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Zum Begriff der Schuld findet sich keine einheitliche allgemein gültige Definition. Dieses Problem ergibt sich durch die Relevanz des Begriffs für unterschiedliche Kontexte und somit keiner eindeutigen Zuweisungsmöglichkeit. Es handelt sich um einen abstrakten Begriff, der an das jeweilige Begriffsverständnis gebunden ist und somit auch nicht unabhängig von Zeitepochen, gesellschaftlichen und kulturellen Normen und Werten betrachtet werden kann.


Wortherkunft und Definitionsversuche

Nach Kluge (1999) handelt es sich bei 'Schuld' um ein germanisches Rechtswort, das in altnordisch syn, altenglisch synn, altfränkisch sinne und altsächsisch sunda abstammt. Ein weiterer Begriff der hieraus abgeleitet wurde ist 'Sünde’.

strafrechtliche Sicht

kriminologische Sicht

Zitate zum Thema Schuld

Die nachfolgenden Zitate spiegeln beispielhaft die Mehrdimensionalität des Schuldbegriffs wider:

Gar manches ist vorherbestimmt; das Schicksal führt ihn in Bedrängnis. Doch wie er sich dabei benimmt, ist seine Schuld und nicht Verhängnis. Wilhelm Busch

Die Wahlphilosophie der Parlamentskandidaten besteht einfach darin, dass sie ihrer linken Hand erlauben, nicht zu wissen, was ihre rechte tut, und so waschen sie beide Hände in Unschuld. Karl Marx

Wer weiß, was er zu tun hat, und tut es nicht, der macht sich schuldig. Jakobus 4.17

Denke vor allem daran, daß du niemandes Richter zu sein vermagst. Denn es kann auf Erden niemand Richter sein über einen Verbrecher, bevor nicht der Richter selber erkannt hat, daß er genau so ein Verbrecher ist wie der, der vor ihm steht, und daß gerade er an dem Verbrechen des vor ihm Stehenden vielleicht mehr als alle anderen auch die Schuld trägt. Wenn er aber das erkannt hat, dann kann er auch Richter sein. Fjodor M. Dostojewski

Kriminologisch relevantes Spannungsfeld

Bei Betrachtung der verschiedenen Definitionsversuche zeichnet sich eine unumgängliche Verstrickung von 'Schuld' mit den Begriffen Verantwortung, Moral, Gewissen, Scham, Wiedergutmachung, Vergeltung und Strafe ab.

Fallbeispiele

Kritische Begriffsbetrachtung

Hassemer (1993) wirft aus kriminologischer Sicht die Frage auf, ob es im Umgang mit delinquenten Menschen überhaupt um die Feststellung von Schuld und damit dem Erheben von Schuldvorwürfen gehen darf. Aus diesem Grund sei zur kritischen Betrachtung auf die begrifflichen Annäherungen von Nietzsche und Freud hingewiesen.

Nietzsche nähert sich dem Begriff der Schuld über "materielle Schulden", da er davon ausgeht, dass dieser hieraus abgeleitet wurde. Dem Mensch liege nach Nietzsche seit jeher daran, Wertbemessung vorzunehmen und Wertigkeiten gegeneinander abzuwiegen. Eben hierin sei der Ursprung für die Übertragung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses auch auf moralische Schulden zu suchen, was dazu führe, dass ein herbeigeführter Schaden ausgeglichen bzw. wettgemacht werden muss - materiell oder in Form seelischer Wiedergutmachung. Nietzsche erachtet das Bedürfnis hinsichtlich der Schuldfrage demnach schlicht als Legitimation für eine rächende Strafe.

Freud wiederum betrachtet den Begriff Schuld als affektiven Zustand. Dieser Zustand, der sich Folge einer normverletzenden Handlung ergibt, wird von Freud als 'soziale Angst' bezeichnet, da dieser eng mit der - zumindest befürchteten - äußeren Reaktion sozialer Kontrolle verbunden sei. Hierzu grenzt Freud das Gewissen ab, das mit intrinsischer Schuld und Scham zu vergleichen ist. Diese Form der empfundenen Schuld sei nach Freud erst zu bejahen, wenn das Schuldgefühl nicht allein durch äußere Autorität, sondern vielmehr aufgrund einer verinnerlichten moralischen Instanz, dem Über-Ich, herbeigeführt wird.

Schuld, Scham und Strafe

Literatur

• Bischöfe Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen-Brixen und Lüttich (1999): Die Bibel: Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. 13. Auflage. Freiburg: Herder

• Böhm, Tomas; Kaplan, Suzanne (2009): Rache. Zur Psychodynamik einer unheimlichen Lust und ihrer Zähmung. Gießen: Psychosozial

• Bongardt, Michael (2010): Jenseits von Angst und Strafe. Theologisches und Philosophisches zum Thema Schuld. In: Jürgen Körner; Burkhard Müller (Hrsg.): Schuldbewusstsein und reale Schuld. Gießen: Psychosozial. S. 225-238

• Busch, Wilhelm (2008): Hans Huckebein - der Unglücksrabe. In: Rolf Hochhuth (Hrsg.): Und die Moral von der Geschicht. Wilhelm Busch. Sämtliche Werke. 12. Auflage. München: Bertelsmann. S. 646

• Corsten, Hans; Reiß, Michael (Hrsg. 2008) Betriebswirtschaftslehre, Band 1 Grundlagen, Internes Rechnungswesen, Externes Rechnungswesen, Beschaffung. ‪Lehr- und Handbücher der Betriebswirtschaftslehre. München: Oldenbourg

• Dostojewski, Fjodor M. (2004): Die Brüder Karamasow. München: Piper. S. 525

• Erdheim, Marion (2005): Das Traumatisierende an der Macht. Anne Springer; Alf Gerlach; Anne-Marie Schlösser (Hrsg.): Macht und Ohnmacht. Gießen: Psychosozial: S. 11-26

• Gasser, Reinhard (1997): Nietzsche und Freud. Berlin: De Gruyter. S. 295-312

• Haesler, Ludwig (2010): Von der Angst vor Vernichtung, Rache und Vergeltung zum Gewissen. Psychoanalytische Überlegungen zur Entwicklung von Schuldbewusstsein und Verantwortungsgefühl. In: Jürgen Körner; Burkhard Müller (Hrsg.): Schuldbewusstsein und reale Schuld. Gießen: Psychosozial. S. 41-67

• Hassemer, Winfried (1993): Schuld und Verantwortung. In: Günther Kaiser; Hans-Jürgen Kerner; Fritz Sack; Hartmut Schellhoss (Hrsg.): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. 3. völlig neubearb. u. erw. Auflage. Heidelberg: C. F. Müller. S. 450-454

• Kemper, Angelika (2007):"Auf, aufgelebt, du alter Adam!": "Schuld" in der deutschsprachigen Komödie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts‬. ‪Band 41 von Mannheimer Studien zur Literatur- und Kulturwissenschaft. St. Ingbert: Röhrig

• Kluge, Friedrich (1999): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. erw. Auflage. Berlin: De Gruyter

• Machlitt, Klaus (2010): Schuld, Scham und Wiedergutmachung in der Therapie sexuell grenzverletzender Jugendlicher. In: Peer Briken; Aranke Spehr; Georg Romer; Wolfgang Berner (Hrsg.): Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche. Lengerich: Pabst Science. S. 243-252

• Safranski, Rüdiger (2003): Das Böse oder das Drama der Freiheit. 5. Auflage. Frankfurt/Main: Fischer

• Weigend, Thomas (2009): Strafgesetzbuch StGB. 47. Auflage. München: dtv