Sicherungsverwahrung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Sicherungsverwahrung ist ein Instrument des Freiheitsentzugs im deutschen Recht. Sie gehört wie Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, Unterbindungsgewahrsam (Polizeigewahrsam) und die verschiedenen Arten unfreiwilliger Aufenthalte in Psychiatrie und Entziehungsanstalten zu den gesetzlich geregelten Zwangsunterbringungen.
Die S. wird von einem Strafgericht angeordnet, stellt aber keine Strafe dar, sondern eine Art Vorbeugehaft, deren Sinn darin besteht, gefährliche Hangtäter nach Ablauf ihrer Strafe weiterhin eingesperrt zu halten, damit sie keine weiteren Taten begehen können. Insofern handelt es sich bei der S. materiell um Gefahrenabwehr, also eine Angelegenheit der Polizei, während sie formell in der Zuständigkeit der Strafjustiz liegt.
Die S. wurde von der NS-Regierung im Jahre 1933 eingeführt und nach 1945 beibehalten. In den 1970er Jahren wurde die Anordnung der S. vom Gesetzgeber erschwert; eine Zeit lang schien die Abschaffung der Institution in den Bereich des Möglichen zu rücken. In den 1990er Jahren machte sich eine Trendwende bemerkbar. Seither wurde die Anordnung wieder erleichtert. Die ehemalige Höchstgrenze von zehn Jahren Freiheitsentzug bei der erstmaligen Anordnung von S. wurde gestrichen. Die Zahl der Insassen der S. stieg wieder an. Auch wurde die nachträgliche Anordnung der S. ermöglicht. Gegen die S. - die einen typischen Fall von "Feindstrafrecht" im Sinne von G. Jakobs darstellt - werden verfassungsrechtliche und kriminalpolitische Bedenken erhoben.
== Begriff ==


Die Sicherungsverwahrung ist ein Rechtsinstitut, das es ermöglicht, Straftäter auch nach dem Ablauf ihrer Freiheitsstrafe noch gefangen zu halten, um weitere Delikte dieser gefährlichen Rückfalltäter ("Hangtäter"; "Unverbesserlichen") zu verhindern. Insofern wird von den von dieser Maßregel betroffenen Personen zwangsweise verlangt, dass sie über ihre Bestrafung hinaus ein Opfer für die Gesellschaft bringen: man verwehrt ihnen trotz Strafablaufs ihre Entlassung in die Freiheit, um die Gesellschaft vor dem Risiko ihrer Rückfälligkeit zu bewahren.
Die Sicherungsverwahrung ist ein Rechtsinstitut, das es ermöglicht, Straftäter auch nach dem Ablauf ihrer Freiheitsstrafe noch gefangen zu halten, um weitere Delikte dieser gefährlichen Rückfalltäter ("Hangtäter"; "Unverbesserlichen") zu verhindern. Insofern wird von den von dieser Maßregel betroffenen Personen zwangsweise verlangt, dass sie über ihre Bestrafung hinaus ein Opfer für die Gesellschaft bringen: man verwehrt ihnen trotz Strafablaufs ihre Entlassung in die Freiheit, um die Gesellschaft vor dem Risiko ihrer Rückfälligkeit zu bewahren.
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Vergleichbare Institutionen im deutschsprachigen Ausland sind die Unterbringung im Maßnahmenvollzug in Österreich (§ 23 StGB) und in der Schweiz die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 42 StGB).
Vergleichbare Institutionen im deutschsprachigen Ausland sind die Unterbringung im Maßnahmenvollzug in Österreich (§ 23 StGB) und in der Schweiz die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 42 StGB).


