 2001 wurde das so genannte „Stalking-Projekt“ ins Leben gerufen, das u.a. eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle beinhaltet. Darüber hinaus wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich derzeit konkret, sich dem Phänomen angemessen aus polizeilicher Sicht zu nähern. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.<br>
Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt. Wegen der gravierenden Konsequenzen für die Opfer, Handlungsbedarf dringend angezeigt. Problematisch ist, dass es in Deutschland keinen Stalking-Straftatbestand gibt. Interventionsmöglichkeiten bestehen dennoch in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und polizeirechtlicher Hinsicht. So trat am 1.1.2002 das Gewaltschutzgesetz ( Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen, ""GewSchG"") in Kraft. Danach besteht die Möglichkeit, dass ein Zivilgericht in Fällen der unzumutbaren Belästigung zivilrechtliche Maßnahmen zum Opferschutz anordnen kann, so kann z.B. gerichtlich untersagt werden, sich dem Opfer zu nähern. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geld - oder Freiheitsstrafe. Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um den Stalker z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung des Opfers zu hindern. Derzeit verfährt die Polizei in Bremen, bundesweit einzig, gesondert mit Stalking-Fällen. Im Januar 2001 wurde das so genannte „Stalking-Projekt“ ins Leben gerufen, das u.a. eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle beinhaltet. Darüber hinaus wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich derzeit konkret, sich dem Phänomen angemessen aus polizeilicher Sicht zu nähern. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.<br>
Trotz dieser bestehenden Interventionsmöglichkeiten wird gefordert, dass Stalking auch in der Bundesrepublik zum Straftatbestand erklärt wird.
Trotz dieser bestehenden Interventionsmöglichkeiten wird gefordert, dass Stalking auch in der Bundesrepublik zum Straftatbestand erklärt wird.


====KRIMINOLOGISCHE RELEVANZ====
====Kriminologische Relevanz====


Die kriminologische Relevanz der Thematik ergibt sich zu einen daraus, dass das Phänomen auf bundesdeutscher Ebene wenig erforscht ist, zum anderen aus der Tatsache, dass sich die angezeigten Fälle häufen. Die Verbreitung von Stalking in der Bevölkerung steigt und das Thema gewinnt an Brisanz, auch in den Medien. Projekte wie das der TU Darmstadt oder der Bremer Polizei machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar auch in kriminologischer Sicht.
Die kriminologische Relevanz der Thematik ergibt sich zu einen daraus, dass das Phänomen auf bundesdeutscher Ebene wenig erforscht ist, zum anderen aus der Tatsache, dass sich die angezeigten Fälle häufen. Die Verbreitung von Stalking in der Bevölkerung steigt und das Thema gewinnt an Brisanz, auch in den Medien. Projekte wie das der TU Darmstadt oder der Bremer Polizei machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar auch in kriminologischer Sicht.


====LITERATURHINWEISE:====
====Literaturhinweise====


*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
661

Bearbeitungen