Sicherungsverwahrung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Sicherungsverwahrung (SV) ist ein legaler Freiheitsentzugist eine Form des legalen Freiheitsentzugs, die - wie die Freiheitsstrafe - in denselben Gefängnissen vollzogen wird, Gefängnisstrafe - in (wie z.B. auch der Polizeigewahrsam, die Untersuchungshaft, die Freiheitsstrafe, die Beugehaft oder der Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie oder in einer Entzugsanstalt). Äußerlich ähnelt die SV, der sie dem Vollzug der Freiheitsstrafe. Gefängnisbesucher werden die Sicherungsverwahrten in der Regel für ganz normale Gefangene halten.
Die Sicherungsverwahrung (SV) ist eine Institution des deutschen Strafrechts, die es ermöglicht, gefährliche Straftäter zum Schutze der Allgemeinheit auch dann in Haft zu nehmen und zu halten, wenn die Voraussetzungen für eine Freiheitsstrafe nicht vorliegen. Im deutschen Strafrecht gehört die SV zusammen mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus zu derjenigen Klasse legalen Freiheitsentzugs, die das Gesetz als Maßregeln der Besserung und Sicherung bezeichnet. Wie die anderen Maßregeln bezweckt auch die SV (juristisch gesehen) nicht den Ausgleich der Tatschuld, die der Täter auf sich geladen hatte, sondern ist ganz unabhängig von dem Gesichtspunkt der Schuld und des Schuldausgleichs eine Art polizeilich motivierter Vorbeugehaft zur Verhinderung künftiger Taten eines gefährlichen Individuums. Insofern handelt es sich bei der SV materiell um Gefahrenabwehr, also eine Angelegenheit der Polizei, während sie formell in der Zuständigkeit der Strafjustiz liegt und in der Art und Weise ihres Vollzugs auch kaum von dem Vollzug einer Gefängnisstrafe zu unterscheiden ist.
werden in Gefängniszellen in denselben Haftanstalten verwahrt wie Strafgefangene - und in der Regel befanden sie sich auch als reguläre Strafgefangene in denselben Haftanstalten, in denen sie sich nun dem Vollzug dieser "Maßregel" ausgesetzt sehen, bevor  sich die Rechtsgrundlage ihrer Inhaftierung verändert hatte.
Wenn sich aber die tatsächlichen Haftbedingungen kaum unterscheiden und wenn die SV ebenso wie die Gefängnisstrafe per Urteil eines Strafgerichts angeordnet wird, dann drängt sich die Frage auf, worin überhaupt der Sinn dieser Unterscheidung besteht und ob die SV nicht verzichtbar wäre, zumal diese Merkwürdigkeit in der Strafrechtsgeschichte Mitteleuropas sowieso in vielen Ländern der Welt offenbar  keineswegs als unersetzliche Notwendigkeit angesehen wird. Angesichts der Kritik an Fehleinweisungen und des Rückgangs der Zahl der Sicherungsverwahrten in den 1970er und 1980er Jahren schien die Abschaffung der SV zu Beginn der 1990er Jahre in den Bereich des Möglichen gerückt zu sein. Seither ist allerdings eine erneut starke Zunahme der Anordnungen und des Vollzugs von SV zu registrieren. Die ehemalige Höchstgrenze von zehn Jahren Freiheitsentzug bei der erstmaligen Anordnung von S. wurde gestrichen. Auch wurde die nachträgliche Anordnung der S. ermöglicht.
Die Zahl der Insassen der S. stieg wieder an. Während im Jahre 1996 in Deutschland insgesamt 176 Sicherungsverwahrte gezählt wurden, waren es im Jahre 2005 schon 365. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei die zunehmende gesellschaftliche Punitivität gegenüber Sexualstraftätern und das "Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten" aus dem Jahre 1998. Auf absehbare Zeit scheint damit die Zukunft dieser Form des Freiheitsentzugs gesichert und es kann wohl die Prognose gewagt werden, dass die Zahl der Sicherungsverwahrten in den nächsten Jahren wieder auf die altbekannten Höhen der Jahre vor der Strafrechtsreform klettern wird. Das Problem der Fehldiagnosen und der Fehlurteile, das die Geschichte der SV von Anfang an begleitete, wird damit freilich auch wieder in den Vordergrund treten. Auch bestehen die verfassungsrechtlichen und kriminalpolitischen Bedenken gegen die SV als einer Institution des Rechtszwangs gegenüber Menschen, die - was den Rechtsgrund ihrer Inhaftierung angeht - lediglich als Gefahrenquellen betrachtet und damit gleichsam "zum Objekt gemacht werden" (Stichwort: "Feindstrafrecht"), trotz der nennenswerten (wenn auch nicht ausreichenden) therapeutischen Bemühungen im Vollzug der SV unverändert weiter.  


