Stalking: Unterschied zwischen den Versionen

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'''von Bärbel Bongartz'''
====Etymologie====


====ETYMOLOGIE:====
Stalking (engl. „to stalk“) ,  
 
Stalking (engl. „to stalk“) ,
# stolzieren
# stolzieren
# (Jagd) pirschen, sich heranpirschen an, sich anschleichen.
# (Jagd) pirschen, sich heranpirschen an, sich anschleichen.
Der Ausdruck „Stalking“ entstammt der englischen Jagdsprache und kann mit „anschleichen“ oder „anpirschen“ übersetzt werden. Der Begriff meint ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Inzwischen bezeichnet der Begriff „Stalking“ fortgesetztes (zwanghaftes) Verfolgen, Belästigen und Terrorisieren eines Menschen. Diese (pathologische) Verhaltensweise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers geschieht. In den USA wird der Begriff in diesem Zusammenhang seit den 80er Jahren angewandt, in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren.
Der Ausdruck „Stalking“ entstammt der englischen Jagdsprache und kann mit „anschleichen“ oder „anpirschen“ übersetzt werden. Der Begriff meint ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Inzwischen bezeichnet der Begriff „Stalking“ fortgesetztes (zwanghaftes) Verfolgen, Belästigen und Terrorisieren eines Menschen. Diese (pathologische) Verhaltensweise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers geschieht. In den USA wird der Begriff in diesem Zusammenhang seit den 80er Jahren angewandt, in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren.


====DEFINITIONEN:====
====Definitionen====
 
Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Eine einheitliche Definition des Begriffs gibt es bislang nicht. Grund hierfür sind die verschiedenen Ausrichtungen der Begriffsbestimmung: das Ziel gesetzlicher Definitionen ist es, kriminelles Verhalten zu bestimmen, bei klinischen Definitionen hingegen steht ein wissenschaftliches Interesse im Vordergrund. Ein gemeinsames Ergebnis der verschiedenen Definitionen ist eine Konstellation von Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Die erste spezielle polizeiliche Arbeitsgruppe über Stalking überhaupt wurde 1990 beim Los Angeles Police Department installiert („Threat Management Unit“). Hintergrund waren Morde an der Schauspielerin Rebecca Schäfer, die von einem Fan ermordet wurde, der ihr im Vorfeld Fan-Briefe geschickt und Versuche unternommen hatte, an ihrem Arbeitsplatz mit ihr in Kontakt zu treten. Auch die Morde an vier nicht prominenten Frauen, die von ihren Ex-Partnern getötet wurden, führten zur Einrichtung dieser Arbeitsgruppe.<br>
Die erste spezielle polizeiliche Arbeitsgruppe über Stalking überhaupt wurde 1990 beim Los Angeles Police Department installiert („Threat Management Unit“). Hintergrund waren Morde an der Schauspielerin Rebecca Schäfer, die von einem Fan ermordet wurde, der ihr im Vorfeld Fan-Briefe geschickt und Versuche unternommen hatte, an ihrem Arbeitsplatz mit ihr in Kontakt zu treten. Auch die Morde an vier nicht prominenten Frauen, die von ihren Ex-Partnern getötet wurden, führten zur Einrichtung dieser Arbeitsgruppe.<br>
Am 1. Januar 1991 wurde Stalking in Kalifornien zum Straftatbestand erklärt. Zunächst bearbeitete die „Threat Management Unit“ Fälle von Hollywood-Stars, es stellte sich aber rasch heraus, dass Stalking ein Problem ist, das vor allem auch Normalbürger betraf. Bei den ca. 200 betreuten Fällen jährlich handelt es sich mittlerweile nur noch bei weniger als einem Drittel um Prominenten-Stalking. Seit 1992 wurden in allen Bundesstaaten der USA Anti-Stalking Gesetze eingeführt.<br>
Am 1. Januar 1991 wurde Stalking in Kalifornien zum Straftatbestand erklärt. Zunächst bearbeitete die „Threat Management Unit“ Fälle von Hollywood-Stars, es stellte sich aber rasch heraus, dass Stalking ein Problem ist, das vor allem auch Normalbürger betraf. Bei den ca. 200 betreuten Fällen jährlich handelt es sich mittlerweile nur noch bei weniger als einem Drittel um Prominenten-Stalking. Seit 1992 wurden in allen Bundesstaaten der USA Anti-Stalking Gesetze eingeführt.<br>
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# „Incompetent suitors“ – inkompetente Verehrer – drängen sich einer Person ihres Interesses geradezu auf. Sie glauben, einen berechtigten Anspruch an ihr zu haben. Viele dieser Täter reagieren schnell auf gerichtliche Sanktionen. Sie suchen sich jedoch auch häufig neue Zielobjekte.
# „Incompetent suitors“ – inkompetente Verehrer – drängen sich einer Person ihres Interesses geradezu auf. Sie glauben, einen berechtigten Anspruch an ihr zu haben. Viele dieser Täter reagieren schnell auf gerichtliche Sanktionen. Sie suchen sich jedoch auch häufig neue Zielobjekte.


