Schuld: Unterschied zwischen den Versionen

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Nach Kluge (1999) handelt es sich bei 'Schuld' um ein germanisches Rechtswort, das ursprünglich ebenso wie der Begriff 'Sünde' in altnordisch von ''syn'', in altfränkisch von ''sinne'' sowie in altsächsisch von ''sunda'' abstammt. Im Deutschen wurde 'Schuld' schließlich von 'Sollen' abgeleitet.  
Nach Kluge (1999) handelt es sich bei 'Schuld' um ein germanisches Rechtswort, das ursprünglich ebenso wie der Begriff 'Sünde' in altnordisch von ''syn'', in altfränkisch von ''sinne'' sowie in altsächsisch von ''sunda'' abstammt. Im Deutschen wurde 'Schuld' schließlich von 'Sollen' abgeleitet.  
Problematisch erscheint die fehlende Existenz einer allgemein gültigen Begriffsdefinition von 'Schuld', was nicht zuletzt mit der Verwendung des Begriffs in unterschiedlichen Bezügen und Disziplinen, wie Jura, Religionswissenschaft, Betriebswirtschaft, Psychologie usw. zurückgeführt wird. So versteht man beispielsweise aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter der 'Schuld' eine selbständig bewertbare und abgrenzbare Verbindlichkeit (vgl. auch Corsten & Reiß 2008), während in der Psychologie der Begriff der Schuld auch im Hinblick auf Emotionen betrachtet wird.
Problematisch erscheint die fehlende Existenz einer allgemein gültigen Begriffsdefinition von 'Schuld', was nicht zuletzt mit der Verwendung des Begriffs in unterschiedlichen Bezügen und Disziplinen, wie Jura, Religionswissenschaft, Betriebswirtschaft, Psychologie usw. zurückgeführt wird. So versteht man beispielsweise aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter der 'Schuld' eine selbständig bewertbare und abgrenzbare Verbindlichkeit (vgl. auch Corsten & Reiß 2008), während in der Psychologie der Begriff der Schuld auch im Hinblick auf Emotionen betrachtet wird.
Bereits Johann Christoph Adelung führte in seinem Werk 'Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart' (1. Auflage 1774-1786) zwei Dimensionen der Schuld mit jeweils herrschenden Begriffen an (zit. nach Kemper 2007, S. 23). Als erstes nennt Adelung den Begriff des Vergehens oder Verbrechens sowie den des begangenen Fehlers, des Versehens und der Ursächlichkeit eines Übels.  In der zweiten Dimension sieht er als Hauptbegriff  Verbindlichkeit in jedweder Form, einschließlich der von ihm als gewöhnlichste Bedeutung bezeichneten Form: einer Geldsumme.
Bereits Johann Christoph Adelung führte in seinem Werk 'Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart' (1. Auflage 1774-1786) zwei Dimensionen der Schuld mit jeweils herrschenden Begriffen an (zit. nach Kemper 2007, S. 23). Als erstes nennt Adelung den Begriff des Vergehens oder Verbrechens sowie den des begangenen Fehlers, des Versehens und der Ursächlichkeit eines Übels.  In der zweiten Dimension sieht er als Hauptbegriff  Verbindlichkeit in jedweder Form, einschließlich der von ihm als gewöhnlichste Bedeutung bezeichneten Form: einer Geldsumme.  
 
Haesler (2010, S. 47) weist auf die Unmöglichkeit einer einheitlichen Begriffsfindung hin und versteht 'Schuld' vielmehr als einen übergeordneten Konstruktionsbegriff unter dem die vielfältigen und individuellen Erfahrungsmöglichkeiten zusammengefasst werden. Machlitt (2010) ergänzt dahingehend, dass sich Schuld als ein Bwertungsergebnis darstellt, an dem sowohl innere als auch äußere Instanzen beteiligt sind. Des Weiteren weist er auf das notwendige Vorhandensein mindestens einer Instanz hin, die über inhaltliche Definitionsmacht verfügt und auch die Person/en als Schuldige/n bezeichnet.   
Haesler (2010, S. 47) weist auf die Unmöglichkeit einer einheitlichen Begriffsfindung hin und versteht 'Schuld' vielmehr als einen übergeordneten Konstruktionsbegriff unter dem die vielfältigen und individuellen Erfahrungsmöglichkeiten zusammengefasst werden. Machlitt (2010) ergänzt dahingehend, dass sich Schuld als ein Bwertungsergebnis darstellt, an dem sowohl innere als auch äußere Instanzen beteiligt sind. Des Weiteren weist er auf das notwendige Vorhandensein mindestens einer Instanz hin, die über inhaltliche Definitionsmacht verfügt und auch die Person/en als Schuldige/n bezeichnet.   
Kemper (2007, S. 21) versteht unter 'Schuld' u. a. die kommunizierbare Verantwortlichkeit auf individueller, gesellschaftlicher und kollektiver Ebene.  
Kemper (2007, S. 21) versteht unter 'Schuld' u. a. die kommunizierbare Verantwortlichkeit auf individueller, gesellschaftlicher und kollektiver Ebene.  
Insbesondere die von Machlitt angeführte Begriffsbestimmung verdeutlicht die Abhängigkeit des Schuldbegriffs von gesellschaftlichen und (sub-)kulturellen Normen und Werten sowie die Schwierigkeit der Findung eines zeit- und situationsüberdauerndenden Begriffs (vgl. hierzu auch Kemper 2007, S. 15).
Insbesondere die von Machlitt angeführte Begriffsbestimmung verdeutlicht die Abhängigkeit des Schuldbegriffs von gesellschaftlichen und (sub-)kulturellen Normen und Werten sowie die Schwierigkeit der Findung eines zeit- und situationsüberdauerndenden Begriffs (vgl. hierzu auch Kemper 2007, S. 15).
   