'''Geschichte der Sicherungsverwahrung'''
'''Geschichte'''


In Deutschland wurde die Sicherungsverwahrung durch das "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" vom 24. November 1933 eingeführt. Die NS-Zeit machte insofern grundlegende Überlegungen zur Thematik nutzbar, die sich insbesondere im Werk von Franz von Liszt "zur Zweckmäßigkeit" des Strafrechts finden. Nach dem Ende des Dritten Reichs wurde die SV zusammen mit den anderen Maßregeln der Besserung und Sicherung beibehalten.
In Deutschland wurde die Sicherungsverwahrung durch das "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" vom 24. November 1933 eingeführt. Die NS-Zeit machte insofern grundlegende Überlegungen zur Thematik nutzbar, die sich insbesondere im Werk von Franz von Liszt "zur Zweckmäßigkeit" des Strafrechts finden. Nach dem Ende des Dritten Reichs wurde die SV zusammen mit den anderen Maßregeln der Besserung und Sicherung beibehalten.


Die anderen Staaten im deutschen Sprachraum kennen vergleichbare Regelungen: In Österreich ist Eine Unterbringung im Maßnahmenvollzug (§ 23 StGB), in der Schweiz die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 42 StGB) möglich.
Kritiker der Sicherungsverwahrung sehen in ihr eine Variante des Feindstrafrechts.
Inhaltsverzeichnis
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     * 1 Voraussetzungen
     * 1 Voraussetzungen
          o 1.1 Anordnung im Urteil
          o 1.2 Anordnungsvorbehalt im Urteil
          o 1.3 Nachträgliche Anordnung
     * 2 Vollzug
     * 2 Vollzug
     * 3 Dauer
     * 3 Dauer
     * 4 Geschichte
     * 4 Statistik
          o 4.1 Historische Ansätze
     * 5 Siehe auch
          o 4.2 Entwurf nach Carl Stoss
     * 6 Einzelnachweise
          o 4.3 Gesetzeseinführung der Nazis
          o 4.4 Entwicklung bis heute
     * 5 Statistik
    * 6 Siehe auch
     * 7 Einzelnachweise


Voraussetzungen [Bearbeiten]
 
== Voraussetzungen ==
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Die Sicherungsverwahrung kann vom Gericht
Die Sicherungsverwahrung kann vom Gericht
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Die dritte Möglichkeit, einen Straftäter nachträglich in die Sicherungsverwahrung zu überführen, ist im Anschluss an eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wenn der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, kann die Unterbringung in einer Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn eine negative Gefährlichkeitsprognose vorliegt und der Täter schon wegen eines oder mehrerer Verbrechen oder Taten nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde oder die gerade beendete Unterbringung wegen mehrerer dieser Taten angeordnet wurde.
Die dritte Möglichkeit, einen Straftäter nachträglich in die Sicherungsverwahrung zu überführen, ist im Anschluss an eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wenn der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, kann die Unterbringung in einer Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn eine negative Gefährlichkeitsprognose vorliegt und der Täter schon wegen eines oder mehrerer Verbrechen oder Taten nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde oder die gerade beendete Unterbringung wegen mehrerer dieser Taten angeordnet wurde.


Vollzug [Bearbeiten]
 