====WIE WURDE DER BEGRIFF IN DER VERGANGENHEIT BENUTZT?====
====Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt?====


Wie schon der Etymologie zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Begriff um einen Ausdruck aus der Jagdsprache. Somit ergibt sich eine Verwendung in der Vergangenheit auch lediglich in diesem Bereich, bis es zur Anwendung für das dargestellte Phänomen kam. Allerdings wurden ähnliche Verhaltensmuster bereits vor mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Literatur beschrieben. Diese Verhaltensmuster zeigten meist Frauen, die die wahnhafte Überzeugung entwickelt hatten, eine andere Person, meist ein sozial höher gestellter Mann, liebte sie. Im Rahmen eines solchen Liebeswahns (Erotomanie) konnten solche Personen dann auch ihren vermeintlichen Liebhaber belästigen, bedrohen oder sogar körperlich attackieren, d.h. sie konnten ein typisches Stalking-Verhalten entwickeln. Dieses Syndrom wurde bereits1927 von dem französischen Psychiater Gatian de Clerambault beschrieben (daher auch de Clerambault-Syndrom).  
Wie schon der Etymologie zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Begriff um einen Ausdruck aus der Jagdsprache. Somit ergibt sich eine Verwendung in der Vergangenheit auch lediglich in diesem Bereich, bis es zur Anwendung für das dargestellte Phänomen kam. Allerdings wurden ähnliche Verhaltensmuster bereits vor mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Literatur beschrieben. Diese Verhaltensmuster zeigten meist Frauen, die die wahnhafte Überzeugung entwickelt hatten, eine andere Person, meist ein sozial höher gestellter Mann, liebte sie. Im Rahmen eines solchen Liebeswahns (Erotomanie) konnten solche Personen dann auch ihren vermeintlichen Liebhaber belästigen, bedrohen oder sogar körperlich attackieren, d.h. sie konnten ein typisches Stalking-Verhalten entwickeln. Dieses Syndrom wurde bereits1927 von dem französischen Psychiater Gatian de Clerambault beschrieben (daher auch de Clerambault-Syndrom).  


====ZUSAMMENHÄNGE MIT ANDEREN BEGRIFFEN====
====Zusammenhänge mit anderen Begriffen====


Aufenthaltsverbot: Das Aufenthaltsverbot verbietet dem Adressaten, für einen festgelegten Zeitraum, einen genau bezeichneten örtlichen Bereich aufzusuchen (dauerhafter Platzverweis), sich darin aufzuhalten oder sich darin zu bewegen ( Betretungsverbot)<br>
Aufenthaltsverbot: Das Aufenthaltsverbot verbietet dem Adressaten, für einen festgelegten Zeitraum, einen genau bezeichneten örtlichen Bereich aufzusuchen (dauerhafter Platzverweis), sich darin aufzuhalten oder sich darin zu bewegen ( Betretungsverbot)<br>
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Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.
Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.


====ZUSAMMENHÄNGE IN DER MATERIELLEN REALITÄT:====
==== Erscheinungsformen und Häufigkeit ====
 
Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt.
 
==== Interventionsmöglichkeiten: Recht und Rechtswirklichkeit ====
 
Der Rechtsschutz gegen Stalker wurde allmählich verbessert. Vor dem Inkrafttreten spezieller Bestimmung konnten sich Verfolgte beim Amtsgericht um eine 'normale' Einstweilige Verfügung bemühen. Das taten sie aber nicht häufig. Zwar konnte man den Tätern verbieten, sich dem Opfer zu nähern. Doch wenn sich die Stalker nicht daran hielten, war das nur eine Ordnungswidrigkeit. Die Polizei sprach eine Wegweisung aus und bei deren Missachtung gab es eine Geldstrafe. Das beeindruckte die Täter oft nicht sehr stark.
 