   
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==Kritische Begriffsbetrachtung==
==Kritische Begriffsbetrachtung==
Hassemer (1993) wirft aus kriminologischer Sicht die Frage auf, ob es im Umgang mit delinquenten Menschen überhaupt um die Feststellung von Schuld und damit dem Erheben von Schuldvorwürfen gehen darf. Aus diesem Grund sei zur weiteren kritischen Betrachtung auf die begrifflichen Annäherungen von [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]] und Freud hingewiesen (vgl. Gasser 1997).
Hassemer (1993) wirft aus kriminologischer Sicht die Frage auf, ob es im Umgang mit delinquenten Menschen überhaupt um die Feststellung von Schuld und damit dem Erheben von Schuldvorwürfen gehen darf. Aus diesem Grund sei zur weiteren kritischen Betrachtung auf die begrifflichen Annäherungen von [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]] und Freud hingewiesen (vgl. Gasser 1997).
Nietzsche nähert sich dem Begriff der Schuld über "materielle Schulden", da er davon ausgeht, dass dieser hieraus abgeleitet wurde. Dem Menschen liege nach Nietzsche seit jeher daran, Wertbemessung vorzunehmen und Wertigkeiten gegeneinander abzuwiegen. Eben hierin sei der Ursprung für die Übertragung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses auch auf moralische Schulden zu suchen, was dazu führe, dass ein herbeigeführter Schaden ausgeglichen bzw. wettgemacht werden muss - materiell oder in Form seelischer Wiedergutmachung. Nietzsche erachtet das Bedürfnis hinsichtlich der Schuldfrage demnach schlicht als Legitimation für eine rächende Strafe.
Nietzsche nähert sich dem Begriff der Schuld über "materielle Schulden", da er davon ausgeht, dass dieser hieraus abgeleitet wurde. Dem Menschen liege nach Nietzsche seit jeher daran, Wertbemessung vorzunehmen und Wertigkeiten gegeneinander abzuwiegen. Eben hierin sei der Ursprung für die Übertragung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses auch auf moralische Schulden zu suchen, was dazu führe, dass ein herbeigeführter Schaden ausgeglichen bzw. wettgemacht werden muss - materiell oder in Form seelischer Wiedergutmachung. Nietzsche erachtet das Bedürfnis hinsichtlich der Schuldfrage demnach schlicht als Legitimation für eine rächende Strafe.
Freud wiederum betrachtet den Begriff Schuld als affektiven Zustand. Dieser Zustand, der sich als Folge einer normverletzenden Handlung ergibt, wird von Freud als 'soziale Angst' bezeichnet, da dieser eng mit der - zumindest befürchteten - äußeren Reaktion [[soziale Kontrolle|sozialer (Kontroll-)Organe]] verbunden sei. Hierzu grenzt Freud das Gewissen ab, das mit intrinsischer Schuld und Scham zu vergleichen ist. Diese Form der empfundenen Schuld sei nach Freud erst zu bejahen, wenn das Schuldgefühl nicht allein durch äußere Autorität, sondern vielmehr aufgrund einer verinnerlichten moralischen Instanz, dem Über-Ich, herbeigeführt wird. Haesler greift 2010 die Gedanken von Freud auf und unterstreicht die seines Erachtens gegebene Sinnhaftigkeit einer synonymen Verwendung der Begriffe 'reale Schuld', 'Schuldgefühle' und 'Schuldbewusstsein'. Als Begründung benennt er die Notwendigkeit auf Seiten des Täters, Schuld an einer objektiv zurechenbaren Tat auch psychisch als solche zu erleben, damit tatsächlich die Verwendung des Begriffs 'Schuld' seine Berechtigung finde.  
Freud wiederum betrachtet den Begriff Schuld als affektiven Zustand. Dieser Zustand, der sich als Folge einer normverletzenden Handlung ergibt, wird von Freud als 'soziale Angst' bezeichnet, da dieser eng mit der - zumindest befürchteten - äußeren Reaktion [[soziale Kontrolle|sozialer (Kontroll-)Organe]] verbunden sei. Hierzu grenzt Freud das Gewissen ab, das mit intrinsischer Schuld und Scham zu vergleichen ist. Diese Form der empfundenen Schuld sei nach Freud erst zu bejahen, wenn das Schuldgefühl nicht allein durch äußere Autorität, sondern vielmehr aufgrund einer verinnerlichten moralischen Instanz, dem Über-Ich, herbeigeführt wird. Haesler greift 2010 die Gedanken von Freud auf und unterstreicht die seines Erachtens gegebene Sinnhaftigkeit einer synonymen Verwendung der Begriffe 'reale Schuld', 'Schuldgefühle' und 'Schuldbewusstsein'. Als Begründung benennt er die Notwendigkeit auf Seiten des Täters, Schuld an einer objektiv zurechenbaren Tat auch psychisch als solche zu erleben, damit tatsächlich die Verwendung des Begriffs 'Schuld' seine Berechtigung finde.  


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