== Vollzug ==
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Der Vollzug der Sicherungsverwahrung ist im Dritten Abschnitt des StVollzG geregelt. Die §§ 129 - 135 StVollzG regeln den besonderen Umgang der Vollstreckungsbehörden mit dem Verwahrten. Der Vollzug erfolgt getrennt vom Vollzug einer normalen Freiheitsstrafe (§ 140 Abs. 1 StVollzG). Um dies zu ermöglichen, können entweder eigenständige Anstalten oder abgetrennte Abteilungen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt eingerichtet werden.
Der Vollzug der Sicherungsverwahrung ist im Dritten Abschnitt des StVollzG geregelt. Die §§ 129 - 135 StVollzG regeln den besonderen Umgang der Vollstreckungsbehörden mit dem Verwahrten. Der Vollzug erfolgt getrennt vom Vollzug einer normalen Freiheitsstrafe (§ 140 Abs. 1 StVollzG). Um dies zu ermöglichen, können entweder eigenständige Anstalten oder abgetrennte Abteilungen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt eingerichtet werden.
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Ziel der Unterbringung ist einerseits die sichere Verwahrung zum Schutz der Allgemeinheit (§ 129 S. 1 StVollzG), andererseits die Unterstützung des Verwahrten, damit er sich in das Leben in Freiheit eingliedern kann (§ 129 S. 2 StVollzG). Um den Schäden des langfristigen Freiheitsentzuges entgegenzuwirken, werden einem Sicherungsverwahrten bestimmte Vollzugslockerungen zugebilligt. Er darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen (§§ 131, 132 StVollzG), bei der Ausgestaltung der Hafträume und Durchführung von Betreuungsmaßnahmen soll auf seine persönlichen Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Um die Entlassung vorzubereiten, darf dem Verwahrten sogar ein Sonderurlaub bis zu einem Monat gewährt werden (§ 134 StVollzG). Im Übrigen verbleibt es jedoch bei den allgemeinen Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§ 130 StVollzG).
Ziel der Unterbringung ist einerseits die sichere Verwahrung zum Schutz der Allgemeinheit (§ 129 S. 1 StVollzG), andererseits die Unterstützung des Verwahrten, damit er sich in das Leben in Freiheit eingliedern kann (§ 129 S. 2 StVollzG). Um den Schäden des langfristigen Freiheitsentzuges entgegenzuwirken, werden einem Sicherungsverwahrten bestimmte Vollzugslockerungen zugebilligt. Er darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen (§§ 131, 132 StVollzG), bei der Ausgestaltung der Hafträume und Durchführung von Betreuungsmaßnahmen soll auf seine persönlichen Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Um die Entlassung vorzubereiten, darf dem Verwahrten sogar ein Sonderurlaub bis zu einem Monat gewährt werden (§ 134 StVollzG). Im Übrigen verbleibt es jedoch bei den allgemeinen Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§ 130 StVollzG).


Dauer [Bearbeiten]
 
== Dauer ==
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Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich unbefristet, was nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 auch im Einklang mit der Verfassung steht.
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich unbefristet, was nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 auch im Einklang mit der Verfassung steht.
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Der Verwahrte kann auch vom Gericht in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt überwiesen werden, wenn dies seine Resozialisierung besser fördert. Eine Rückkehr in die Sicherungsverwahrung kann angeordnet werden, wenn die Überweisung keinen Erfolg erzielt hat bzw. die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung doch besser gefördert wird.
Der Verwahrte kann auch vom Gericht in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt überwiesen werden, wenn dies seine Resozialisierung besser fördert. Eine Rückkehr in die Sicherungsverwahrung kann angeordnet werden, wenn die Überweisung keinen Erfolg erzielt hat bzw. die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung doch besser gefördert wird.


Geschichte [Bearbeiten]
 
== Geschichte ==
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Historische Ansätze [Bearbeiten]
Historische Ansätze [Bearbeiten]
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Da die Bedenken der Verfassungshüter ausschließlich formeller, nicht aber inhaltlicher Natur waren, konnte am 23. Juli 2004 das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung [4] in Kraft treten.
Da die Bedenken der Verfassungshüter ausschließlich formeller, nicht aber inhaltlicher Natur waren, konnte am 23. Juli 2004 das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung [4] in Kraft treten.


Statistik [Bearbeiten]
 
== Statistik ==
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Laut Statistischem Bundesamt waren zum 31. März 2006 insgesamt 375 Gefangene in deutschen Gefängnissen zur Sicherungsverwahrung untergebracht. Zum Vergleich: 350 im Jahr 2005 und 306 im Jahr 2003. [5]
Laut Statistischem Bundesamt waren zum 31. März 2006 insgesamt 375 Gefangene in deutschen Gefängnissen zur Sicherungsverwahrung untergebracht. Zum Vergleich: 350 im Jahr 2005 und 306 im Jahr 2003. [5]
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   4. ↑ Bundesgesetzblatt: Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2004
   4. ↑ Bundesgesetzblatt: Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2004
   5. ↑ Statistisches Bundesamt: Strafgefangene nach Geschlecht, Alter und Art des Vollzugs, voraussichtliche Vollzugsdauer 2006
   5. ↑ Statistisches Bundesamt: Strafgefangene nach Geschlecht, Alter und Art des Vollzugs, voraussichtliche Vollzugsdauer 2006
== Literatur ==
Kinzig, Jörg: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand. Freiburg: edition iuscrim 1996


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