Seit dem 1.1.2002 gibt es die Möglichkeit einer "Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz" (= Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen; ""GewSchG""). Ein Verstoß gegen diese spezielle Verfügung wurde zur Straftat. Dies wiederum ermöglicht der Polizei ein härteres Vorgehen - insbesondere die Verhängung von Untersuchungshaft mit dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr gegenüber hartnäckigen Tätern.


Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt. Wegen der gravierenden Konsequenzen für die Opfer, Handlungsbedarf dringend angezeigt. Problematisch ist, dass es in Deutschland keinen Stalking-Straftatbestand gibt. Interventionsmöglichkeiten bestehen dennoch in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und polizeirechtlicher Hinsicht. So trat am 1.1.2002 das Gewaltschutzgesetz ( Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen, ""GewSchG"") in Kraft. Danach besteht die Möglichkeit, dass ein Zivilgericht in Fällen der unzumutbaren Belästigung zivilrechtliche Maßnahmen zum Opferschutz anordnen kann, so kann z.B. gerichtlich untersagt werden, sich dem Opfer zu nähern. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geld - oder Freiheitsstrafe. Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um den Stalker z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung des Opfers zu hindern. Derzeit verfährt die Polizei in Bremen, bundesweit einzig, gesondert mit Stalking-Fällen. Im Januar 2001 wurde das so genannte „Stalking-Projekt“ ins Leben gerufen, das u.a. eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle beinhaltet. Darüber hinaus wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich derzeit konkret, sich dem Phänomen angemessen aus polizeilicher Sicht zu nähern. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.<br>
Zudem ist Stalking als "Unbefugtes Nachstellen" seit dem 31.3.2007 ein Straftatbestand (§ 238 StGB), der Stalking - etwa in der Form des Herumlungerns vor der Wohnung des Opfers, von SMS-Sendungen oder Anrufen - mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Bringt der Täter das Opfer in Lebensgefahr, droht das Gesetz drei Monate bis fünf Jahre Haft an. Verursacht der Täter den Tod des Opfers - wenn z.B. das Opfer flieht und dabei vor ein Auto läuft - beträgt die Strafandrohung ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug.  
Trotz dieser bestehenden Interventionsmöglichkeiten wird gefordert, dass Stalking auch in der Bundesrepublik zum Straftatbestand erklärt wird.


====KRIMINOLOGISCHE RELEVANZ====
Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um StalkerInnen z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung der beschwerdeführenden Person zu hindern. Als erste Polizei in Deutschland begann die Bremer Polizei 2001 ein Stalking-Projekt. Das Projekt sah eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle vor. Es wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.
 
Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen Stalker (oder sogar gegen deren Arbeitgeber) können nach § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet sein. Danach ist, wer "in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt", diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet (vgl. Keiser 2007).
 
 
====Kriminologische Relevanz====


Die kriminologische Relevanz der Thematik ergibt sich zu einen daraus, dass das Phänomen auf bundesdeutscher Ebene wenig erforscht ist, zum anderen aus der Tatsache, dass sich die angezeigten Fälle häufen. Die Verbreitung von Stalking in der Bevölkerung steigt und das Thema gewinnt an Brisanz, auch in den Medien. Projekte wie das der TU Darmstadt oder der Bremer Polizei machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar auch in kriminologischer Sicht.
Die kriminologische Relevanz der Thematik ergibt sich zu einen daraus, dass das Phänomen auf bundesdeutscher Ebene wenig erforscht ist, zum anderen aus der Tatsache, dass sich die angezeigten Fälle häufen. Die Verbreitung von Stalking in der Bevölkerung steigt und das Thema gewinnt an Brisanz, auch in den Medien. Projekte wie das der TU Darmstadt oder der Bremer Polizei machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar auch in kriminologischer Sicht.


