Restorative Justice: Unterschied zwischen den Versionen

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John Braithwaite unterscheidet drei Arten von Qualitäts-Standards: begrenzende (die unbedingt einzuhalten sind), maximierende (die bestmöglich entwickelt werden sollten) und emergente oder ermöglichende (die nicht erzwungen werden dürfen, aber überaus hilfreich sein können). Diese drei Standards - limiting, maximizing, emerging/enabling - beruhen zum Teil auf dem Prinzip der Nicht-Beherrschung und zum Teil auf Werten, die sich in internationalen Normen (vor allem UNO-Konventionen und Erklärungen) finden.  
John Braithwaite unterscheidet drei Arten von Qualitäts-Standards: begrenzende (die unbedingt einzuhalten sind), maximierende (die bestmöglich entwickelt werden sollten) und emergente oder ermöglichende (die nicht erzwungen werden dürfen, aber überaus hilfreich sein können). Diese drei Standards - limiting, maximizing, emerging/enabling - beruhen zum Teil auf dem Prinzip der Nicht-Beherrschung und zum Teil auf Werten, die sich in internationalen Normen (vor allem UNO-Konventionen und Erklärungen) finden.  


Das Prinzip der Nicht-Beherrschung
=== Das Prinzip der Nicht-Beherrschung ===
Konfliktlösungsprozesse müssen versuchen, Betroffene weder auszugrenzen noch mundtot zu machen oder sonstwie einzuschüchtern. Wenn Personen mit einem legitimen Interesse an einer Sitzung teilnehmen wollen, sollten sie nicht ausgeschlossen werden. Bei jungen Tätern ist es wichtig, sie nicht in eine Situation zu zwingen, wo sie einem ganzen Raum voller Erwachsener schutzlos ausgeliefert sind. Auf jeden Fall bedarf es starker erwachsener Persönlichkeiten, die sich trauen, als Interessensvertreter der Jugendlichen den Mund aufzumachen. Wo das Risiko eines Machtungleichgewichts zwischen Tätern und Opfern besteht, bedarf es einer Menge Vorbereitungsarbeit, bevor eine Sitzung anberaumt wird. In den Ländern, in denen Polizeibeamte das Recht haben, Jugendliche an Programme wiederherstellender Gerechtigkeit zu überweisen, bedeutet das Prinzip der Nicht-Beherrschung, dass die Jugendlichen auf jeden Fall gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, kostenlos einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, der sich in der Materie auskennt und sich dem Jugendlichen gegenüber äußern kann, welche Alternativen es zur Teilnahme gibt, welche Risiken und Chancen die Teilnahme bietet, worauf zu achten ist und so weiter. Andererseits sollte die Verfügbarkeit von rechtlicher Beratung nicht dazu führen, dass der Konflikt dem Täter (oder dem Opfer) von Rechtsanwälten aus den Händen genommen und nur noch zwischen den Anwälten ausgetragen wird. Auch das widerspräche dem Prinzip der Nicht-Beherrschung. Geradezu widersinnig wäre es andererseits, wenn die Gruppe, innerhalb derer sich die Konfliktlösung abspielt, das Recht verliehen wäre, in ihren Sanktionen über das für die in Frage stehenden Taten vorgesehene gesetzliche Strafmaximum hinauszugehen. Derartige Exzesse wären zweifellos ebenfalls ein Verstoß gegen dieses Prinzip.  
Konfliktlösungsprozesse müssen versuchen, Betroffene weder auszugrenzen noch mundtot zu machen oder sonstwie einzuschüchtern. Wenn Personen mit einem legitimen Interesse an einer Sitzung teilnehmen wollen, sollten sie nicht ausgeschlossen werden. Bei jungen Tätern ist es wichtig, sie nicht in eine Situation zu zwingen, wo sie einem ganzen Raum voller Erwachsener schutzlos ausgeliefert sind. Auf jeden Fall bedarf es starker erwachsener Persönlichkeiten, die sich trauen, als Interessensvertreter der Jugendlichen den Mund aufzumachen. Wo das Risiko eines Machtungleichgewichts zwischen Tätern und Opfern besteht, bedarf es einer Menge Vorbereitungsarbeit, bevor eine Sitzung anberaumt wird. In den Ländern, in denen Polizeibeamte das Recht haben, Jugendliche an Programme wiederherstellender Gerechtigkeit zu überweisen, bedeutet das Prinzip der Nicht-Beherrschung, dass die Jugendlichen auf jeden Fall gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, kostenlos einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, der sich in der Materie auskennt. Der Anwalt könnte dem Jugendlichen dann auch Alternativen zur Teilnahme an einem solchen Verfahren aufzeigen und erläutern.
 