Eine Maßregel bezweckt (juristisch gesehen) nicht den Ausgleich der Tatschuld, die der Täter auf sich geladen hatte, sondern ist ganz unabhängig von dem Gesichtspunkt der Schuld und des Schuldausgleichs eine Art polizeilich motivierter Vorbeugehaft zur Verhinderung künftiger Taten eines gefährlichen Individuums. Insofern handelt es sich bei der SV materiell um Gefahrenabwehr, also eine Angelegenheit der Polizei, während sie formell in der Zuständigkeit der Strafjustiz liegt.
Nach einer Phase geringerer Nutzung des Instituts der SV geriet sie Ende des 20. Jahrhunderts wieder in den Mittelpunkt kriminalpolitischer Aktivitäten. Von 1998 bis 2007 wurde sie von sieben Reformgesetzen tangiert, die u.a. zur Streichung der Höchstgrenze von zehn Jahren bei der erstmaligen Anordnung der SV, zur Ermöglichung der nachträglichen Anordnung der SV und ihrer Anordnung bei Jugendlichen führte.


Während im Jahre 1996 in Deutschland insgesamt 176 Sicherungsverwahrte gezählt wurden, waren es im Jahre 2005 schon 365.
Eine maßgebliche Rolle spielte dabei die zunehmende gesellschaftliche Punitivität gegenüber Sexualstraftätern und das "Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten" aus dem Jahre 1998. Auf absehbare Zeit scheint damit die Zukunft dieser Form des Freiheitsentzugs gesichert und es kann wohl die Prognose gewagt werden, dass die Zahl der Sicherungsverwahrten in den nächsten Jahren wieder auf die altbekannten Höhen der Jahre vor der Strafrechtsreform steigen dürfte. Noch handhaben die Vollstreckungsgerichte die SV allerdings recht restriktiv (vgl. Ullenbruch 2007).
Gegen die SV wurden und werden verfassungsrechtliche und kriminalpolitische Bedenken geltend gemacht. Die von der SV Betroffenen werden, was den Rechtsgrund ihres Freiheitsentzugs angeht, lediglich als Gefahrenquellen betrachtet und damit gleichsam "zum Objekt gemacht" (Stichwort: "Feindstrafrecht").




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== Weblinks ==
== Weblinks ==
Weitere Informationen zum Stichwort Sicherungsverwahrung finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter [http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=S&KL_ID=166 Sicherungsverwahrung].
Weitere Informationen zum Stichwort Sicherungsverwahrung finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter [http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=S&KL_ID=166 Sicherungsverwahrung].
== Literatur ==
== Literatur ==


Habermeyer, Elmar; Puhlmann, Peter; Passow, Daniel und Vohs, Knut: Kriminologische und diagnostische Merkmale von Häftlingen mit angeordneter Sicherungsverwahrung. MschrKrim 90.2007: 317-330
*Habermeyer, Elmar; Puhlmann, Peter; Passow, Daniel und Vohs, Knut: Kriminologische und diagnostische Merkmale von Häftlingen mit angeordneter Sicherungsverwahrung. MschrKrim 90.2007: 317-330
 
Kinzig, Jörg: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand. Freiburg: edition iuscrim 1996
 
 
 
   
 


*Kinzig, Jörg: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand. Freiburg: edition iuscrim 1996


[[Kategorie:Grundbegriffe der Kriminologie]]
*Ullenbruch, (2007) Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ)  62 -
*Ullenbruch,  (2008) Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 5 -  .
31.738

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