====LITERATURHINWEISE:====
 
==Erklärungsmodelle==
Es sind zwar noch keine gesicherten ‚Theorien des Stalkings’ vorhanden, dennoch gehen Experten davon aus, dass viele unterschiedliche Einflussfaktoren dieses Verhalten begünstigen. Besonders wichtig sind dabei folgende Faktoren:
 
===Technische Entwicklung===
Durch technologische Modernisierung und Entwicklung von neuen Kommunikationsmitteln wird das Stalkingverhalten begünstigt. Handy, Fax und E-Mails geben dem Täter effektive Möglichkeiten, schnellen Kontakt zu seinem Opfer herzustellen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Das Internet hilft dem Täter, an wichtige Informationen zu gelangen und gleichzeitig anonym zu operieren. Eine verbesserte Infrastruktur und die größere Mobilität der Gesellschaft erleichtern es einem Stalker, sein Opfer uneingeschränkt verfolgen zu können.
 
===Enttraditionalisierung===
Enttraditionalisierung meint den Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten in der westlichen Gesellschaft. Damit der Mensch in einem Umfeld der Orientierungslosigkeit sein Leben zur eigenen Zufriedenheit gestalten kann, muss er über gut funktionierende soziale Netzwerke verfügen. Damit diese erreicht werden können, benötigt er zentrale Fähigkeiten („soziale Beziehungsfähigkeit“, „kommunikative Kompetenzen“). Ob diese Fähigkeiten ausreichend bei einer Person vorhanden sind, bemisst sich an dem Kriterium der Anerkennung durch das Umfeld. Es ist davon auszugehen, dass Stalker zu denjenigen Menschen gehören, die nicht über diese Qualifikationen und Ressourcen verfügen, deren Identitätsarbeit fehlerhaft verlaufen ist und die deswegen ihren Wunsch nach sozialen Beziehungen und Kontakten durch anderes, auffälliges Verhalten zu erreichen versuchen. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang nicht, ob ein chronisches Versagen in sozialen und sexuellen Beziehungen im frühen Erwachsenenalter eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Stalking ist.
(weiterführende Literatur zu Enttraditionalisierung / Individualisierung u.a. Ulrich Beck,
Georg Simmel)
 
===Entritualisierung===
Unter Ritualen versteht man standardisierte, immer in ähnlicher Form ablaufende, soziale Verhaltensweisen. Sie sind kollektiv formulierte Bewältigungsmechanismen für Bedrohliches oder Unbekanntes. Fallen sie weg oder verändern sie sich zu sehr, entsteht beim Mensch Unsicherheit und Desorientierung (Ritualunsicherheit). Stalking scheint mit diesem Entritualisierungsprozess verbunden zu sein. Insbesondere die Rituale zum Knüpfen von zwischenmenschlichen Kontakten, Partnerwahl und zum Werben für das andere Geschlecht haben sich stark verändert. Auf Grund dieser starken Verunsicherung kann es dazu kommen, dass geschlechtsspezifische Hemmschwellen wegfallen und sich so eine Stalkerpersönlichkeit herauskristallisiert. Stalker sind Personen, die das Wechselspiel der taktvollen, erotischen Beziehungsaufnahme nur beschränkt beherrschen.
 
===Bindungstheorie===
Die Bindungstheorie beschreibt die außerordentliche Wichtigkeit des emotionalen Verhältnisses, das zwischen einem Säugling/Kind und dessen primärer Bezugsperson herrscht. Eine stabile und liebevolle Bindung zu einer Person ist für das Kind wesens- und handlungsbestimmend im Hinblick auf eine ‚gesunde’ emotionale, soziale Entwicklung und für die spätere eigene Bindungsfähigkeit und – qualität. Bekommt ein Kind nicht die nötige Sicherheit und Stabilität, kann dies zu emotionalen Fehlbildungen führen.
Man geht davon aus, dass Stalker in diesem Lebensabschnitt, in dem die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit erlernt wird, negative Erfahrungen gemacht haben.
Über die Hälfte der Stalker weisen starke Bindungsproblematiken auf. Der Stalker ist auf der Suche nach einer festen Bindung, bei der er immer wieder versucht, einer Elternfigur ähnlichen Person nahe zu kommen und gleichzeitig Abstand hält aus Angst vor Zurückweisung und Enttäuschung. Diese Theorie erklärt, warum Stalking in vielen Fällen zu einer gewalttätigen Eskalation führt. Die negativen Gefühle der Trauer, Wut und Angst, die ein Stalker durch die gestörte Bindung seit seiner Kindheit verinnerlicht hat, brechen bei dem geringsten Gefühl der Zurückweisung massiv aus.
 