Andererseits sollte die Verfügbarkeit von rechtlicher Beratung nicht dazu führen, dass der Konflikt dem Täter (oder dem Opfer) von Rechtsanwälten aus den Händen genommen und nur noch zwischen den Anwälten ausgetragen wird. Auch das widerspräche dem Prinzip der Nicht-Beherrschung. Geradezu widersinnig wäre es andererseits, wenn die Gruppe, innerhalb derer sich die Konfliktlösung abspielt, in ihren Reaktionen über das gesetzliche Strafmaximum für eine derartige Tat hinausgehen dürfte. Derartige Exzesse wären zweifellos ebenfalls ein Verstoß gegen dieses Prinzip.
 
Um Stimatisierung zu vermeiden und um einen möglichst herrschaftsfreien Dialog zu ermöglichen, ist es einerseits auch gut, die Öffentlichkeit von den Sitzungen solcher alternativen Verfahren auszuschließen. Um den Verlust an Konrolle zu kompensieren, ist es andererseits unabdingbar, solche Sitzungen für Forscher, Kritiker, Journalisten, Politiker, Richter und KollegInnen von anderen alternativen Konfliktregelungsgremien weit zu öffnen. Am allerwichtigsten ist die Öffnung von solchen Sitzungen für "peer reviewers", d.h. für Gleichgestellte, die Erfahrung mit der alterenativen Konfliktregelung haben und die in der Lage sind, die Einhaltung der Standards zu überprüfen.  
Um Stimatisierung zu vermeiden und um einen möglichst herrschaftsfreien Dialog zu ermöglichen, ist es einerseits auch gut, die Öffentlichkeit von den Sitzungen solcher alternativen Verfahren auszuschließen. Um den Verlust an Konrolle zu kompensieren, ist es andererseits unabdingbar, solche Sitzungen für Forscher, Kritiker, Journalisten, Politiker, Richter und KollegInnen von anderen alternativen Konfliktregelungsgremien weit zu öffnen. Am allerwichtigsten ist die Öffnung von solchen Sitzungen für "peer reviewers", d.h. für Gleichgestellte, die Erfahrung mit der alterenativen Konfliktregelung haben und die in der Lage sind, die Einhaltung der Standards zu überprüfen.  


Internationale Standards  
=== Internationale Standards ===
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formuliert in ihrer Präambel die Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, hat aber in ihren 30 Artikeln noch mehr zu bieten, nämlich nicht zuletzt das Recht, nicht willkürlich seines Eigentums, seines Lebens, seiner Freiheit oder seiner Sicherheit beraubt zu werden (Artikel 17, 3, 25) - auch gibt es ein Menschenrecht auf Gesundheitsfürsorge (Artikel 25) und demokratische Teilhabe (Artikel 21). Für wiederherstellende Gerechtigkeit ist Artikel 5 von großer Bedeutung: "Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formuliert in ihrer Präambel die Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, hat aber in ihren 30 Artikeln noch mehr zu bieten, nämlich nicht zuletzt das Recht, nicht willkürlich seines Eigentums, seines Lebens, seiner Freiheit oder seiner Sicherheit beraubt zu werden (Artikel 17, 3, 25) - auch gibt es ein Menschenrecht auf Gesundheitsfürsorge (Artikel 25) und demokratische Teilhabe (Artikel 21). Für wiederherstellende Gerechtigkeit ist Artikel 5 von großer Bedeutung: "Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."


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Braithwaite leitet aus seiner "republikanischen Perspektive" und den aus dem Menschenrechtsinstrumentarium der Vereinten Nationen gewonnenen Wertorientierungen heuristisch folgende vorläufige Standards ab:  
Braithwaite leitet aus seiner "republikanischen Perspektive" und den aus dem Menschenrechtsinstrumentarium der Vereinten Nationen gewonnenen Wertorientierungen heuristisch folgende vorläufige Standards ab:  


Einschränkende Standards
=== Standards ===


Nicht-Beherrschung
Nicht-Beherrschung
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(6) Örtliche Erfahrungen auf nationaler Ebene sammeln, auswerten und nach Möglichkeit staatliche Unterstützung für konsentierte Praktiken mobilisieren.
(6) Örtliche Erfahrungen auf nationaler Ebene sammeln, auswerten und nach Möglichkeit staatliche Unterstützung für konsentierte Praktiken mobilisieren.


== Risiken ==
== Risiken ==
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