===Psychodynamische Theorie===
Bei der psychodynamischen Theorie (entwickelt von Meloy) handelt es sich um ein Modell, das in sechs Stufen die psychischen Beweggründe und das innere Erleben des Stalkers beschreibt und dadurch die Folgeaspekte der Verfolgung und Belästigung zu erklären versucht. Die sechs Stufen sind: narzisstische Vereinigung, Umsetzung der Fantasie in die Tat, narzisstische Wut, Ausleben der Wut, wiederholtes Idealisieren des Opfers.
Besonders gefährlich, sieht Meloy, bei einer Stalkinghandlung den extremen Realitätsverlust beim Täter.
 
===Psychopathologie===
Eine weitere Ursache, für die Erklärung von Stalking, sind psychiatrische Grunderkrankungen beim Täter. Neben den beim Stalker vermehrt vorkommenden Krankheitsbildern, narzisstische Persönlichkeits- und Borderlinestörung, sind andere Störungen wie Psychosen, Neurosen oder Depressionen nicht auszuschließen.
 
 
==Literaturhinweise==


*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
*Bettermann, J., Moetje F., Stalking: Möglichkeiten und Grenzen der Interventionen. Frankfurt. Verlag für Polizeiwissenschaft (2004)
*Dressing, H. und Gass, P.: „ Stalking- vom Psychoterror zum Mord“ in Der Nervenarzt 73/2002, S. 1-4
*Dressing, H. und Gass, P.: „ Stalking- vom Psychoterror zum Mord“ in Der Nervenarzt 73/2002, S. 1-4
*Hoffmann, J.: „Polizeiliche Prävention und Krisenmanagement“ in Kriminalistik 12/2003, S.726-731
*Hoffmann, J.: „Polizeiliche Prävention und Krisenmanagement“ in Kriminalistik 12/2003, S.726-731
*Keiser, Th.:  ... Stalking ...  Neue Juristische Wochenschrift 60. Jg., H. 47/2007, S.
*Knecht, T. : “Stalking” in Kriminalistik 6/2003, S. 364-368
*Knecht, T. : “Stalking” in Kriminalistik 6/2003, S. 364-368
*Meloy, J., Reid., The psychology of stalking, clinical and forensic perspectives. San Diego. Acad. Press (1998)
*Meloy, J.R., Rivers, L., A Replication Study of Obsessional Followers and Offenders with Mental Disorders, Journal of Forensic Sciences, 2000, 45
*Mullen, P.E., Pathe, M., Purcell, R., Stuart, G.W., Astudy of stalkers, American Journal of Psychiatry, 1999, 156
*Mullen, P.E., Pathè, M., Purcell, R., Stalkers and their victims. Cambridge. Cambridge University Press (2000)
*von Pechstaedt, V.: “Stalking und das deutsche Recht” in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 45-52
*von Pechstaedt, V.: “Stalking und das deutsche Recht” in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 45-52
*Ritter-Witsch, S.: „Liebesterror im Vorfeld von Kapitaldelikten“ in Hamburger Polizeijournal 12/2002, S. 4-6
*Ritter-Witsch, S.: „Liebesterror im Vorfeld von Kapitaldelikten“ in Hamburger Polizeijournal 12/2002, S. 4-6
*Voß,W. und Hoffmann, J.: „ Zur Phänomenologie und Psychologie des Stalkings“ in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 4-14
*Voß,W. und Hoffmann, J.: „ Zur Phänomenologie und Psychologie des Stalkings“ in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 4-14
*Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt. S. 60 -72 (2002)
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
*Zona, M.A., Sharma, K.K., Lane, J.C., A comparative study of erotomanic and obsessional subjects in a forensic sample, Journal of Forensic Sciences, 1993, 38
====Weiterführende Literatur====


=====WEITERFÜHRENDE LITERATUR:=====
*Mullen, P.E., Pathe, M., Purcell, R. : " Stalkers an their Victims", Cambridge University Press, Cambridge 2000a
*Schuhmacher, S. : "Liebeswahn-geliebt, verfolgt, gehetzt", Verlagsgesellschaft Köln, 2000
*Schuhmacher, S. : "Liebeswahn-geliebt, verfolgt, gehetzt", Verlagsgesellschaft Köln, 2000


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*http://www.stalkingforschung.de
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